Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bei psychischen Störungen; Unüberwindbarkeit aus eigener Kraft
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Die 1963 geborene Klägerin war zuletzt von 1984 bis 2009 als Hauswirtschaftsgehilfin (klinischer Wirtschafts- und Reinigungsdienst)
in der Universitätsklinik B-Stadt tätig gewesen. Seit November 2006 folgten Arbeitsunfähigkeits- und Arbeitslosigkeitszeiten.
Nach einem Kontenspiegel der Beklagten vom 10.02.2015 waren für die Klägerin letztmals Pflichtbeiträge zum 02.05.2012 zu verzeichnen,
danach sind keine versicherungsrechtlich relevanten Zeiten mehr gespeichert. Mit dem 10.02.2015 waren im Hinblick auf die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des §
43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) lediglich 28 Beitragsmonate zu verzeichnen. Die Klägerin bezog nach eigenen Angaben keine öffentlichen Leistungen; im Oktober
2014 ist die Klägerin nach A-Stadt verzogen.
Am 22.07.2009 beantragte die Klägerin eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die Beklagte beauftragte den Psychiater Dr.M. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dr.M. diagnostizierte am 11.11.2009 einen
Verdacht auf kombinierte Persönlichkeitsstörung mit demonstrativen und übernachhaltigen sowie depressiven Anteilen, vordiagnostizierte
chronisch-obstruktive Bronchitis und ein degeneratives LWS-Syndrom. Die Klägerin sei insbesondere nach Durchführung einer
geplanten stationären psychosomatischen Behandlung in wenigen Wochen in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte
bis mittelschwere Tätigkeiten wenigstens 6 Stunden täglich und mehr zu verrichten. Nicht verrichtet werden könnten Tätigkeiten
mit Anforderungen an Zeitdruck, erhöhte Umstellungsanforderung sowie psychische Belastungen.
Mit Bescheid vom 16.11.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab.
Dagegen erhob die Klägerin am 15.12.2009 Widerspruch. Vorgelegt wurde ein Bericht der Psychosomatischen Klinik G. vom 20.05.2010
über die stationäre Behandlung dort vom 03.03.2010 bis 21.04.2010.
Die Beklagte beauftragte die Neurologin und Psychiaterin und Ärztin für Psychotherapie und Sozialmedizin Dr.S. mit der Erstellung
eines Gutachtens. Dr.S. diagnostizierte am 16.11.2010 eine Persönlichkeitsstörung mit histrionischen Anteilen, vordiagnostizierte
und derzeit nicht im Vordergrund stehende posttraumatische Störung. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch
wenigstens 6 Stunden täglich stress- und konfliktarme Tätigkeiten verrichten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 09.12.2010 Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erheben lassen. Das SG hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte, nämlich des Facharztes für psychotherapeutische Medizin Dr.E. vom
05.08.2011, des Internisten Dr.S. vom 22.08.2011, der prakt.Ärztin Dr.D. vom 30.08.2011 sowie den Entlassungsbericht der Psychosomatischen
Klinik G. vom 28.09.2011 beigezogen und die Psychiaterin und Ärztin für öffentliches Gesundheitswesen Dr.B. mit der Erstellung
eines Gutachtens beauftragt. Dr.B. hat am 19.11.2011 folgende Diagnosen gestellt:
1. Rezidivierende depressive Episoden bei kombinierter Persönlichkeitsstörung mit anankastischen und narzisstischen Anteilen,
derzeit schwere depressive Episode, 2. Agoraphobie mit Panikattacken, 3. Arterielle Hypertonie, 4. Diabetes mellitus, Typ
II, 5. Rezidivierendes HWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen, 6. COPD.
Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seit Untersuchungszeitpunkt am 18.11.2011 nur noch unter 3 Stunden täglich
tätig sein. Die geminderte Erwerbsfähigkeit sei vorübergehend und zwar für den Zeitraum von etwa 2 Jahren.
Daraufhin hat die Beklagte ein Vergleichsangebot unterbreitet, wonach bei der Klägerin eine volle Erwerbsminderung auf Zeit
ab dem 18.11.2011 bis 31.12.2012 anerkannt werde.
Die Klägerin hat das Vergleichsangebot nicht angenommen und ein Gutachten nach Aktenlage (um eine weitere psychisch belastende
Untersuchung zu vermeiden) gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) von Prof.Dr.S., Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, beantragt.
Prof.Dr.S. hat am 03.07.2012 folgende Diagnosen gestellt:
1. Rezidivierende depressive Episode (F33), DD Somatisierungsstörung mit depressiven und ängstlichen Symptomen (F45.0), nach
mehreren biographischen Belastungen, 2. Rezidivierendes Zervikalsyndrom sowie rezidivierendes Lumbalsyndrom (Osteochondrose
L5 bis S1 sowie lumbosakrale Aufbaustörung der LWS), Rotationseinschränkung der linken Hüfte (Röntgen-Befund 06/2009), 3.
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD 04/2009) bei Nikotinabusus, DD kompensiertes Asthma bronchiale, 4. Diabetes mellitus
Typ 2 (Erstdiagnose 2006), ohne neuropsychiatrische Folgeschäden, Adipositas (BMI 35-(40), labiler Hypertonus, Fettstoffwechselstörung,
Z.n. Cholezystektomie 2005, Z.n. Abrasio 2007, Doppelniere ohne Niereninsuffizienz.
Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wenigstens 6 Stunden täglich Tätigkeiten verrichten. Zu vermeiden seien
Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen, überwiegend stehende oder gehende Tätigkeiten, häufiges Heben und Tragen
von Lasten von mehr als 10 kg, häufiges Bücken und häufige Überkopfarbeiten, Arbeiten in Zwangshaltungen und Arbeiten unter
ungünstigen äußeren Bedingungen. Zu vermeiden seien ebenso Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung sowie stressreiche
Arbeiten mit Publikumsverkehr.
Die Beklagte hat dazu Stellung genommen und angegeben, sie schließe sich dem Gutachten von Prof.Dr.S. an. Das Vergleichsangebot
ist von ihr widerrufen worden.
Die Klägerin hat der sozialmedizinischen Einschätzung durch Prof.Dr.S. widersprochen und insbesondere angegeben, ein Gutachten
nach Aktenlage sei nicht valide.
Das SG hat einen Bericht des A. Klinikums H. vom 22.10.2012 über eine stationäre psychotherapeutische Behandlung vom 10.08.2012
bis 19.09.2012 sowie einen Befundbericht der Neurologin und Psychiaterin Dr.F. vom 18.01.2013 beigezogen und eine ergänzende
Stellungnahme von Dr.B. eingeholt.
Dr.B. hat am 16.02.2013 angegeben, sie halte an ihrer sozialmedizinischen Beurteilung nicht fest, sondern komme zu einem wenigstens
6-stündigen Leistungsvermögen. Die schwere depressive Episode, die sie bei ihrer Untersuchung festgestellt habe, habe nur
kurzzeitig bestanden und sei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen. Nach dem Bericht der A. Klinik H. habe
bei Aufnahme eine schwere depressive Episode bestanden, die ebenfalls abgeklungen sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.04.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Das Gericht schließe sich der Leistungsbeurteilung durch Prof.Dr.S. an. Dem stehe nicht das Gutachten
von Dr.B. entgegen. Zwar sei Dr.B. zunächst davon ausgegangen, dass die Klägerin aufgrund einer bei der Begutachtung festgestellten
schweren depressiven Episode ab 18.11.2011 vorübergehend nur noch weniger als 3 Stunden täglich einsatzfähig gewesen sei.
Nach Würdigung des weiteren Krankheitsverlaufes, wie er im ärztlichen Entlassungsbericht des A. Klinikums H. vom 22.10.2012
und den Befundberichten von Dr.E. und Dr.F. dokumentiert gewesen sei, habe sie ihre vorherige Auffassung revidiert.
Dagegen hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Berufung beim Bayer. Landessozialgericht einlegen lassen. Im Wesentlichen
hat sie vortragen lassen, der Sachverhalt sei noch nicht ausreichend geklärt. Dr.B. habe in ihrer ergänzenden Stellungnahme
die zuvor vertretene Auffassung geändert, die Klägerin könne nur noch eine weniger als unter 3-stündige Tätigkeit verrichten.
Eine neue eigene Untersuchung habe sie nicht durchgeführt. Darüber hinaus habe das Gutachten nach Aktenlage von Prof.Dr.S.
nur wenig Aussagekraft. Es seien verschiedene Diagnosen gestellt worden, einmal die einer posttraumatischen Belastungsstörung,
nämlich nach dem Bericht der A. Klinik wie auch nach dem Befund Dr.E. sowie der Klinik G.; Prof.Dr.S. habe eine solche Diagnose
jedoch verneint.
Der Senat hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt. Dr.E. hat am 07.12.2013 angegeben, der letzte
Behandlungstermin sei der 05.11.2013 gewesen. Die Neurologin und Psychiaterin Dr.F. hat im Befundbericht vom 12.12.2013 angegeben,
der letzte Behandlungstermin sei am 26.06.2013 erfolgt. Die prakt. Ärztin Dr.H. D. hat in ihrem Befundbericht vom 27.12.2013
mitgeteilt, der Gesundheitszustand habe sich verändert, der Diabetes mellitus sei seit Oktober 2013 insulinpflichtig.
Der Senat hat den Arzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie Dr.C. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt.
Dr.C. hat am 23.07.2014 folgende Diagnosen gestellt:
1. Rezidivierende depressive Störung (F33.8), 2. V.a. diabetische Polyneuropathie, leichtgradig, 3. Diabetes mellitus, 4.
Degeneratives Wirbelsäulensyndrom ohne radikuläre Symptomatik, 5. Arterielle Hypertonie, 6. Chronisch-obstruktive Bronchitis.
Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch wenigstens 6 Stunden täglich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen
oder im Wechselrhythmus verrichten. Zu vermeiden seien nervlich belastende Tätigkeiten, an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen,
an laufenden Maschinen, dauernde Zwangshaltungen.
Die Klägerin hat im Wesentlichen vortragen lassen, der sozialmedizinischen Beurteilung durch Dr.C. sei nicht zu folgen. Vorgelegt
wurde dabei ein ärztliches Attest vom 19.09.2014 des Arztes für psychotherapeutische Medizin Dr.E ... Dieser gab an, die Klägerin
befinde sich seit 2006 in der regelmäßigen ambulanten psychotherapeutischen Behandlung. Sie leide an einer rezidivierenden
schweren depressiven Störung und einer schweren Angststörung. Medikamentös erhalte sie Sertralin 200 mg am Tag. Sie sei nur
noch weit unter 3 Stunden täglich erwerbsfähig. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat weiter vorgetragen, eine Besserung des
Gesundheitszustandes der Klägerin sei nur deshalb eingetreten, weil die Klägerin bei einem stationären Aufenthalt den Alltagsbelastungen
entzogen gewesen sei. Soweit Dr.C. angebe, es gebe Anzeichen für eine medikamentöse Fehldosierung oder mangelnde Compliance,
werde angeregt, die behandelnden Ärzte Dr.E. und Dr.F. um Auskunft zu bitten, ob und mit welchem Ergebnis solche Kontrollen
durchgeführt worden seien.
Die Beklagte hat dazu mit Schriftsatz vom 13.10.2014 Stellung genommen und angegeben, jedenfalls für den Zeitraum Juli 2013
bis Januar 2014 habe keine nervlich psychiatrische Behandlung stattgefunden.
Auf Anfrage des Senates hat Dr.E. am 16.12.2014 mitgeteilt, im Jahre 2014 hätten Behandlungstermine am 17.01.2014, am 11.02.2014,
am 04.03.2014, am 27.03.2014, am 30.04.2014 und 15.09.2014 stattgefunden. Laborkontrollen bezüglich der eingenommenen Medikamente
habe er nicht durchgeführt. Dr.F. gab am 23.01.2015 an, die Klägerin habe sich seit 12.12.2013 nicht mehr in ihrer fachärztlichen
Behandlung befunden.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16.01.2015 hat sich Dr.C. mit den Einwendungen des klägerischen Bevollmächtigten auseinandergesetzt.
Der Bevollmächtigte hat dargelegt, die Klägerin befinde sich seit dem Umzug nach A-Stadt in der Behandlung der Neurologin
und Psychiaterin Dr.M ... In einem Bericht vom 26.02.2015 bestätigt diese eine Behandlung mit psychiatrischen Gesprächen und
100 mg Sertralin täglich sowie eine gute Compliance.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 30.04.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16.11.2009 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom 22.07.2009
hin, die gesetzlichen Leistungen einer Rente wegen voller,
hilfsweise
teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 30.04.2013 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Beklagtenakten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung hat,
denn sie kann noch wenigstens 6 Stunden täglich Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen
verrichten.
Gemäß §
43 Abs.
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbei- träge
für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit
erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Die Klägerin ist noch in der Lage, wenigstens 6 Stunden täglich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen sowie im Wechselrhythmus
zu verrichten. Zu vermeiden sind nervlich belastende Tätigkeiten, beispielsweise Tätigkeiten unter Zeitdruck, im Akkord, am
Fließband, in der Nachtschicht, mit besonderer Verantwortung sowie Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen, etwa auf
Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr und Arbeiten an laufenden Maschinen. Körperlich schwere Tätigkeiten wie Heben und Tragen
mittelschwerer Lasten ohne Hilfsmittel, Arbeiten in dauernder Zwangshaltung sollten vermieden werden, ebenso wie Tätigkeiten
unter ungünstigen klimatischen Bedingungen. Ebenso zu vermeiden sind stressreiche Tätigkeiten mit viel Publikumsverkehr.
Bei der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Klägerin stützt sich der Senat auf die Feststellung des Sachverständigen
Dr.C. sowie der vom SG als Sachverständigen gehörten Prof.Dr.S. wie auch Dr.B ... Eingeschränkt ist die Erwerbsfähigkeit der Klägerin ganz im Vordergrund
stehend durch ihre Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Dr.C. hat am 22.07.2014 folgende Diagnosen gestellt:
1. Rezidivierende depressive Störung (F33.8), 2. V.a. diabetische Polyneuropathie, leichtgradig, 3. Diabetes mellitus, 4.
Degeneratives Wirbelsäulensyndrom ohne radikuläre Symptomatik, 5. Arterielle Hypertonie, 6. Chronisch-obstruktive Bronchitis.
Dr.C. hat in seinem Gutachten vom 22.07.2014 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16.01.2015 schlüssig und nachvollziehbar
dargetan, dass eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens bei der Klägerin nicht besteht.
Eine psychische Störung ist nur dann von erwerbsmindernder Bedeutung, wenn sie weder aus eigenen Kräften noch unter ärztlicher
Hilfe überwunden werden kann (BSG, Urteil vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89, veröffentlicht in [...]). Für das tatsächliche Vorliegen, ihre Unüberwindbarkeit aus eigener Kraft und ihre Auswirkungen
auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit trifft den Rentenbewerber die (objektive) Beweislast (vgl. BSG, SozR Nr 39 zu § 1246
RVO und BSG SozR Nr 76 zu § 1246
RVO). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Es ist daher nicht nachgewiesen,
dass die Klägerin die seelischen Störungen weder aus eigener Kraft noch unter ärztlicher Mithilfe überwinden kann.
Dr.C. hat durchaus ausgeführt, dass bei der Klägerin schon über einen längeren Zeitraum hinweg eine psychische Störung besteht.
Allerdings gibt er ebenso an, dass sich der Chronifizierungsaspekt nicht ohne weiteres nachvollziehen lasse. Obwohl wiederholt
von einem schweren Ausprägungsgrad der depressiven Störung berichtet worden sei, sei ebenso regelmäßig eine deutliche Besserung
unter therapeutischen Maßnahmen beschrieben worden. Auch habe das A. Klinikum im Jahre 2012 von einer deutlichen Besserung
am Ende der Behandlung geschrieben. Bemerkenswert sei ebenfalls, dass es ab 2009 zu einer medikamentösen Behandlung mit dem
antidepressiven Medikament Sertralin gekommen sei. Dieses werde in einer Dosierung bis zu 200 mg verordnet. Lange Zeit sei
lediglich eine mittlere Dosierung von 100 bis 150 mg verordnet worden, im Rahmen der stationären Behandlung im A. Klinikum
auf 150 mg. Die Analyse des tatsächlichen therapeutischen Vorgehens lege den Verdacht nahe, dass der tatsächliche Ausprägungsgrad
der Störung und der damit verbundenen Leidensdruck nicht dem einer schweren depressiven Störung entsprochen habe. Auch die
Klägerin selbst habe angegeben, dass es im Rahmen der stationären Behandlungen immer wieder zu einer deutlich verbesserten
psychischen Situation gekommen sei, welche sich anschließend allmählich verschlechtert habe. Die Klägerin habe im Zusammenhang
mit der medikamentösen Behandlung aktuell die Einnahme des erwähnten Medikaments Sertralin in einer Dosierung von 200 mg angegeben.
Entgegen der Erwartung habe sich bei der Kontrolle des Medikamentenspiegels ein Wert gezeigt, der zu niedrig und deutlich
außerhalb des therapeutischen Bereiches gewesen sei. Zwar könne bei Antidepressiva nicht einem strengen Zusammenhang zwischen
Wirkung und Medikamentenspiegel ausgegangen werden. Dennoch sei bei scheinbar fehlendem Therapieerfolg ein sog. Track Monitoring,
d.h. Überprüfung der Medikamentenspiegel und die Analyse der medikamentösen Therapie dringend erforderlich. Dies sei trotz
des langjährigen Verlaufes unterlassen worden. Aufgrund des Medikamentenspiegels sei zum einen davon auszugehen, dass zweifellos
Therapieoptionen vorhanden seien, da wiederholt in der Vergangenheit Besserungen beschrieben worden seien. Zum anderen könnten
hieraus durchaus Zweifel an der regelmäßigen Einnahme bzw. der Compliance der Klägerin bestehen. Daraus resultieren auch Zweifel
am tatsächlichen Schweregrad der Störung. Die Klägerin habe sich bei der aktuellen Untersuchung in einem depressiven Zustandsbild
präsentiert. Dies zeige jedoch auch Diskrepanzen zu berichteten Alltagsleistungen. Die Klägerin habe berichtet, notgedrungen
in ihrer näheren Umgebung mit dem Auto zum Einkaufen fahren zu müssen. Dies lasse auf verhaltene kognitive Fähigkeiten schließen.
Insbesondere habe sie auch über positive Gefühle und Aktivitäten im engsten Familienkreis berichtet. Sie kümmere sich um ihre
Hunde, trage Sorge für ihr Enkelkind, halte eine Beziehung zu einer Freundin in A-Stadt. Dabei habe sie angegeben, bis vor
2 Jahren 3- bis 4-mal im Jahr mit dem Auto nach A-Stadt gefahren zu sein.
Im Hinblick auf die Einwendungen des Klägerbevollmächtigten hat Dr.C. erneut ausgeführt, dass sich durchaus Zweifel an einer
regelmäßigen Medikamenteneinnahme ergeben hätte. Ebenso ergeben sich auch Zweifel an der bisherigen Therapieplanung. Im ärztlichen
Attest vom 19.09.2014 habe Dr.E. geäußert, dass seit 2006 eine regelmäßige ambulante psychotherapeutische Behandlung erfolgt
sei. Die rezidivierende depressive Störung und eine Angststörung seien als schwer ausgeprägt bezeichnet worden. Im Falle eines
relevanten und schwer ausgeprägten Störungsgrades hätte man zwangsläufig das therapeutische Vorgehen überprüfen müssen. Dazu
gehöre insbesondere auch die Durchführung von Medikamentenspiegelkontrollen. Das unreflektiert erscheinende Beibehalten einer
medikamentösen Behandlung über 2 Jahre ohne angeblichen Therapieerfolg lasse sich nicht nachvollziehen. Darüber hinaus lasse
sich nicht aus den zur Verfügung gestellten Sachverhalten, eigen- und fremdanamnestischen Angaben, psychopathologischen Befunden
und der Therapieplanung ein schweres Zustandsbild nachvollziehen. Insbesondere sei es bei schweren Ausprägungsgraden einer
Angststörung oder depressiven Störungen nicht möglich, fahrtauglich zu sein. Der Einwand einer möglicherweise nur scheinbaren
Besserung unter stationären Bedingungen wäre durchaus gerechtfertigt, wenn die berichtete Verschlechterung mit entsprechenden
therapeutischen Konsequenzen verbunden gewesen wäre. Eine geschützte Umgebung und die Entlastung von Alltagsaufgaben können
durchaus dazu führen, dass in diesem Rahmen eine Besserung des psychopathologischen Bildes eintrete und dass nach Entlassung
unter Alltagsanforderung erneut ein Rezidiv auftrete. Im vorliegenden Falle lasse sich dies jedoch nicht den Befunden und
insbesondere nicht den therapeutischen Maßnahmen entnehmen. Nachdem weder Dr.E. noch Frau Dr.F. Medikamentenkontrollen vorgenommen
hätten, bestünden nach wie vor erhebliche Zweifel an dem Leidensdruck der Klägerin, der sich insoweit auch nicht objektivieren
lasse.
Im Ergebnis zu einer gleichen Leistungsbeurteilung kommen Prof.Dr.S. sowie auch Dr.B.im sozialgerichtlichen Verfahren. Prof.Dr.S.
stellt folgende Diagnosen:
1. Rezidivierende depressive Episode (F33), DD Somatisierungsstörung mit depressiven und ängstlichen Symptomen (F45.0), nach
mehreren biographischen Belastungen. 2. Rezidivierendes Zervikalsyndrom sowie rezidivierendes Lumbalsyndrom (Osteochondrose
L5 bis S1 sowie lumbosakrale Aufbaustörung der LWS), Rotationseinschränkung der linken Hüfte (Röntgen-Befund 06/2009). 3.
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD 04/2009) bei Nikotinabusus, DD kompensiertes Asthma bronchiale. 4. Diabetes mellitus
Typ 2 (Erstdiagnose 2006), ohne neuropsychiatrische Folgeschäden, Adipositas (BMI 35-(40), labiler Hypertonus, Fettstoffwechselstörung,
Z.n. Cholezystektomie 2005, Z.n. Abrasio 2007, Doppelniere ohne Niereninsuffizienz.
Auch Prof.Dr.S. legt wie Dr.C. dar, dass eine relative Verursachung der Beschwerden und der Symptomatik durch Lebensereignisse
von Beginn angenommen worden seien. Solche depressive Episoden seien ihrer Natur nach vorübergehende psychische Erkrankungen.
Es lasse sich nicht unmittelbar eine dauerhafte Erwerbsminderung ableiten. Der Verlauf seit 2006 und insbesondere seit Antragstellung
2009 zeige einen wechselhaften Verlauf mit durchaus krisenhaften Zuspitzungen, die lediglich eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit
zur Folge gehabt hätten. Es ergeben sich keine Hinweise auf überdauernde leistungsmindernde kognitive Störungen und psychische
Beeinträchtigungen. Auch er gibt an, dass die Klägerin seit vielen Jahren in kaum veränderter Dosis Sertralin erhalte. Auch
dies spreche gegen schwere lang anhaltende Episoden einer depressiven Symptomatik und gegen eine schwerwiegende tiefgehende
Chronifizierung.
Soweit Dr.B. am 19.11.2011 die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Episode mit derzeit schwerer depressiver Episode
gestellt hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, es liege nur ein unter 3-stündiges Leistungsvermögen vor, hatte sie nachvollziehbar
in ihrer ergänzenden Stellungnahme dargetan, dass unter Berücksichtigung des weiteren Verlaufes, insbesondere des Berichtes
der A. Klinik, wonach eine deutliche Besserung beschrieben worden sei, es sich nur um einen vorübergehenden Zustand gehandelt
habe.
Die Einwendungen des Bevollmächtigten der Klägerin sind nicht geeignet, die sozialmedizinische Beurteilung der Sachverständigen
zu erschüttern. Soweit er angibt, Prof.Dr.S. habe im Gegensatz zu den behandelnden Ärzten der Klägerin eine posttraumatische
Belastungsstörung verneint, ist festzustellen, dass es wesentlich für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit auf das Ausmaß
der Funktionsstörungen ankommt, die eine Krankheit verursacht. Trotz der bei der Klägerin vorliegenden Einschränkungen gehen
die o.g. Sachverständigen jedoch von einem über 6-stündigen Leistungsvermögen aus. Der Bericht von Dr.M., der der Klägerin
eine gute Compliance bestätigt, hilft ebenfalls nicht weiter. Zum einen hat sie die Compliance nicht verifiziert (bei der
Medikamenteneinnahme, bei den Gesprächen?), zum anderen kann sie nur über einen Zeitraum ab Herbst 2014 berichten. Valide
Schlüsse für die Vergangenheit lassen sich nicht ziehen. Abgesehen davon hat Dr.C. die Einschätzung des Leistungsvermögens
auf eine Vielzahl von Faktoren gestützt (klinischer Eindruck, Testverfahren etc.), so dass die fragliche Compliance nur ein
Indiz unter vielen darstellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.