Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Absenkung nach einer Verletzung der Meldepflichten durch den Hilfebedürftigen
Gründe:
I. Gegenstand des Eilverfahrens ist der Antrag des Antragstellers (Ast) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs
vom 12.05.2010 gegen den Sanktionsbescheid vom 07.05.2010.
Der Ast bezieht seit dem 16.06.2005 von der Antragsgegnerin (Ag) laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II. Die Ag forderte den Ast mit Schreiben vom 09.02.2010 auf, am 23.02.2010 um 09.30 Uhr in ihrer Außenstelle A-Stadt
in einem bestimmten Zimmer vorzusprechen. Es solle ein Gespräch über das Bewerberangebot bzw. über die berufliche Situation
des Ast geführt werden. Dem Schreiben war eine Rechtsfolgenbelehrung beigefügt, es wurde am 16.02.2010 abgesandt.
Mit Schreiben vom 23.02.2010 teilte die Ag dem Ast mit, es komme ein Sanktionsbescheid in Betracht, weil er zu dem Meldetermin
am 23.02.2010 nicht erschienen sei. Der Ast beantwortete dieses Schreiben nicht.
Mit Bescheid vom 07.05.2010 minderte die Ag das Arbeitslosengeld II des Ast für den Zeitraum 01.06.2010 bis 31.08.2010 um
80 % der Regelleistung. Es ergebe sich eine Absenkung in Höhe von monatlich 287,20 Euro. Zum Termin am 23.02.2010 sei der
Ast ohne Angaben von Gründen nicht erschienen.
Gegen den Bescheid vom 07.05.2010 erhob der Ast am 12.05.2010 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2010 zurückgewiesen
wurde. Eine Klage gegen den Widerspruchsbescheid ist (noch) nicht anhängig.
Ebenfalls am 12.05.2010 stellte der Ast beim Sozialgericht Landshut - SG - Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Er habe am 23.02.2010 in der Außenstelle A-Stadt der Ag vorgesprochen. Der ihm genannte
Ansprechpartner sei informiert worden.
Den Antrag des Ast auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das SG mit Beschluss vom 09.06.2010 ab. Hinsichtlich des Meldeversäumnisses am 23.02.2010 lägen die Voraussetzungen einer Sanktion
nach § 31 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 SGB II vor. Indem der Ast sich geweigert habe, das Büro des ihm genannten Ansprechpartners
zu betreten, habe er sich nicht bei der in der Aufforderung genannten Stelle gemeldet. Der Ast sei auch über die Rechtsfolgen
belehrt worden und habe für die Pflichtverletzung keinen wichtigen Grund im Sinne von § 31 Abs. 2 SGB II nachgewiesen. Auch
der Umfang der Absenkung sei nicht zu beanstanden, da die Ag zu Recht von einer siebten wiederholten - also insgesamt der
achten zu berücksichtigenden - Pflichtverletzung im Sinne von § 31 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 SGB II ausgegangen sei. Auch
der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde abgelehnt.
Hiergegen hat der Ast am 21.06.2010 Beschwerde beim Bayer. Landessozialgericht - LSG - eingelegt. Die wiederholte Sanktion
um 80 % verstoße gegen das
Grundgesetz. Mit dem verbleibenden Geld sei es ihm nicht möglich, ein menschenwürdiges Dasein zu führen. Gleichzeitig beantragte der
Ast, ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Die Ag verwies zur Erwiderung auf die Gründe des Beschlusses des Sozialgerichts Landshut.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.
Den Antrag des Ast auf Erlass einer "einstweiligen Verfügung" hat das SG richtigerweise als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach §
86 b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG gegen den Bescheid vom 07.05.2010 ausgelegt. Hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen
Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Vorliegend haben Widerspruch und Klage nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Dem Antrag steht - in Form fehlenden
Rechtsschutzbedürfnisses - nicht entgegen, dass die Ag am 23.07.2010 mit Widerspruchsbescheid den Widerspruch des Ast zurückgewiesen
hat. Denn nach §
86 b Abs.
3 SGG ist ein Antrag nach §
86 b Abs.
1 SGG auch schon vor Klageerhebung zulässig; ausreichend ist die Einlegung des Widerspruchs (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Komm. zum
SGG, Rdz. 8 a zu §
86 b). Denn es muss sichergestellt sein, dass die aufschiebende Wirkung ununterbrochen bis zur Rechtskraft gilt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Komm. zum
SGG, Rdz. 11 zu §
86 a).
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Ast ist daher nach
§
86 b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Dabei sind die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes
und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung gegeneinander abzuwägen. Das Gericht hat zu beachten, dass der
Gesetzgeber mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung
des angefochtenen Bescheides den Vorrang gegenüber dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt.
Bei Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums ist eine Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes aufgrund fehlender Erfolgsaussichten
der Hauptsache aber nur dann zulässig, wenn das Gericht die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend
geprüft hat (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05 und Beschluss vom 06.02.2007, Az.: 1 BvR 3101/06).
Allerdings hat der Ast auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze keinen Anspruch auf die Anordnung der aufschiebenden
Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 07.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2010. Denn der
Senat hat keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides vom 07.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 23.07.2010 hinsichtlich des Meldeversäumnisses am 23.02.2010, da der Ast keine ausreichenden Gründe vorgetragen hat, warum
er den Meldetermin nicht wahrgenommen hat. Mit der Vorsprache im Eingangsbereich des Dienstgebäudes der Ag erfüllte der Ast
seine Meldepflicht nicht (Vgl. auch Beschluss des BayLSG vom 26.04.2010, L 7 AS 212/10 B ER). Dem Antragsteller wurden Lebensmittelgutscheine als Sachleistung nach § 31 Abs. 3 S. 6 SGB II bewilligt. Kinder sind
von der Absenkung nicht betroffen. Der Senat schließt sich nach §
142 Abs.
2 Satz 3
SGG der Begründung des Sozialgerichts an und weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
III. Das SG hat auch den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt.
Nach §
73a Abs.
1 SGG (i.V.m. §
114 ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht
auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf
ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung erforderlich erscheint
oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§
121 Abs.
2 Satz 1
ZPO).
Hinreichende Erfolgsaussichten lagen, auch bei der gebotenen summarischen Prüfung, nicht vor. Bei der Prüfung der hinreichenden
Aussicht auf Erfolg im Rahmen der PKH erfolgt nur eine vorläufige Prüfung. Dabei ist der verfassungsrechtlich gezogene Rahmen
(Art.
3 Abs.
1, 20 Abs.
3, 19 Abs.
4 Grundgesetz) zu beachten. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund
der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher
Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Meyer-Ladewig,
SGG, Kommentar, 9.Aufl., Rn. 7, 7a zu § 73a).
Dasselbe gilt für die Erfolgsaussichten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren. Auch hier waren die Erfolgsaussichten nach
der Sach- und Rechtslage zu verneinen.
Zur Begründung verweist der Senat auf die unter II. gemachten Ausführungen sowie die Ausführungen des SG in seinem angefochtenen Beschluss.
Da der Eilantrag in beiden Instanzen erfolglos blieb, waren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten, §
193 SGG analog.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.