Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I. Das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betrifft die Übernahme der Betriebskostennachforderung des Vermieters
des Beschwerdeführers für das Jahr 2008 in Höhe von 560,09 EUR.
Mit einem undatierten Schreiben forderte der Vermieter des Beschwerdeführers, M. E., für den Abrechungszeitraum vom 01.01.2008
bis zum 31.12.2008 für dessen Wohnung Betriebskosten abzüglich der im Jahr 2008 geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 560,09
EUR nach. Die Erstattung dieser Kosten hat der Beschwerdeführer nach Aktenlage spätestens am 23.12.2009 bei der Beschwerdegegnerin
beantragt.
Mit Bescheid vom 19.01.2010 lehnte die Beschwerdegegnerin diesen Antrag teilweise ab. Eine Erstattung komme lediglich für
die reinen Heizkosten in Frage. Um darüber zu entscheiden, seien noch weitere Unterlagen erforderlich.
Den dagegen eingelegten Widerspruch lehnte die Beschwerdegegnerin durch Widerspruchsbescheid vom 01.04.2010 als unbegründet
ab. Eine Klage dagegen hat der Kläger bis heute nicht erhoben.
Mit Beschluss vom 12.02.2010 Az. S 4 AS 93/10 ER hat das Sozialgericht R. (SG) den Antrag des Klägers vom 29.01.2010, gerichtet auf vorläufige Übernahme der Betriebskostennachzahlung für das Jahr 2008
in Höhe von 560,09 EUR, abgelehnt und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung abgelehnt.
Durch Schriftsatz vom 07.04.2010, beim SG eingegangen am 12.04.2010, hat der Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des SG vom 18.03.2010 Az. S 13 SV 7/10 ER und vom 31.03.2010 Az. S 10 AS 158/10 ER Beschwerde eingelegt. Weiter hat er formuliert: "Ich lege gegen sonstige noch anhängige Verfahren form- und fristgerecht
Widerspruch ein und begehre außerdem in allen Verfahren Rechtsschutzzusage und benenne Ihnen in Kürze einen Anwalt. Ausgenommen
werden soll von meinem Widerspruch die bereits zu meinen Gunsten entschiedene Mieterhöhung und deren Übernahme durch die ARGE."
Das SG hat den Schriftsatz vom 07.04.2010 zusammen mit allen rechtsmittelfähigen Entscheidungen erster Instanz dem Bayerischen Landessozialgericht
vorgelegt. Bei der Registratur des Gerichts ist der Schriftsatz vom 07.04.2010 so aufgefasst worden, dass er sich unter anderem
gegen den Beschluss des SG vom 12.02.2010 im Verfahren Az.: S 4 AS 93/10 ER richte; hierfür ist das hier vorliegende Aktenzeichen vergeben worden.
Nachdem die Beschwerdegegnerin gerügt hat, dass die Beschwerde erst außerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist erhoben worden
sei, hat der Beschwerdeführer gebeten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er habe beim SG immer wieder Prozesskostenhilfe beantragt, die leider nicht genehmigt worden sei. Durch die mehrfachen Schreiben und auch
das Warten auf Genehmigung von Prozesskostenhilfe habe er Fristen versäumt. Er habe dem SG auch mitgeteilt, dass er durch die Verfahren überfordert sei wegen seiner Krankheit.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer beantragt sinngemäß, den Beschluss des SG vom 12.02.2010 aufzuheben und
1. die Beschwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die Betriebskostennachforderung seines
Vermieters für das Jahr 2008 in Höhe von 560,09 EUR zu erstatten, und
2. ihm Prozesskostenhilfe für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem SG zu bewilligen und Rechtsanwältin C. O., R., beizuordnen.
Ferner beantragt der Beschwerdeführer, ihm Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen und Rechtsanwältin
C. O., R., beizuordnen.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zu verwerfen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beschwerdegegnerin verwiesen.
II. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des SG vom 12.02.2010 Az.: S 4 AS 93/10 ER ist unzulässig.
Die Beschwerde ist gemäß §
172 Abs.
3 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Beschwerdegegenstand
ist die Übernahme einer Betriebskostennachzahlung in Höhe von 560,09 EUR. Damit wäre in einem Hauptsacheverfahren der für
die Zulässigkeit der Berufung maßgebliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR nach §
144 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGG nicht erreicht.
Auch bezüglich der Ablehnung von Prozesskostenhilfe unter Ziff. III des angefochtenen Beschlusses ist die Beschwerde nicht
zulässig. Nach in der Rechtsprechung und Literatur umstrittener Auffassung, der sich der Senat angeschlossen hat, ist die
Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe gemäß §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. §
127 Abs.
2 Satz 2 Halbsatz 2
Zivilprozessordnung (
ZPO) ausgeschlossen, wenn der Streitwert der Hauptsache die jeweils einschlägige Berufungssumme nach §
144 Abs.
1 SGG - hier: 750 EUR gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG - nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für
die Prozesskostenhilfe verneint (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.12.2008 Az. L 8 AS 4968/08 PKH-B, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.07.2008 Az.: L 12 B 18/07 AL, Sächsisches LSG, Beschluss vom 18.08.2009 Az. L 2 AS 321/09 B PKH, BayLSG, Beschluss vom 06.11.2009 Az. L 7 AS 525/09 B PKH, BayLSG, Beschluss vom 12.11.2009 Az. L 11 AS 688/09 B PKH, BayLSG, Beschluss vom 29.01.2010 Az. L 16 AS 712/09 B PKH; a. A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. A. 2008, §
73a Rdnr. 12b, LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.08.2007 Az. L 5 B 573/07 AS PKH, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09.06.2008 Az. L 9 B 117/08 AS). §
127 Abs.
2 Satz 2 Halbsatz 2
ZPO stellt darauf ab, ob der Streitwert der Hauptsache den in §
511 ZPO genannten Betrag übersteigt. §
511 Abs.
2 ZPO konstituiert als Zulässigkeitsvoraussetzung der Berufung im Zivilprozess, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR
übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat. In der entsprechenden Anwendung
des §
127 ZPO, die §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG für die Sozialgerichtsbarkeit vorsieht, kann dieser Verweis nach seinem Sinn und Zweck nur auf die in §
144 Abs.
1 Satz 1 Nrn. 1 und 2
SGG festgelegten Mindestbeträge für den Wert des Beschwerdegegenstandes verstanden werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die
übrigen in §
144 Abs.
1 SGG normierten Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Schwellenwerte nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nrn. 1 und 2
SGG vorliegen, wenn also beispielsweise kein Fall einer wiederkehrenden oder laufenden Leistung für mehr als ein Jahr vorliegt,
bei dem nach §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG die Berufung ohne Bindung an Schwellenwerte keiner Zulassung bedarf. Für die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann schon deshalb nichts anderes gelten, weil bezüglich der Entscheidung im
einstweiligen Rechtsschutz nach §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG die Schwellenwerte des §
144 Abs.
1 SGG entsprechende Anwendung finden.
Soweit die Gegenauffassung damit begründet wird, dass im Zivilprozess anders als in der Sozialgerichtsbarkeit eine Beschwerde
gegen die Nichtzulassung der Berufung unterhalb der Berufungssummen nicht gegeben sei, so dass die weitergehenden Rechtsschutzmöglichkeiten
in der Hauptsache auch eine weiterreichende Beschwerdemöglichkeit in PKH-Sachen in der Sozialgerichtsbarkeit geböten, lässt
sich hieraus nach Ansicht des Senats kein zwingendes Argument gegen die hier vertretene Auffassung ableiten. §
127 Abs.
2 Satz 2
ZPO stellt eindeutig nur auf den in §
511 ZPO festgelegten Wert ab, ohne die Rechtsschutzmöglichkeiten bei Unterschreiten dieses Wertes in irgendeiner Weise zu berücksichtigen.
Abgesehen von der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Regelungsstruktur im Zivil- und Sozialgerichtsprozess
vergleichbar: Auch §
511 ZPO kennt unterhalb der Berufungssumme die Möglichkeit der Zulassung der Berufung. Diese Möglichkeit ist bei der Entscheidung
über die Prozesskostenhilfe, soweit diese vor dem Urteil erster Instanz ergeht, auch noch offen. Davon abgesehen, wäre die
Beschwerde gegen die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe im Zivilprozess bei einem Streitwert unterhalb der Berufungssumme
sogar dann ausgeschlossen, wenn das erstinstanzliche Urteil bei der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag bereits
vorläge und darin die Berufung zugelassen worden wäre. Damit ergibt sich im Erst-recht-Schluss kein Grund, im Sozialgerichtsprozess
die PKH-Beschwerde bei erstinstanzlich abgelehnter Berufungszulassung zuzulassen, nur weil die Berufungsinstanz auf Beschwerde
hin die Berufung noch zulassen könnte. Für PKH-Anträge, die sich auf Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beziehen,
spielt dieses Argument ohnehin keine Rolle, weil es eine Zulassung der Beschwerde unterhalb der Schwellenwerte nach §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG i. V. m. §
144 Abs.
1 ZPO nicht gibt. Zu berücksichtigen ist auch, dass allein der Streitwert der Hauptsache noch nichts darüber aussagt, ob die Berufung
einer Partei letztlich zulassungsfrei möglich sein wird, da dies allein von der Beschwer abhängt, die sich für die Par-tei
konkret aus der die Instanz abschließenden Entscheidung ergibt, die im Zeitpunkt der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe
in der Regel noch nicht vorliegt.
Die zum 01.04.2008 in Kraft getretene Regelung des §
172 Abs.
3 Nr.
2 SGG, wonach die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen ist, wenn das Gericht ausschließlich die
persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint, stellt keine abschließende Regelung des Ausschlusses der Beschwerde
in PKH-Sachen dar, sondern lässt den bereits zum 01.01.2002 in Kraft getretenen Ausschluss der Beschwerde nach §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. §
127 Abs.
2 Satz 2 Halbsatz 2
ZPO unberührt. Dies zeigt zum einen §
172 Abs.
1 SGG, der auf andere Bestimmungen zum Beschwerdeausschluss verweist. Zum anderen ist schwer vorstellbar, dass der Gesetzgeber
mit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 (BGBl I S 444) durch
die Einführung des §
172 Abs.
3 SGG die Sozialgerichtsbarkeit entlasten wollte (so BT-Drs. 16/7716 S. 1 und 2) und zugleich den Beschwerdeausschluss wegen Unterschreitens
des Berufungsbeschwerdewertes nach §
127 Abs.
2 Satz 2 Halbsatz 2
ZPO beseitigen wollte (ausführlich hierzu BayLSG, Beschluss vom 29.01.2010 Az. L 16 AS 721/09 B PKH).
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Beschwerde gemäß §
173 SGG innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses eingelegt worden ist, was angesichts des fehlenden
Zustellungsnachweises in der Akte des Sozialgerichts Regensburg zweifelhaft ist.
Der Antrag, für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin C. O., R., beizuordnen, war abzulehnen,
weil die Beschwerde aus den dargestellten Gründen von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte (§
73 a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
114 S. 1
ZPO).
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.