Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Mitwirkungspflichten des Hilfebedürftigen bei Auskünften über die finanziellen Verhältnisse
seiner GmbH
Gründe:
I. Der 1960 geborene Beschwerdeführer zu 1 lebt zusammen mit seinem 1991 geborenen Sohn, dem Beschwerdeführer zu 2.
Die Beschwerdegegnerin bewilligte den Beschwerdeführern mit Bescheid vom 21.01.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 30.04.2010 in Höhe von insgesamt 1443,79
EUR monatlich. Davon entfielen auf den Beschwerdeführer zu 1 monatlich 359 EUR Regelleistung + 365,90 EUR Kosten für Unterkunft
und Heizung (KdU) + 220 EUR Zuschlag nach § 24 SGB II (Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld). Auf den Beschwerdeführer
zu 1 entfielen monatlich 133 EUR Regelleistung + 365,89 EUR KdU.
In der Folgezeit erfuhr die Beschwerdegegnerin, dass der Beschwerdeführer zu 1 in Anzeigen sowie im Internet als Geschäftsführer
einer gewissen P. UG auftrat.
Mit Schreiben vom 05.03.2010 forderte die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer zu 1 auf, folgende Unterlagen vorzulegen:
- die Gewerbeanmeldung
- die "Anlage EKS" für den Zeitraum Oktober 2009 bis April 2010
- Nachweise über Bezahlung von Schuldzinsen seit Dezember 2009.
Zur Vorlage dieser Nachweise wurde dem Beschwerdeführer zu 1 eine Frist bis zum 18.03.2010 gesetzt. Er wurde darüber belehrt,
dass bei Verletzung seiner Mitwirkungspflicht die Leistung ohne weitere Ermittlungen versagt oder entzogen werden könne.
Am 16.03.2010 ging bei der Beschwerdegegnerin ein Schreiben des Beschwerdeführers zu 1 ein, dem insbesondere folgende Anlagen
beigefügt waren:
die "Anlage EKS", das heißt die Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft,
mit Unterschrift vom 10.03.2010. Als Gewerbeart war angegeben: "Geschäftsführer der P. UG". Bezüglich der Angaben zum Einkommen
aus selbstständiger Tätigkeit wurde auf ein beiliegendes Schreiben vom 10.03.2010 verwiesen, in dem mitgeteilt wurde, dass
die monatliche Vergütung, die der Beschwerdeführer zu 1 von der P. UG für seine Tätigkeit als Geschäftsführer erhalte, bei
100 EUR liege. Als weiteren Beleg hierfür legte er Lohnabrechnungen der P. UG für mehrere Monate bei, die bei einem Bruttogehalt
von 100 EUR einen Nettoverdienst von zwischen 86 EUR und 87,75 EUR auswiesen.
die Gewerbeanmeldung, die der Beschwerdeführer zu 1 am 03.09.2009 als Geschäftsführer der P. UG vorgenommen hatte.
Durch Schreiben vom 17.03.2010 übermittelte die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer zu 1 nochmals die Anlage EKS mit der
Aufforderung, diese "komplett auszufüllen". Es sei erforderlich, dass er als Inhaber der Firma die Angaben vollständig mache
und nicht nur sein eigenes Geschäftsführergehalt angebe.
Am 23.03.2010 ging bei der Beschwerdegegnerin ein Schreiben des Beschwerdeführers zu 1 ein, in dem dieser die Anlage EKS nochmals
ausgefüllt vorlegte, dabei jedoch bei den Angaben zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit mitteilte, dass diese bereits
bekannt gegeben worden seien. Angaben zu den finanziellen Verhältnissen der P. UG dürfe er nicht machen, da diese als GmbH
eigene Rechtspersönlichkeit habe.
Durch Bescheid vom 25.03.2010, adressiert an den Beschwerdeführer zu 1, teilte die Beschwerdegegnerin mit, die Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II würden ab dem 01.04.2010 ganz entzogen. Die Entziehung betreffe die Leistungen
aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Der Bescheid wurde damit begründet, die fehlenden Unterlagen und Nachweise bezüglich
der Angaben über die Einnahmen und Ausgaben des angemeldeten Gewerbes, die nicht nur über das Einkommen des Beschwerdeführers
zu 1 als Geschäftsführer benötigt würden, sondern auch über alle Einnahmen und Ausgaben des Gewerbes, sowie die Nachweise
über die Weiterleitung der Schuldzinsen seit Dezember 2009, würden für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen zwingend benötigt
und seien trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vollständig vorgelegt worden. Rechtsgrundlage für die Entscheidung seien
die §§
60 und
66 SGB I.
Zur Ermessensausübung finden sich in dem Bescheid folgende Erwägungen: Die Behörde sei verpflichtet, wirtschaftlich zu handeln.
Im Interesse der Gemeinschaft der Steuerzahler sei es geboten, Leistungen nur bei nachgewiesener Hilfebedürftigkeit und in
rechtmäßiger Höhe zu erbringen. Es seien keine Ermessensgesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen, die man im Rahmen der Ermessensentscheidung
zu Gunsten des Beschwerdeführers zu 1 berücksichtigen könne. Bei Nachholung der Mitwirkung werde geprüft, ob die Anspruchsvoraussetzungen
erfüllt seien und die Leistungen ganz oder teilweise nachgezahlt werden könnten. Gegen diesen Bescheid haben beide Beschwerdeführer
am 31.03.2010 Widerspruch eingelegt.
Am 01.04.2010 ist beim Sozialgericht München (SG) ein Antrag der Beschwerdeführer auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bezüglich des Entziehungsbescheides vom 25.03.2010
eingegangen (Az. S 46 AS 870/10 ER). Durch einen im Erörterungstermin vom 30.04.2010 verkündeten Beschluss hat das SG den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Entziehungsbescheid der Beschwerdeführerin
vom 25.03.2010 abgelehnt.
Mit der dagegen eingelegten Beschwerde vom 17.05.2010 bringen die Beschwerdeführer weiterhin vor, dass der Beschwerdeführer
zu 1 als Geschäftsführer der P. UG, einer GmbH mit eigener Rechtspersönlichkeit, nicht befugt sei, die finanziellen Verhältnisse
dieser Gesellschaft zu offenbaren. Der Beschwerdeführer zu 1 sei lediglich bereit, den Geschäftsführer-Anstellungsvertrag
offen zu legen. Im Übrigen habe er Kapitaleinkünfte durch eine vertraglich geregelte Gewinnausschüttung.
Die Beschwerdeführer beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 30.04.2010 aufzuheben, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Entziehungsbescheid
der Beschwerdegegnerin vom 25.03.2010 anzuordnen und ihnen die ursprünglich bewilligten Regelleistungen, notfalls vorläufig
als Darlehen, zu erbringen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Landessozialgericht hat einen Auszug des Handelsregisters B des Amtsgerichts I. über die P. UG eingeholt. Demnach handelt
es sich um eine GmbH, die am 11.08.2009 zunächst mit einem Stammkapital von nur 1 Euro aufgrund Gesellschaftsvertrags vom
27.07.2009 eingetragen wurde. Am 09.06.2010 erfolgte die Eintragung einer Kapitalerhöhung auf 600 EUR aufgrund Gesellschafterversammlung
vom 31.05.2010. Als Gegenstand des Unternehmens sind eingetragen: Verkauf und Vertrieb medizinischer Software, medizinischer
Produkte und Einmalartikel, von Produkten für die Gesundheitsfürsorge wie Trainingsgeräten, Trainingskleidung und Überwachungssystemen,
von Produkten zur Steigerung der körpereigenen Abwehr wie z.B. Kräutern, Vitaminen, Mineralien von ausgesuchten Herstellern,
und die Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen zum Thema Salutogenese sowie der Aufbau von Gesundheitsnetzen. Seit dem
09.06.2010 sind folgende zusätzliche Gegenstände eingetragen: Import und Export sowie Vertrieb von Waren jeglicher Art, soweit
nicht genehmigungspflichtig, ferner das Pachten von Immobilien mit der Zielsetzung der Fruchtziehung durch Untervermietung.
Als Geschäftsführer ist der Beschwerdeführer zu 1 eingetragen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Akte des Landessozialgerichts und die beigezogenen Akten des SG sowie der Beschwerdegegnerin verwiesen.
II. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht erhoben. Die Beschwerdesumme nach § 172 Abs.
3 Nr.
1 i.V.m. §
144 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) von mindestens 750 EUR wird durch die Entziehung der für den Monat April 2010 bewilligten Leistungen in Höhe von 1443,79
EUR erreicht.
Was den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Entziehungsbescheid vom 25.03.2010 betrifft,
ist die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 2 begründet, die des Beschwerdeführers zu 1 jedoch unbegründet.
Das SG hat in dem angefochtenen Beschluss vom 30.04.2010 den Antrag des Beschwerdeführers zu 2, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
gegen den Entziehungsbescheid vom 25.03.2010 anzuordnen, zu Unrecht abgelehnt, soweit Leistungen an den Beschwerdeführer zu
2 betroffen waren.
Nach §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung
haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Gemäß § 39 Nr. 1 Sozialgesetzbuch II (SGB II) haben Widerspruch
und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt,
widerruft oder herabsetzt, keine aufschiebende Wirkung. Einen solchen Verwaltungsakt stellte der Entziehungsbescheid vom 25.03.2010
dar, da er den Bewilligungsbescheid vom 21.01.2010 für die Zeit vom 01.04.2010 bis zum 30.04.2010 aufhob.
Dabei entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Hauptsache sowie
einer allgemeinen Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung und der für die Dauer
einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. A., 2008, §
86b Rdnrn. 12e ff.). Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und das private Interesse des Betroffenen
an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen, wobei zu beachten ist, dass der Gesetzgeber mit dem Ausschluss
der aufschiebenden Wirkung in § 39 Sozialgesetzbuch II (SGB II) dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung gegenüber
dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub grundsätzlich Vorrang einräumt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. A., 2008, §
86b Rdnr. 12c). Die aufschiebende Wirkung ist in der Regel dann anzuordnen, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig
und der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt ist, weil ein öffentliches Interesse an der Vollziehung
eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes grundsätzlich nicht besteht.
Offensichtlich rechtswidrig war der Entziehungsbescheid gegenüber dem Beschwerdeführer zu 2, soweit dessen Leistungen betroffen
waren, aus drei Gründen:
Erstens wurde der Entziehungsbescheid nur an den Beschwerdeführer zu 1 adressiert und damit gegenüber dem Beschwerdeführer
zu 2 nicht wirksam. Der Beschwerdeführer zu 1 war bezüglich der Entgegennahme eines Entziehungsbescheides nicht für den Beschwerdeführer
zu 2 vertretungsbefugt. Weder lag eine ausdrückliche Vollmacht seitens des volljährigen Beschwerdeführers zu 2 vor, noch war
die Entgegennahme des Entziehungsbescheides von der Vollmachtsvermutung für den Antragsteller innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft
nach § 38 SGB II umfasst. Die Vollmachtsvermutung nach § 38 SGB II bezieht sich nämlich nur auf die Beantragung und Entgegennahme
von Leistungen nach dem SGB II, nicht aber auf deren Entziehung (Pilz, in: Gagel, SGB II/SGB III, 2010, § 38 SGB II Rdnr.
19). Die fehlende Vertretungsmacht des Bekanntgabeadressaten machte den Verwaltungsakt gegenüber dem Beschwerdeführer zu 2
zwar nicht nur rechtswidrig, sondern auch nichtig; auch nichtige Verwaltungsakte können aber zur Beseitigung des von ihnen
gesetzten Rechtsscheins auf einen Widerspruch oder eine Anfechtungsklage hin aufgehoben werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. A., 2008, §
55 Rdnr. 14a und Anhang §
54 Rdnr. 27), so dass aus demselben Grund die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines gegen sie gerichteten Rechtsbehelfs
in Betracht kommt.
Der zweite Grund für die Rechtswidrigkeit des Entziehungsbescheids gegenüber dem Beschwerdeführer zu 2 liegt darin, dass die
Entziehung nach §
66 Abs.
1 S. 1
SGB I nur gegenüber demjenigen zulässig ist, der seinen Mitwirkungspflichten nach den §§
60 bis
62 und
65 SGB I nicht nachkommt. Ein solcher Verstoß gegen Mitwirkungspflichten liegt jedoch in der Person des Beschwerdeführers zu 2 nicht
vor. Der Beschwerdeführer zu 2 ist an der P. UG weder beteiligt, noch ist er deren Geschäftsführer. Es ist nicht ersichtlich,
inwieweit er in der Lage gewesen sein sollte, die von der Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 05.03.2010 angeforderten Unterlagen
beizubringen, zumal diese Anforderung auch nur an den Beschwerdeführer zu 1 gerichtet war. Bei den Ansprüchen der Mitglieder
einer Bedarfsgemeinschaft handelt es sich um Individualansprüche, die zueinander im Verhältnis der Teilgläubigerschaft stehen.
Entziehung und Versagung nach §
66 SGB I können sich immer nur gegen diejenigen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft richten, in deren Person ein Verstoß gegen Mitwirkungspflichten
vorliegt.
Drittens wurde das nach §
66 Abs.
1 SGB I eröffnete Ermessen im Bescheid vom 25.03.2010 nur im Hinblick auf den Beschwerdeführer zu 1 ausgeübt, während die Interessen
des Beschwerdeführers zu 2 nicht einmal erwähnt wurden.
Gegenüber dem Beschwerdeführer zu 1 war der Entziehungsbescheid vom 25.03.2010 zwar möglicherweise, jedoch nicht offensichtlich
rechtswidrig. Die demnach maßgebliche Abwägung der gegenseitigen Interessen führt zu dem Ergebnis, insoweit die Anordnung
der aufschiebenden Wirkung nicht anzuordnen.
Möglicherweise rechtswidrig war der Entziehungsbescheid vom 25.03.2010 gegenüber dem Beschwerdeführer zu 1 deshalb, weil §
66 Abs.
1 S. 1
SGB I die Entziehung bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen in das Ermessen der Behörde stellt, dieses Ermessen, sofern es nicht auf
Null reduziert war, von der Beschwerdegegnerin jedoch in zweifelhafter Weise ausgeübt wurde. Problematisch ist insoweit, dass
in dem angefochtenen Bescheid ausgeführt wurde, es sei kein Interesse ersichtlich, das zu Gunsten des Beschwerdeführers zu
1 zu berücksichtigen wäre. Angesichts des existenziellen Interesses des Beschwerdeführers zu 1 an der Weiterzahlung der bewilligten
Leistungen ist eine derartig stark reduzierte Ermessensausübung schwer zu rechtfertigen. Gemeint war vermutlich, dass das
Interesse des Beschwerdeführers zu 1, die Leistungen weiter zu beziehen, ohne die finanziellen Verhältnisse der P. UG zu offenbaren,
im Verhältnis zum öffentlichern Interesse an der sparsamen Verwendung von Steuermitteln zurückzutreten habe. Ob eine so wohlwollende
Auslegung in Betracht kommt, um die Ermessensausübung für rechtmäßig zu halten, ist fragwürdig.
Selbst wenn insoweit ein Ermessensfehler vorläge, würde daraus jedoch nicht zwangsläufig die Rechtswidrigkeit des Entziehungsbescheides
folgen, da immerhin denkbar ist, dass im vorliegenden Fall das Ermessen der Beschwerdegegnerin bezüglich des Erlasses des
Entziehungsbescheides auf Null reduziert war, da sich der Beschwerdeführer zu 1 kategorisch weigerte, jegliche finanzielle
Verhältnisse der P. UG zu offenbaren, und keine andere Ermittlungsmöglichkeit für die Beschwerdegegnerin bezüglich dieser
finanziellen Verhältnisse ersichtlich war, so dass das öffentliche Interesse an der sparsamen Verwendung von Steuermitteln
klar den Vorrang hatte.
Im Übrigen ergeben sich gegen die Rechtmäßigkeit des Entziehungsbescheides vom 25.03.2010 keine Bedenken. Gemäß §
66 Abs.
1 S. 1
Sozialgesetzbuch I (
SGB I) können bereits bewilligte Leistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung insoweit, als die Voraussetzungen der Leistung nicht
nachgewiesen sind, entzogen werden, wenn derjenige, der eine Sozialleistung erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§
60 bis
62 oder 65
SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer
zu 1 die ihm nach §
60 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGB I obliegende Pflicht verletzt, alle Tatsachen anzugeben, die für die Sozialleistung erheblich sind, indem er sich weigerte,
Angaben zu den Einnahmen und Ausgaben der von ihm geführten P. UG zu machen. Bei der P. UG handelt es sich um eine Unternehmergesellschaft
im Sinne des § 5a GmbH-Gesetz, das heißt um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die mit einem Stammkapital gegründet wird, das den Betrag des Mindest-Stammkapitals
nach § 5 Abs. 1 GmbH-Gesetz von 25.000 EUR unterschreitet. Auch die Unternehmergesellschaft hat als GmbH eigene Rechtspersönlichkeit. Die Beschwerdeführer
haben deshalb insoweit Recht, als Einkommen und Vermögen der Unternehmergesellschaft nicht ohne Weiteres ihnen zuzurechnen
ist. Auch allein aus der Tatsache, dass der Beschwerdeführer zu 1 Geschäftsführer der Unternehmergesellschaft ist, folgt eine
solche Zurechnung noch nicht zwangsläufig, denn das GmbH-Recht kennt den Fremdgeschäftsführer, der an der GmbH gesellschaftsrechtlich
nicht beteiligt ist. Bei einem solchen Fremdgeschäftsführer wäre in der Tat der Rechtsauffassung der Beschwerdeführer zuzustimmen,
dass die Einnahmen, Ausgaben und Vermögensverhältnisse der Unternehmergesellschaft kein Einkommen oder Vermögen nach den §§
11 oder 12 SGB II für den Geschäftsführer darstellen, sondern dass es insoweit allein auf das von der GmbH an den Geschäftsführer
ausgezahlte Gehalt ankommt.
Maßgebend für die Möglichkeit, dem Beschwerdeführer zu 1 Einkommen oder Vermögen der Gesellschaft bei der Berechnung seines
Anspruchs auf Arbeitslosengeld II zuzurechnen, ist nicht seine Stellung als Geschäftsführer der GmbH, sondern seine mögliche
Stellung als deren Gesellschafter. Dass er Gesellschafter der P. UG war, lag zwar nach den der Beschwerdegegnerin vorliegenden
Hinweisen nahe, es wurde aber im Verwaltungsverfahren dazu nichts ermittelt. Erst im Beschwerdeverfahren hat der Beschwerdeführer
zu 1 mit Schriftsatz vom 14.06.2010 ausdrücklich eingeräumt, Mitgesellschafter der P. UG zu sein. Wie hoch sein Anteil ist
und welche weiteren Mitgesellschafter beteiligt sind, ist nicht bekannt. Es wäre sinnvoll gewesen, bei der Anforderung von
Angaben und Unterlagen durch Schreiben vom 05.03.2010 statt der Gewerbeanmeldung, die für die Zurechnung von Einnahmen oder
Vermögen der GmbH an die Beschwerdeführer ohne jede Bedeutung ist, den der GmbH zu Grunde liegenden Gesellschaftsvertrag zu
verlangen. Da nun aber durch die eigene Erklärung des Beschwerdeführers zu 1 inzwischen feststeht, dass er zumindest Mitgesellschafter
der GmbH ist, steht auch fest, dass eine Zurechnung von Einnahmen oder Vermögen der Gesellschaft an den Beschwerdeführer zu
1 zumindest möglich ist. Der Gesellschaftsanteil als solcher stellt nämlich jedenfalls Vermögen des Beschwerdeführers zu 1
i.S.d. § 12 SGB II dar. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, inwieweit Einnahmen der GmbH dem Beschwerdeführer zu 1 als
eigene Einnahmen im Sinne des § 11 SGB II zuzurechnen sind. Diese Frage kann jedoch erst dann beantwortet werden, wenn die
vollständigen Vermögensverhältnisse der Gesellschaft bekannt sind. Damit war der Beschwerdeführer zu 1 zur Angabe der Einnahmen
und Ausgaben der P. UG nach §
60 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGB I verpflichtet. Ohne diese Angaben konnten seine persönlichen Einnahmen i.S.d. §
11 SGB II und damit sein gesamter Anspruch auf Arbeitslosengeld II nicht bestimmt werden.
Gemäß §
66 Abs.
3 SGB I dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge
schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen
ist. Der Hinweis auf die Entziehungsmöglichkeit ist dem Beschwerdeführer zu 1 durch das Schreiben der Beschwerdegegnerin vom
05.03.2010 gegeben worden. Die bis zum 18.03.2010 gesetzte Frist war angemessen. In dem Schreiben vom 05.03.2010 wurde der
Beschwerdeführer zu 1 unter anderem aufgefordert, die beiliegende "Anlage EKS" für den Zeitraum Oktober 2009 bis April 2010
auszufüllen. In dieser Anlage EKS wird unter Nr. 3 das Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit abgefragt, gegliedert nach
Einnahmen und Ausgaben. Die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben werden in einer Tabelle aufgeschlüsselt. Es war von Anfang
an klar, dass sich diese Frage auf die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben der P. UG bezog. Trotzdem hat der Beschwerdeführer
zu 1 in seiner ersten Antwort vom 10.03.2010 die Frage nicht beantwortet, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass sein
persönliches Gehalt als Geschäftsführer bei 100 EUR monatlich liege. Mit Schreiben vom 17.03.2010 hat die Beschwerdegegnerin
nochmals klargestellt, dass die Angabe des Geschäftsführergehalts nicht genüge, sondern dass sich die geforderten Angaben
auf die Firma selbst bezögen. Auch nach dieser Klarstellung hat der Beschwerdeführer in seiner weiteren Antwort vom 20.03.2010
die Angaben zu den Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben der Firma P. UG verweigert.
Die Abwägung des öffentlichen Interesses, aus Steuergeldern finanzierte Mittel nicht ohne rechtlichen Grund auszuzahlen, gegen
das Interesse des Beschwerdeführers zu 1, die bereits für April 2010 bewilligten Leistungen ausbezahlt zu bekommen, ohne die
finanziellen Verhältnisse der P. UG zu offenbaren, geht zugunsten des öffentlichen Interesses aus, so dass die Anordnung der
aufschiebenden Wirkung zugunsten des Beschwerdeführers zu 1 abzulehnen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Entziehungsbescheid
im Wesentlichen rechtmäßig ist, insbesondere die Tatbestandsvoraussetzungen für die Entziehung vorliegen, und die einzigen
Zweifel an der Rechtmäßigkeit die Ausübung des Ermessens betreffen, wobei viel dafür spricht, dass ein Spielraum für eine
andere Entscheidung kaum gegeben war. Schließlich spricht auch die der Regelung des § 39 Nr. 1 SGB II zugrunde liegende gesetzliche
Wertung dafür, im Zweifel von der Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzusehen.
Soweit die Beschwerdeführer beantragen, die ihnen ursprünglich bewilligten Leistungen auszubezahlen, ist eine einstweilige
Anordnung weder zulässig noch erforderlich und damit die Beschwerde zurückzuweisen, weil sich diese Rechtsfolge aus dem ursprünglichen
Bewilligungsbescheid vom 21.01.2010 von selbst ergibt, soweit die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Entziehungsbescheid
angeordnet wird, und weil von der Beschwerdegegnerin erwartet werden kann, dass sie diese Rechtsfolge von sich aus beachtet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Das Teilunterliegen des Beschwerdeführers zu 2 ist von untergeordneter Bedeutung und wirkt sich deshalb auf die Kostenentscheidung
nicht aus.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.