Zulässigkeit der Gebührenerhebung für die Durchführung der Vereinbarung über ausländische Werkvertragsarbeitnehmer durch die
Bundesagentur für Arbeit
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erhebung von Gebühren bei der Zusicherung von Arbeitserlaubnissen zur Beschäftigung ausländischer
Arbeitnehmer im Rahmen von Werkverträgen durch die Beklagte.
Die Klägerin ist eine türkische Gesellschaft mit Hauptsitz in B./Türkei und Zweigniederlassung in B ... In den Jahren 2000
bis 2002 führte sie im Rahmen von Werkverträgen mit der Fa. U. Bau GmbH (U) Erd- Mauer- und Betonarbeiten durch.
Mit Bescheiden vom 23.10.2000 (für die Zeit vom 01.11.2000 bis 30.04.2001 i.H.v. 6.600.- DM/3.374,53 EUR), 30.03.2001 (für
die Zeit vom 03.04.2001 bis 30.09.2001 i.H.v. 4.440,00 DM/2.270,14 EUR), 12.10.2001 (für die Zeit vom 17.10.2001 bis 23.02.2002
i.H.v. 4.440.- DM/2.270,14 EUR), 10.12.2001 (für die Zeit vom 13.12.2001 bis 31.08.2002 i.H.v. 13.320,00 DM/6.810,41 EUR),
05.03.2002 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26.03.2002 (für die Zeit vom 07.03.2002 bis 06.04.2002 i.H.v. 750,00
EUR), 15.08.2002 (für die Zeit vom 01.09.2002 bis 19.10.2002 i.H.v. 1.200,00 EUR) und 17.10.2002 (für die Zeit vom 21.10.2002
bis 19.12.2002 i.H.v. 900,00 EUR) erhob die Beklagte für die Zusicherung von Arbeitserlaubnissen zur Beschäftigung türkischer
Arbeitnehmer der Klägerin Gebühren in Höhe von insgesamt 17.575,22 EUR.
Die hiergegen eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 17.02.2003 und 08.09.2003 zurück.
Das Werkvertragsverfahren und die Gebührenerhebung basierten auf der am 18.11.1991 unterzeichneten Vereinbarung über die Beschäftigung
von Arbeitnehmern türkischer Unternehmen zur Ausführung von Werkverträgen (BGBl. II 1992 S. 54) in der Fassung vom 24.10/18.11.1997 (BGBl II 1998, 94, 95). Über den danach anwendbaren §
287 Abs.
1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) in der ab 01.01.1998 geltenden Fassung, BGBl. I 1997 S. 594 sei die Beklagte ermächtigt, Gebühren für die Aufwendungen zu erheben, die im Zusammenhang mit dem Antragsverfahren und der
Überwachung der Einhaltung der Vereinbarungen entstünden. Die Vereinbarung stehe auch nicht im Widerspruch zu Art 41 Abs.
1 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen EWG-Türkei vom 23.11.1970 (ABl 1972 L 293/4, im Folgenden: Zusatzprotokoll),
da darin weder die Niederlassungsfreiheit noch der freie Dienstleistungsverkehr eingeschränkt werde. Vielmehr sei im Hinblick
auf diese Vereinbarung in § 3 Anwerbestoppausnahme-Verordnung (ASAV) vom 21.12.1990 (BGBl I 1990 S. 3012) die Möglichkeit für türkische Firmen eröffnet worden, in Deutschland Gewerke erbringen zu können. Das Gemeinschaftsrecht
der EU lasse die Befugnis der Mitgliedsstaaten unberührt, Vorschriften sowohl über die Einreise als auch über die Voraussetzungen
für deren erste Beschäftigung zu erlassen. Zweifel an der grundsätzlichen Berechnung wie an der Gebührenhöhe seien nicht mehr
angebracht.
Hiergegen hat die Klägerin Klagen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Die Gebührenerhebung verstoße gegen die Standstill-Klausel in Art 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls; die Erhebung von Arbeitserlaubnisgebühren sei unzulässig. Art 21 Abs. 2 S. 3 des Europäischen Niederlassungsabkommens (EuNiederlAbk) vom 13.12.1955 (BGBl II 1959, S. 988ff) verbiete die Erhebung von Verwaltungsgebühren, die den Verwaltungsaufwand übersteigen
würden. Die Erhebung von Arbeitserlaubnisgebühren verstoße gegen Art 8 des Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich
und der Türkischen Republik vom 12.01.1927 (RGBl II 1927 S. 76ff), da von Inländern solche Gebühren nicht erhoben würden.
Mit Urteilen vom 05.08.2004 hat das SG die Klagen abgewiesen. Die Gebührenerhebung durch die Beklagte stehe nicht im Widerspruch zu Art 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolles.
Der EuGH habe in seinen Urteilen vom 21.10.2003 in den Rechtssachen C 317/01 "Abatay./.BA" und C 369/01 "Sahin./. BA" ausgeführt, nicht jede kostenmäßige Belastung eines Leistungserbringers stelle eine allgemeine Beeinträchtigung
seiner Fähigkeit dar, in dem betreffenden Mitgliedsstaat Dienstleistungen zu erbringen. Der freie Dienstleistungsverkehr werde
somit durch die Erhebung von Gebühren für die Durchführung der Vereinbarung über Werkvertragsarbeiter grundsätzlich nicht
beeinträchtigt. Die Höhe der Gebühren halte sich im Rahmen des §
2 Abs.
2 der auf der Grundlage des §
287 Abs.
2 S. 2
SGB III erlassenen Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die Errichtung von Gebühren durch Arbeitgeber
für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis an ausländische Arbeitnehmer, die auf der Grundlage einer zwischenstaatlichen Vereinbarung
über die Beschäftigung von Arbeitnehmern auf der Grundlage von Werkverträgen tätig werden (Anordnung nach §
287 SGB III vom 26.11.1997 - AnO 1997 - ANBA 1998, S. 3).
Gegen diese Urteile hat die Klägerin Berufungen zum Bayer.Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Das Zusatzprotokoll könne nicht
einseitig von nur zwei Vertragsparteien abgeändert werden. Das deutsch-türkische Werkvertragsabkommen ermächtige nicht zur
Erhebung neuer Gebühren, sondern verweise auf die innerstaatliche Rechtsordnung, die aber wiederum durch das Zusatzprotokoll
gekennzeichnet sei. Maßgeblich sei auch die Anwendbarkeit des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und der
Türkei. Es läge ein Verstoß gegen Art 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats vom 19.09.1980 (ANBA 1981, S. 4ff,
im Folgenden: Beschluss Nr. 1/80) vor. Die erhobenen Gebühren hätten unter Berücksichtigung des Urteils des Senats vom 20.01.2005
zu einem Gebührenüberschuss geführt.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.08.2004 und die Bescheide vom 30.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 17.02.2003, vom 23.10.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2003, vom 10.12.2001 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 17.02.2003, vom 05.03.2002 und 26.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2003,
vom 15.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2003, vom 12.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 17.02.2003, vom 17.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen gegen die Urteile des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.08.2004 zurückzuweisen.
Grundlage für die Durchführung des Werkvertragsverfahrens sei die Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland
und der Regierung der Republik Türkei über die Beschäftigung türkischer Unternehmer zur Ausführung von Werkverträgen. Diese
sei später als die EU-Vereinbarungen und unabhängig vom Zusatzprotokoll abgeschlossen und als eigenständige, von EU-Vereinbarungen
unabhängige Rechtsbeziehung gewollt und vereinbart worden. Eine neue Beschränkung sei durch die Vereinbarung nicht eingetreten,
vielmehr sei türkischen Unternehmen und deren türkischen Beschäftigten ein bis dahin verschlossener Weg geebnet worden, in
Deutschland tätig zu werden.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich nach Verbindung der Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung mit einer Entscheidung
ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§
124 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-).
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen sind zulässig (§§
143,
144,
151 SGG). Sie sind aber nicht begründet. Die Entscheidungen des SG sind zutreffend. Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte
hat zu Recht Gebühren für die Zusicherung zur Erteilung von Arbeitserlaubnissen zur Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer
im Rahmen von Werkverträgen erhoben.
Zutreffende Klageart gegen die Gebührenbescheide ist die reine Anfechtungsklage (vgl. Urteil des Senats vom 20.01.2005 - L 10 AL 179/03 - veröffentlicht in juris).
Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung stellt die am 18.11.1991 unterzeichnete Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik
Deutschland und der Regierung der Republik Türkei über die Beschäftigung von Arbeitnehmern türkischer Unternehmen zur Ausführung
von Werkverträgen dar.
Über Art 5 Abs.2 S. 1 dieser Vereinbarung finden die einschlägigen Rechtsvorschriften über die Erteilung und Versagung sowie
über das Erlöschen der Arbeitserlaubnis Anwendung. Nach dem damit anwendbaren §
287 Abs.
1 SGB III kann die Beklagte für die Aufwendungen, die ihr bei der Durchführung der zwischenstaatlichen Vereinbarungen über die Beschäftigung
von Arbeitnehmern auf der Grundlage von Werkverträgen entstehen, vom Arbeitgeber der ausländischen Arbeitnehmer eine Gebühr
erheben. Die Gebühr wird für die Aufwendungen erhoben, die im Zusammenhang mit dem Antragsverfahren und der Überwachung der
Einhaltung der Vereinbarungen stehen, insbesondere für die (1.) Prüfung der werkvertraglichen Grundlagen, (2.) Prüfung der
Voraussetzungen für die Beschäftigung der ausländischen Arbeitnehmer, (3.) Zusicherung, Erteilung und Aufhebung der Arbeitserlaubnis,
(4.) Überwachung der Einhaltung der für die Ausführung eines Werkvertrages festgesetzten Zahl der Arbeitnehmer, (5.) Überwachung
der Einhaltung der für die Arbeitgeber nach den Vereinbarungen bei der Beschäftigung ihrer Arbeitnehmer bestehenden Pflichten
einschließlich der Durchführung der dafür erforderlichen Prüfungen nach § 304 Abs. 1 Nr. 2 sowie (6.) Durchführung von Ausschlussverfahren
nach den Vereinbarungen, §
287 Abs.
2 SGB III. Die Bundesanstalt für Arbeit wird ermächtigt, durch Anordnung die gebührenpflichtigen Tatbestände zu bestimmen und für die
Gebühr feste Sätze vorzusehen (§
287 Abs.
2 S. 2
SGB III).
Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte für die Zeit ab 01.01.1998 mit der AnO 1997 Gebrauch gemacht. Nach § 2 Abs. 1 AnO
1997 betrug die Grundgebühr 400.- DM für jeden Werkvertrag (Neuantrag); für einen Antrag auf Verlängerung der Ausführungszeit
(Verlängerungsantrag) und für Gewährleistungsarbeiten wurden 200.- DM an Gebühren erhoben. Die Arbeitserlaubnisgebühr betrug
für den einzelnen Arbeitnehmer je angefangenen Kalendermonat der Beschäftigung 185.- DM (§
2 Abs.
2 AnO 1997). Mit weiterer Anordnung vom 16.11.2001 nach §
287 SGB III (AnO 2001, ANBA 2002, 889) wurde die Gebührenerhebung mit Wirkung ab 01.01.2002 erneut geändert, die Grundgebühr selbst änderte
sich gemäß § 2 Abs1 AnO 2001 grundsätzlich nicht (200.- EUR), die Laufzeitgebühr wurde auf 75.- EUR festgelegt (§ 2 Abs. 2
AnO 2001). Unter Berücksichtigung dieser Anordnungen hat die Beklagte die Gebührenbescheide rechnerisch richtig berechnet.
Dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.
Der Rechtmäßigkeit der am 18.11.1991 unterzeichneten Vereinbarung steht auch weder Art 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls noch
Art 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats entgegen.
Art 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls lautet:
"Die Vertragsparteien werden untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs
einführen."
Das Zusatzprotokoll wurde vom Bundestag mit Gesetz vom 19.05.1972 (BGBl. 1972 II S. 385) ratifiziert und trat in Deutschland am 01.01.1973 in Kraft.
Art 13 des Beschlusses Nr. 1/80 lautet:
"Die Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft und die Türkei dürfen für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt
und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum
Arbeitsmarkt einführen."
Nach Art 16 dieses Beschlusses ist Art 13 ab 01.12.1980 anwendbar.
Das Assoziationsabkommen mit der Türkei (ABl. 1964, 217/3685) bestimmt in den Art 12-14, dass sich die Vertragsparteien von
den Vorschriften über die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit des EG-Vertrages
bei der Verwirklichung jener Freiheiten leiten lassen. Diese Vorschriften ergänzt das Zusatzprotokoll. Nach Art 36 des Zusatzprotokolls
sollte die Freizügigkeit der Arbeitnehmer bis zum 01.12.1986 hergestellt werden. Hinsichtlich der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit
ist in Art 41 Abs. 2 Zusatzprotokoll lediglich geregelt, dass der Assoziationsrat die Zeitfolge und die Einzelheiten festlegt,
nach denen die Vertragsparteien die Beschränkungen dieser Freiheiten schrittweise beseitigen. Zur Verwirklichung der Arbeitnehmerfreizügigkeit
hat der Assoziationsrat unter anderem am 19.09.1980 den Beschluss 1/80 gefasst (vgl. zu all dem: Randelzhofer/Forsthoff in
Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, EL 18, Mai 2001 EGV vor Art 39-55 Rdnr. 31ff).
Nach dem Urteil des EuGH vom 20.09.1990 (- C-192/89 - "Sevince" Slg. 1990 I-3497) sind die Beschlüsse des Assoziationsrats zur Durchführung des Assoziationsabkommens aufgrund
ihres unmittelbaren Zusammenhangs mit dem Assoziationsabkommens wie das Abkommen selbst und dem Zusatzprotokoll seit ihrem
In-Kraft-Treten integrierter Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, D 5.1 S. 2 ff).
Sowohl Art 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls als auch Art 13 des Beschlusses Nr. 1/80 begründen für den Einzelnen unmittelbare
Wirkung. Die Bestimmungen enthalten eine klare und eindeutige Verpflichtung, deren Erfüllung oder deren Wirkungen nicht vom
Erlass eines weiteren Aktes abhängen. Die Klägerin als Unternehmen mit Sitz in der Türkei, das rechtmäßig Dienstleistungen
in Deutschland erbringen wollte, kann sich somit unzweifelhaft auf diese Bestimmungen berufen (vgl. EuGH Urteil vom 21.10.2003,
- C 317/01 "Abatay", C 369/01 "Sahin" - SozR 4-6938 Art 13 Nr. 1).
Das Verschlechterungsverbot des Art 41 Abs.1 Zusatzprotokoll bezieht sich aber nach seinem klaren Wortlaut und Zweck auf einseitige
Maßnahmen (vgl. Hailbronner aaO.), die ein Mitgliedsstaat treffen kann. Ein aus zwei Willenserklärungen gebildeter Vertrag
- wie hier die Vereinbarung vom 18.11.1991 - kann somit Art 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll nicht entgegen stehen. Nachdem Art 41
Abs.1 Zusatzprotokoll und Art 13 des Beschluss 1/80 das gleiche Ziel verfolgen (vgl. EuGH Urteil vom 21.10.2003 aaO.), kann
auch der Beschluss 1/80 einem Vertrag nicht entgegen gesetzt werden.
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass dann §
287 SGB III oder die hiernach ergangenen Anordnungen gegen das Verschlechterungsverbot des Art 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll und Art 13 des Beschlusses 1/80 verstießen. Die Beklagte konnte nämlich auch schon vor dem 01.01.1973
Gebühren für die Anwerbung ausländischer (türkischer) Staatsangehöriger aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen verlangen.
Diese für den deutschen Arbeitsmarkt angeworbenen, nicht deutschen Arbeitnehmer bedurften nach der Arbeitserlaubnisverordnung
vom 02.03.1971 (BGBl I 1971, S. 152) einer Arbeitserlaubnis. Nach § 18 Arbeitsförderungsgesetz - AFG - (in der Fassung des Gesetzes vom 25.06.1969, BGBl I 1969, 582) führte die Anwerbung und Arbeitsvermittlung für eine Beschäftigung im Ausland und die Anwerbung im Ausland sowie die Arbeitsvermittlung
für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer im Inland die Bundesanstalt für Arbeit durch. Hierzu gab es seit dem 30.10.1961 Vereinbarungen
auch mit der Türkei (vgl. Regelung der Vermittlung türkischer Arbeitnehmer nach der Bundesrepublik Deutschland vom 30.10.1961,
BAB 1962, 69ff). Nach § 21 Abs. 2 AFG übte die Bundesanstalt für Arbeit die Arbeitsvermittlung zwar unentgeltlich aus, konnte aber durch Anordnung bestimmen, dass
Arbeitgeber, die die Bundesanstalt für Arbeit zur Vermittlung ausländischer Arbeitnehmer auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen
in Anspruch nahmen, eine Gebühr zu entrichten hatten. Ab 01.05.1972 galt hierfür die Anordnung vom 09.03.1972, wonach die
Vermittlungsgebühr bis zu 300.- DM betrug. Die Festsetzung von Gebühren ist damit keine neue Regelung bzw Verschlechterung
i.S.d. Art 41 Abs.1 Zusatzprotokoll und Art 13 des Beschluss 1/80.
Aufgrund einer Weisung des Bundesarbeitsministeriums vom 23.11.1973 hatte die Bundesanstalt für Arbeit einen Anwerbestopp
verfügt, von dem Ausnahmen nur in ganz besonders geregelten Fällen und unter Zugrundelegung der ASAV möglich waren. Eine dieser Ausnahmen ergab sich nach § 3 ASAV, wonach Ausländern, die aufgrund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung zur Erfüllung eines Werkvertrages tätig waren, eine
Arbeitserlaubnis erteilt werden konnte. Die Vereinbarung vom 18.11.1991 stellte eine Verbesserung des Zugangs zum deutschen
Arbeitsmarkt im Vergleich zu der vor diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage dar. Der Zugang zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit
in Deutschland für Ausländer im Jahre 1973 war so gut wie versperrt. 1973 ließ der deutsche Gesetzgeber Ausländer nur in Ausnahmefällen
und nur im Ermessenswege selbständig sein (vgl. Gutmann: Standstill als neue Form der Bewegung in der Assoziation EWG-Türkei
InfAuslR 2008 S. 1ff). Die Vereinbarung vom 18.11.1991 stellt damit keine Verschlechterung im Vergleich zu der Zeit vor dem
In-Kraft-Treten des Zusatzprotokolls oder des Beschlusses 1/80 dar.
Weitere Rechte kann die Klägerin weder aus Art 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll noch aus Art 13 des Beschlusses 1/80 für sich ableiten.
Nach der ständigen Rspr. des EuGH (vgl. bereits Urteil vom 11.05.2000 - C 37/98 - "Savas" Slg 2000 I 2927) ergibt sich, dass die Stillhalte-Klausel des Art 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll aus sich selbst heraus
in der Person eines türkischen Staatsangehörigen weder ein Niederlassungs- noch ein Aufenthaltsrecht begründet, das sich unmittelbar
aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt. Die Vorschriften über die Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
und der Türkei lassen vielmehr die Befugnis der Mitgliedsstaaten unberührt, Vorschriften sowohl über die Einreise türkischer
Staatsangehöriger in ihr Hoheitsgebiet als auch über die Voraussetzungen für deren erste Beschäftigung zu erlassen. Durch
das Assoziationsabkommen wird lediglich die Stellung türkischer Arbeitnehmer geregelt, die im Aufnahmemitgliedsstaat aufgrund
rechtmäßiger Ausübung einer Beschäftigung von gewisser Dauer bereits ordnungsgemäß eingegliedert sind. Die erstmalige Zulassung
der Einreise eines türkischen Staatsangehörigen in einen Mitgliedsstaat unterliegt daher im Grundsatz ausschließlich dem Recht
dieses Staates, der Betroffene kann sich daher auf bestimmte Rechte auf dem Gebiet der Ausübung einer Beschäftigung als Arbeitnehmer
oder einer selbständigen Tätigkeit nur berufen, wenn er sich in dem betreffenden Mitgliedsstaat bereits in einer ordnungsgemäßen
Situation befindet. Dies gilt nach dem EuGH ausdrücklich für das von der Klägerin begehrte Recht auf freien Dienstleistungsverkehr
(vgl. zu all dem: EuGH, Urteil vom 21.10.2003 aaO.). Die streitgegenständlichen Gebühren sind aber vor der Einreise der ausländischen
Arbeitskräfte und vor der Aufnahme werkvertraglicher Tätigkeiten in Deutschland erhoben worden, die Gebührenentrichtung hatte
vor Aufnahme der Beschäftigung in Deutschland zu erfolgen. Eine zu fordernde dauerhafte Eingliederung oder Integration in
den deutschen Arbeits- oder Dienstleistungsmarkt war weder bei der Klägerin noch bei deren Arbeitnehmern gegeben noch von
diesen beabsichtigt. Sowohl die von der Klägerin eingesetzten Arbeitnehmer als auch die Klägerin selber verfügten somit nicht
über eine für die Anwendung des Assoziierungsabkommen notwendige "ordnungsgemäße Situation", sondern wollten diese erst -
und auch nur zeitlich begrenzt auf den jeweiligen Werkvertrag und nicht bezogen auf eine dauerhafte vertragliche Bindung in
Deutschland - begründen. Dahinstehen kann dabei, ob die Klägerin bereits vorher aufgrund werkvertraglicher Beziehungen in
Deutschland tätig war. Die Begründung von Werkverträgen ist grundsätzlich auf ein einmaliges, singuläres Handeln gerichtet,
aus dem sich ein Dauerzustand nicht herleiten lässt. Jeder erneute Abschluss eines Werkvertrages ist damit als erneutes -
und damit wieder erstes - Herantreten an den deutschen Arbeitsmarkt zu sehen.
Die Stillhalte-Klausel des Art 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll ist somit - entgegen der Auffassung der Klägerin - bereits nicht
anwendbar und kann deshalb auch keine Rechte für diese begründen. Auf den Inhalt, Umfang und Geltung des Niederlassungsabkommens
zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik kommt es damit ebenso wenig an wie auf das EuNiederlAbk. Die Klägerin kann sich schon nicht auf das Verschlechterungsverbot des Art 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll berufen.
Auch aus Art 13 des Beschlusses Nr. 1/80 kann die Klägerin für sich keine Rechte herleiten. Dieser findet zwar nicht nur auf
bereits in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaats integrierte türkische Staatsangehörige Anwendung, bezieht sich aber doch
nur auf Arbeitnehmer und deren Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung im Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaats
ordnungsgemäß sind. Daraus folgt, dass sich ein türkischer Staatsangehöriger nur dann auf Art 13 des Beschlusses Nr. 1/80
berufen kann, wenn er die Vorschriften des Aufnahmemitgliedsstaates auf dem Gebiet der Einreise, des Aufenthalts und ggf.
der Beschäftigung beachtet hat und sich dementsprechend rechtmäßig im Hoheitsgebiet dieses Staates befindet (vgl. zu all dem
EuGH Urteil vom 21.10.2003 aaO.). Hier gilt wiederum das oben Gesagte: Sowohl die bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer
als auch die Klägerin selbst verfügten zum Zeitpunkt der Gebührenbescheide nicht über einen ordnungsgemäßen zeitlich begrenzten
Aufenthalt und Beschäftigung in Deutschland, sondern wollten beides erst begründen. Eine dauerhafte Integration war keinesfalls
beabsichtigt.
Das Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik enthält keine Rechtsgrundlage für einen
(einklagbaren) Anspruch auf eine Arbeitserlaubnis unabhängig von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes (vgl. Masuch in GK-AFG, Stand Januar 1993, § 19 Rdnr. 52). Die Voraussetzungen, um einer erlaubnisfreien Erwerbstätigkeit nach Art 12 EuNiederlAbk nachzugehen, liegen vorliegend nicht vor. Nach Art 12 EuNiederlAbk wird zum einen ein bereits vorliegender ordnungsgemäßer Aufenthalt im Gebiet eines anderen Vertragsstaats vorausgesetzt,
darüber hinaus aber auch eine zumindest 5 Jahre ununterbrochen befugt ausgeübte Erwerbstätigkeit oder ein zumindest 10 Jahre
ununterbrochener ordnungsgemäßer Aufenthalt oder die Erlaubnis zum dauernden Aufenthalt.
Die Anordnungen nach §
287 SGB III verstoßen hinsichtlich der erhobenen Gebühren weder in der Fassung vom 26.11.1997 noch in der vom 16.11.2001 gegen das Gebot
der Verfassungsmäßigkeit der Gebührenerhebung. Das damit verbundene Prinzip der Kostendeckung ist nicht verletzt. Das in §
287 Abs.
1 und Abs.
2 SGB III i.V.m. § 3 S. 2 Verwaltungskostengesetz (VwKostG) statuierte Kostendeckungsprinzip ist verletzt, wenn die Vereinnahmung von Gebühren veranschlagt wird, die die zu veranschlagenden
Aufwendungen überschreiten. Ausschlaggebend ist eine Prognose im Zeitpunkt des Satzungserlasses (sog. Veranschlagungsmaxime;
vgl. Rademacker in Hauck/Noftz,
SGB III, §
287 Rdnr. 17). In die Gebührenbemessung ist auch der sog. Überwachungsaufwand einzubeziehen. Anhand der mit der Erteilung von
Arbeitserlaubnissen verbundenen Missbrauchsgefahr ist dies nicht zu beanstanden (vgl. Urteil des Senats vom 23.02.1999 - L 10 AL 63/94 - veröffentlicht in juris). Zwar verstieß die unter der Geltung des AFG erlassene Anordnung über die Errichtung von Gebühren durch den Arbeitgeber für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis auf Grund
zwischenstaatlicher Vereinbarungen nach § 19 Abs. 1 S. 1 AFG vom 27.01.1993 (ANBA 1993, S. 387) und der wortgleiche Zweite Abschnitt der Anordnung vom 24.03.1993 (ANBA 1993, S. 1957)
gegen das Kostendeckungsprinzip, denn diese Anordnungen hatten Gebühren vorgesehen, die die zu veranschlagenden Aufwendungen
insbesondere für Arbeitserlaubnisse mit kürzerer Laufzeit erheblich überstiegen (vgl. Urteil des Senats vom 23.02.1999 aaO.;
BayLSG vom 26.11.1999 - L 8 AL 65/94 -veröffentlicht in juris -). Dem hat die Beklagte aber in der Folgezeit durch die hier streitgegenständlichen Anordnungen
und die Unterscheidung von Grund- und Laufzeitgebühren Rechnung getragen (vgl. Rademacker aaO. Rdnr. 18). Insbesondere wurden
die Gebühren im Vergleich zur Anordnung nach §
287 SGB III vom 27.01.1993 gesenkt und die Beklagte hat für die Jahre ab 1996 Arbeitskräfte für die Überwachung der Arbeitserlaubnisse
angefordert (vgl. Urteil des Senats vom 20.01.2005 - L 10 AL 179/03 - veröffentlicht in juris). Hierbei ist auch zu beachten, dass weder der ausländische Arbeitnehmer noch der ausländische
Arbeitgeber im Übrigen Beiträge an die Beklagte entrichtet, während diese Verpflichtung inländische Arbeitnehmer und Arbeitgeber
sehr wohl trifft. Durch die besondere Verwaltungstätigkeit mit der Zusicherung zur Erteilung von Arbeitserlaubnissen und deren
Überwachung fällt aber ein spezieller Verwaltungsaufwand an, dem die streitgegenständlichen Anordnungen hinreichend Rechnung
tragen. Die in dem genannten Urteil des Senats aufgezeigte Rechtswidrigkeit von Gebührenbescheiden aus dem Jahre 1994 sieht
der Senat bei den hier streitgegenständlichen Bescheiden ab dem Jahre 2000 nicht (mehr). Damit scheidet auch ein Verstoß gegen
Art 21 Abs.2 EuNiederlAbk, wonach ein Vertragsstaat Gebühren für die Ausstellung der für Ausländer vorgeschriebenen Erlaubnisse und Genehmigungen nur
in der Höhe der hierdurch entstehenden Kosten verlangen darf, aus.
Nach all dem war die Berufung zurückzuweisen.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.