Anspruch auf Nachversicherung; Übertragung von Beiträgen an ein Versorgungswerk; Erforderlichkeit eines Antrags innerhalb
der Jahresfrist
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger von der Beklagten die Nachversicherung seiner Zeit als Berufssoldat im
berufsständischen Versorgungswerk der Rechtsanwälte und Steuerberater in Bayern (Bayer. Versicherungskammer) verlangen kann.
Der 1968 geborene Kläger ist von Beruf Rechtsanwalt. Er hat in der Zeit vom 08.10.1999 bis 02.10.2002 seinen Referendardienst
im Bereich des Gerichtsbezirkes des Oberlandesgerichts (OLG) B. absolviert. Die Zulassungsurkunde als Rechtsanwalt wurde ihm
am 26.02.2003 ausgehändigt. Die Zulassung als Rechtsanwalt beim Landgericht B-Stadt erfolgte am 12.03.2003, beim Amtsgericht
B-Stadt am 13.03.2003. Mit Schreiben des OLG B. vom 08.05.2003 wurde der Beklagten mitgeteilt, dass der Kläger am 23.04.2003
eine Nachversicherung seiner Referendarszeit beim berufsständigen Versorgungswerk beantragt habe. Die Beklagte möge die Beiträge,
die das OLG B. an die Beklagte entrichtet habe, direkt dorthin weiterleiten. Diesem Ansinnen kam die Beklagte nach (Schreiben
vom 26.05.2003).
Am 04.12.2003 beantragte der Kläger eine Nachversicherung bei der Bayer. Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung für die
Zeit vom 09.10.1987 bis zum 30.06.1989, während der er als Zeitsoldat und damit als Beamter auf Zeit bei der Bundeswehr verpflichtet
gewesen sei. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 12.01.2004 ab, da § 124 Abs 6a und 6b des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) die Nachversicherung in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung nur dann vorgesehen habe, wenn die Pflichtmitgliedschaft
innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis begründet und innerhalb dieser Frist auch ein entsprechender
Antrag gestellt worden sei. Der Kläger sei erst nach Ablauf der Jahresfrist im Jahre 2003 Mitglied im berufsständischen Versorgungswerk
geworden, so dass die Voraussetzungen nach § 124 Abs 6a AVG nicht vorlägen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.2004 als unbegründet zurückgewiesen.
Die hiergegen am 26.04.2004 zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 28.03.2006 abgewiesen. Zur Begründung hat es darauf hingewiesen, dass der Nachversicherungsfall nach §
8 Abs
2 Nr
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) am 30.06.1989 eingetreten sei und ein Aufschubtatbestand nach §
184 SGB VI nicht bestanden habe. Die Bundesrepublik Deutschland habe dementsprechend die Nachversicherung im Juni 1991 rechtmäßig durchgeführt
und die Beiträge an die Beklagte überwiesen. Für eine Verpflichtung, diese Nachversicherungsbeiträge nun an die berufsständische
Versorgungseinrichtung der Bayer. Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung zu überweisen, bestehe keine rechtliche Grundlage.
§
186 Abs
1 SGB VI sehe eine solche Nachversicherung nur innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Voraussetzungen für die Nachversicherung vor
(§
186 Abs
3 SGB VI). Eine Verletzung von Eigentumsrechten des Klägers i.S. des Art.
14 Abs
1 Grundgesetz (
GG) sowie des Art.
3 GG (allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz) sei nicht ersichtlich.
Mit der hiergegen eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, dass §
186 Abs
1 Nr
2 und Abs
3 SGB VI anderweitig ausgelegt werden müsse, nämlich dahingehend, dass für den Beginn der Jahresfrist nach Abs 3 sowohl das Ausscheiden
aus der Versicherungspflicht als auch die Versicherungspflicht in der berufsständischen Versorgungseinrichtung vorliegen müssten.
Diese Voraussetzungen seien bei ihm eben erst nach 13 Jahren gegeben gewesen, so dass ab diesem Zeitpunkt erst die einjährige
Antragsfrist zu laufen beginne. Selbst wenn man dieser Interpretation nicht folgen wolle, verstoße diese gesetzliche Regelung
und die verwaltungstechnische Handhabung gegen die grundrechtlich geschützten Rechte aus Art.
14 Abs
1 und Art.
3 Abs
1 GG. Er habe keine Möglichkeit, die für die notwendige fünfjährige Wartefrist erforderlichen Anwartschaften aus der Rentenversicherung
zu erfüllen, so dass er faktisch enteignet sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.03.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 29.03.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit der Tätigkeit als Berufssoldat vom 09.10.1987 bis 30.06.1989
im berufsständischen Versorgungswerk der Bayer. Rechtsanwälte und Steuerberater nachzuversichern.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.03.2006 zurückzuweisen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter
Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-) ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, da der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Durchführung einer entsprechenden
Nachversicherung hat.
Der Kläger war unstreitig Berufssoldat auf Zeit vom 09.10.1987 bis 30.06.1989 und damit nach § 6 Abs 1 Nr 6 AVG (Fassung vom 27.06.1977, gültig bis 31.12.1991) versicherungsfrei. Nach § 9 Abs 3 AVG (i.d.F. vom 11.07.1985, gültig bis 31.12.1991) sind Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, die nach § 6 Abs 1 Nr 6 AVG versicherungsfrei waren, in der Rentenversicherung der Angestellten für die Dauer ihrer Dienstzeit nachzuversichern, wenn
sie aus der Bundeswehr ausscheiden, ohne dass ihnen nach soldatenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen einer lebenslängliche
Versorgung oder ihren Hinterbliebenen eine diesen Vorschriften oder Grundsätzen entsprechende Versorgung gewährt wird. Diese
Nachversicherung war durchzuführen, wenn sie innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr in diesem Versicherungszweig
versicherungspflichtig werden (Buchst. a) oder wenn sie zwar nicht rentenversicherungspflichtig werden, aber vor dem Eintritt
in die Bundeswehr in diesem Versicherungszweig versicherungspflichtig waren (Buchst. b) oder aber, wenn die Voraussetzungen
nach Buchst. a oder b nicht erfüllt werden, wenn sie bei der Bundeswehr eine Beschäftigung ausgeübt haben, die sonst der Versicherungspflicht
nach § 2 AVG unterlegen hätte. Die Nachversicherung als solche erfolgte dann nach Maßgabe des § 124 AVG. Der Arbeitgeber entrichtet danach die Beiträge unmittelbar an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und fügt eine
Bescheinigung bei, die Beginn und Ende der versicherungsfreien Beschäftigungszeiten und die Höhe der Bruttoentgelte einschließlich
des Wertes etwaiger Sachbezüge und -nutzungen bezeichnet, die in den einzelnen Kalenderjahren für die genannten Beschäftigungszeiten
bezahlt worden sind. Eine Sonderregelung bestand nach § 124 Abs 6a AVG für Personen, die innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden aus der versicherungsfreien Tätigkeit aufgrund gesetzlicher
Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe werden.
Dabei war der Antrag auf Nachversicherung bei dieser Versorgungseinrichtung innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden zu
stellen (§ 124 Abs 6b AVG). Der Kläger hat aber unmittelbar nach dem Ausscheiden aus der versicherungsfreien Tätigkeit als Berufssoldat auf Zeit keine
Tätigkeit aufgenommen, die zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung geführt hätte. Vielmehr hat
der Kläger erst sein Jurastudium aufgenommen und durchgeführt, anschließend seine Referendarszeit absolviert und ist erst
im Jahre 2003 als Rechtsanwalt zugelassen worden. § 124 Abs 6a AVG knüpft jedoch an das Ausscheiden aus der versicherungsfreien Tätigkeit an, die unstreitig im Jahre 1989 stattgefunden hat.
Ab hier berechnet sich die Jahresfrist, innerhalb derer der Betroffene Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung
werden muss und innerhalb derer auch der Antrag auf entsprechende Nachversicherung zu stellen ist. Die von der Bundesrepublik
Deutschland durchgeführte Nachversicherung des Klägers bei der Beklagten für die Zeit vom 09.10.1987 bis 30.06.1989 ist somit
zu Recht erfolgt. Es besteht damit die gesetzliche Vermutung, dass diese Beiträge auch zu Recht zur deutschen Rentenversicherung
Bund entrichtet wurden und dass der Kläger damit auch im Zweifel Anwartschaften daraus auf entsprechende Rentenleistungen
ableiten kann. Nachdem der Kläger erst im Dezember 2003 den Antrag auf entsprechende Nachversicherung im berufsständischen
Versorgungswerk gestellt hat, wäre auch unter Anwendung der Vorschriften der §§
8,
184 und
186 SGB VI kein anderes Ergebnis denkbar. Der Nachversicherungsfall wäre mit Ausscheiden aus dem Dienst bei der Bundeswehr im Juni 1989
gegeben, ein Aufschubtatbestand i.S. des §
184 Abs
2 SGB VI liegt nicht vor, so dass für die Nachversicherung im berufsständischen Versorgungswerk ebenfalls die Jahresfrist des §
186 SGB VI gelten würde. Das Bayer. Landessozialgericht hat außerdem in der Entscheidung vom 31.05.2005 (- L 6 R 306/99 - veröffentl. in juris) bereits ausführlich dargelegt, dass die vom Gesetzgeber für das Wahlrecht i.S. des §
186 SGB VI bestimmte zeitliche Schranke von einem Jahr ab dem Ausscheiden aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung für den Erwerb
der Mitgliedschaft bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung vom Bundessozialgericht (BSG) als verfassungskonform und
als den Systemerfordernissen der gesetzlichen Rentenversicherung geboten bewertet worden ist (BSG Urteil vom 11.02.1988 -
4/11a RA 9/87 = SozR 2400 § 124 Nr 5). Der Bundesgesetzgeber habe für den Regelfall die Nachversicherung beim zuständigen Rentenversicherungsträger
vorgeschrieben und lediglich für den Ausnahmefall, dass dem Schutzbedürfnis des Nachzuversichernden durch die Zahlung an eine
berufsständische Versorgungseinrichtung wirksamer Rechnung getragen werden kann, dem Nachzuversichernden das Wahlrecht nach
§
186 SGB VI eingeräumt. Die Entscheidung über den für die betroffene Person zweckmäßigen Weg setze aber voraus, dass der Schutz durch
die berufsständische Einrichtung alsbald nach dem Ausscheiden des Nachzuversichernden wirksam werde. Nur dann stelle sich
für den Nachzuversichernden die Frage, mit welchem Weg er besser geschützt werde. Weil im Regelfall eine gewisse Zeit beansprucht
werde, bis ein zunächst versicherungsfreier Beschäftigter Pflichtmitglied einer berufsständischen Einrichtung werde, halte
es sich im Regelungsrahmen der Nachversicherungsbestimmungen, dass der Bundesgesetzgeber einen zeitlichen Zusammenhang zwischen
dem Nachversicherungsfall und der Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Einrichtung dann noch als gegeben erachte,
wenn der Schutz durch die berufsständische Einrichtung innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden beginne (BSG Urteil vom
01.09.1988 - 4 RA 18/88 = SozR 2400 § 124 Nr 6). Das BSG habe darauf hingewiesen, dass die Frage der Nachversicherung nicht für unbestimmte Dauer
nach dem Ende der versicherungsfreien Beschäftigung unklar oder in der Schwebe bleiben könne. Bestehe etwa nach einem Unfall
gemäß §
8 Abs
1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII), den ein Versicherter bei einer in den §§
2,
3 oder 6
SGB VII genannten Tätigkeiten erleide, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit, die in einem solchen Fall vorzeitiger Wartezeiterfüllung
gemäß §
53 Abs
1 Nr
1 SGB VI auch einen anspruchsauslösenden Versicherungsfall begründen könne, solle keine Ungewissheit bestehen, welchen Versicherungsträger
der Nachversicherte in Anspruch nehmen könne. Gerade wegen der durch die Nachversicherung begründeten sozialrechtlichen Beziehungen
sei nur zeitlich beschränkt eine Übertragung wirksam nachentrichteter Beiträge auf eine berufsständische Versorgungseinrichtung
möglich. §
186 SGB VI diene also ebenso dem wohlverstandenen rechtlichen Interesse des Nachversicherten als auch der Klärung des Versicherungsverhältnisses
als solchem.
Ein Anspruch des Klägers auf Rückgängigmachung der Nachversicherung bei der deutschen Rentenversicherung Bund analog der Regelung
des §
185 Abs
2a SGB VI ist ebenfalls nicht denkbar. §
185 Abs
2a SGB VI, der mit Wirkung vom 01.10.1996 durch Gesetz vom 25.09.1996, BGBl I 1461, eingefügt wurde, sieht unter besonderer Berücksichtigung
der Situation von Zeitsoldaten unter bestimmten Umständen ein Widerrufsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich der Nachversicherungsbeiträge
vor. Mit dieser Vorschrift soll der Besonderheit Rechnung getragen werden, dass insbesondere bei Zeitsoldaten sich die berufliche
Planung in der Praxis häufiger ändert als bei ausgeschiedenen Berufssoldaten oder Beamten. Der Zeitsoldat soll durch Einräumung
dieses Widerrufsrechts während der Zeit der beruflichen Neuorientierung vor einem häufigen Wechsel des zuständigen Rentenversicherungsträgers
bewahrt werden, eine unnötige Aufsplitterung der Rentenanwartschaften soll vermieden werden. Deshalb enthält §
185 Abs
2a SGB VI die Vermutung, dass Beiträge, die für frühere Soldaten auf Zeit während des Bezuges von Übergangsgebührnissen gezahlt worden
sind, bis zum Ablauf von 18 Monaten nach Wegfall der Übergangsgebührnisse als widerruflich gezahlt gelten. Der Arbeitgeber
ist bis dahin zum Widerruf der Zahlung berechtigt, wenn die Voraussetzungen nach Ziffern 1 bis 4 der Vorschrift gegeben sind.
Sofern die Zahlung widerrufen wird, werden die Beiträge zurückgezahlt. Diese Regelung ist auf den Kläger direkt nicht anzuwenden,
da er keine Übergangsgebührnisse bekommen hatte und außerdem auch die Frist von 18 Monaten nach Ausscheiden aus dem Dienst
längst abgelaufen ist. Aufgrund des eindeutigen Wortlautes der Vorschrift, die erkennbar eine Ausnahmeregelung für einen abgegrenzten
besonderen Personenkreis darstellt, kommt auch eine analoge Anwendung auf Zeitsoldaten allgemein nicht in Betracht.
Eine Verletzung von Grundrechten des Klägers ist ebenfalls nicht ersichtlich. Das SG hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die Anwartschaften des Klägers aus der Dienstzeit bei der Bundeswehr nicht
auf eigenen Beitragsleistungen beruhen und insoweit schon die Eröffnung des Schutzbereiches des Art.
14 Abs
1 GG problematisch ist. Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass die Anwartschaften des Klägers aus der Dienstzeit bei der Bundeswehr
nicht verloren sind, sondern als Anwartschaften im Rahmen der Deutschen Rentenversicherung Bund erhalten bleiben. Selbst wenn
der Kläger bis zum Erreichen der Regelaltersrente keine Tätigkeit mehr ausüben würde, die eine Versicherungspflicht in der
Gesetzlichen Rentenversicherung nach sich ziehen würde, besteht die Möglichkeit, durch Zahlung freiwilliger Beiträge Anwartschaften
aufrecht zu erhalten bis zum Eintritt des Leistungsfalles. Es steht dem Kläger frei, ob er davon Gebrauch machen möchte oder
nicht. Eine Verletzung von Art
3 Abs
1 GG ist ebenfalls nicht ersichtlich, da eine Ungleichbehandlung innerhalb der relevanten Vergleichsgruppe nicht vorliegt.
Nach alledem ist die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, gemäß §
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.