Zulässigkeit der Entscheidung des Sozialgerichts über die Fortsetzung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens durch Urteil
Gründe:
I. Der Kläger wendet sich gegen ein Urteil des Sozialgerichts München vom 29.07.2009, in dem sein Antrag auf Fortführung eines
Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz, das er vorher für erledigt erklärt hatte, abgewiesen und gleichzeitig Mutwillenskosten
gegenüber dem Kläger in Höhe von 150,00 EUR verhängt wurden.
Das Urteil wurde dem Kläger am 19.09.2009 zugestellt. Die Berufung gegen das Urteil hat der Kläger mit Vorsprache bei der
Rechtsantragsstellung des Bayer. Landessozialgerichts am 11.03.2010 eingelegt. Der Kläger trägt vor, dass die Entscheidung
des Sozialgerichts unrichtig sei. Außerdem könne von Verfristung keine Rede sein, weil er nur das Urteil vom 29.07.2009 mit
Az.: S 46 AS 1515/09 zugestellt erhalten habe, aber nichts zu den von ihm angefochtenen früheren Verfahren, die er angeblich für erledigt erklärt
habe.
Mit Schreiben vom 29.03.2010 hat der Senat den Beteiligten Gelegenheit gegeben, sich zu einer beabsichtigten Entscheidung
durch Beschluss gemäß §
158 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zu äußern. Dies hat der Kläger bei der Rechtsantragsstelle des Bayer. Landessozialgerichts am 13.04.2010 getan.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 29.07.2009, Az.: S 46 AS 1515/09 aufzuheben und festzustellen, dass die Streitsache S 46 AS 27/82 ER in der Sitzung des Sozialgerichts München vom 16.01.2009 nicht für erledigt erklärt wurde.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz.
II. Die Berufung ist unzulässig, da sie nicht fristgerecht eingelegt wurde.
Der Senat konnte gemäß §
158 Abs.
2 SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Berufung als unzulässig zu verwerfen ist. Den Beteiligten
wurde auch Gelegenheit zur Äußerung zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss eingeräumt.
Eine Berufung ist nach §
151 Abs.
1 SGG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle
einzulegen.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts wurde dem Kläger, wie in der Postzustellungsurkunde vermerkt, am 19.09.2009 zugestellt.
Das Urteil enthält eine zutreffende Rechtsmittelbelehrung. Die dadurch in Lauf gesetzte einmonatige Berufungsfrist endete
demgemäß mit Ablauf des 19.10.2009 und die am 11.03.2010 eingelegte Berufung ist verspätet.
Gründe für die Gewährung einer Wiedereinsetzung gemäß §
67 Abs.
1 SGG sind nicht ersichtlich. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung wurde auch nicht gestellt.
Allerdings hat das SG einen groben Verfahrensfehler begangen, indem es über die Anfechtung einer Erledigterklärung im einstweiligen Rechtsschutz
durch Urteil entschieden hat; insoweit hätte das SG im Beschlusswege entweder über die Fortführung des einstweiligen Rechtsschutzes entscheiden oder den Antrag auf Fortführung
des einstweiligen Rechtsschutzes als neuen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz auslegen müssen (BayLSG Beschluss vom 23.02.2009
L 13 R 80/09 B ER). Eine Entscheidung durch Urteil im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes stellt demgegenüber einen so groben Verfahrensverstoß
dar, dass es sich bei dem Urteil um ein nichtiges und damit wirkungsloses Urteil handelt (vgl Keller in Meyer-Ladewig,
SGG) 9. Aufl. 2008 §
125 Rz 5b).
Ein solches nichtiges Urteil ist zwar nicht der materiellen, aber der formellen Rechtskraft fähig (Keller aaO. Rz 5c) und
konnte daher grundsätzlich mit der Berufung angefochten werden. Nachdem diese aber verfristet ist, muss das grundsätzlich
zulässige Rechtsmittel folgerichtig als unzulässig verworfen werden.
Der Kläger kann trotz formeller Rechtskraft des Urteils die Streitsache im einstweiligen Rechtsschutz grundsätzlich nochmals
rechtshängig machen (vgl Keller aaO. Rz 5c), soweit nicht andere Gründe dem entgegenstehen wie zB die mittlerweile eingetretene
Erledigung der Sache.
Der Kläger hat zudem aufgrund der fehlenden materiellen Rechtskraft des Urteils die Möglichkeit, sich nach §
198 SGG iVm 732
ZPO gegen eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts zu wenden (Keller aaO. Rz 5c). Nachdem das Urteil insgesamt
nichtig ist, ist auch die Verhängung von Mutwillenskosten nichtig und folglich eine Zwangsvollsteckung insoweit nicht möglich.
Dies hat der Kostenbeamte von Amts wegen zu beachten.
Letztlich ist aber die verfristete Berufung im Ergebnis als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Begehren im Hinblick auf die Anfechtung des Urteils des SG wegen Verfristung des Rechtsmittels erfolglos blieb.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.