Tatbestand:
Die Parteien streiten wegen einer Versorgung nach dem Impfschadensrecht gemäß §§ 60 ff. des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).
Der 26-jährige Kläger leidet an Diabetes mellitus Typ I (im Folgenden: DM I). Am 15.07.2002 wurde er gegen Masern, Mumps,
Polio, Diphterie und Tetanus geimpft. Vorher waren Impfungen 1985 (Polio, Diphterie, Tetanus), 1986 (Polio, Diphterie, Tetanus,
Masern, Mumps, Röteln), 1990 und 1991 (jeweils FSME) erfolgt. Bei den 2002 verwendeten Impfstoffen handelte es sich einerseits
um Td-Virelon (von Chiron Behring), bestehend aus Tetanus-Toxoid, Diphterie-Toxoid und inaktivierten Poliomyelitis-Viren,
andererseits um M-MVax (von Chiron Behring), bestehend aus abgeschwächtem Masernvirus und abgeschwächtem Mumpsvirus. Außer
einer geringen lokalen Reaktion trat zunächst keine Impfreaktion auf. Am 09.09.2002 wurden erstmals erhöhte Blutzuckerwerte
gemessen. Kurz darauf wurde die Diagnose DM I gestellt.
Am 02.06.2003 beantragte der Kläger Entschädigung nach § 60 IfSG. Am 26.01.2004 erstellte der Internist Dr. E. vom medizinischen Dienst des Beklagten ein Gutachten nach persönlicher Untersuchung.
Dr. E. kam zum Ergebnis, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Impfung und dem DM I sei nicht wahrscheinlich. Nur die
zeitliche Komponente würde dafür sprechen. Weder in den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht
und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) noch in der aktuellen wissenschaftlichen Literatur fänden sich Hinweise, dass DM
I nach Impfungen gegen Masern, Polio, Tetanus oder Diphterie aufgetreten sei. Allein die Mumpsimpfung komme als Verursacherin
in Frage. Jedoch sei, so Dr. E., das Intervall von nur zwei Monaten zwischen der Impfung und Erstfeststellung der Krankheit
zu kurz. Bei einer schnell verlaufenden Manifestation hätte der Kläger dagegen weitere erhebliche allgemeinmedizinische Symptome
gezeigt. Abschließend teilte Dr. E. mit, in neuesten wissenschaftlichen Äußerungen (USA, Finnland) werde ein Kausalzusammenhang
für unwahrscheinlich erachtet. In einem darauf folgenden Beratungsgespräch zwischen dem Kläger und dem Beklagten wurde deutlich,
dass Ersterer seinen Anspruch aufgrund der Angaben im Beipackzettel sowie des zeitlichen Zusammenhang zwischen Impfung und
Krankheitsmanifestation begründet sieht.
Mit Bescheid vom 14.06.2004 lehnte der Beklagte den Antrag auf Impfschadensversorgung ab. Mit Widerspruch vom 07.07.2004 trug
der Kläger vor, in den AHP 1996 werde zu einem bestimmten Zeitintervall zwischen Impfung und Manifestation der Krankheit nichts
gesagt. Außerdem könne es schlichtweg keine anderen Ursachen geben. In einer weiteren Stellungnahme des medizinischen Dienstes
des Beklagten (vom 22.07.2004, Dr. Herrmann) wurde auf die von Hviid et al. in Dänemark durchgeführte epidemiologische Studie
(Veröffentlichung 2004 im New England Journal of Medicine) hingewiesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2004 wies der Beklagte
den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Kann-Versorgung, so die Begründung des Widerspruchsbescheids, sei deswegen ausgeschlossen,
weil nach dem gegenwärtigen Stand der medizinischen Wissenschaft die ursächliche Bedeutung des Schädigungstatbestands, hier
der Mumpsimpfung, für Entstehung und Verlauf des DM I sehr wohl mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden könne. Nach heutiger
herrschender Ansicht sei ein ursächlicher Zusammenhang nämlich zu verneinen.
Am 26.10.2004 hat der Kläger beim Sozialgericht Regensburg Klage erhoben. Das Sozialgericht hat ein Gutachten nach persönlicher
Untersuchung vom Arzt im öffentlichen Gesundheitswesen Dr. T. M. erstellen lassen. Dr. M. hat in seinem Gutachten vom 07.02.2008
geschrieben, nach den vorliegenden Unterlagen und Angaben sei die Impfung lege artis durchgeführt worden. Die Impfungen seien
weder unmittelbar noch mittelbar als ursächlich für die Entstehung des DM I anzusehen. Nach übereinstimmender Meinung bestehe
in publizierten Studien bzw. den zugrunde liegenden Daten kein valider Hinweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen Impfungen
und der Manifestation des DM I. Nach ebenfalls geltender Lehrmeinung beginne ein entsprechendes Autoimmungeschehen sehr lange
vor der klinischen Manifestation der Erkrankung. Ein konkretes initiales Ereignis für den Beginn einer Autoimmunreaktion gegen
die Bauchspeicheldrüse sei bisher nicht wissenschaftlich nachgewiesen. Man gehe davon aus, dass ein multifaktorieller Prozess
zugrunde liege. Die zum Teil vermutete Verbindung zwischen dem Auftreten von Autoimmunerkrankungen wie DM I und Impfungen
sei im Rahmen großer epidemiologischer Studien nicht nur nicht bestätigt, sondern widerlegt worden. Allerdings, so Dr. M.,
werde diskutiert, dass Stress, schwere Belastungssituationen oder auch schwere akute Infektionen progredient auf die Manifestation
einwirken könnten. Eine Kausalität von Impfungen bezüglich der Manifestation von DM I sei - wenn überhaupt - nur hypothetisch
oder spekulativ, jedoch in keiner Untersuchung belegt. Der Sachverständige ist zum Ergebnis gekommen, ein ursächlicher Zusammenhang
zwischen Impfung und DM I sei nicht erkennbar. Da es eine hinreichende, studiengesicherte und übereinstimmende Meinung der
medizinischen Wissenschaft gebe, die eine kausale Verbindung verneine, seien die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung
nicht erfüllt.
Sodann hat der Kläger vorgetragen, das STIKO-Mitglied Prof. Dr. S. habe geäußert, die Masernimpfung vermöge zu einem Anstieg
der Bauchspeicheldrüsenenzyme zu führen. Das spreche seiner Ansicht nach für einen Kausalzusammenhang.
Schließlich hat Dr. Dr. K. B., H., der u.a. Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie ist, ein Gutachten nach
Aktenlage gemäß §
109 SGG erstellt (Gutachten vom 16.12.2008). Darin hat Dr. B. die der fraglichen Impfung vorangegangenen Impfungen thematisiert.
Es sei denkbar, so Dr. B., dass bereits durch die Erstimpfung im Jahr 1986 der Autoimmunprozess in Gang gekommen sei und bereits
vor 2002 DM I hätte festgestellt werden können, hätte man nur danach gesucht. Nach dem derzeitigen Stand der Forschung sei
unklar, inwieweit die übliche Ansicht richtig sei, wonach DM I eine im Wesentlichen genetische Erkrankung sei, die durch eine
Infektion oder eine Impfung mit dem Mumpsvirus lediglich ausgelöst oder verstärkt werde. Die genetischen Einflüsse seien noch
weitgehend unerforscht. Jedoch werde die Anlage, einen DM I zu entwickeln, auf mindestens 20 voneinander unabhängige Gene
zurückgeführt, die eine statistische Assoziation mit der Erkrankung hätten. Der dem DM I zugrunde liegende Krankheitsprozess
dauere offenbar sehr lange, da die klassischen Manifestationen der Erkrankung, ein erhöhter Blutzucker und die Ketose, erst
relativ spät im Verlauf der Krankheit nach Zerstörung fast aller Insulin produzierenden Betazellen zu beobachten seien. Eine
Autoimmunität gegen Betazellen könne auf zweierlei Wegen erzeugt werden: Einer wissenschaftlichen Abhandlung aus dem Jahr
1994 zufolge könne der Grund für die Autoimmunität gegen Betazellen zum Einen darin liegen, dass die chemische Struktur eines
viralen Proteins ähnlich sei wie die einer Betazelle. Die andere Möglichkeit bestehe darin, dass eine Infektion mit pankreatotropen
bzw. betazelltropen Viren zur Bildung von Mediatorsubstanzen für entzündliche, immunologische Reaktionen führe; dass das Mumpsvirus
besonders pankreatotrop sei, sei seit Längerem bekannt. Denn Mumpsviren würden normalerweise ja auch eine Speicheldrüse, die
Ohrspeicheldrüse, befallen. Jedoch werde ein solcher Viruskontakt nur bei wenigen Anlageträgern die Krankheit zum Ausbruch
bringen können. Zum Stand der Wissenschaft hat Dr. B. Folgendes mitgeteilt:
- Es gebe "gut untersuchte Einzelbeobachtungen" über eine Pankreatitis nach Mumpsimpfung.
- In einem Einzelfall habe sich der Verdacht ergeben, dass das Coxsackie-Virus B4 einen schweren, zum Tod führenden DM I ausgelöst
habe.
- Aus dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts sei bekannt, dass die Sterberate durch DM I unter Kindern nach jeder Mumpsepidemie
einen Gipfel erreicht habe.
- Es sei 1978 bewiesen worden, dass die Betazellen durch das Mumpsvirus besiedelt würden.
- In den 1950er Jahren seien in einem schwedischen Dorf 40 Kinder an Mumps erkrankt, von denen in der Folgezeit immerhin vier
einen DM I entwickelt hätten.
- Studien über größere Gruppen würden weitgehend fehlen.
Für den Kläger, so Dr. B., sei die Kann-Versorgung angemessen. Es gebe eine ganze Reihe von Hinweisen, die einen Zusammenhang
wahrscheinlich machten, auch wenn eine epidemiologische Beweisführung wohl auch in Zukunft kaum möglich sein werde. Anstatt
der statistischen Beweisführung müsse es genügen, wenn in einem Gutachten plausibel gemacht werde, warum ein bestimmtes Krankheitsbild
durch die Impfung entweder entstehe oder verstärkt werde. Auch er, Dr. B., strebe deshalb an, eine mögliche Kausalkette aufzuzeigen,
die dann (vom Gericht) berücksichtigt werden müsse. Zusammenfassend hat Dr. B. behauptet, der beim Kläger bestehende DM I
gehe entweder auf die Impfung aus dem Jahr 1986, möglicherweise über "Gedächtnis-Zellen", oder die aus dem Jahr 2002 zurück.
Er hat für einen Grad der Schädigung von 60 plädiert.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 11.03.2009 abgewiesen. In der Begründung hat es erläutert, die AHP 2008 hätten
unter Nr. 54.7, Nr. 57.14 und unter Nr. 120 vorgesehen, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Mumpsimpfung und DM
I ungeklärt sei und demzufolge eine Kann-Versorgung geprüft werden müsse. Jedoch sei zum Schluss der mündlichen Verhandlung
auf die mittlerweile in Kraft getretenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) abzustellen. Diese würden eine entsprechende
Passage zu Impfschäden nicht mehr aufweisen. Auch wenn man die AHP als antizipierte Sachverständigengutachten vorläufig weiter
anwenden würde, wären diese durch die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse widerlegt. Die Kammer sei davon überzeugt,
dass ein hinreichender Zusammenhang zwischen der angeschuldigten Impfung und dem DM I weder im Sinn einer Pflicht- noch einer
Kann-Versorgung bestehe. Denn die zeitliche Nähe zwischen Impfung und Auftreten der ersten Krankheitssymptome spreche dagegen.
Das Gutachten des Dr. B. überzeuge nicht. Es sei allgemeine Meinung und werde auch vom Paul-Ehrlich-Institut vertreten, dass
ein kausaler Zusammenhang zwischen Schutzimpfung und DM I nicht bestehe.
Am 05.05.2009 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass die Fachinformation, welche der Impfstoffhersteller
beigegeben habe, für die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs spreche. Der habe nämlich darauf hingewiesen, in
seltenen Fällen sei eine klinische Erstmanifestation eines insulinpflichtigen DM I im zeitlichen Zusammenhang zur Mumpsimpfung
beobachtet worden. Die Handhabung durch den Beklagten verstoße gegen Nr. 57.14 AHP 2005. Vor diesem Hintergrund sei nicht
nachvollziehbar, aus welchem Grund der Beklagte ein Zeitintervall von einem Jahr seit der Impfung bis zur Manifestation verlange;
in den AHP 2005 und 2008 sei jeweils nur von einem halben Jahr die Rede. Dass beim Kläger zwei Autoantikörper gefunden worden
seien, spreche für einen kausalen Zusammenhang.
Der Senat hat dem Kläger vor der mündlichen Verhandlung zur Vorbereitung darauf diverse Unterlagen übersandt, u.a. die Kopie
eines Gutachtens von Prof. Dr. S. M., D., vom 05.09.2010, erstellt für den Beklagten in einem anderen Verfahren.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 11.03.2009 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 14.06.2004
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.09.2004 zu verurteilen, den bei ihm bestehenden DM I als Impfschaden anzuerkennen
und ihm Versorgung nach dem IfSG in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere wegen des Inhalts medizinischer Berichte, Gutachten und Unterlagen,
wird auf die Akten des Beklagten, des Sozialgerichts und des Bayerischen Landessozialgerichts verwiesen. Diese haben allesamt
vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Der Senat war nicht gehindert, trotz des Ausbleibens des Klägers und seiner Prozessbevollmächtigten mündlich zu verhandeln
und durch Urteil zu entscheiden. In der ordnungsgemäßen Ladung war ein korrekter Hinweis auf die Folgen des Fernbleibens enthalten.
Das rechtliche Gehör des Klägers ist gewahrt. Im Vorfeld der mündlichen Verhandlung hatte der Vorsitzende dessen Prozessbevollmächtigter
sogar umfangreiche rechtliche und tatsächliche Hinweise zu dem Fall erteilt, wobei die Prozessbevollmächtigte weder in der
Sache reagiert noch ihr Fernbleiben entschuldigt hat.
Streitgegenstand ist das Begehren des Klägers, die Feststellung des DM I als Impfschaden sowie die Zuerkennung eines Versorgungsanspruchs
zu erreichen. Dabei verkörpert die Kann-Versorgung keinen eigenen Streitgegenstand (vgl. BSGE 74, 109 ; BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 13, S. 55).
Das Begehren des Klägers wird im Folgenden ausschließlich nach den einschlägigen Bestimmungen des IfSG beurteilt. Der Versorgungsantrag wurde im Juni 2003 gestellt, die angeschuldigte Impfung fand im Juni 2002 statt und die
ersten Symptome des vom Kläger als Impfschaden angesehenen DM I traten im September 2002 aus. So ist auf jeden Fall ausgeschlossen,
dass eine Versorgung für Zeiträume in Betracht kommt, in denen noch das Bundesseuchengesetz (BSeuchG) galt (vgl. zu übergangsrechtlichen
Fragen BSG SozR 4-3851 § 20 Nr. 1, Rn. 6).
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG erhält bei einem Impfschaden u.a. Versorgung, wer durch eine Schutzimpfung, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich
empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Nach § 61 Satz 1 IfSG genügt zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinn des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil
über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann gemäß § 61 Satz 2 IfSG mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer
Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG anerkannt werden. Der Impfschaden wird in § 2 Nr. 11 IfSG definiert als die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden
gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung.
Dahin stehen kann, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG im Übrigen erfüllt sind. Jedenfalls scheitert das Begehren des Klägers auf eine Versorgung nach dem IfSG daran, dass einerseits zwischen den angeschuldigten Impfungen und dem beim Kläger bestehenden DM I kein Kausalzusammenhang
im versorgungsrechtlichen Sinn wahrscheinlich ist (dazu unten 1.) und andererseits auch die Voraussetzungen für die so genannte
Kann-Versorgung nicht vorliegen (dazu unten 2.).
1. Versorgung aufgrund mit Wahrscheinlichkeit erwiesenen Kausalzusammenhangs zwischen Impfungen und Gesundheitsschaden
Ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfungen und bestehendem Gesundheitsschaden ist nach Überzeugung des Senats nicht nur
nicht wahrscheinlich, sondern nach dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse nahezu ausgeschlossen.
Im Rahmen der Kausalität zwischen Impfung und Gesundheitsschaden ist zwischen der haftungsbegründenden (zwischen Impfung und
Primärschädigung) und der haftungsausfüllenden (zwischen Primärschädigung und Folgeschaden) zu unterscheiden. Das ergibt sich
aus der Struktur von § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG (vgl. dazu BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 36). Erste Voraussetzung ist danach die Durchführung einer speziellen Schutzimpfung oder einer anderen Maßnahme der
spezifischen Prophylaxe. Der Betroffene muss zweitens eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben; dabei muss es im haftungsbegründenden
Tatbestand unabdingbar zu einer gesundheitlichen Schädigung (= Primärschädigung) gekommen sein, rein wirtschaftliche Nachteile
genügen insoweit nicht. Zum haftungsbegründenden Tatbestand gehört auch, dass die Primärschädigung im Sinn von § 2 Nr. 11 IfSG über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgeht. Drittens ist zur Haftungsbegründung notwendig, dass die gesundheitliche
Schädigung durch die Schutzimpfung verursacht ist (so genannte haftungsbegründende Kausalität, vgl. zum Begriff BSG SozR 3-3200
§ 81 Nr. 16, S. 74 f. m.w.N.). Der Impfschaden im Sinn von § 2 Nr. 11 IfSG bildet das letzte Glied der Prüfungskette, nämlich die verbliebene Minderung an relevanten Rechtsgütern (im gesundheitlichen
und wirtschaftlichen Bereich); unter dem Reglement des BSeuchG war unter Impfschaden dagegen die Primärschädigung zu verstehen
(vgl. BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 36). Aus der Passage in § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG "wegen des Impfschadens" ergibt sich, dass zwischen der Primärschädigung und dem Impfschaden ebenfalls ein kausaler Zusammenhang
bestehen muss (so genannte haftungsausfüllende Kausalität).
Wie auch sonst im Versorgungsrecht gilt für beide Kausalverläufe die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. dazu BSG, Urteil
vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 37). Im Rahmen der Kausalität ist eine Ursache dann rechtlich wesentlich, wenn sie wegen ihrer besonderen Beziehung
zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie
nach der versorgungsrechtlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 08.08.1974 - 10 RV 209/73) rechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges
"annähernd gleichwertig" sind. Was unter dem Begriff der "annähenden Gleichwertigkeit" zu verstehen ist, ist in der angeführten
Entscheidung und auch in anderen neueren Entscheidungen nicht näher präzisiert. Die ständige unfallversicherungsrechtliche
Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R) hält demgegenüber den Begriff der "annähernden Gleichwertigkeit" für nicht geeignet zur Abgrenzung, da er einen objektiven
Maßstab vermissen lasse und missverständlich sei, und sieht eine versicherte Ursache dann als rechtlich wesentlich an, wenn
nicht eine alternative unversicherte Ursache von "überragender Bedeutung" ist. Letzteres entspricht im Ergebnis auch der versorgungsrechtlichen
Rechtsprechung des BSG, das, wie z.B. dem Urteil vom 14.07.1955 - 8 RV 177/54 zu entnehmen ist, von einer "annähernd gleichwertigen" Bedeutung einer von mehreren Ursachen solange ausgeht, als nicht einer
Ursache eine "überragende Bedeutung" zukommt. Eine Abweichung von unfallversicherungsrechtlicher und versorgungsrechtlicher
Rechtsprechung zum Kausalitätsbegriff, wie sie sich aufgrund der Differenzen zum Begriff der "annähernden Gleichwertigkeit"
aufdrängen könnte, besteht somit nicht (Senatsurteile vom 19.07.2011 - L 15 VS 7/10 und L 15 VG 20/10). Der Senat geht daher in Übereinstimmung mit der versorgungs- und unfallversicherungsrechtlichen Rechtsprechung davon aus,
dass eine vom Schutzbereich des IfSG umfasste Ursache immer dann rechtlich wesentlich ist, wenn nicht die andere(n), nicht dem Schutzbereich des IfSG unterfallende(n) Ursache(n) eine überragende Bedeutung hat (haben).
Hinsichtlich des Beweismaßstabs genügt für die Kausalität insgesamt deren Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlichkeit bedeutet,
dass mehr für als gegen einen Kausalzusammenhang spricht (vgl. BSGE 60, 58; BSG SozR 3850 § 51 Nrn 8, 10; § 52 Nr 1; BSG, Urteil vom 27.08.1998 - B 9 VJ 2/97 R; BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 38). Auch nach Ablösung der entsprechenden Regelungen des BSeuchG durch §§ 60, 61 IfSG geht der Senat davon aus, dass für beide Komponenten der Kausalität der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit greift. Nach
der Rechtsprechung des BSG zum Entschädigungsanspruch nach dem BSeuchG mussten sowohl die haftungsbegründende als auch die
haftungsausfüllende Kausalität nur wahrscheinlich sein (vgl. BSG, Urteil vom 27. August 1998 - B 9 VJ 2/97 R); diese Rechtsprechung ließ sich zwanglos mit dem Wortlaut von § 52 Abs. 2 BSeuchG vereinbaren. § 61 Satz 1 IfSG unterscheidet sich jedoch von § 52 Abs. 2 BSeuchG erheblich. Nimmt man die Regelung wörtlich, scheint sie die bloße Wahrscheinlichkeit nur für die Kausalität zwischen
gesundheitlicher Schädigung und dem Gesundheitsschaden genügen lassen zu wollen, während der ebenfalls notwendige Kausalzusammenhang
zwischen Impfung und gesundheitlicher Schädigung außen vor bleibt. Zu Gunsten des Klägers nimmt der Senat an, dass sich entgegen
dem Wortlaut von § 61 Satz 1 IfSG an der Rechtslage, die unter dem Reglement des BSeuchG durch das BSG geprägt worden ist, nichts ändern soll. Dafür spricht,
dass nach der Begründung zum Gesetzentwurf (BTDrs 14/2530, S. 88) § 61 IfSG lediglich an die entsprechenden Vorschriften des BVG angepasst worden sei, um eine einheitliche Sprachregelung im Entschädigungsrecht zu erreichen, indem wie in den anderen Gesetzen
der sozialen Entschädigung zwischen der (primären) gesundheitlichen Schädigung und dem verbleibenden Schaden (Gesundheitsschaden)
unterschieden werde. Zudem könnte eine derartige Verschärfung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen nach Ansicht des
Senats erhebliche verfassungsrechtliche Probleme im Hinblick auf den Vertrauensschutz aufwerfen. An dieser Stelle soll nicht
beleuchtet werden, ob ein unter dem BSeuchG entstandener Entschädigungsanspruch unter den Schutz von Art.
14 GG fällt, oder ob sich ein möglicher Vertrauensschutz vorrangig aus dem Rechtsstaatsprinzip nach den Grundsätzen der unechten
Rückwirkung ergibt. Denn mit der vom Senat gewählten Auslegung, dass auch die haftungsbegründende Kausalität von der Erleichterung
im Beweismaßstab erfasst wird, wird von vornherein vermieden, dass es überhaupt zu einer Rechtsverschlechterung kommen kann.
Nicht zuletzt hat das BSG jüngst die Beweiserleichterung des § 61 Satz 1 IfSG für beide Kausalstränge angewandt, allerdings ohne auf das Problem einzugehen (vgl. BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 38).
Aber auch diese Handhabung durch den Senat verhilft dem Kläger nicht zu dem begehrten Versorgungsanspruch. Ebenso wenig nützt
ihm, dass der Senat nicht schon deswegen einen Anspruch auf Versorgung verneint, weil eine Primärschädigung als solche überhaupt
nicht identifiziert werden kann. Zwar ist im IfSG eine dreistufige Prüfung (Impfung - Primärschädigung - verbliebener Schaden) angelegt. Es wäre allerdings realitätsfremd,
in jedem impfschadensrechtlichen Fall zu verlangen, es müsse eine deutlich wahrnehmbare Primärschädigung festgestellt werden.
Allgemein dient die Dreigliedrigkeit dazu, bestimmte Geschehnisabläufe bereits auf einer Vorstufe der Prüfung "auszusondern"
und das Fehlen kausaler Zusammenhänge leichter erkennen zu können. Je mehr sich die Kausalitätsprüfung in gedankliche Zwischenschritte
"zerlegen" lässt, desto objektivierbarer kann der Geschehnisablauf rechtlich aufgearbeitet werden. Diese Differenzierung ist
aber dann nicht möglich, wenn die Schädigung, also der Eingriff in das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit, nicht deutlich
zu Tage tritt, sondern wie hier im Verborgenen erfolgt. Zweifellos ist in solchen Fällen die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung
schwieriger, weil sich der Verursachungspfad nicht klar abzeichnet. Dennoch darf nicht per se wegen der Nichterkennbarkeit
einer Primärschädigung am Rechtsgut der körperlichen Gesundheit die Wahrscheinlichkeit des kausalen Zusammenhangs negiert
werden. Vielmehr muss der Zusammenhang zwischen Impfung und manifestiertem Gesundheitsschaden in einer einzigen gedanklichen
"Etappe" beurteilt werden.
Diese Beurteilung hat in einer Gesamtabwägung aller relevanten Umstände zu erfolgen. Die Gesamtabwägung vollzieht sich nicht
ausschließlich auf der medizinischen Ebene, sondern ist - wie auch sonst Abwägungsvorgänge, z.B. im Recht der Fachplanung
- erheblich rechtlich determiniert. So müssen zunächst alle möglicherweise relevanten medizinischen Aspekte herausgearbeitet
und gesammelt werden. Dabei handelt es sich einerseits um Tatsachen, die den konkreten Fall betreffen, so z.B. der beobachtete
zeitliche Abstand zwischen Impfung und Auftreten relevanter Symptome oder eventuelle gesundheitliche Vorschädigungen. Andererseits
spielen generelle Tatsachen eine eminent wichtige Rolle; dazu gehören beispielsweise die bisherigen Beobachtungen und wissenschaftlichen
Erkenntnisse in Bezug auf den Impfstoff. Auch die Gewichtung der einfließenden Aspekte bleibt nicht ausschließlich dem gutachterlichen
Ermessen überlassen. So muss die Aussagekraft der generellen Tatsachen nach deren Evidenz beurteilt werden. Zu diesem Zweck
sind die Tatsachen gedanklich nach "Evidenzklassen" zu gliedern, in etwa vergleichbar dem Verfahren, das der Gemeinsame Bundesausschuss
anwendet, wenn er die Zweckmäßigkeit einer medizinischen Methode beurteilt. Groß angelegte, nach wissenschaftlichen Grundätzen
durchgeführte epidemiologische Studien haben grundsätzlich die größte Aussagekraft, jedenfalls soweit es darum geht, gerade
das statistisch gesicherte Ergebnis der Studie zu verwerten. Generell ist ein sicherer Nachweis einer Wirkung - auch einer
ungewollten, schädlichen Wirkung - oder des Unterbleibens einer solchen in der Schulmedizin dann erbracht, wenn repräsentative
Studien vorliegen, wobei die Studien - um Zufallsergebnisse weitgehend auszuschließen - vor allem mit einer ausreichend großen
Zahl von Probanden durchgeführt worden sein müssen. Treten bestimmte Krankheiten, die auch arbeitshypothetisch mit Impfungen
plausibel in Zusammenhang stehen können, bei der geimpften Gruppe signifikant häufiger auf als bei der ungeimpften, kann der
Nachweis des erhöhten Schädigungsrisikos als erbracht gelten. So kann es sein, dass aufgrund der Ergebnisse einer geeigneten
epidemiologischen Studie eine bestimmte generelle Tatsache als eindeutig erwiesen oder als eindeutig widerlegt angesehen werden
kann, ohne dass im konkreten Fall beobachtbare "verdächtige" Umstände im Stande wären, eine gegenteilige Beurteilung zuzulassen.
Medizinische Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, müssen auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt
neuesten medizinisch-wissenschaft-lichen Erkenntnisstands beurteilt werden (vgl. BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 42). Auch ein womöglich bereits längere Zeit zurückliegender Vorgang muss, wenn über ihn erst jetzt abschließend zu
entscheiden ist, nach dem heutigen Stand der medizinischen Wissenschaft beurteilt werden. Die Bindung an den aktuellen Stand
der medizinischen Wissenschaft gilt auch, soweit die AHP dazu in Widerspruch stehen. Diese sind zwar im Prinzip auch heute
noch als antizipierte Sachverständigengutachten anzuwenden. Für den Fall aber, dass sie nicht mehr den aktuellen Stand der
medizinischen Wissenschaft wiedergeben, sind sie nicht anwendbar; dann haben Verwaltung und Gerichte auf andere Weise den
aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 39).
Bei Anwendung dieser rechtlichen Grundsätze hat der Senat keine Zweifel, dass es an der Wahrscheinlichkeit der wesentlichen
Verursachung durch die angeschuldigten Impfungen fehlt.
Es ist einzuräumen, dass die Verursachung eines DM I durch die Mumpsimpfung eine These verkörpert, die nach dem vorhandenen
theoretischen Wissen über die Krankheitsverursachung nicht völlig abwegig erscheint. Denn wie Dr. B. erläutert hat, muss beim
Mumpsvirus in der Tat damit gerechnet werden, dass es - wegen seiner Zielrichtung auf Speicheldrüsen - im Ausnahmefall statt
der Ohrspeicheldrüse die Bauchspeicheldrüse befällt. Aus diesem Grund war dies medizinische Arbeitshypothese, die zu epidemiologischen
Forschungen geführt hat. Dabei handelte es sich bei der Mumpsimpfung um die einzige Impfung, für die ein ursächlicher Zusammenhang
in der medizinischen Wissenschaft ernsthaft in Betracht gezogen wurde (vgl. auch Nr. 57 AHP 1996, 2004, 2005), zumal es sich
bei ihr seit jeher um eine so genannte Lebendimpfung (mit einem attenuierten Mumpsvirus) handelt; die aktuelle Liste des Paul-Ehrlich-Instituts
zu den momentan zugelassenen Impfstoffen zeigt, dass auch heute ausschließlich Lebendimpfstoffe auf dem Markt sind. Wie im
Folgenden dargestellt wird, ist der gegen die Mumpsimpfung geäußerte Verdacht aber mittlerweile ausgeräumt.
Der Senat stützt sich insoweit in erster Linie auf das Sachverständigengutachten von Dr. M., dessen Feststellungen er sich
zu Eigen macht. Der Gutachter ist in Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen und unter sorgfältiger Auswertung aktueller
wissenschaftlicher Literatur in überzeugender Manier zum Ergebnis gelangt, die Impfungen im Jahr 2002 hätten keinen signifikanten
Verursachungsbeitrag geleistet. Dr. M. hat sich korrekter Methodik bedient. Zum Einen hat er die individuellen Verhältnisse
des Falls hinreichend berücksichtigt, indem er die Impfsituation beschrieben hat. Zum Anderen hat er sich richtigerweise auf
die Ermittlung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft konzentriert und zu diesem Zweck seriöses und aussagekräftiges
Material verarbeitet; dabei ist er nicht in irgendeiner Weise selektiv vorgegangen. Seine Schlussfolgerungen, die er aus den
Ergebnissen der einschlägigen Studien bzw. Veröffentlichungen für den konkret vorliegenden Fall gezogen hat, sind vollständig,
logisch korrekt und plausibel. Nach dem eindeutigen Inhalt seiner Schlussfolgerungen auf genereller medizinisch-statistischer
Ebene haben sich für Dr. M. weitere den individuellen Fall betreffende Ermittlungen erübrigt.
Bestätigt werden die Ergebnisse des Sachverständigen durch ein aktuelles Gutachten von Prof. Dr. S. M. vom 05.09.2010, das
dieser für den Beklagten in einer anderen Angelegenheit erstellt hat. Prof. Dr. M. ist Ärztlicher Direktor des Westdeutschen
Diabetes- und Gesundheitszentrums des S. Krankenhauses G., D ... Dass der Beklagte Auftraggeber war, macht das Gutachten nicht
unverwertbar oder wertlos. Denn es erweckt gleichwohl den Eindruck großer Objektivität, Unbefangenheit und wissenschaftlicher
Sorgfalt. Der Senat hat das Gutachten von Prof. Dr. M. vor der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführt. In dem
Fall, der dem Gutachten zugrunde lag, waren zwar andere Impfstoffe beteiligt. Gleichwohl hat Prof. Dr. M. seine Einschätzungen
zu Impfungen generell abgegeben, so dass sich in dem Gutachten zahlreiche Feststellungen von sehr hoher Aussagekraft auch
für den vorliegenden Fall finden. Bereits die Überschrift des Gutachtens bringt klar zum Ausdruck, dass Impfungen allgemein
untersucht werden sollten; das war auch von vornherein Gutachtensauftrag des Beklagten gewesen. Prof. Dr. M. hat geschildert,
für andere Impfungen als die Mumpsimpfung sei in der Literatur bisher kein Fall für die Auslösung eines DM I beschrieben worden.
Im Gegenteil gebe es Arbeiten, die sogar einen schützenden Effekt proklamieren würden. Prof. Dr. M. hat dabei den Stand der
Wissenschaft sorgfältig und vollständig dargestellt und die einschlägigen Studien eingehend und nachvollziehbar beschrieben.
Vor allem hat er auf die besagte Studie von Hviid et al. hingewiesen und deren große Bedeutung unterstrichen. In diese Studie
waren alle Kinder eingeschlossen, die in Dänemark in der Zeit vom 01.01.1990 bis 31.12.2000 geboren worden waren. Der Sachverständige
hat bemerkt, aufgrund der in Dänemark hervorragend geführten Krankheits- und Impfregister hätten detaillierte Informationen
über Impfungen und die Entwicklung des DM I vorgelegen. Auch die Auswirkungen der Mumps- und Masernimpfung waren dabei untersucht
worden. Wegen der großen Anzahl erfasster Probanden (4.720.517 Personenjahre) hat Prof. Dr. M. die Studie als sehr aussagekräftig
dargestellt, indem er geschrieben hat, nach dieser Publikation sei in Fachkreisen die Frage eines Zusammenhangs von Impfungen
und Entwicklung eines DM I definitiv negativ beantwortet worden. Die Studie ist zweifellos auch für den konkreten Fall des
Klägers bedeutsam, weil die Mumpsimpfung seit jeher mit einem Lebendimpfstoff durchgeführt wird; ihr spezifisches - mittlerweile
widerlegtes - Gefahrenpotential liegt allein in diesem Umstand.
Der Senat vermag die Ergebnisse von Dr. M. nicht nur anhand des Gutachtens des Prof. Dr. M., sondern auch durch eine große
Zahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen zu verifizieren, die auch er als ein mit medizinischen Laien besetztes Gremium
auswerten, verstehen und im Rechtsfindungsprozess sachgerecht verwerten kann, ohne dass der Inhalt erst durch einen medizinischen
Sachverständigen "übersetzt" werden müsste. Das liegt einerseits daran, dass diese Beiträge nicht die unmittelbaren Studienbeschreibungen
verkörpern, sondern ihrerseits die vorhandenen Studien auswerten und medizinisch-wissenschaftliche Schlüsse daraus ziehen.
Andererseits beschäftigen sich die Beiträge mit dem allgemeinen Stand der Wissenschaft, nicht aber mit Gesundheitszustand
und funktionelle Einschränkungen einer konkreten Person. Angesichts dessen erschließt sich dem Senat umfangreiches, der Prozessbevollmächtigten
des Klägers bekanntes und in der mündlichen Verhandlung besprochenes Material, das die Gutachten von Dr. M. und Prof. Dr.
M. bestätigt:
1. Die WHO hat in einer Informationsschrift aus dem Jahr 2000 geäußert, der übereinstimmende Stand der Wissenschaft nehme
an, dass es keine Verbindung zwischen Impfungen und DM I gebe.
2. Keller-Stanislawski und Hartmann haben 2001 im Bundesgesundheitsblatt (S. 613) eine Übersichtsarbeit veröffentlicht, Titel
"Existiert ein Zusammenhang zwischen Impfungen und Typ-1-Diabetes mellitus bei Kindern und Jugendlichen?". Darin findet man
die Aussage, besonders der Mumpsimpfstoff habe Anlass zu Diskussionen gegeben, da die Wildtypvariante des Mumpsvirus selten
zu einer Pankreatitis führen könne. Im Folgenden haben die Autoren eingehend die vorhandenen Studien ausgewertet und keinen
Zusammenhang zwischen Impfungen und der Entstehung von DM I entdeckt.
3. Die Hinweise der STIKO über mögliche unerwünschte Wirkungen bei Schutzimpfungen (Epidemiologisches Bulletin, 22.06.2007/S.
209 ff.), die auf der Basis des aktuellen Wissens erfolgen (vgl. BSG SozR 4-3851 § 20 Nr. 1, Rn. 13), nennen zu Mumpsimpfstoffen
(S. 220/221) Lokal- und Allgemeinreaktionen, Komplikationen, Krankheiten/Krankheitserscheinungen in ungeklärtem ursächlichen
Zusammenhang mit der Impfung sowie Hypothesen und unbewiesene Behauptungen. Unter der Rubrik "Hypothesen und unbewiesene Behauptungen"
wird ausgeführt, Hypothesen hinsichtlich der Verursachung oder Begünstigung von DM I durch die Mumpsimpfung würden zwar gelegentlich
vertreten und verbreitet, es gebe jedoch keine wissenschaftlichen Hinweise, die einen solchen Zusammenhang wahrscheinlich
machen oder beweisen würden. Zur Thematik liege eine Vielzahl qualifizierter Studien vor, die keine Evidenz für einen ursächlichen
Zusammenhang der postulierten Krankheit mit der Impfung hätten finden können.
4. Aufsatz "Sicherheit von Impfstoffen" von Weißer/Barth/Keller-Stanislawski in Bundesgesundheitsblatt 2009, S. 1 ff.
5. Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts vom 26.04.2011 zur Frage "Stehen Impfungen in Zusammenhang mit der Ausbildung
von Diabetes mellitus Typ 1?".
Das Gutachten des B vermag nicht zu überzeugen bzw. kommt zu Ergebnissen, die für den Kläger nicht unbedingt günstig sind.
Der Vorsitzende hatte sich dazu gegenüber der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 07.04.2011 bereits ausführlich
geäußert; der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung an. Unvertretbar ist der
Grundansatz des Dr. B., seine Aufgabe sei primär, einen plausiblen Kausalzusammenhang darzustellen, während es auf statistische
Beweise nicht ankomme. Für diese Handhabung hat sich Dr. B. offenbar entschieden, weil er hat zugeben müssen, dass statistische
Beweise für einen Zusammenhang zwischen der Mumpsimpfung und DM I nicht existieren. Damit hat der Sachverständige jedoch missachtet,
dass das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu beurteilen
ist. Insoweit spielen, wie bereits oben dargestellt worden ist, größer angelegte Studien eine besondere Rolle; diese haben
eine höhere "Evidenz" als Einzelfallbeobachtungen. Das Aufzeigen eines plausiblen Kausalzusammenhangs kann allenfalls dann
zum Nachweis der wahrscheinlichen Verursachung ausreichen, wenn es an Aussagen höherer Evidenz fehlt. Ausgehend davon hat
Dr. B. es unterlassen, die zahlreichen epidemiologischen Studien zu sichten und zu diskutieren. Es ist methodisch falsch,
als Gegenposition zu den Studien lediglich einen hypothetischen Kausalzusammenhang zu konstruieren, der sich allenfalls durch
ältere Einzelfallbeobachtungen stützen lässt. Dr. B. hätte vielmehr darlegen müssen, dass Dr. M. die Studien fehlinterpretiert
habe (was dieser aber tatsächlich nicht getan hat). Zumindest irreführend sind auch Dr. B. Hinweise zum Stand der medizinischen
Wissenschaft. Zunächst handelt es sich dabei durchweg um ältere Einzelfallbeobachtungen, welche die Validität der neuesten
evidenzbasierten Erkenntnisse ohnehin nicht in Zweifel zu ziehen vermögen. Unabhängig davon erscheint Dr. B. Behauptung, Studien
über größere Gruppen würden weitgehend fehlen, angesichts der zahlreichen existierenden Forschungsarbeiten unzutreffend; auch
seine offensichtliche Aporie, es werde wohl auch in absehbarer Zukunft keine epidemiologisch begründeten Erkenntnisse geben,
ist unbegründet. Die übrigen von ihm genannten Beobachtungen betreffen im Wesentlichen einen Konnex zwischen der Mumpserkrankung
und DM I. Wie oben ausgeführt, ist der gedankliche Ansatz, das Mumpsvirus könne statt die Ohrspeichel- die Bauchspeicheldrüse
attackieren, nicht von der Hand zu weisen. So mag es durchaus sein, dass der Erreger in Einzelfällen auch eine Pankreatitis
hervorrufen kann. Dr. B. scheint indes mit dem Hinweis auf einen solchen Zusammenhang andeuten zu wollen, beim Kläger hätten
die injizierten Mumpsviren auf andere Weise, nämlich schleichend, die Bauchspeicheldrüse angegriffen. Denn eine Bauchspeicheldrüsenentzündung
lag beim Kläger nicht im Ansatz vor; diese Krankheit geht mit massiven akuten Symptomen einher, die beim Kläger schlicht fehlten.
Die von Dr. B. proklamierte Verursachungskette, dass nämlich die Viren ohne jegliche Entzündungsanzeichen, und das auch noch
in rasanter Zeit, die Betazellen zerstört haben könnten, erscheint mehr als spekulativ. Diesbezüglich schließt sich der Senat
der Ansicht Dr. E. an, bei einem schnelleren Prozess der Betazellzerstörung hätten akute Krankheitssymptome offenbar werden
müssen.
Wenn man Dr. B. beim Wort nimmt, ist dem Hauptargument des Klägers, zwischen der Impfung und dem Erkennen der Krankheit bestehe
ein aussagekräftiger zeitlicher Zusammenhang, die Grundlage entzogen. Denn auf Seite 6 seines Gutachtens hat Dr. B. ausgeführt,
DM I trete erst dann auf, wenn fast alle Betazellen zerstört seien. Daraus hat er geschlossen, der Krankheitsverlauf dauere
relativ lange. Angesichts dieses Dilemmas - ein Zeitraum von zwei Monaten zwischen Impfung und Manifestation der Krankheit
ist Dr. B. viel zu kurz erschienen - ist er auf die Impfung 1986 als Erstursache ausgewichen. Das allerdings überzeugt nicht
und erscheint spekulativ. Auch Dr. B. Erklärungsansatz über Gedächtniszellen, die erst durch die zweite Impfung reaktiviert
worden seien, wird dem vorliegenden Fall nicht gerecht. Denn auch nach einer unterstellten Reaktivierung müsste wohl erst
ein längerer Prozess der Zellzerstörung einsetzen.
Der Senat unterstreicht, dass auch Dr. B. eine Prädisposition des Klägers offenbar nicht verneinen will und der Impfung möglicherweise
nur eine Trigger-Funktion zuweist. Dann aber stellt sich auch auf der Basis seines Gutachtens die drängende Frage, ob er die
Impfung wirklich als wesentliche Bedingung im Sinn des Versorgungsrechts oder doch nur als (rechtlich irrelevante) Gelegenheitsursache
sieht. Rechtlich kann eine Impfung nicht wesentliche Bedingung für einen DM I sein, wenn die Betazellzerstörung schon vorher
weit fortgeschritten ist und die Impfung nur den letzten Anstoß dafür setzt, dass die Krankheit nun nach außen sichtbar wird.
Denn dann wären auch andere Ereignisse (z.B. Infektionskrankheiten, Stress) in gleicher Weise geeignet, diesen Effekt herbeizuführen.
Aus den AHP 1996 und 2004 ergibt sich nichts anderes. Zwar wird dort jeweils unter Nr. 57.14 bei "Impfschäden" ausgeführt,
ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Mumpsimpfung und DM I sei wissenschaftlich umstritten; es komme eine Kann-Versorgung
in Betracht. Zum Einen aber ist die Bewertung als "wissenschaftlich umstritten" nach dem gegenwärtigen Stand der medizinischen
Wissenschaft auch für die beim Kläger applizierten Impfstoffe (vgl. zu diesem Problem BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 47) überholt. Zum Anderen geht selbst diese obsolete Passage aus den AHP nicht von einem wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang
aus. Angesichts der eindeutigen Ergebnisse groß angelegter wissenschaftlicher Studien ist die vom Kläger aufgeworfene Frage,
welche Manifestationszeit aufgrund der Regelungen in den AHP anzunehmen sei, irrelevant.
Auch für die Masernimpfung vermag der Senat aus den gleichen Gründen keinen wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang zwischen
Impfung und Entstehung des DM I zu erkennen. Dabei ist der Masernimpfstoff in der medizinischen Wissenschaft nie ernsthaft
als Verursacher von DM I diskutiert worden. Es erscheint verfehlt und laienhaft, dass der Kläger aus der Äußerung des STIKO-Mitglieds
Prof. Dr. S., die Masernimpfung vermöge zu einem Anstieg der Bauchspeicheldrüsenenzyme zu führen, Schlüsse in diese Richtung
zieht.
Weder der Kläger noch Dr. B. hat die Zusatzstoffe in den Impfstoffen als mögliche Verursachungsfaktoren thematisiert. Auch
für einen solchen gedanklichen Ansatz existieren keinerlei tragfähige wissenschaftliche Belege. Zur näheren Begründung wird
auf das Senatsurteil vom gleichen Tag mit dem Aktenzeichen L 15 VJ 8/09 verwiesen.
2. Kann-Versorgung
Auch auf der Basis von § 61 Satz 2 IfSG vermag der Kläger mit seinem Begehren nicht durchzudringen. Eine Versorgung kann danach auch gewährt werden, wenn die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung
nur deswegen scheitert, weil in der medizinischen Wissenschaft über die Leidensursache allgemein Unkenntnis herrscht. Dabei
ist eine abstrakte theoretische Unsicherheit Voraussetzung, nicht eine bloß konkrete im Einzelfall (vgl. BSG SozR 3-3200 §
81 Nr. 13, S. 57). § 61 Satz 2 IfSG ist dahin zu interpretieren, dass mit Ausnahme des Wahrscheinlichkeitsnachweises alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein
müssen und zugleich keine Aspekte erkennbar sein dürfen, welche die Wahrscheinlichkeit der Verursachung unabhängig von der
Ätiologie und der Pathogenese der betreffenden Krankheit ausschließen.
Auch im Rahmen der Kann-Versorgung existiert eine Kausalitätsvoraussetzung. Diese erfüllt der Kläger nicht. Zwischen § 61 Satz 1 und 2 IfSG bestehen im Hinblick darauf nur graduelle Unterschiede (vgl. BSG SozR 3850 § 52 Nr. 1, S. 4). Die bloße Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs reicht im Rahmen der Kann-Versorgung nicht. Vielmehr muss
es wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung geben, welche die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs vertritt.
Wird eine solche Meinung überhaupt nicht vertreten, fehlt es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht infolge einer
Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft über die Entstehung des Leidens (vgl. dazu eingehend BSGE 73, 190). Nach der Rechtsprechung des BSG zum Soldatenversorgungsrecht, die auch hier anwendbar ist, muss zur Gewährung der Kann-Versorgung
nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang zwischen angeschuldigtem Ereignis und Leidensmanifestation bestehen, sondern nach einer
nachvollziehbaren wissenschaftlichen Lehrmeinung müssen Erkenntnisse vorliegen, die für einen generellen, in der Regel durch
statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang zwischen besonderen körperlichen Belastungen und einer festgestellten Krankheit
sprechen. Es darf nicht nur eine theoretische Möglichkeit des Zusammenhangs bestehen, sondern vielmehr eine "gute Möglichkeit",
die sich in der wissenschaftlichen Medizin nur noch nicht so zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet hat, dass von gesicherten
Erkenntnissen gesprochen werden kann (vgl. BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 13, S. 57).
Die einschlägigen Regelungen der AHP bzw. der VG übernehmen und konkretisieren diese rechtlichen Anforderungen. Teil C Nr.
4 VG enthält zur Kann-Versorgung u.a. folgende Regelungen:
a) ...
b) Folgende medizinische Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
aa) Über die Ätiologie und Pathogenese des Leidens darf keine durch Forschung und Erfahrung genügend gesicherte medizinisch-wissenschaftliche
Auffassung herrschen. Eine von der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung abweichende persönliche Ansicht einer sachverständigen
Person erfüllt nicht den Tatbestand einer Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft.
bb) Wegen mangelnder wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungen darf die ursächliche Bedeutung von Schädigungstatbeständen
oder Schädigungsfolgen für die Entstehung und den Verlauf des Leidens nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden können.
Ein ursächlicher Einfluss der im Einzelfall vorliegenden Umstände muss in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch
begründet in Erwägung gezogen werden. Ist die ursächliche Bedeutung bestimmter Einflüsse trotz mangelnder Kenntnis der Ätiologie
und Pathogenese wissenschaftlich nicht umstritten, so muss gutachterlich beurteilt werden, ob der ursächliche Zusammenhang
wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist.
cc) Zwischen der Einwirkung der wissenschaftlich in ihrer ursächlichen Bedeutung umstrittenen Umstände und der Manifestation
des Leidens oder der Verschlimmerung des Krankheitsbildes muss eine zeitliche Verbindung gewahrt sein, die mit den allgemeinen
Erfahrungen über biologische Verläufe und den in den wissenschaftlichen Theorien vertretenen Auffassungen über Art und Wesen
des Leidens in Einklang steht.
c) ...
d) Ist bei einem Leiden eine Kannversorgung generell in Betracht zu ziehen, muss trotzdem anhand des Sachverhaltes des Einzelfalles
stets zuerst geprüft werden, ob der ursächliche Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeit zu beurteilen ist. Lässt sich dabei die
Frage des ursächlichen Zusammenhangs bereits in ihrer Gesamtheit entscheiden, so entfällt eine Kannversorgung ...
Die AHP 1996, 2005, 2005 und 2008, enthielten, soweit von Relevanz, jeweils in Nr. 39 damit übereinstimmende Regelungen.
Zwar entnimmt der Senat den Gutachten von Dr. M. und Dr. B., dass in der medizinischen Wissenschaft nach wie vor Ungewissheit
über die Entstehung des Leidens im Sinn von § 61 Satz 2 IfSG herrscht. Deren Einlassungen zeigen, dass zu der Erkrankung auf genereller Ebene noch derartige Wissenslücken bestehen, dass
eine Kann-Versorgung grundsätzlich in Frage käme. In Übereinstimmung damit wurde DM I in den AHP als Krankheit genannt (Nr.
39 Abs. 7), für die eine Kann-Versorgung in Betracht zu ziehen war. Die VG enthalten einen entsprechenden Passus nicht mehr;
dieses Schweigen der VG darf aber nicht zu dem Schluss verleiten, die rechtlich geforderte Ungewissheit sei für DM I nunmehr
ausgeräumt.
Gleichwohl führt für den Kläger kein Weg zu einer Kann-Versorgung. Denn die nach der BSG-Rechtsprechung geforderte "gute"
Möglichkeit der Verursachung lässt sich nicht feststellen. Der Senat bezieht sich insoweit wiederum auf das überzeugende Gutachten
von Dr. M., dessen Feststellungen er sich auch diesbezüglich zu Eigen macht, sowie unterstützend von Prof. Dr. M ... Daraus
erschließt sich, dass es innerhalb der medizinischen Wissenschaft einhellige Meinung ist, dass weder der Mumps- noch der Masernimpfstoff
DM I im Sinn der wesentlichen Bedingung verursachen können. Von einer "guten Möglichkeit" im Sinn der BSG-Rechtsprechung kann
keine Rede sein kann. Die Verursachung von DM I durch eine Mumpsimpfung kann nicht einmal mehr als Arbeitshypothese aufrechterhalten
werden (vgl. Teil C Nr. 4 lit. b bb VG); denn nach den Methoden der Schulmedizin darf dies inzwischen als widerlegt gelten.
Damit scheidet eine wahrscheinliche Verursachung aus, ohne dass es darauf ankommt, wie die Ätiologie und Pathogenese des DM
I aussehen.
Aus der Anwendung der AHP bzw. VG ergibt sich nichts anderes. Es bedarf keiner Erörterung, inwieweit die AHP in welchen Zeiträumen
noch Anwendung finden. Denn nach allen in Betracht kommenden Rechtsvorschriften fehlt es an der Voraussetzung, dass eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung
ausscheidet (vgl. Teil C Nr. 4 lit. b bb, lit. d VG). Es lässt sich nämlich eine außerordentlich hohe Wahrscheinlichkeit dafür
feststellen, dass die angeschuldigten Impfungen gerade nicht den DM I im versorgungsrechtlichen Sinn verursacht haben. Daran
ändert auch die ausdrückliche Nennung des DM I in Nr. 39 Abs. 7 AHP nichts; gleichwohl müssen die genannten rechtlichen Voraussetzungen
für die Kann-Versorgung stets im Einzelnen geprüft werden. Ebenso wie Nr. 39 Abs. 7 erteilten auch Nr. 57.14 und Nr. 120 AHP
lediglich den Auftrag, eine Kann-Versorgung zu prüfen, nicht aber sie zuzusprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.