Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1962 geborene Kläger hat nach seinen Angaben den Beruf eines Schreiners erlernt und bis 1992 in diesem Berufsbereich gearbeitet.
Von 1993 bis 1999 war er als LKW-Fahrer (Fernverkehr) berufstätig. Eine Umschulung in Fachrichtung Maschinenbau ist nach Angaben
des Klägers im Jahr 1998 aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen worden.
Am 07.02.2003 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ ihn untersuchen durch
den Internisten und Lungenfacharzt Dr.M., der in seinem Gutachten vom 21.03.2003 ein Wirbelsäulensyndrom, Gonalgien links
und eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung diagnostizierte. Der Kläger könne in seiner letzten Berufstätigkeit als Kraftfahrer
nicht mehr eingesetzt werden, leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sollten ihm weiterhin vollschichtig möglich
und zumutbar sein.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 28.03.2003 ab, da beim Kläger weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung
vorliege.
Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 22.08.2003 zurück und verwies den Kläger mit dem festgestellten
Leistungsvermögen von mindestens 6 Stunden täglich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 15.09.2003 Klage beim Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, das Ausmaß seiner Gesundheitsstörung sei im Hinblick auf die Erwerbsminderung
nicht ausreichend gewürdigt worden.
Das SG hat Befundberichte von dem Orthopäden Dr.W., dem Orthopäden Dr.M., dem Augenarzt Dr.J. und dem Allgemeinarzt N. zum Verfahren
beigenommen und den Internisten und Sozialmediziner Dr.G. zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Dieser hat das Gutachten
vom 08.06.2004 nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstattet. Er hat folgende Diagnosen genannt:
Ausgeprägte chronische Atemwegserkrankung mit Lungenüberblähung bei anhaltendem Tabakkonsum,
fortgeschrittener Knorpelschaden am linken Kniegelenk, Zustand nach zweimaliger Arthroskopie,
homonyme Hemianopsie,
degeneratives LWS-Syndrom mit Bandscheibenschädigungen,
Epicondylitis beidseits (als übernommene Diagnose),
Hyperurikämie.
Der Kläger könne nur noch im Umfang von mindestens 3 Stunden bis unter 6 Stunden täglich erwerbstätig sein. Es seien noch
leichte körperliche Arbeiten möglich, wobei wechselnde Körperhaltungen zumutbar erschienen. Dieser Zustand bestehe zumindest
seit dem 03.06.2004, dem Tag der Untersuchung bei Dr.G ... Seit der vorangegangenen Begutachtung durch Dr.M. sei insbesondere
hinsichtlich der Atemwegserkrankung und des Zustands des linken Kniegelenkes eine wesentliche Verschlechterung eingetreten.
Diese habe auch das Absinken des Leistungsvermögens in den unter 6-stündigen Bereich bewirkt. Da eine Besserung des Gesundheitszustandes
als denkbar und möglich erscheine, wurde eine Nachuntersuchung für Juni 2006 vorgeschlagen.
Nach ergänzenden Untersuchungen (u.a. Bodyplethysmographie) blieb Dr.G. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 23.11.2004
bei seiner Leistungseinschätzung.
In einer weiteren Stellungnahme vom 26.05.2005 hat Dr.G. ausgeführt, die Atemwegserkrankung allein führe noch nicht zu einem
quantitativ eingeschränkten Leistungsvermögen. Das sei jedoch anders zu sehen wegen der Kombination der Gesundheitsstörungen.
Die Beklagte ist weiterhin von einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers zumindest für leichte Arbeiten ausgegangen.
Mit Urteil vom 28.07.2005 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 01.01.2005 eine bis 30.06.2006 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung in gesetzlicher
Höhe zu gewähren. Beim Kläger sei eine teilweise Erwerbsminderung iS von §
43 Abs
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) gegeben, denn er sei nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls seit Juni 2004 nur noch in der Lage, zwischen 3 und unter
6 Stunden unter üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Dr.G. habe - für das Gericht überzeugend - das
quantitative Leistungsvermögen des Klägers in einer Zusammenschau der wesentlichen Gesundheitsstörungen bewertet. Der Kläger
habe für den Rentenzeitraum nicht nur Anspruch auf Rente wegen teilweiser, sondern wegen voller Erwerbsminderung, denn es
sei nach wie vor davon auszugehen, dass der Teilzeitarbeitsmarkt grundsätzlich verschlossen sei. Einen leistungsgerechten
Teilzeitarbeitsplatz habe der Kläger nicht inne; insbesondere zähle als solcher nicht eine aushilfsweise Beschäftigung als
Zeitungsausträger.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 27.09.2005 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangene Berufung der Beklagten. Diese
geht weiterhin von einem zeitlich ungeminderten Leistungsvermögen des Klägers zumindest für leichte Arbeiten aus, und zwar
auch in einer Zusammenschau aller Leistungsminderungen im Bereich der Lunge, der Kniegelenke und einer Beschränkung der Sehfähigkeit.
Insbesondere die Einschränkung der Sehfähigkeit gehe bereits auf ein Ereignis (intercerebrale Blutung) im Jahre 1980 zurück
und habe den Kläger nicht gehindert, bis 1999 als LKW-Fahrer tätig zu sein. Grundsätzlich lasse diese Augenstörung eine zeitlich
uneingeschränkte leichte Tätigkeit zu, ohne Bildschirmarbeiten und ohne Tätigkeiten mit dem Erfordernis des uneingeschränkten
Stereosehens; es sollten keine Arbeiten mit Eigen- und Fremdgefährdung ausgeübt werden. Aus sozialmedizinischer Sicht könne
die Begründung im Urteil des SG nicht überzeugen.
Der Kläger hat einen Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Klinik M. (erstellt für die Holz-BG in München) über einen stationären
Aufenthalt vom 08.01. bis 27.01.2006 vorgelegt; des Weiteren das im Auftrag der Holz-BG gefertigte unfallchirurgische Gutachten
von Prof.Dr.B. vom 13.03.2007 mit radiologischem Zusatzgutachten.
Der Senat hat Befundberichte über den Kläger beigezogen von dem Allgemeinarzt N. und dem Orthopäden Dr.W ... Auf Veranlassung
des Senats hat der Internist und Arbeitsmediziner Dr.C. das Gutachten vom 23.12.2008 nach ambulanter Untersuchung des Klägers
erstattet. Er hat folgende Diagnosen genannt:
Sehbehinderung/Sehschädigung im Sinne einer Halbseitenblindheit (homonyme Hemianopsie) seit 1980,
Gonarthrose links bei Umstellungsosteotomie Anfang 2006,
chronische Bronchial-Lungenerkrankung,
Harnsäurestoffwechselstörung/Gicht.
Der Kläger könne aus ärztlicher Sicht weiterhin körperlich leichte Arbeiten im Sitzen oder im Wechsel von Sitzen, Stehen und
Gehen verrichten, und zwar im Umfang von vollschichtig bzw. mindestens 6 Stunden täglich. Der Kläger sollte nicht mit Aufgaben
betraut werden, die mit besonderen Sehanforderungen oder mit Absturzgefahr verbunden sind. Besonderen nervlichen Belastungen
sollte er nicht ausgesetzt werden (Arbeiten unter hohem Zeit- oder Verantwortungsdruck, Nachtarbeit). Das Zurücklegen des
Weges von und zur Arbeitsstelle unterliege keinen streckenmäßigen und zeitlichen Begrenzungen.
Aufgrund der Sehschädigung könne der Kläger nicht mehr als LKW-Fahrer arbeiten. Er könne jedoch (wie er auch selbst glaube)
als Pförtner arbeiten; auch als Telefonist wäre er einsetzbar. In Frage kämen auch Tätigkeiten als Maschinenbediener (an vorschriftsmäßig
gesicherten Maschinen).
Der Kläger hat bei und nach der Begutachtung mehrere Berichte des Lungenfacharztes Dr.Z. über Lungenfunktionsprüfungen vorgelegt,
u.a. vom 17.11.2008, vom 27.01.2009, vom 01.04.2009, vom 09.04.2009 und schließlich vom 07.12.2009; des Weiteren wurde ein
Bericht der R-Klinik A-Stadt über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 28.05. bis 05.06.2009 zum Verfahren beigenommen.
Auf Anfrage des Senats hat Dr.C. ergänzende Stellungnahmen zu seinem Gutachten abgegeben am 19.03.2009 und am 19.02.2010.
Insbesondere in der letztgenannten Stellungnahme hat er ausgeführt, dass die vorgenannten ärztlichen Berichte eine Verschlechterung
der Lungenfunktion des Klägers im Vergleich zu den Untersuchungsergebnissen der Vorjahre belegen. Die Untersuchungsergebnisse
in der R-Klinik zeigten jedoch unabhängig von den Lungenfunktionsprüfungen ebenfalls ein Leistungsvermögen von ausreichend
für eine leichte körperliche Arbeit. Insgesamt ergäben die neu vorgelegten Unterlagen keine Veranlassung, das früher abgegebene
sozialmedizinische Urteil in irgendeinem Punkt abzuändern.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Nürnberg vom 28.07.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 28.07.2005 zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakte des SG Nürnberg vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten
des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt (§§
143,
151 SGG) und auch im Übrigen zulässig.
Das Rechtsmittel der Beklagten erweist sich auch als begründet.
Dem Kläger steht Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung iS des §
43 SGB VI nicht zu, da bei ihm eine entsprechende Leistungseinschränkung derzeit nicht vorliegt und auch nicht vorgelegen hat. Teilweise
erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter
den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden erwerbstätig zu sein (§
43 Abs.
1 SGB VI). Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben gem. §
43 Abs.
2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Das SG hat sein Urteil auf die Begutachtung von Dr.G. gestützt und hat die angenommene Erwerbsminderung insbesondere auf die Zusammenschau
bzw. auf das Zusammenwirken der drei wesentlichen Gesundheitsstörungen zurückgeführt, nämlich der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung,
der Gonarthrose links mit ihren Folgen und der Sehbeeinträchtigung, die bereits seit 1980 besteht.
Dr.C. hat in seinem Gutachten zu diesen Fragen ausführlich Stellung genommen. Er hat ausgeführt, die von Dr.G. vertretene
Ansicht, dass der Kläger nur noch weniger als 6 Stunden beruflich tätig sein könne, sei seines Erachtens nicht begründet.
Die genaue Analyse der Lungenfunktionsuntersuchungen und auch der im Jahre 2004 vorgenommenen Ergospirometrie belege bis jetzt
und auch weiterhin eindeutig ein Leistungsvermögen für körperlich leichte Arbeiten. Bezüglich des linken Kniegelenkes bzw.
des linken Beines habe weder zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Dr.G., noch jetzt ein Zustand vorgelegen, der außer gewissen
qualitativen Leistungseinschränkungen bezüglich der Arbeitshaltung zu Konsequenzen bezüglich der zumutbaren Arbeitszeit Veranlassung
gegeben hätte. Auch das Zusammenwirken sämtlicher Gesundheitsstörungen beim Kläger führe nach seiner Überzeugung nicht zu
einer Beschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass das beim Kläger bestehende Schmerzsyndrom,
das von Dr.G. ebenfalls als bedeutsam für sein gutachterliches Urteil hervorgehoben worden sei, in seinen funktionellen Auswirkungen
- z.B. im Bezug auf die Gebrauchsfähigkeit der Arme - doch eher von untergeordneter Bedeutung sei. Aufgrund der vorliegenden
Befunde stehe nicht zu befürchten, dass eine seinen gesundheitlichen Verhältnissen angepasste berufliche Tätigkeit den Kläger
in körperlicher oder psychischer Hinsicht überlaste. Eine zeitliche Begrenzung der täglichen Arbeit auf ein unter 6-stündiges
Maß sei aus ärztlicher Sicht nicht erforderlich.
Bei dieser Einschätzung und Leistungsbeurteilung des Klägers ist Dr.C. auch in seinen beiden ergänzenden Stellungsnahmen verblieben.
Er hat trotz einer durch die neueren Befunde belegten Verschlechterung der Lungenfunktion ausgeführt, dass die Befunde immer
noch ausreichend für leichte körperliche Betätigung sind. Der Kläger hat sich zur Begutachtung durch Dr.C. lediglich insoweit
geäußert, als er mit dem Ergebnis der Begutachtung nicht einverstanden ist.
Die Leistungsbeurteilung des Klägers durch Dr.C. ist für den Senat überzeugend, da der arbeitsmedizinisch erfahrene Sachverständige
alle beim Kläger vorliegenden und angegebenen Gesundheitsstörungen erkannt, beschrieben und in ihren Auswirkungen für die
Erwerbsfähigkeit bewertet hat. Ausdrücklich hat sich Dr.C. auch mit der von Dr.G. vertretenen Auffassung auseinandergesetzt,
dass die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers - wenn auch nur vorübergehend - auf unter 6 Stunden täglich herabgesunken
sei. Er hat dabei überzeugend ausgeführt, dass die genaue Analyse der Lungenfunktion, von der im Jahre 2004 vorgenommenen
Ergospirometrie über zahlreiche Funktionsberichte bis derzeit, für die Vergangenheit bis jetzt und auch weiterhin eindeutig
ein Leistungsvermögen (im angegebenen zeitlichen Umfang) für körperlich leichte Arbeiten belegt. Die Ergebnisse des in der
R-Klinik A-Stadt im Mai/Juni 2009 vorgenommenen ergometrischen und Blutgasuntersuchungen zeigten - unabhängig von den Lungenfunktionsprüfungen
- ebenfalls ein Leistungsvermögen, das als ausreichend für leichte körperliche Arbeiten anzusehen ist. Der ergometrische Belastungstest
konnte bis zur Stufe von 125 Watt durchgeführt werden. Des Weiteren hat Dr.C. dargelegt, dass bezüglich der Funktion des linken
Kniegelenks und des linken Beines zu keiner Zeit ein Zustand vorgelegen hat, der Anlass für eine Beschränkung der täglichen
Arbeitszeit gegeben hätte; das gleiche gilt für das beim Kläger bestehende Schmerzsyndrom.
Auch in der Zusammenschau und im Zusammenwirken sämtlicher Gesundheitsstörungen hat Dr.C. für den Senat begründet und nachvollziehbar
keinen Grund für eine Beschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens des Klägers gesehen.
Mit dem festgestellten Leistungsvermögen von mindestens 6 Stunden täglich für zumindest leichte körperliche Arbeiten ist der
im Jahre 1962 geborene Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, und zwar ohne dass es der Benennung einer konkreten
Verweisungstätigkeit bedarf.
Beim Kläger liegt demnach weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung nach §
43 SGB VI vor und hat auch in der Vergangenheit nicht vorgelegen.
Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des SG Nürnberg aufzuheben und die Klage abzuweisen; demzufolge haben die Beteiligten
einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten, §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 SGG sind nicht ersichtlich.