Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Übernahme von Mietschulden im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes; Rechtsschutzbedürfnis
bei noch nicht erfolgter Kündigung
Gründe:
I. In diesem Eilverfahren begehrt der Antragsteller (Ast) die Übernahme von Mietschulden im Umfang von drei Monatsmieten für
die Monate Januar bis März 2010 sowie die künftige Zahlung der ungekürzten Miete an seine Vermieterin.
Der Ast bezieht seit 16.06.2005 von der Antragsgegnerin (Ag) laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II.
Am 05.03.2010 beantragte der Ast bei der Ag die Übernahme von Mietschulden im Umfang von drei Monatsmieten (Januar bis März
2010). Er legte ein Schreiben seiner Vermieterin vor, in dem diese eine fristlose Kündigung zum 01.04.2010 für den Fall androhe,
dass der Ast seine Mietschulden nicht bis 20.03.2010 begleiche. Diesen Antrag hat die Ag mit Bescheid vom 07.05.2010 abgelehnt.
Den dagegen eingelegten Widerspruch hat die Ag mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2010 zurückgewiesen.
Ebenfalls am 05.03.2010 beantragte der Ast beim Sozialgericht Landshut, die Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
Mietschulden in Höhe von 405,00 Euro (dreimal 135,00 Euro) vorläufig zu übernehmen und künftig die Miete in jedem Fall pünktlich
an die Vermieterin zu überweisen.
Die Ag verweist darauf, dass sämtliche Kosten der Unterkunft seit April 2008 ausbezahlt worden seien. Im Übrigen sei es auch
nicht gerechtfertigt, Mietschulden zu übernehmen, weil der Ast auch in Zukunft Sanktionstatbestände verwirklichen werde. Aufgrund
seiner Persönlichkeitsstruktur weigere sich der Ast aus Prinzip, auf Meldeaufforderungen hin bei seinem Arbeitsvermittler
vorzusprechen. Nach Eingang des Eilantrages bei Gericht erhielt der Ast im Laufe des Monats März 2010 von der Ag Nachzahlungen
in Höhe von 124,80 Euro, 75,50 Euro, 27,30 Euro und 249,44 Euro.
Den Antrag des Ast auf Zahlung der ungekürzten Miete direkt an seine Vermieterin hat die Ag mit Bescheid vom 24.04.2010 abgelehnt.
Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2010 zurückgewiesen.
Den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat das SG mit Beschluss vom 21.04.2010 abgelehnt, da dem Ast die geltend machten Ansprüche derzeit nicht zustünden. Hinsichtlich der
Übernahme von Mietschulden seien bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II nicht gegeben. Der Ast
habe im März 2010 von der Ag Leistungen in einem Umfang erhalten, die es ihm ermöglicht hätten, seine Mietschulden jedenfalls
deutlich zu reduzieren. Anhaltspunkte dafür, dass aktuell eine fristlose Kündigung drohe oder gar ausgesprochen worden sei,
lägen nicht vor. Soweit der Eilantrag darauf gerichtet sei, die Ag zur pünktlichen Überweisung der der Miete in jedem Fall
zu verpflichten, lege ihn die Kammer dahingehend aus, dass der Ast die Übernahme der laufenden Miete unabhängig davon begehre,
ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine auf § 31 SGB II gestützte Sanktion festgestellt werde. Ein solcher Anspruch bestehe
nicht. § 31 SGB II sehe unter bestimmten Voraussetzungen eine Absenkung von Leistungen auch für Unterkunft vor. Ob diese Voraussetzungen
gegeben seien, sei jeweils im Einzelfall zu prüfen.
Hiergegen hat der Ast am 04.05.2010 Beschwerde eingelegt und Prozesskostenhilfe beantragt. Die Sanktion der Miete nach § 31
SGB II führe zwangsläufig zur Obdachlosigkeit und widerspräche dem Sozialstaatsprinzip.
In einem weiteren Beschwerdeverfahren (L 8 AS 498/10 B ER) teilte der Antragsteller mit, dass er die Miete bis einschließlich April 2010 von einer Nachzahlung im April beglichen
habe. Telefonisch gab er jedoch an, im Jahr 2010 lediglich insgesamt 150,00 Euro Mietzahlungen an seine Vermieterin geleistet
zu haben. Eine Nachfrage bei der Vermieterin über die Höhe der noch ausstehenden Mietzahlungen führte zu keinem klaren Ergebnis.
Sie könne nicht sagen, welche Miete in welcher Höhe noch ausstünde, da der Ast manchmal zahle und manchmal nicht zahle.
Der Ast beantragt - sinngemäß -,
den Beschluss des SG vom 21.04.2010 aufzuheben und die Antragsgegnerin zur Übernahme der drei Monatsmieten für Januar bis März 2010 sowie zur
ungekürzten Zahlung der Miete direkt an die Vermieterin zu verpflichten.
Gleichzeitig beantragt er die Gewährung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Die Ag beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist dabei auf den Beschluss des SG vom 21.04.2010.
Im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakten der
Ag sowie die Verfahren L 8 AS 498/10 B ER, L 8 AS 499/10 B ER und L 8 AS 466/10 B ER verwiesen.
II. Das Bayer. Landessozialgericht ist zur Entscheidung über die zulässige Beschwerde in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
zuständig (§§
86 b Abs.
3,
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG).
Die zulässige Beschwerde des Ast ist aber unbegründet, weil das SG den Antrag auf Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt hat. Zur Begründung verweist der Senat zunächst
gemäß §
142 Abs.
2 Satz 3
SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG in seinem Beschluss vom 21.04.2010.
Ergänzend ist jedoch auf Folgendes hinzuweisen:
1. Soweit der Ast die Übernahme der Miete für die Monate Januar bis März 2010 begehrt, ist der Antrag zum Teil bereits mangels
Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, da der Ast im Schreiben vom 06.07.2010 (L 8 AS 498/10 B ER) mitgeteilt hat, zumindest 150 EUR auf seine Mietschulden gezahlt zu haben. Hinsichtlich des Restbetrages von 255 EUR
für diesen Zeitraum (405 EUR./. 150 EUR) kommt aber eine Übernahme der Mietschulden nicht in Betracht. Nach § 22 Abs. 5 SGB
II können zwar Mietschulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren
Notlage gerechtfertigt ist. Standardfall für die Übernahme von Mietrückständen ist, eine ernsthaft drohende Vermieterkündigung
wegen Zahlungsrückständen abzuwenden. Die Verpflichtung zur Mietschuldenübernahme im einstweiligen Rechtsschutz ist aber dann
nicht angezeigt, wenn das Mietverhältnis noch nicht gekündigt wurde (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.09.2007, L 32 B 1558/07). Dem Ast droht aktuell mangels Kündigung weder Wohnungs- noch Obdachlosigkeit. Eine einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners
zur darlehensweise Übernahme der Mietschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II scheidet damit aus. Dem Ast ist ein Abwarten des Ausgangs
des Hauptsacheverfahrens noch zumutbar.
Bei der Abwägung war auch zu beachten, dass die Ag die Miete für die Monate Januar bis März 2010 ungekürzt an den Ast ausgezahlt
hatte, dieser die Beträge aber für seinen Lebensunterhalt verwendet hat, da er aufgrund von Sanktionen nach § 31 SGB II nur
eine gekürzte Regelleistung erhielt. Wäre die Ag im Fall einer Sanktionierung der Regelleistung nach § 31 SGB II grundsätzlich
verpflichtet, für diesen Zeitraum auflaufende Mietschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II zu übernehmen, liefe die Sanktion ins Leere.
Auch die Heranziehung des Urteils des BVerfG vom 09.02.2010 (1 BvR 1/09) führt - entgegen der Auffassung des Ast - zu keinem anderen Ergebnis. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil
vom 09.02.2010 entschieden, dass die Vorschriften des SGB II, die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder betreffen, hinsichtlich
der Ermittlung der Höhe nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
aus Art.
1 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art.
20 Abs.
1 GG erfüllen. Die Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsvorschrift des § 31 SGB II war nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Allerdings wäre die Ag im Fall einer Sanktionsverschärfung bezüglich der Kürzung der KdU nach § 31 SGB II nicht gehindert,
wegen hierauf gründender Mietschulden eine Kostenübernahme nach § 22 Abs. 5 SGB II als zum Erhalt der Unterkunft "gerechtfertigt"
anzusehen.
2. Hinsichtlich des Antrages, die Miete in Zukunft in jedem Fall ungekürzt direkt an seine Vermieterin zu überweisen, besteht
zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts über den Antrag zumindest kein Anordnungsgrund, da eine
Kürzung der dem Ast bewilligten Kosten der Unterkunft nicht im Raum steht. Dem Ast bleibt es unbenommen, die an ihn derzeit
per Scheck ausgezahlte Miete an seine Vermieterin weiterzuleiten. Die Rechtmäßigkeit der bescheidsmäßigen Ablehnung der Direktüberweisung
ist mangels Eilbedürftigkeit im Hauptsacheverfahren zu prüfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts war abzulehnen. Nach §
73 a Abs.
1 SGG i.V.m. §
114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der
Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung erforderlich
erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§
121 Abs.
2 ZPO).
Hinreichende Erfolgsaussichten im Sinn von §
114 ZPO lagen, wie unter II. beschrieben, nicht vor.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.