Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen Beitragsnachforderungen aufgrund einer Betriebsprüfung infolge
der "CGZP-Entscheidung" des BAG
Gründe:
I. Verfahrensgegenstand ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen Beitragsnachforderungen aufgrund
Betriebsprüfung infolge der "CGZP-Entscheidung" des Bundesarbeitsgerichts.
1. Die Antragstellerin ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts F. unter Nr. HRB 1516 eingetragene GmbH mit den Geschäftsgegenständen
"Erbringung von Dienstleistungen, insbesondere die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung, die Personalvermittlung und die
Hausverwaltung". Sie betreibt die Arbeitnehmerüberlassung und ist im Besitz der entsprechenden Erlaubnis nach §
1 AÜG. In den Arbeitsverträgen der von der Antragstellerin beschäftigten Leiharbeitnehmer wurde die Anwendung der Tarifverträge
zwischen der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) und der Interessengemeinschaften
Nordbayerischer Zeitarbeitunternehmen (INZ) vereinbart und die entsprechende Vergütung gezahlt.
Die Antragsgegnerin führte als zuständiger Rentenversicherungsträger vom 01.12.2009 bis 03.12.2009 eine Betriebsprüfung für
den Zeitraum 01.01.2005 bis 31.12.2008 durch. Im Protokoll der Schlussbesprechung vom 03.12.2009 ist vermerkt, "Auf die Problematik
bezüglich CGZP wird hingewiesen". Der Beitragsnachforderungsbescheid vom 04.01.2010 enthielt eine Nachforderung über 908,28
EUR sowie nach der Einleitung den Satz: "Die stichprobeweise durchgeführte Prüfung hat folgende Feststellungen ergeben:".
Auf Seite 3 des Bescheides ist ausgeführt:
"Tarifgemeinschaft der Christlichen Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen CGZP
Mit Beschluss vom 01.04.2009 hat das Arbeitsgericht Berlin [ ...] festgestellt, dass die CGZP nicht tariffähig im Sinne des
§ 2 TVG ist.
Sofern diese Entscheidung rechtskräftig wird, kann dies versicherungs- und beitragsrechtliche Folgen nach sich ziehen. [ ...]
Die Beitragsansprüche der Sozialversicherungsträger bestehen dabei im Grundsatz unabhängig davon, ob der betroffene Beschäftigte
seinen Vergütungsanspruch bzw. die entsprechende Differenz zum bisherig gezahlten Entgelt tatsächlich geltend macht. Daher
führt das Bestehen höherer gesetzlicher Lohnansprüche auch dann, wenn sie nicht erfüllt bzw. ausgezahlt werden, zu Beitragsforderungen
der Sozialversicherung.
Abschlusshinweise
Die Prüffeststellungen wurden im Rahmen einer Schlussbesprechung vorgetragen.
Die Schlussbesprechung gilt als Anhörung nach § 24 Abs.1 SGB X."
2. Aufgrund neuer Betriebsprüfung vom 28.12. bis 29.12.2011 sowie nach Anhörung forderte die Antragsgegnerin mit dem streitgegenständlichen
Bescheid vom 31.01.2012 für den Prüfzeitraum 01.12.2005 bis 31.12.2009 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt
41.178,62 EUR nach. Infolge der durch das Bundesarbeitsgericht am 14.12.2010 (1 ABR 19/10) festgestellten Tarifunfähigkeit der CGZP ergebe sich für die überlassenen Arbeitnehmer aus dem gesetzlichen Anspruch auf
gleichen Lohn (equal-pay-Entgelt) eine höhere Vergütung, daraus resultierten die nachgeforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge
(Lohndifferenz aufgrund Tarifunfähigkeit CGZP). Eine entsprechende Meldung werde dem zuständigen Träger der Unfallversicherung
zugeleitet. Die Höhe der Arbeitsentgelte schätzte die Antragsgegnerin im Einvernehmen mit der Antragstellerin ohne personenbezogene
Ermittlung.
Dagegen hat die Antragstellerin gleichzeitig mit ihrem Widerspruch vom 06.02.2012 beim Sozialgericht Nürnberg beantragt, die
aufschiebenden Wirkung dieses Widerspruches anzuordnen. Es sei wegen der Tarifunfähigkeit der CGZP nur eine punktuelle Entscheidung
des BAG ergangen, sodass ein so umfassender Beitragsanspruch wie im Bescheid geltend gemacht nicht entstanden sei. Anzuwenden
sei nicht das Entstehungs-, sondern das Zuflussprinzip. Die Ansprüche seien verjährt. Es bestehe Vertrauensschutz infolge
der früheren Betriebsprüfung. Schließlich müssten die gezahlten Auslösen und Nebenleistungen zur Verringerung des equal-pay-Entgeltanspruches
führen.
Die Antragsgegnerin hat erwidert, dass dieses Vorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidung
erbringen könne. Es bestehe also kein Anlass, die aufschiebende Wirkung des Widerspruches anzuordnen. In Anwendung des Entstehungsprinzips
folge aus dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 ein equal-pay-Anspruch und daraus ergäben sich die geltend
gemachten höheren Beiträge. Auf Verjährung könne sich die Antragstellerin nicht berufen, weil die 30-jährige Verjährungsfrist
Anwendung finde. Vertrauensschutz bestehe nicht. Die Auslösen verringerten nicht den Anspruch auf equal-pay.
Mit Beschluss vom 16.02.2012 hat das Sozialgericht dem Antrag der Antragstellerin stattgegeben und die aufschiebende Wirkung
des Widerspruches gegen den Beitragsnachforderungsbescheid angeordnet. Im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung ergäben
sich ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des nachgeforderten Bescheides. Denn die Beklagte habe für den Prüfzeitraum
mit Bescheid vom 04.01.2010 eine bestandskräftige Regelung zur Beitragsprüfung erlassen. Wenn dieser Bescheid von Anfang an
rechtswidrig war, weil er die Beitragsnachzahlung in zu niedriger Höhe wegen Nichtberücksichtigung des equal-pay-Anspruchs
außer Acht gelassen hatte, müsse er zuerst unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X zurückgenommen werden. Da dies nicht geschehen sei, müsse die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung ernsthaft angezweifelt
werden.
3. Dagegen hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt und Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.02.2012
beantragt. Aus dem Bescheid vom 04.01.2010 ergebe sich anhand der dortigen Hinweise, dass keine Regelung getroffen werden
sollte hinsichtlich eventueller Nachforderungen aus equal-pay infolge der CGZP-Problematik. Der Bescheid habe sich ausdrücklich
auf eine Stichprobenprüfung bezogen, welche eben nicht die Sachverhalte betroffen habe, die die hier streitige eine Nachforderung
beträfen. Im Übrigen bestünden keine ernsthaften Zweifel an der geltend gemachten Nachforderung, weil das Entstehungsprinzip
die Nachforderung begründe, Verjährung nicht eingetreten sei und kein Vertrauensschutz nach Treu und Glauben hinsichtlich
der Tariffähigkeit der CGZP bestünde. Die Auslösen verringerten nicht die Differenz zum equal-pay-Lohn.
Dem hat sich die Antragsgegnerin widersetzt und Zurückweisung der Beschwerde beantragt. Die Ausführungen des Sozialgerichts
zur fehlenden Aufhebung des vorangegangenen Prüfzeitraums seien zutreffend. Im Übrigen hat die Antragstellerin ihr bisheriges
Vorbringen wiederholt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.02.2012 in den Punkten I. und II. aufzuheben und den Antrag auf Anordnung
der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 06.02.2012 zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig (§§ 172, 173) und insoweit begründet, als das Sozialgericht im angegriffenen
Beschluss vom 16.02.2012 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin auch hinsichtlich des Nachforderungszeitraums
01.01.2009 bis 31.12.2009 angeordnet hat. Denn diese Zeit war nicht Gegenstand des bestandskräftigen Bescheids vom 04.01.2010.
1. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, entfällt nach §
86 Abs.2 Nr.1
SGG bei der Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen - wie hier - die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs. In
diesen Fällen richtet sich das gesetzlich dem Gericht eingeräumte Ermessen, nach §
86b Abs.1 Satz 1 Nr.2
SGG die aufschiebende Wirkung eines Widerspruches anzuordnen, nach einer Interessenabwägung. Bei dieser ist ein Überwiegen des
öffentlichen Interesses an der sofortigen Bescheidsvollziehung anzunehmen, wenn sich ohne Weiteres und in einer jeden vernünftigen
Zweifel ausschließenden Weise erkennen lässt, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist und die Rechtsverfolgung
keinerlei Erfolg verspricht (vgl. BT-Drs 14/5943 S.25 unter Bezugnahme auf BVerwG NJW 1974, 1294). Dagegen überwiegt das Aufschubinteresse, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes
bestehen oder wenn eine unbillige Härte im Falle des Sofortvollzuges entstünde (ständige Rechtsprechung, vgl. LSG Nordrhein-Westfalen
Beschluss vom 13.07.2011 - L 8 R 287/11 B ER; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 11.05.2011 - L 11 R 1075/11 ER-B; Bayer. Landessozialgericht Beschluss vom 22.03.2012 - L 5 R 138/12 B ER).
2. In zutreffender Anwendung dieser Grundsätze hat das Sozialgericht Nürnberg im angefochtenen Beschluss vom 16.02.2012 festgestellt,
dass erhebliche Zweifel an der Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin bestehen, weil diese die Bestandskraft des Prüfbescheides
04.01.2010 hinsichtlich des Zeitraums 01.01.2005 bis 31.12.2008 nicht beachtet hat. In Abweichung von der Entscheidung des
Sozialgerichts ergreift diese Bestandskraft aber nicht den hier streitigen Nachforderungsbescheid für die Zeit vom 01.01.2009
bis 31.12.2009. Es besteht damit lediglich Anlass, für die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit bis
31.12.2008 vom gesetzlichen Regelfall des Sofortvollzugs nach §
86a Abs.2 Nr.1
SGG abzusehen.
a. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 18.01.2011 - L 5 R 752/08 und mit Beschluss vom 22.03.2012 - L 5 R 138/12 B ER entschieden, dass die Nachforderung von Beiträgen für einen Zeitraum, der zuvor Gegenstand einer früheren Betriebsprüfung
nach § 28p
SGB IV gewesen war, nur nach Aufhebung des vorangegangenen Bescheides gemäß § 45 SGB X möglich ist. Die in diesen Entscheidungen dargelegten Grundsätze gelten auch im vorliegenden Falle.
Der Bescheid vom 04.01.2010 hatte für den konkret benannten Prüfzeitraum 01.01.2005 bis 31.12.2008 eine Nachforderung lediglich
in Höhe von 908,28 EUR festgestellt. Dieser Bescheid war nach § 28p
SGB IV, § 7 Abs.4 Satz 1 BVV in Verbindung mit § 33 SGB X so zu verstehen, dass das durchgeführte Betriebsprüfungsverfahren auf der Rechtsgrundlage § 28p
SGB IV für die Zeit 2005 bis 2008 die dort aufgeführten Beanstandungen ergibt. Wollte die Antragsgegnerin aufgrund eines späteren
weiteren Betriebsprüfungsverfahrens auf der Rechtsgrundlage § 28p
SGB IV für den identischen Zeitraum von 2005 bis 2008 weitere Beiträge nachfordern, wäre sie verpflichtet gewesen, den Ursprungsbescheid
vom 04.01.2010 nach § 45 SGB X zurückzunehmen.
Denn nach der Gesamtkonzeption des SGB X, welches gem. §§ 1, 8 SGB X auch auf Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p
SGB IV Anwendung findet (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 22.01.2009 - L 3 R 17/08) ist ein Bescheid, welcher nach einem früheren Bescheid ergeht und einen identischen Regelungsgegenstand umfasst, rechtswidrig,
es sei denn, die bereits bestandskräftige Regelung würde im Nachhinein beseitigt nach den besonderen Regelungen der §§ 44 ff SGB X, die auch verfahrensrechtlicher Natur sind und denen ein vertrauenschützenden Charakter immanent ist (aA Besprechung des
GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs
am 23./24.11.2011 TOP 12; http://www.aok-business.de/fileadmin/user upload/global/Fachthemen/Besprechungsergebnisse/2011/bsperg
20111124-BeitrEinz.pdf).
Für die Anwendung des § 45 SGB X ist im Übrigen nicht auf die - unstreitig - belastende frühere Beitragsnachforderung abzustellen. Entscheidend ist vielmehr
der aus der Sicht der Antragstellerin begünstigende Regelungsinhalt im Bescheid vom 04.01.2010, wonach die Beitragsnachforderung
zu niedrig, ohne Berücksichtigung der equal-pay-Ansprüche festgesetzt worden ist. Eine solche Verknüpfung von Begünstigung
und gleichzeitiger wirtschaftlicher Belastung ist im Sozialrecht kein Seltenheitsfall (vgl die Nachweise bei Schütze in: von
Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 45 Rz. 24).
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 14.07.2004 - B 12 KR 1/04 R, dem folgend zB LSG Baden-Württemberg Urteil vom 13.04.2011 - L 5 R 1004/10 Rz 41 - zitiert nach JURIS) dem Arbeitgeber der Weg zugewiesen wurde, für abgegrenzte (Beitrags-) Sachverhalte Vertrauensschutz
durch Verwaltungsakt durch die Herbeiführung gesonderter Entscheidungen der Prüf- oder Einzugsstellen nach §
28 h SGB IV zu erlangen. Denn wie der Antwort der Bundesregierung vom 22.03.2010 auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten und der Fraktion
Die Linken - BT-Drs 17/1121 Seite 2 zu entnehmen ist, hatten sich die Sozialversicherungsträger bis zu einer Entscheidung
des BAG bei "... einem Streit über die Höhe der auf einem Tarifvertrag basierenden Arbeitsentgeltansprüche oder bei Zweifeln
an der Tariffähigkeit von Vereinigungen ... neutral zu verhalten." Dem entspricht auch der Hinweis im ursprünglichen Bescheid:
"... Sofern diese Entscheidung rechtskräftig wird, kann dies versicherungs- und beitragsrechtliche Folgen nach sich ziehen."
Damit steht fest, dass vor der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 im Beschwerdeverfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG iVm § 97 Abs 5 ArbGG ein Einzugstellenverfahren nach §
28h SGB IV keine Klärung der Beitragsansprüche in der Folge von §§
9,
10 AÜG erbracht hätte. Im Übrigen widerspräche die Statuierung einer Klärungspflicht auf Seiten des Arbeitgebers der Grundkonzeption
der §§ 44 ff SGB X, die zunächst von der Gutgläubigkeit des Bescheidsempfängers ausgeht und die Nachweislast im Falle fehlender Gutgläubigkeit
den Sozialbehörden zuweist.
b. Zwar hatte der Bescheid vom 04.01.2010 den Hinweis "Die stichprobeweise durchgeführte Prüfung hat folgende Feststellungen
ergeben:" enthalten. Hieraus ergibt sich aber keine andere Beurteilung. Zum Einen ist jede Betriebsprüfung vom Grundsatz her
umfassend (vgl BT-Drs 13/1205 Seite 6: "Die Prüfung durch die Rentenversicherung ist umfassend"). Zum Anderen kann die in
§ 11 BVV geregelte Stichprobenprüfung, die dem Gebot effizienten und wirtschaftlichen Verwaltungshandelns entspringt, die Rücknahme
eines Betriebsprüfungsbescheides nach § 45 SGB X erleichtern, aber nicht ersetzen (vgl. dazu bereits Bayer. LSG Beschluss vom 22. März 2012 - L 5 R 138/12 B ER).
Etwas Anderes ist auch nicht dem BSG Urteil vom 14.07.2004 - B 12 KR 1/04 R zu entnehmen, denn dort hatte das BSG für den entschiedene Fall einer rückwirkenden Beitragsnachforderung lediglich die Voraussetzungen einer Verwirkung (§
242 BGB analog) verneint, die die nachträgliche Beitragsgeltendmachung gehindert hätte. Einen Ausspruch, die §§ 44 ff SGB X besäßen im Falle von Stichprobenprüfungen keine Geltung, enthält die Entscheidung nicht. Dies gilt umso mehr, als das BSG ausdrücklich auf sein Urteil vom 30.11.1978 - 12 RK 6/76 Bezug genommen hatte, dessen Entscheidungszeiträume vor Inkrafttreten des SGB X gelegen hatten (vgl. BSG Urteil vom 14.07.2004 - B 12 KR 1/04 R, Rz. 44 - zitiert nach juris).
c. Auch hatte der Bescheid vom 04.10.2010 keinen Vorbehalt oder anderweitige Nebenbestimmung im Sinne des § 32 Abs.2 SGB X enthalten, die eine Beitragsnachforderung in einen bestandskräftig beschiedenen Prüfzeitraum über die Anwendung des § 45 SGB X hinaus hätte ermöglichen können. Insoweit findet das Bestimmtheitsprinzip Anwendung (§ 33 SGB X), dem bei Betriebsprüfungen, die einen Eingriff in die Rechtssphäre von Unternehmen darstellen und daher spezialgesetzlicher
Regelungen bedürfen, besondere Bedeutung zukommt. Im vorliegenden Falle ist festzustellen, dass der von der Antragsgegnerin
verwendete Bescheidtext eine ausdrückliche Nebenbestimmung dieser Art nicht enthalten hatte. Der Text "... Sofern diese Entscheidung
rechtskräftig wird, kann dies versicherungs- und beitragsrechtliche Folgen nach sich ziehen ..." spricht ausdrücklich nur
von einer Möglichkeit. Nicht ausreichend klar ist aber benannt, unter welchen Voraussetzungen welche Tatbestände welche konkreten
Rechtsfolgen für welchen Zeitraum nach sich ziehen können. Es ist somit keine Nebenbestimmung nach § 32 Abs.2 SGB X anzunehmen, sondern ein auf die Verjährung nach §
25 Abs
1 Satz 2
SGB IV ausgerichteter Hinweis.
3. Dagegen können ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von der Antragsgegnerin erhobenen Nachforderung im Rahmen der
hier angezeigten summarischen Prüfung nicht auch für den Prüfzeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2009 festgestellt werden, der
vom Bescheid vom 04.01.2010 nicht erfasst war. Für diesen Zeitraum ist auf die Beschwerde der Antragsgegnerin der Beschluss
des Sozialgerichts Nürnberg abzuändern und der Antrag abzuweisen.
Nach §
9 Nr.2
AÜG (idF vom 23.12.2003 - BGBl. I S.4607) waren Vereinbarungen unwirksam, die für Leiharbeitnehmer schlechtere Arbeitsentgelte
vorsahen, als für vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers. Der Gesetzgeber hat davon tarifliche Regelungen explizit ausgenommen.
Wird ein solcher, niedrigere Vergütungen enthaltender Tarifvertrag auf Leiharbeitnehmer angewandt und ist dieser Tarifvertrag
aber unwirksam, entfällt die in §
9 Nr.2
AÜG geregelte Ausnahme von dem Grundsatz des equal-pay, wonach auch Leiharbeitnehmer Anspruch auf Zahlung des Entgeltes haben,
das vergleichbaren Arbeitnehmern des Entleihers geleistet wird, §
10 Abs.4
AÜG.
In diesen Fällen errechnen sich die abzuführenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge nicht aus den tatsächlich gezahlten niedrigen
Entgelten, sondern aus den nach dem equal-pay geschuldeten höheren Entgelten. Insoweit gilt das Entstehungsprinzip (§
22 Abs.1 Satz 1
SGB IV).
Wie der Senat im Beschluss vom 22.03.2012 - L 5 R 138/12 B ER - bereits ausgeführt hat, ist im Rahmen der hier gebotenen summarischen Überprüfung in Anwendung der Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 14.12.2010 - 1 ABR 19/10) davon auszugehen, dass die fehlende Tariffähigkeit der CGZP auch für die Zeit vor dem 07.12.2009 anzunehmen sein wird. Insoweit
ist die Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP mit dem benannten Beschluss des BAG nicht konstitutiv. Vielmehr ist die
materielle Rechtslage in Anwendung des dargelegten summarischen Maßstabes maßgeblich.
Ebenso wenig bestehen nach der Entscheidung des Senats vom 22.03.2012 - L 5 R 138/12 B ER - Bedenken dahin gehend, dass die Antragsgegnerin eine Schätzung hinsichtlich der Lohndifferenzen vorgenommen hat. Insoweit
steht das Vorgehen der Antragsgegnerin wohl im Einklang mit §
28f Abs.2
SGB IV. Sofern für den hier aufgrund der vorliegenden Entscheidung betroffenen Zeitraum 01.01. bis 31.12.2009 längerfristige Entleihverhältnisse
bestanden hatten, ist für die Antragstellerin gemäß § 28f Abs.2 Satz 5
SGB V die jederzeitige Möglichkeit eröffnet, durch Vorlage der entsprechenden Nachweise zu bewirken, dass die Höhe der Beitragsnachforderung
aus personenbezogenen Arbeitsentgelten errechnet wird. Zudem geht die Vorgehensweise der Antragsgegnerin insoweit auf eine
Absprache mit der Antragstellerin zurück.
Im Übrigen besteht auch für die von der Antragstellerin erhobenen Einwendungen hinsichtlich der Entgelthöhe wegen der gezahlten
Auslösen sowie wegen sonstiger erbrachter Neben- und Zusatzleistungen kein Anlass, im Rahmen des vorliegenden Verfahrens von
dem Grundsatz der sofortigen Vollziehbarkeit von Beitragsnachforderungen abzuweichen. Denn diese Leistungen dürften von der
Antragsgegnerin zutreffend als zusätzlich zum Entgelt zu erbringende Leistungen gewertet worden sein, die einer Verrechnung
mit dem geschuldeten Arbeitsentgelt nicht zugänglich sind,
4. Schließlich ist nicht erkennbar, dass die Vollziehung der Beitragsnachforderung für die Antragstellerin unbillige, nicht
durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härten zur Folge hätte.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.1 Satz 1
SGG iVm §
155 Abs
1 VwGO.
6. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §
197a Abs.1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §§ 52 Abs.1, 53 Abs.2 Nr.4, § 47 Abs.2 GKG. Insoweit hält der Senat noch an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass der Streitwert der Ausgangsinstanz den Streitwert
der Rechtsmittelinstanz limitiert.
Dieser Beschluss beendet das Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.