Bestandskraft von Absenkungsbescheiden zum Arbeitslosengeld II wegen wiederholter Meldepflichtverletzungen nach einstweiligen
Rechtsschutzverfahren; Erfüllung einer Meldeaufforderung
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 70 vom Hundert der Regelleistung des Antragstellers
und Beschwerdeführers wegen einem wiederholtem Meldeversäumnis strittig.
Der im Jahr 1960 geborene Antragsteller bezieht seit Mitte 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zuletzt bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 03.11.2009 Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum 01.12.2009 bis 31.12.2009, ab Januar 2010 in Höhe von monatlich 494,-
Euro.
In einem vorangegangenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes lehnte das Sozialgericht und das Landessozialgericht (LSG,
Beschluss vom 03.12.2009, L 16 AS 798/09 B ER) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Absenkungsbescheid vom 10.09.2009 (60 vom Hundert
der Regelleistung wegen einem wiederholten Meldeversäumnis) ab.
Mit Schreiben vom 05.01.2010, zur Post gegeben am 11.01.2010, lud die Antragsgegnerin den Antragsteller zum 18.01.2010, 15:00
Uhr zu einem Gespräch über die berufliche Situation mit dem zuständigen Fallmanager in die Außenstelle der Antragsgegnerin
in ein genau bezeichnetes Zimmer ein. Zur Absenkung von 70 % wurde darin belehrt. Gegen diese Meldeaufforderung erhob der
Antragsteller schriftlich Widerspruch.
Mit Bescheid vom 05.02.2010 wurde das dem Kläger bewilligte Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.03.2010 bis 31.05.2010
um 70 % der Regelleistung gemindert. Daraus ergebe sich eine Absenkung um 251,30 EUR monatlich. Insoweit würden die bisherigen
Bewilligungsbescheide aufgehoben. Der Antragsteller sei der Meldeaufforderung zum 18.01.2010 nicht gefolgt.
Mit weiterem Bescheid gleichen Datums verfügte die Antragsgegnerin für denselben Zeitraum eine Absenkung um 60 % der Regelleistung,
weil Eigenbemühungen nicht in ausreichendem Umfang nachgewiesen worden seien. Für diese Absenkung wurde vom Sozialgericht
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet (S 10 AS 110/10 ER).
Gegen den Bescheid vom 05.02.2010 zur Absenkung wegen des Meldeversäumnisses legte der Antragsteller am 22.02.2010 Widerspruch
ein. Er sei am 04.05.09 [richtig wohl 18.01.2010] in der Außenstelle gewesen, habe allerdings nicht mit dem Sachbearbeiter
in dessen Zimmer gehen wollen. Ein persönliches Gespräch ohne Zeugen sei zu gefährlich. Einen Beistand habe er in der kurzen
Zeit nicht auftreiben können. Sein Widerspruch gegen die Meldeaufforderung sei ignoriert worden. Außerdem habe er Hausverbot
in allen Gebäuden der Antragsgegnerin. Die Ablehnung eines Gesprächs unter vier Augen sei kein Meldeversäumnis.
Am 11.02.2010 stellte der Antragsteller beim Sozialgericht Landshut Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Neben den im Widerspruch
vorgetragenen Gründen sei der Bescheid außerdem rechtswidrig, weil nicht gleichzeitig über Sachleistungen entschieden worden
sei. Zur Erfüllung der Meldeauflage sei ausreichend, dass er zur angegebenen Zeit im angegebenen Gebäude erschienen sei.
Das Sozialgericht lehnte mit Beschluss vom 08.03.2010 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Der Absenkungsbescheid
sei rechtmäßig, der Widerspruch habe daher keine Aussicht auf Erfolg. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 31 Abs. 2 SGB II
sei nicht nachgewiesen. Die Weigerung, mit einem bestimmten Bediensteten der Antragsgegnerin zu sprechen, komme als wichtiger
Grund nicht in Betracht. § 17 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vermittle Verfahrensbeteiligten kein subjektives Recht, bestimmte Behördenbedienstete abzulehnen (vgl. BSG Urteil vom 22.09.2009,
B 4 AS 13/09 R, Rn. 27). Ebenso sei der Einwand, der Antragsteller habe nicht rechtzeitig einen Beistand finden können, unbeachtlich.
Die Zeit sei ausreichend gewesen. Es könne dann nicht im Belieben des Antragstellers stehen, sich einem Vorsprachetermin zu
entziehen. Lebensmittelgutscheine seien bereits in Aussicht gestellt worden. Mit Bescheid vom 15.02.2010 wurden Lebensmittelgutscheine
bewilligt.
Am 16.03.2010 hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts zum LSG erhoben. Er habe seinen persönlichen
Ansprechpartner bereits mehrfach wegen Befangenheit abgelehnt. Inzwischen habe er Strafanzeige gegen diesen gestellt. Schon
wegen des offenen Ermittlungsverfahrens sei ein Kontakt mit ihm nicht möglich. Er habe sich im angegebenen Gebäude pünktlich
gemeldet. Ein Meldeversäumnis liege nicht vor.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts 08.03.2010 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 22.02.2010 gegen
den Bescheid der Antragsgegnerin vom 05.02.2010 anzuordnen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Akte der Antragsgegnerin und die Akte des Sozialgerichts
verwiesen.
II. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG). Der nach §
172 Abs.
3 Nr.
1, §
144 Abs.
1 SGG erforderliche Beschwerdewert von über 750,- Euro wird mit 753,90 Euro (70 % von 359,- Euro = 251,30 Euro mal 3) erreicht.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu Recht abgelehnt
hat.
Strittig ist, ob die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Absenkungsbescheid vom 05.02.2010 anzuordnen ist. Es
handelt sich um eine Absenkung wegen einer wiederholten (der siebten) Meldepflichtverletzung nach § 31 Abs. 2, 3 S. 3 und
4 SGB II.
Die vorangegangenen Absenkungen wegen Meldepflichtverletzungen sind hier nicht zu überprüfen. Bestandskräftige Bescheide entfalten
Tatbestandswirkung (vgl. BayLSG, Beschluss vom 27.11.2008, L 7 B 954/08 AS ER). Es ist für eine wiederholte Pflichtverletzung allerdings nicht erforderlich, dass die vorangegangenen Absenkungsbescheide
zuvor bestandskräftig wurden (Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 31 Rn. 50d) - sonst könnten wiederholte
Absenkungen vom Hilfebedürftigen bereits durch Einlegung von Rechtsbehelfen gegen die vorhergehenden Absenkungen längere Zeit
verhindert werden. Die vorherigen Absenkungen sind hier schon deswegen nicht zu prüfen, weil über die unmittelbar vorhergehende
Absenkung wegen eines Meldeversäumnisses durch Beschluss des LSG vom 03.12.2009, L 16 AS 798/09 B ER, abschließend entschieden wurde. Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz enthalten eine endgültige Entscheidung
über eine vorläufige Regelung und haben insoweit eine sachliche Bindungswirkung, sprich Rechtskraft. Dies gilt zumindest bei
unveränderter Sach- und Rechtslage (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Auflage 2008, Rn. 40).
Es bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Absenkungsbescheids vom 05.02.2010. Der Gesetzgeber hat in
§ 39 SGB II das öffentlichen Interesse am zeitnahen Vollzug der behördlichen Entscheidung zum Ausdruck gebracht. Besondere
private Interessen an einer Aussetzung des Vollzugs der Absenkung um 70 % der Regelleistung für drei Monate sind nicht erkennbar.
Dem Antragsteller wurden Lebensmittelgutscheine als Sachleistungen nach § 31 Abs. 3 S. 6 SGB II bewilligt. Kinder sind von
der Absenkung nicht betroffen. Eine Wohnungskündigung ist nicht erfolgt.
Das Beschwerdegericht schließt sich gemäß §
142 Abs.
2 S. 3
SGG der Begründung des Sozialgerichts an und weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass der Antragsteller mit der Vorsprache im Eingangsbereich des Dienstgebäudes seine
Meldepflicht nicht erfüllte. Nach §
59 SGB II ist §
309 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) entsprechend anwendbar. Nach §
309 Abs.
1 S. 2
SGB III hat sich der Antragsteller bei der in der Meldeaufforderung bezeichneten Stelle zu melden. In der Meldeaufforderung wurde
konkret das Zimmer des zuständigen Sachbearbeiters benannt. Eine Meldung nur im Gebäude verbunden mit der Weigerung, den zuständigen
Sachbearbeiter aufzusuchen, erfüllt den Zweck der Meldeaufforderung offenkundig nicht.
§ 13 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) berechtigt zwar grundsätzlich dazu, zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand zu erscheinen, wobei der Beistand
aber nach § 13 Abs. 6 SGB X von der Behörde ggf. zurückgewiesen werden kann. Diese Berechtigung gibt aber kein Recht bzw. keinen wichtigen Grund, eine
Meldeaufforderung nicht wahrzunehmen, wenn ein derartiger Begleiter nicht zur Verfügung steht. Es fällt erkennbar in den Risikobereich
des Leistungsempfängers, für eine Begleitung zu sorgen, wenn er dies für nötig hält.
Der Antragsteller trägt vor, er könne wegen einer von ihm gegen seinen persönlichen Ansprechpartner gestellten Strafanzeige
mit diesem nicht mehr in Kontakt treten. Wenn das so wäre, könnte ein Hilfeempfänger jeden Meldetermin auch durch eine völlig
substanzlose Strafanzeige aushebeln. Das ist offenkundig nicht richtig.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.