Förderung beschäftigter Arbeitnehmer; berufliche Weiterbildung älterer Arbeitnehmer, Förderungsfähigkeit bei selbstständiger
Tätigkeit
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Weiterbildungskosten für die Teilnahme an einem Sachkundelehrgang gemäß
§ 4 Rechtsdienstleistungsverordnung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die 1958 geborene Antragstellerin (ASt) hat den Beruf der Verwaltungsangestellten erlernt. Seit 01.09.1974 ist sie durchgehend
versicherungspflichtig beschäftigt. 1989 hat sie den Arbeitgeber gewechselt und ist seitdem in ungekündigter Stellung mit
zuletzt 19,5 Wochenstunden beschäftigt. Ab 2007 ist bei ihr ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt.
Am 10.03.2009 beantragte sie erstmalig die Kostenübernahme für eine Weiterbildung zur Rentenberaterin, was die Antragsgegnerin
(Ag) mit Bescheid vom 06.04.2009 ablehnte. Die Voraussetzungen des §
77 Abs.
1 Nr.
1 SGB III lägen bei der ASt nicht vor. §
417 SGB III stelle lediglich eine Ergänzung des in §
77 SGB III aufgestellten Grundsatzes für die Förderung der beruflichen Weiterbildung dar. Die ASt müsse nach ihrer eigenen Einschätzung
nicht alsbald mit der Beendigung ihrer Beschäftigung rechnen; eine Kündigung sei nicht ausgesprochen. Mit dem Eintritt von
Arbeitslosigkeit sei somit in absehbarer Zeit ohne die Förderung nicht zu rechnen.
Das Schreiben der ASt vom 30.04.2009 wertete die Ag aufgrund eines weiteren Schreibens der ASt vom 17.05.2009, wonach die
ASt mit ihrem Schreiben vom 30.04.2009 einen Neuantrag nach §
421 t Abs.
4 SGB III stellen wolle, als Widerspruch und wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2009 zurück. Die ASt strebe mit ihrer Teilnahme
an dem Sachkundelehrgang gemäß §
4 Rechtsdienstleistungsverordnung eine selbständige Tätigkeit als Rentenberaterin an. §
417 SGB III schließe es nach seinem Sinn und Zweck aus, Maßnahmen zu fördern, die die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zum Ziel
hätten. § 421t Abs. 4
SGB III sei keine eigenständige Rechtsgrundlage, sondern erweitere lediglich den Anwendungsbereich des §
417 Abs.
1 SGB III.
Mit Schreiben vom 03.06.2009 hat die ASt beim Sozialgericht Würzburg (SG) beantragt, die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der ASt die beantragten Leistungen auf Förderung
der beruflichen Weiterbildung nach dem Konjunkturpaket II, § 421t Abs. 4
SGB III zu bewilligen. Die Voraussetzungen einer Bewilligung nach § 421t Abs. 4
SGB III seien gegeben, der ASt sei es bis jetzt nicht möglich gewesen, eine adäquate Ganztagesstelle zu finden und damit eine hinreichende
Alterssicherung sicherzustellen. Es werde von ihr auch keine selbstständige Tätigkeit als Rentenberaterin angestrebt, sondern
eine Vollzeitstelle im öffentlichen Dienst oder bei einem sonstigen freien Träger. Der angebotene Lehrgang werde nach dem
Europäischen Sozialfonds in Baden-Württemberg sowie durch die Agentur für Arbeit in H. gefördert. Im Rahmen einer fehlerfreien
Ermessensausübung hätte sie Anspruch auf die begehrte Förderung. Eine besondere Eilbedürftigkeit ergebe sich aus der Tatsache,
dass eine Fortbildung in Wohnortnähe lediglich in der Zeit von September 2009 bis November 2009 belegt werden könne.
Mit Beschluss vom 07.07.2009 hat das SG den Antrag zurückgewiesen. Die ASt habe gegen den Widerspruchsbescheid der Ag vom 27.05.2009 schon keine Klage erhoben. Auch
wenn Rentenberater auch bei Wohlfahrtsverbänden tätig sein könnten, handle es sich bei einer solchen Tätigkeit dennoch um
eine selbstständige Tätigkeit, was sich aus dem Lehrgangsprospekt ergebe. Die Förderung einer selbstständigen Tätigkeit sei
jedoch nach §
417 i.V.m. 421t
SGB III nicht möglich. Eine Förderung nach §
417 Abs.
1 Nr.
5 SGB III scheitere, da die Maßnahme nicht nach den §§
84,
85 zugelassen sei. Eine Förderung aus dem Europäischen Sozialfond in Baden Württemberg ändere hieran nichts.
Hiergegen hat die ASt am 24.07.2009 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Es seien zwei verschiedene Anträge
bei der Ag gestellt worden. Der erste Antrag habe sich auf eine Weiterbildung des ASB H. auf den Zeitraum vom 27.04.2009 bis
04.07.2009 bezogen, der allerdings mangels Mindestteilnehmerzahl abgesetzt worden sei. Mit Schreiben vom 30.04.2009 sei ein
weiterer Antrag auf Förderung für eine im zweiten Halbjahr 2009 geplante Weiterbildung gestellt worden, den die Ag mit Schreiben
vom 18.05.2009 und Widerspruchsbescheid vom 27.05.2009 abgelehnt hätte. Hiergegen habe die ASt am 03.06.2009 fristgerecht
Klage erhoben. Die Ag hätte abwägen müssen, ob eine Förderung im Fall der ASt notwendig gewesen wäre um frauenspezifische
Nachteile auszugleichen, es seien auch weitere Vermittlungshemmnisse (u.a. Behinderung) nicht berücksichtigt worden. Die Fortbildung
sei durch die Agentur für Arbeit H. als förderfähig angeboten worden. Rentenberater würden auch in unselbständigen Tätigkeiten
eingesetzt, es bestünde die Chance, aufgrund der Weiterbildung eine Vollzeitstelle zu bekommen. Die Notwendigkeit einer Regelung
zum jetzigen Zeitpunkt ergebe sich zur Abwendung eines wesentlichen Nachteils für die ASt, die durch eine spätere Entscheidung
in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könne, des Weiteren aus der Behinderung, der Teilzeit-Arbeitslosigkeit der ASt,
dem Lebensalter, sowie des Qualifizierungsbedarfs in Heimatortnähe.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auch die Akten der Ag, sowie die Gerichtskaten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II. Die statthafte, form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -. Das Rechtsmittel erweist sich aber als unbegründet.
Die ASt begehrt die vorläufige Übernahme von Weiterbildungskosten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Rechtsgrundlage für dieses Begehren, die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in
Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, stellt §
86b Absatz
2 Satz 2
SGG dar.
Danach ist eine einstweilige Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa
dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen,
zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998, BVerfGE 79,
69 (74); vom 19.10.1997, BVerfGE 46, 166 (179) und vom 22.11.2002, NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr. 643)
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen
eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den die ASt ihre Begehren stützen - voraus. Die
Angaben hierzu haben die Ast glaubhaft zu machen (§
86b Abs
2 Satz 2 und
4 SGG iVm §
920 Abs
2, §
294 Zivilprozessordnung -
ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG 9.Aufl, §
86b Rn. 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes
sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen
Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich
unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.
Vorliegend ist weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund gegeben.
Entgegen der Auffassung des SG ist ein Anordnungsgrund nicht bereits deshalb zu verneinen, weil die ASt keine Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 27.05.2009
erhoben hätte, denn der Antrag den die ASt, als rechtlicher Laie, mit dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt hat,
kann auch dahingehend ausgelegt werden, dass eine Klageerhebung gegen den Widerspruchsbescheid vom 27.05.2009 beabsichtigt
war. Dies insbesondere deshalb, weil ihr Antrag nicht nur auf eine vorläufige Regelung, sondern in Ziffer 1 auf die endgültige
Aufhebung des Bescheides vom 06.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2009 gerichtet war.
Es ist allerdings nicht nachvollziehbar, welche schweren, nicht hinnehmbaren Nachteile die ASt zu befürchten haben sollte,
wenn sie nicht sofort die Weiterbildung beginnt. Die ASt ist in ungekündigter Stellung mit 19,5 Wochenstunden beschäftigt
und nach ihren eigenen Angaben droht eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht. Es ist dem Senat auch nach dem Vorbringen
der ASt nicht ersichtlich, warum es dieser nicht möglich sein soll, die Ausbildungskosten vorzufinanzieren und sie bei einem
Obsiegen in der Hauptsache von der Ag erstattet zu erhalten. Sicherlich wäre eine Weiterbildung der ASt in Wohnortnähe für
die ASt von Vorteil, schwere unzumutbare Nachteile drohen der ASt aber nach Aktenlage auch bei einem weiter entferntem Ausbildungsort
nicht. Allein aus dem bei der ASt festgestellten GdB von 30 und dem Lebensalter der ASt ergibt sich kein Anordnungsgrund,
ebenso wenig aus der von der ASt vorgetragenen Notwendigkeit der Sicherung einer angemessenen Altersversorgung. Die ASt ist
nach ihren eigenen Angaben bereits seit 35 Jahren beschäftigt, seit 1989 in Teilzeit.
Auf das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs kam es damit nicht mehr an. Lediglich ergänzend ist aber festzustellen, dass der
von der ASt wiederholt vorgebrachte § 421t Abs. 4
SGB III keine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellt, sondern den Anwendungsbereich des §
417 SGB III lediglich erweitert. §
417 SGB III dient aber nach der Gesetzesbegründung dazu, ältere Arbeitnehmer, die von Arbeitslosigkeit grundsätzlich stärker bedroht
sind als jüngere, weiter zu qualifizieren, um sie auf dem Arbeitsmarkt länger konkurrenzfähig zu halten. Im Hinblick auf die
demografische Entwicklung und die Arbeitskräfteknappheit in bestimmten Teilbereichen soll die Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes
geschützt werden(vgl BT-Drucks. 14/6944 S. 51). Förderungsfähig ist damit nur die Weiterbildung für eine abhängige Beschäftigung.
Bei einem Rentenberater handelt es sich aber ohne jede Frage - angelehnt an den Beruf des Rechtsanwalts - um eine selbständige
Tätigkeit, welche nach dem Gesetzeszweck des §
417 SGB III nicht förderfähig ist. Hieran ändert auch nichts, dass ein Rentenberater, wie eben auch der Rechtsanwalt, gelegentlich, nicht
aber typischerweise, abhängig beschäftigt sein kann.
Da die Ag - zu Recht - das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des §
417 SGB III und damit die Tatbestandsseite der Norm verneint hat, war ein Ermessen der Behörde nicht mehr auszuüben.
Die Beschwerde war damit als unbegründet zurückzuweisen.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar,§
177 SGG, und ergeht kostenfrei