Kostenübernahme eines Gutachtens durch die Staatskasse im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
Die Klägerin beantragte Rente wegen Erwerbsminderung. Dies lehnte die Beklagte ab. Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht
Würzburg (SG) erhoben. Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt, in denen u.a. von einem ausgeprägten psychovegetativen Erschöpfungssyndrom,
von einer depressiven Entwicklung und einer Somatisierungsstörung die Rede ist. Das SG hat die Ärztin für Öffentliches Gesundheitswesen Dr.T. mit der Begutachtung beauftragt. Diese hat die Psyche lediglich als
situationsentsprechend beschrieben und Diagnosen aus dem psychiatrischen Bereich nicht gestellt. Auf Antrag der Klägerin hat
Dr.B. ein Gutachten erstattet. Er kommt nach Hausbesuch zu dem Ergebnis, bei der Klägerin bestehe eine mittelgradige depressive
Anpassungsstörung. Die Beklagte hat diese Diagnose nicht für objektivierbar gehalten. Daraufhin hat das SG ein weiteres Gutachten bei der Ärztin für Psychiatrie und Öffentliches Gesundheitswesen Dr.B. eingeholt. Sie kann eine mittelgradig
depressive Episode nicht bestätigen, objektive Anhaltspunkte hierfür seien im Gutachten von Dr.B. auch nicht zu finden. Dr.B.
geht lediglich von einer leichten depressiven Anpassungsstörung mit Somatisation aus. Daraufhin hat das SG die Klage abgewiesen (Urteil vom 23.06.2009). Die von Dr.B. beschriebene mittelgradige depressive Episode lasse sich nicht
bestätigen.
Den an das SG gerichteten Antrag auf Übernahme der Kosten für Begutachtung durch Dr.B. auf die Staatskasse hat das SG mit Beschluss vom 31.07.2009 abgelehnt. Das Gutachten von Dr.B. habe keine neuen, entscheidungserheblichen, bis dahin nicht
berücksichtigten medizinischen Gesichtspunkte aufgezeigt und auch nicht zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen.
Dagegen hat die Klägerin Beschwerde zum Bayer.Landessozialgericht eingelegt. Das Gutachten von Dr.B. habe einen diskussionswürdigen
Beitrag zur Erhellung des medizinischen Sachverhaltes geliefert.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) ist zulässig und auch begründet. Die Kosten der Begutachtung durch Dr.B. sind auf die Staatskasse zu übernehmen.
Die Übernahme der für ein Gutachten nach §
109 SGG verauslagten Kosten auf die Staatskasse im Wege einer "anderen Entscheidung" iS des §
109 Abs.1 Satz 2 HS 2
SGG ist in der Regel dann gerechtfertigt, wenn das Gutachten in beträchtlichem Umfang beweiserheblich ist. Dieses ist insbesondere
dann der Fall, wenn es durch Aufzeigen bis dahin nicht berücksichtigter medizinischer Gesichtspunkte zur Aufklärung des Sachverhalts
wesentlich beigetragen und die Erledigung des Rechtsstreites in sonstiger Weise wesentlich gefördert hat. Über die endgültigen
Kosten entscheidet das Gericht nach Ermessen durch Beschluss (vgl. Beschluss des BayLSG vom 24.04.2007 - L 20 B 82/07 R - mwN).
Die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme liegen hier vor. Das SG hat, obwohl in den angeforderten Befundberichten von einer depressiven Anpassungsstörung bzw. einer Somatisierung bereits
die Rede war, lediglich ein Gutachten bei einer Ärztin für Öffentliches Gesundheitswesen in Auftrag gegeben. Diese hat hinsichtlich
der Psyche weder eine ausführliche Untersuchung vorgenommen noch irgendwelche Diagnosen dahingehend gestellt. Erst nach dem
Gutachten von Dr.B. wird auf die bei der Klägerin vorliegende Anpassungsstörung mit Somatisation eingegangen. Somit liefert
dieses Gutachten neue Erkenntnisse, die in den bisherigen Gutachten von Dr.T. nicht berücksichtigt worden sind. Zwar konnte
(allein) der Umfang der von Dr.B. angegebenen Depression von Dr.B. nicht bestätigt werden, jedoch hat sein Gutachten Anlass
gegeben, ein weiteres Gutachten auf dem vorliegend auch wesentlich betroffenen Fachgebiet der Psychiatrie einzuholen. Es ist
zudem nicht nachvollziehbar, dass das SG ein weiteres Gutachten auf psychiatrischem Fachgebiet einholt, wenn es, - wie bereits in den Ausführungen der Beklagten in
ihrer Stellungnahme zu dem Gutachten von Dr.B. angesprochen - der Auffassung ist, die von Dr.B. gestellte Diagnose könne sich
auf keine objektiven Befunde stützen.
Der Beschluss des SG, der auf die Problematik der Diagnosen im psychiatrischen Bereich nicht eingeht, ist daher aufzuheben.
Die Kosten der Begutachtung durch Dr.B. sind auf die Staatskasse zu übernehmen. Der geleistete Kostenvorschuss ist zu erstatten.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§
177 SGG).