Tatbestand:
Streitig ist ein Arzneikostenregress wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen (Proleukin) im Quartal 4/2001.
Die Kläger verordneten zulasten der AOK Bayern für den Patienten J. P., geboren 1921, Proleukin als Inhalations-Lösung. Nach
der Aufstellung betrugen die Kosten 44.120,20 EUR. Der Patient litt an einem Nierenzellkarzinom mit Metastasen in der Lunge.
Für das Quartal 4/2001 ging ein Prüfantrag vom 20.9.2002 namens der AOK Bayern beim zuständigen Prüfungsausschuss am 27.9.2002
ein bezüglich der inhalativen Anwendung von Proleukin. Zu diesem Prüfantrag gab der Kläger am 9.12.2002 eine Stellungnahme
ab, in der er insbesondere auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19.3.2002 zum off-label-use hinwies. Er legte
entsprechende Veröffentlichungen der Universitätsklinik Hamburg vor, um zu belegen, dass die inhalative Anwendung von Proleukin
Standardtherapie sei, ferner die entsprechende Leitlinie Nierenzellkarzinom der Deutschen Krebsgesellschaft und die Expertenempfehlung
Interleukin 2 vom Oktober 2001.
In der Sitzung am 23.6.2004 beschloss der Prüfungsausschuss einen Regress in Höhe von 44.120,20 EUR (Bescheid vom 7.10.2004).
Gegen diese Entscheidung legten die Kläger Widerspruch ein. Sie übersandten eine Entscheidung der Kommission der Europäischen
Gemeinschaften vom 30.6.2003 vor, mit dem Proleukin zur Inhalation als Arzneimittel für seltene Leiden (orphan drug) ausgewiesen
wurde. In der Sitzung des Beklagten am 6.4.2005 wurde der Widerspruch der Ärzte bezüglich der inhalativen Anwendung von Proleukin
zurückgewiesen und der Regress auf 42.623,38 EUR festgesetzt. An der Sitzung nahm als Vertreter der Krankenkassen der Mitarbeiter
der AOK Bayern A. teil. Diese Entscheidung wurde im Bescheid vom 17.8.2005 umgesetzt. Die rechtliche Zulassung von Proleukin
beschränke sich beim Nierenzellkarzinom auf die intravenöse Infusion und seit 24.9.2001 auf die subkutane Infusion. Nach §
29 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG) sei bei zugelassenen Arzneimitteln bei einer Änderung der Darreichungsform eine erneute Zulassung zu beantragen. Die inhalative
Anwendung sei mit der intravenösen oder subkutanen nicht vergleichbar und deshalb von der Arzneimittelzulassung nicht umfasst.
Bei den Verordnungen von Proleukin zur inhalativen Anwendung handle es sich um einen so genannten off-label-use. Die Voraussetzungen
der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts lägen nicht vor. Zwar sei das Nierenzellkarzinom zweifelsfrei eine schwerwiegende,
lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung. Jedoch stünden andere und zudem
zugelassene Therapieformen zur Verfügung. Außerdem sei die Datenlage nicht so, dass eine begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg
bestehe.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 15.9.2005 Klage zum Sozialgericht München (SG) ein. Zur Begründung führten sie im Schriftsatz vom 27.9.2006 aus, der AOK-Mitarbeiter A. hätte nicht am Verwaltungsverfahren
beteiligt sein dürfen. Die Kläger wiesen ferner auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum off-label-use und die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6.12.2005 zu lebensbedrohenden Erkrankungen hin. Im Übrigen seien Modifikationen
der Applikationsform zulassungsrechtlich irrelevant. Sie legten ein Urteil des Sozialgerichts Dresden sowie ein weiteres des
Sozialgerichts Magdeburg vor, die jeweils den inhalativen Gebrauch von Proleukin bestätigt hatten, ferner ein Manual des Tumorzentrums
München. Ebenfalls vorgelegt wurde eine gutachtliche Stellungnahme der Universität Hamburg, Professor Dr. H ... Der Beklagte
übersandte einen Abschlussbericht der off-label-use-Expertengruppe vom Juli 2005, nach dem eine inhalative Anwendung von Proleukin
derzeit nicht gerechtfertigt sei, sowie eine Kopie der Änderung der Richtlinien des Bundesausschusses vom 18.4.2006 zur Umsetzung
des Abschlussberichts.
In der mündlichen Verhandlung am 28.9.2006 führte die Vertreterin der Beigeladenen zu 2 aus, dass das Arzneimittel Proleukin
nicht in inhalativer Form vorliege und durch eine individuelle Apothekerrezeptur zubereitet werden müsse. Dies sei von der
Zulassung nicht erfasst. Die Ergebnisse der Expertengruppe hätten ergeben, dass die inhalative Anwendung von Proleukin derzeit
nicht zu empfehlen sei. Proleukin sei inhalativ zur Therapie des Nierenzellkarzinoms nicht verordnungsfähig.
Das SG gab der Klage mit Urteil vom 6.12.2006 statt. Im konkreten Fall hätten alternative Therapiemöglichkeiten wegen der bestehenden
Kontraindikation der Standardtherapie beim Patienten nicht bestanden. Außerdem sei in zahlreichen Veröffentlichungen deutscher
Universitätskliniken dargelegt, dass die inhalative Verabreichung von Proleukin wirksam sei. Da das metastasierende Nierenzellkarzinom
eine relativ seltene Erkrankung sei, sei von einer niedrigen Evidenzstufe auszugehen. Mit einer umfangreichen wissenschaftlichen
Befassung, insbesondere einer kontrollierten klinischen Prüfung, sei nicht zu rechnen. Im Übrigen habe das Bundesverfassungsgericht
festgestellt, es genüge, dass es ernsthafte Hinweise auf eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auch
nur auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im Einzelfall gebe. Die Aussagen des gemeinsamen Bundesausschusses
sowie der Expertengruppe könnten nicht berücksichtigt werden, da die Verordnung im Oktober 2001, also deutlich vor den Veröffentlichungen,
erfolgte.
Gegen dieses Urteil legten der Beklagte und die Beigeladene zu 2 Berufung ein. Die Beigeladene zu 2 legte dar, dass nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein off-label-use nur dann zugelassen werden könne, wenn zuverlässige, wissenschaftlich
nachprüfbare Aussagen vorlägen, also eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblind-Studie. Das SG sei unzutreffend davon ausgegangen, dass subjektive Einschätzungen des behandelnden Arztes beziehungsweise Hinweise, die
sich aus der wissenschaftlichen Diskussion ergäben, ausreichten. Der Beklagte schloss sich diesen Ausführungen an. Ferner
nahm er auf die rechtskräftige Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg vom 2.12.2009 Bezug, die einen Regress bei inhalativer
Anwendung von Proleukin bestätigt hat.
Die Kläger trugen demgegenüber vor, dass entsprechende Studien bei seltenen Erkrankungen nicht möglich seien und wiesen erneut
auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6.12.2005 sowie den Beschluss vom 30.6.2008 hin. Im Arzneimittelsektor
genüge eine niedrigere Evidenzstufe. Ferner übersandten sie eine Entscheidung des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.1.2010.
Der Beklagte sowie die Beigeladene zu 1 und 2 beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 6.12.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Beklagtenakten und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässigen Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 2 sind begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 17.8.2005
ist nicht zu beanstanden. Das Urteil des Sozialgerichts war damit aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Streitgegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 17.8.2005. Dieser Bescheid ist rechtlich
nicht zu beanstanden.
Die Befugnis der Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der Überprüfung der Verordnungsweise in der ambulanten vertragsärztlichen
Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) beschränkt sich nicht darauf, Arzneikostenregresse
wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise z.B. bei Überschreiten von Durchschnittswerten festzusetzen. Vielmehr sind sie auch
befugt, Regresse wegen unzulässiger Verordnung von Arzneimitteln zu verhängen. Die Ermächtigung für die Normierung einer entsprechenden
Rechtsgrundlage findet sich in §
106 Abs.
2 Satz 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V). Danach können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den
Kassenärztlichen Vereinigungen über die in §
106 Abs.
2 Satz 1
SGB V vorgesehenen Prüfungen (Auffälligkeitsprüfung, Zufälligkeitsprüfung) hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren.
Von dieser Kompetenz haben die Partner der Gesamtverträge in Bayern in der Prüfungsvereinbarung (PV) Gebrauch gemacht. In
§ 14 Abs. 1 und 2 PV in der ab 1.1.2001 unverändert bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten geltenden Fassung ist
festgelegt, dass auf Antrag der Beigeladenen zu 1), einer Krankenkasse, eines Landesverbandes oder der Verbände der Ersatzkassen
der Prüfungsausschuss unter anderem auch prüft, ob der Vertragsarzt im Einzelfall mit seiner Verordnungsweise gegen das Wirtschaftlichkeits-
oder Verordnungs-/Zulässigkeitsgebot verstoßen hat. Über Widersprüche gegen die Entscheidungen des Prüfungsausschusses entscheidet
der Beschwerdeausschuss (§
106 Abs.5
SGB V i.V.m. §
7 Abs.1 PV).
Im Rahmen dieser Prüfungskompetenz haben der Prüfungsausschuss bzw. im Zuge des Widerspruchsverfahrens der beklagte Beschwerdeausschuss
auf Antrag der zu 2) beigeladenen Krankenkasse geprüft, ob die inhalative Verordnung von Proleukin im Fall des Patienten P.
zu Lasten der Beigeladenen zu 2) zulässig war.
Dabei ist der Beklagte zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die inhalative Verordnung von Proleukin zu Lasten der GKV nicht
zulässig war, weil das Medikament in dieser Darreichungsform arzneimittelrechtlich (bis heute) nicht zugelassen ist. In der
GKV gilt der Grundsatz, dass nicht zugelassene Arzneimittel zu Lasten der Versicherung nicht verordnet werden dürfen (BSG,
SozR 3-2500 § 31 Nr.5 S.18; SozR 4-2500 § 31 Nr.3 Rdnr.23).
Nach § 29 Abs. 3 Nr. 2 AMG in der im vierten Quartal 2001 geltenden Fassung (vom 19. Oktober 1994 bzw. 3. März 1998) bedarf die Änderung der Darreichungsform,
soweit es sich nicht um eine vergleichbare Darreichungsform i.S.v. § 29 Abs. 2a Nr. 3 AMG handelt, einer neuen Zulassung. Letzteres wäre nur dann nicht der Fall, wenn die inhalative Verabreichung von Proleukin eine
der intravenösen Darreichungsform vergleichbare Darreichungsform wäre. Dies ist aber nach der Stellungnahme des für die Zulassung
zuständigen Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 30. Oktober 2002 im Parallelverfahren L 12 KA 319/04 nicht der Fall. Nach dieser Stellungnahme wurde auch bis spätestens 30. Oktober 2002 ein entsprechender Zulassungsantrag
nicht gestellt.
Die Verordnung von Proleukin in der hier streitgegenständlichen Form durch die Kläger wäre demnach allenfalls unter dem Gesichtspunkt
des sog. "off-label-use" zu Lasten der GKV, hier der Beigeladenen zu 2) möglich. Nach dem grundlegenden Urteil des BSG vom
19. März 2002 (Az.: B 1 KR 37/00 R) muss es sich, damit die Behandlung mit einem nicht zugelassenen Medikament oder außerhalb der Zulassung oder in einer anderen
als der zugelassenen Darreichungsform zu Lasten der GKV möglich ist, um
- eine schwerwiegende, lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung handeln,
- eine alternative Therapie (im Rahmen der Zulassung) darf nicht verfügbar sein und
- auf Grund der Datenlage muss die begründete Aussicht bestehen, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg
kurativ oder palliativ erzielt werden kann.
Zum letzten der oben genannten Kriterien hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98), bei dem es allerdings um neue, nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden (Bioresonanztherapie) ging, eine auf Indizien
gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf
vorausgesetzt und den Anwendungsbereich dieser Prinzipien mit Beschluss vom 30.6.2008 (1 BvR 1665/07) auf den zulassungsüberschreitenden off-label-use von Arzneimitteln ausgedehnt. Das BSG trug dem im Urteil vom 13.10.2010
(B 6 KA 48/09 R) für den Bereich des Arzneimittel-Regresses Rechnung, sofern durch den Einsatz des Medikaments eine Aussicht auf Heilung
oder positive Einwirkung auf die Grunderkrankung bestehe (aaO. Rdn. 32).
Bei der Prüfung dieser Kriterien ist auf die Rechtslage zur Zeit der Behandlung abzustellen (vgl. BSG vom 4. April 2006, B
1 KR 12/05, Rdnr.13).
Die vorgenannten Kriterien für die Kostentragung durch die GKV beim off-label-use von Medikamenten sind bei der Behandlung
des Patienten P. nicht erfüllt.
Zwar handelte es sich bei dem Nierenzellkarzinom mit Lungenmetastasen, an dem der Versicherte P. erkrankt war, um eine schwerwiegende,
lebensbedrohende Erkrankung.
Es fehlt aber an der als Zweites genannten Voraussetzung, dass eine alternative Therapie im Rahmen des Leistungsumfangs der
GKV, also mit zugelassenen Medikamenten in der zugelassenen Verabreichungsform, nicht zur Verfügung gestanden hätte. Tatsächlich
war gerade der Wirkstoff von Proleukin, Interleukin-2, zur Behandlung von metastasierenden Nierenzellkarzinomen ausdrücklich
arzneimittelrechtlich zugelassen und stand damit in der GKV zur Verfügung, allerdings im Wege der intravenösen und ab September
2001, also zum Behandlungszeitpunkt, auch der subkutanen Injektion. Wäre das Medikament nur in dieser Weise verabreicht worden,
könnte es an der Zahlungspflicht der Beigeladenen zu 2) keinen Zweifel geben. Eine arzneimittelrechtliche Zulassung für die
Form der inhalativen Verabreichung, wie sie hier streitig ist, bestand weder damals noch heute und wurde auch vom Hersteller
des Medikaments nicht beantragt.
Von Klägerseite wird dagegen eingewandt, die zulässige intravenöse Verabreichung wäre mit schwerwiegenden Nebenwirkungen behaftet
gewesen, die man habe vermeiden wollen. Dieses Argument überzeugt indessen nicht. Zum Verordnungszeitpunkt stand bereits die
subkutane Therapie mit geringeren Nebenwirkungen aufgrund der neuen Zulassung für diese Darreichungsform zur Verfügung. Außerdem
war zum damaligen Zeitpunkt auch Interferon-Alpha-2a (Roferon) für die Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellenkarzinoms
zugelassen (vgl. Leitlinie AWMF Nierenzellkarzinom, Aktualisierung Oktober 2001; Abschlussbericht der Off-Label-Expertengruppe
"Feststellungen zu inhalativem Interleukin-2 bei metastasiertem Nierenzellkarzinom"; Stand Juli 2005 S. 4). Damit standen
im streitgegenständlichen Zeitraum alternative Therapien (zum Teil mit demselben Wirkstoff!) zur Verfügung, so dass für die
nicht zulassungsgemäße inhalative Anwendung von Proleukin keine Notwendigkeit bestand.
Die Kläger haben auch nicht hinreichend dokumentiert, dass diese Standardtherapien beim Patienten P. im Einzelfall zwingend
durch eine nicht zugelassene, inhalative Applikation von Proleukin ersetzt werden mussten. In der Stellungnahme gegenüber
dem Prüfungsausschuss 9.12.2002 legen sie dar, dass eine intravenöse Anwendung wegen Herzinsuffizienz, Rhythmusstörung und
Schilddrüsenüberfunktion kontraindiziert gewesen und eine lokale Anwendung ("sc und inhalativ") zwingend sei. Nicht begründet
wird, warum neben der im Vergleich zur intravenösen nebenwirkungsärmeren subkutanen Applikation auch die nicht zugelassene
inhalative erforderlich war. Auch in der Stellungnahme im Berufungsverfahren vom 13.5.2011 erfolgt insoweit keinerlei Darlegung;
es wird lediglich die Begründung gegenüber dem Prüfungsausschuss wiederholt. Die Widerspruchsbegründung vom 10.11.2004, die
Klagebegründung vom 27.9.2006 (Bezugnahme auf Ausführungen im Verwaltungsverfahren) und der Berufungsschriftsatz vom 28.4.2011
nehmen auf die Möglichkeit alternativer Therapien nicht Bezug.
Bereits deshalb scheidet ein off-label-use zu Lasten der GKV aus. Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht aus dem Beschluss
des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (Az.: 1 BvR 347/98), denn nach dieser Entscheidung kann die Behandlung mit einer neuen (noch nicht vom Bundesausschuss anerkannten) Behandlungsmethode
nur dann nicht verweigert werden, wenn für die zu behandelnde Krankheit eine allgemein anerkannte dem medizinischen Standard
entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht. Das war im vorliegenden Fall, wie oben dargelegt wurde, nicht so.
Aber auch das dritte Kriterium, das für die Kostentragungspflicht der GKV beim off-label-use kumulativ erfüllt sein muss,
sieht der Senat vorliegend als nicht gegeben an. Danach müsste die Datenlage zur Zeit der Verordnung begründete Hinweise gegeben
haben, dass mit dem betreffenden Präparat in der speziellen Darreichungsform eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung
oder eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Derartige Erkenntnisse lagen zur Zeit der Verordnung
nicht vor (ausführlich zur Studienlage LSG Hamburg, Urteil vom 2.12.2009, L 2 KA 58/06). Vielmehr ist zwischenzeitlich die hochgradig fachkundig besetzte Off-Label-Expertengruppe in ihrem Abschlussbericht vom
Juli 2005 nach Auswertung aller vorliegenden Quellen, insbesondere auch unter Einbeziehung der Arbeiten von H. und Mitarbeitern
von der Universität H. zu dem Ergebnis gekommen, dass ein "off-label-Einsatz" von Interleukin-2 in inhalativer Darreichung
gerade nicht gerechtfertigt ist (vgl. S.31 des Abschlussberichtes).
Die inhalative Verordnung von Proleukin im Behandlungsfall P. im Quartal 4/2001 fiel nicht in die Leistungspflicht der GKV,
sprich der Beigeladenen zu 2), so dass die Prüfinstanzen die dadurch entstandenen und von der Beigeladenen zu 2) getragenen
Kosten zu Recht in Regress genommen haben.
Gründe für die Zulassung der Revision sieht der Senat nicht.