Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besorgnis der Befangenheit gegenüber den Sachverständigen Dr.B. und Dr.S.
begründet ist.
Im Ausgangsverfahren macht die Klägerin einen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung geltend. Das
Sozialgericht beauftragte am 13.07.2007 den Neurologen und Psychiater Dr.B. und den Orthopäden Dr.S. jeweils auf ihrem Fachgebiet
ein Gutachten zu erstatten zur Beurteilung des verbliebenen Leistungsvermögens der Klägerin. Als Anlage zum Gutachtensauftrag
waren unter anderem auch die Akten der Beklagten aufgeführt. Die Beweisanordnung enthielt den Hinweis, dass der Inhalt der
übersandten Akten, insbesondere die darin enthaltenen Gutachten, Befundberichte und medizinischen Äußerungen kritisch zu würdigen
seien. Am 14.09.2007 ging beim Sozialgericht das Gutachten des Dr.B. mit Datum vom 13.09.2007 ein. Es wurde dem Bevollmächtigten
der Klägerin am 10.10.2007 zur Stellungnahme übersandt. Eine Frist wurde hierfür nicht gesetzt. Am 18.10.2007 wurde das Gutachten
des Dr.S. vom 04.10.2007 eingereicht. Das Sozialgericht übersandte dieses dem Bevollmächtigten der Klägerin zur Stellungnahme
mit Frist bis 22.11.2007. Zugleich wurde mitgeteilt, es sei keine weitere Beweiserhebung vorgesehen. Am 13.11.2007 wandte
sich der Bevollmächtigte der Klägerin an das Sozialgericht und kündigte an, die erbetene Stellungnahme verzögere sich, da
die Klägerin hierzu noch Rücksprache mit ihrem Orthopäden halten wolle; voraussichtlich werde die Stellungnahme bis Ende November/Anfang
Dezember vorgelegt werden können.
Am 28.11.2007 ging beim Sozialgericht ein von der Klägerin persönlich verfasstes Schreiben mit dem Datum vom 17.11.2007 ein.
Darin brachte die Klägerin Einwendungen gegen das Gutachten des Dr.B. vor. Der Sachverständige habe keine eigenen Feststellungen
getroffen, sondern habe sich auf die vorangegangenen Gutachten bezogen. Letztere hätten ihm gar nicht bekannt gegeben werden
dürfen, vielmehr hätten nur Befunde der behandelnden Ärzte herangezogen werden dürfen. Somit sei Dr.B. gegenüber ihrer Person
voreingenommen. Dies komme daneben auch noch dadurch zum Ausdruck, dass er sie im Gutachten als "Klägerin" bezeichnet und
mehrmals das Wort "angeblich" bei der Befunderhebung verwendet habe. Die von ihm erhobenen Diagnosen seien widersprüchlich
und beruhten auf einer nicht belegten Interpretation auf Grund vorgefasster Annahmen. Das Gutachten sei wegen dieser Mängel
unbrauchbar. Auf Rückfrage des Sozialgerichts vom 03.12.2007 erklärte die Klägerin am 27.12.2007, ihr Schreiben sei als Befangenheitsantrag
gegenüber Dr.B. zu verstehen. Zugleich lehne sie auch Dr.S. wegen Befangenheit ab. Dessen Gutachten beinhalte neben fachlich-sachlichen
Unkorrektheiten auch grobe Unzulänglichkeiten und beantworte die richterlichen Fragen nicht zutreffend. Der Sachverständige
verharmlose ihre körperlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden, was auf Voreingenommenheit hindeute. Auch dieses Gutachten
sei unbrauchbar.
Das Sozialgericht holte Stellungnahmen der Sachverständigen zu den Einwänden der Klägerin ein und lehnte die Anträge auf Ablehnung
der Sachverständigen Dr.B. und Dr.S. wegen Besorgnis der Befangenheit mit Beschluss vom 02.07.2008 ab. Beide Befangenheitsanträge
seien verspätet. Sie hätten innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Gutachten gestellt werden müssen. Diese Frist sei
jeweils nicht eingehalten worden.
Der Beschluss wurde der Klägerin am 23.07.2008 zugestellt. Am 05.08.2008 legte sie dagegen Beschwerde ein. Das Sozialgericht
habe auf die in §
406 Abs.2
Zivilprozessordnung (
ZPO) genannten Fristen abgestellt. Ihre Anträge gegen die Sachverständigen Dr.B. und Dr.S. basierten jedoch auf §
406 Abs.1
ZPO. Darin würden keine Fristen genannt. Darüber hinaus sei sie gesundheitlich nicht in der Lage gewesen, sich früher mit dem
Inhalt der Gutachten zu beschäftigen. Sie beantragt den Beschluss des Sozialgerichts vom 02.07.2008 aufzuheben und ihren Anträgen
auf Ablehnung der Sachverständigen Dr.B. und Dr.S. wegen Besorgnis der Befangenheit stattzugeben.
Nach §
118 Abs.1
SGG sind im sozialgerichtlichen Verfahren für die Ablehnung eines Sachverständigen die Vorschriften der
ZPO anzuwenden. Nach §§
406 Abs.2 Satz 1, 411 Abs.1
ZPO ist der Ablehnungsantrag bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, zwei Wochen nach Verkündung
oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung zu stellen und zu einem späteren Zeitpunkt nach §
406 Abs.2 Satz 2
ZPO nur dann, wenn der Antragsteller Gründe nennen kann, dass er die Befangenheit ohne sein Verschulden erst zu einem späteren
Zeitpunkt geltend machen konnte. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn erst aus dem schriftlich abgefassten Gutachten
der Ablehnungsgrund ersichtlich wird. In diesem Fall läuft die Frist für den Ablehnungsantrag mit dem Ablauf der Frist, die
das Gericht den Beteiligten zur Stellungnahme zum Gutachten eingeräumt hat, ab. Zweck der Regelung ist die Beschleunigung
des Verfahrens.
Das Gutachten des Dr.B. wurde der Klägerin ohne Frist zur Stellungnahme übersandt, das Gutachten des Dr.S. mit Frist bis 22.11.2007.
Der Ablehnungsantrag gegenüber Dr.B. ging beim Sozialgericht am 28.11.2007, damit sieben Wochen nach Übersendung des Gutachtens
ein. Ob die Frist zur Stellungnahme auf das Gutachten des Dr.S., die ursprünglich am 22.11.2007 enden sollte, auf das Schreiben
der Klägerin vom 13.11.2007 bis Ende November oder Anfang Dezember verlängert wurde, hat das Sozialgericht nicht explizit
entschieden. Da der Ablehnungsantrag erst am 27.12.2007 beim Sozialgericht eingegangen war, kommt es auf die von der Klägerin
selbst vorgeschlagene Frist nicht an.
Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob beide Ablehnungsanträge fristgerecht gestellt worden sind. Der Senat teilt zwar nicht
die Auffassung des Sozialgerichts, dass ein Ablehnungsantrag stets innerhalb von vier Wochen nach Bekanntgabe des Gutachtens
erfolgen muss, wenn sich die Ablehnungsgründe erst aus dem Gutachtensinhalt ergeben. Vielmehr folgt er der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 15.03.2005; VI CB 74/04). Danach endet die Frist für einen Befangenheitsantrag
mit Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach §
411 Abs.4
ZPO. Ist jedoch eine solche Frist nicht gesetzt, sind die Umstände des Einzelfalls maßgebend. Eine exakte Fristberechnung scheitert
hier am vom Sozialgericht vorgegebenen Verfahrensablauf. Klare Vorgaben, bis wann sich die Klägerin zum Gutachten jeweils
äußern sollte, wurden nicht gemacht. Von der Übersendung des Gutachtens des Dr.B. am 10.10.2007 bis zur Beschlussfassung des
Sozialgerichts vergingen knapp neun Monate. Andererseits beziehen sich die Vorwürfe der Klägerin teilweise auf solche Umstände,
die bereits aus der Gutachtenserteilung und Beweisanordnung ersichtlich waren und schon vor Kenntnis des Gutachtens hätten
vorgebracht werden können. Der Klägerin ist zudem entgegenzuhalten, dass ihre Auffassung, der von ihr gestellte Ablehnungsantrag
richte sich nach §
406 Abs.1
ZPO und sei an keine Frist gebunden, im Gesetz keine Grundlage findet. In Abs.1 dieser Vorschrift werden die Voraussetzungen
genannt, unter denen eine Ablehnung vorgebracht werden kann. Abs.2 trägt dem Beschleunigungsgrundsatz Rechnung und nennt hierfür
Fristen.
Ob solche Fristen eingehalten worden sind, spielt für den hier zu entscheidenden Fall eine untergeordnete Rolle, weil die
Anträge unbegründet sind. Die von der Klägerin vorgebrachten Mängel der schriftlich abgefassten Gutachten beziehen sich auf
Unzulänglichkeiten, Fehlerhaftigkeit und mangelnde Sachkunde und rechtfertigen für sich allein nicht die Ablehnung eines Sachverständigen
wegen Befangenheit. Die Klägerin wirft Dr.B. vor, er hätte die vorherigen Gutachten, insbesondere die der Beklagten nicht
zur Kenntnis bekommen und diese auch nicht berücksichtigen dürfen. Sie verkennt dabei, dass dem Sachverständigen bereits in
der Beweisanordnung aufgegeben worden war, den Inhalt der übersandten Akten, insbesondere die darin enthaltenen ärztlichen
Gutachten, Befundberichte und anderen medizinischen Äußerungen kritisch zu würdigen. Der Sachverständige ist damit dem ihm
vom Gericht vorgegebenen Gutachtensauftrag korrekt nachgekommen. Ob das Gericht dem Sachverständigen die Vorgutachten vorenthalten
hätte sollen, ist eine Frage, die die Befangenheit, das heißt die Voreingenommenheit gegenüber einer Partei, nicht berührt.
Unzulänglichkeiten, die die Klägerin vermutet, wie falsche Datierungen, unkorrekte Angaben wie Ohrengeräusche statt Tinnitus
links, die Verwendung des Wortes angeblich und die Bezeichnung der Klägerin als Klägerin können von einem vernünftigen Betrachter
aus nicht als Parteinahme zu Lasten der Klägerin gewertet werden. Im Übrigen treffen Unzulänglichkeiten und Fehlerhaftigkeit
eines Gutachtens beide Parteien und können lediglich dazu führen, die Rechte des Prozessrechts aus §§
411 und
412 ZPO in Anspruch zu nehmen. Ähnliches gilt in Bezug auf den Ablehnungsantrag gegenüber Dr.S ... Auch diesem wirft die Klägerin
fachlich-sachliche Unkorrektheiten und grobe Unzulässigkeiten bei der Beantwortung der richterlichen Fragestellung vor. Insbesondere
soll der Sachverständige ihre körperlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden fortlaufend verharmlost haben. Damit rügt die
Klägerin ebenfalls die inhaltliche Unrichtigkeit, gegen die mit anderen prozessualen Mitteln angegangen werden kann als mit
einem Befangenheitsantrag. Inwieweit die vom Sozialgericht eingeholten Gutachten Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung
werden können, berührt die Frage der Beweiswürdigung durch das erkennende Gericht, jedoch nicht die Befangenheit zu Ungunsten
einer Partei.
Insgesamt kommt der Senat damit zum Ergebnis, dass die von der Klägerin vorgetragenen Gründe die Ablehnung der Sachverständigen
Dr.B. und Dr.S. wegen Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigen. Er weist die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts
München vom 02.07.2008 zurück.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).