Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren; Prüfung der Erfolgaussichten
Gründe:
I. Die Kläger, eine seit Juli 2002 im Bundesgebiet wohnhafte kurdische Familie aus Syrien, begehrten in der Hauptsache Leistungen
nach §
2 Abs
1 Asylbewerberleistungsgesetz (
AsylbLG) in Verbindung mit dem SGB XII.
Gegen die ablehnende Entscheidung der Beklagten, anstelle der Leistungen nach §
1 AsylbLG ab 01.09.2007 Leistungen gemäß §
2 Abs
1 AsylbLG zu gewähren, erhoben die Kläger am 30.04.2008 Klage und machten geltend, die Familie halte sich länger als 48 Monate im Bundesgebiet
auf. Sie hätten zwar lediglich vom 01.10.2002 bis 31.08.2004 Leistungen nach dem
AsylbLG bezogen, der Kläger zu 1) habe aber anschließend bis 26.07.2006 eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt und dann
zwei Monate lang Arbeitslosengeld bezogen. Zusammen mit dem Leistungsbezug nach dem SGB II vom 01.10.2006 bis 31.08.2007 seien
diese Zeiten geeignet, die Integration der Familie zu belegen und ausreichend, höhere Leistungen nach §
2 Abs
1 AsylbLG zu beanspruchen.
Das Sozialgericht hat den gleichzeitig mit der Klageerhebung am 30.04.2008 gestellten PKH-Antrag am 22.01.2009 mit der Begründung
abgelehnt, nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut sei der Zeitraum des tatsächlichen Bezugs von Grundleistungen maßgebend und
lediglich vereinzelt werde angenommen, auch der Bezug von Leistungen nach dem SGB II sei auf die Frist nach §
2 Abs
1 AsylbLG anwendbar.
Die Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 27.01.2009 als unbegründet abgewiesen.
Gegen den ablehnenden PKH-Beschluss haben die Kläger, die abzüglich der Miete über finanzielle Mittel in Höhe von 1.128,00
EUR verfügen, am 12.02.2009 Beschwerde eingelegt und auf die uneinheitliche Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Antragstellung
auf PKH hingewiesen. Erst durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - sei eine Klärung eingetreten.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht Nürnberg die Gewährung von PKH unter Beiordnung der Rechtsanwältin M. mangels hinreichender
Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt.
Gemäß §
73a SGG iVm §
114 Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht
ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, auch des Beschwerdegerichts (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9.Aufl, §
73a Rdnr 7d mwN). Es sind daher grundsätzlich die Verhältnisse und die Kenntnisse im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die
Beschwerde maßgeblich.
Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass das im Hauptsacheverfahren ergangene Urteil vom 27.01.2009 rechtskräftig geworden
ist. In einem derartigen Fall besteht grundsätzlich keine Veranlassung, die Erfolgsaussichten des PKH-Gesuchs losgelöst vom
rechtskräftig abgeschlossenen Hauptsacheverfahren erneut zu prüfen. Etwas anderes hat aber dann zu gelten, wenn die Bewilligungsentscheidung
pflichtwidrig verzögert worden ist und sich die Erfolgsprognose in der Zeit zwischen Entscheidungsreife und Entscheidung verschlechtert
hat (Leitherer aaO.). Vorliegend hat sich die Rechtslage zwischen der Entscheidungsreife des Antrags und der Entscheidung
des Gerichts zum Nachteil der Kläger verändert.
Entscheidungsreif war der Antrag auf PKH vom 30.04.2008 spätestens am 23.05.2008, nachdem die Stellungnahme der Beklagten
samt Akten eingegangen war. Zu diesem Zeitpunkt lagen alle für die Entscheidung über die Bewilligung erforderlichen Unterlagen
einschließlich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor. Zu diesem Zeitpunkt war die Rechtsprechung
zur Auslegung der ab 28.08.2007 auf 48 Monate ausgedehnten Vorbezugszeit des §
2 Abs
1 AsylbLG nicht einheitlich. Nicht nur das vom Sozialgericht zitierte Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, sondern auch das Landessozialgericht
für das Land Nordrhein-Westfalen hat die Ansicht vertreten, dass zur Auffüllung der 36-Monats-Frist des §
2 Abs
1 AsylbLG beispielsweise der Bezug von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, Erwerbstätigkeit oder der Bezug höherer anderer Leistungen wie etwa Arbeitslosengeld ausreichend sei (Beschluss vom 26.04.2007
- L 20 B 4/07 AY ER -). Erst mit Urteil vom 17.06.2008 hat das Bundessozialgericht klargestellt, dass die Vorbezugszeit ausschließlich
mit Grundleistungen nach §
3 AsylbLG erfüllt werden kann. Damit hat das Bundessozialgericht über eine klärungsbedürftige Rechtsfrage entschieden, die zum Zeitpunkt
der Entscheidungsreife im Mai 2008 noch offen war. Wird in einem Rechtsstreit eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung
noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss PKH bewilligt werden (Leitherer aaO. § 73a Rdnr 7b mwN).
Gründe für eine Verzögerung der Entscheidung über den PKH-Antrag bis kurz vor der mündlichen Verhandlung im Januar 2009 sind
nicht ersichtlich. Es hätte daher die Erfolgsaussichten zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife im Mai 2008 zugrunde legen und
die Erfolgsaussicht ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes beurteilen müssen. Die Prüfung
der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der
PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht
reicht die "reale Chance zum Obsiegen" aus, nicht hingegen eine nur entfernte Erfolgschance. PKH darf daher nur dann verweigert
werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache fernliegend ist (BVerfG, Beschlüsse vom 26.06.2003 Az: 1 BvR 1152/02, und vom 07.04.2000 Az: 1 BvR 81/00). Davon kann angesichts einschlägiger erfolgversprechender Rechtsprechung von Landessozialgerichten nicht die Rede sein.
Die Kläger erfüllen die weitere Voraussetzung der Bedürftigkeit.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§
177 SGG).