Statthaftigkeit einer Anhörungsrüge im sozialgerichtlichen Verfahren; Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Gründe:
I. Mit ihrer Anhörungsrüge wendet sich die Antragstellerin gegen den Beschluss des Senats vom 29.09.2008. Mit diesem wurde
die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 02.07.2008 zurückgewiesen. Darin hatte das Sozialgericht
die Anträge auf Ablehnung der vom Gericht zu Sachverständigen bestellten Dr. B. und Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit
zurückgewiesen. Es war davon ausgegangen, dass beide Befangenheitsanträge verspätet gewesen seien. Auf die dagegen eingelegte
Beschwerde entschied der Senat, dass unabhängig von der Frage, ob die Fristen für den Befangenheitsantrag jeweils eingehalten
worden seien, die Anträge jedenfalls unbegründet seien. Die von der Antragstellerin vorgebrachten Mängel der schriftlich abgefassten
Gutachten bezögen sich auf Unzulänglichkeiten, Fehlerhaftigkeit und mangelnde Sachkunde. Solche Gründe seien nicht Ausdruck
der Voreingenommenheit des Sachverständigen gegenüber einer Partei sondern beträfen beide Parteien in gleicher Weise. Um solchen
Unzulänglichkeiten zu begegnen, gebe es andere Rechte des Prozessrechts als einen Befangenheitsantrag.
Der Beschwerdebeschluss wurde der Antragstellerin am 09.10.2008 zugestellt. Mit Schreiben vom 20.10.2008, beim Sozialgericht
München am 21.10.2008 eingegangen, erklärte sie, sie könne den Beschwerdebeschluss, eine rechtswidrige Entscheidung nicht
akzeptieren und sehe sich veranlasst, den Rechtsmittelweg weiter zu verfolgen. Die Begründung des Beschlusses sei unzulänglich
und haltlos. Ein bzw. mehrere Richter, allesamt medizinische Laien, denen jegliche medizinische Kompetenz fehle, könne bzw.
könnten nicht ohne weiteres darüber eine Entscheidung treffen, ob ein Gutachten medizinisch einwandfrei erstellt sei oder
nicht. Die Befangenheit der Gutachter ergebe sich aus den Inhalten der Gutachten, die nicht nur inhaltlich, nämlich durch
widersprüchliche Aussagen und Falschdiagnosen, sondern auch anderweitig wegen sachlicher Mängel, Datenfehlangaben, voreingenommener
subjektiver Interpretation unzulänglich seien. Dies offenbare sich insbesondere in der die Diskrepanz zwischen der befangenen
Stellungnahme der Gutachter und ihrem tatsächlichen, psychischen und physischen Krankheitszustand.
II. Das gegen den Beschluss des Senats vom 29.09.2008 gerichtete Schreiben der Antragstellerin vom 20.10.2008 wertet der Senat
als Anhörungsrüge gegen diese Entscheidung. Nach §
178a Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ist das Verfahren auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzuführen, wenn ein
Rechtsmittel oder anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten
auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Die Beschwerdeentscheidung des Senats vom 29.09.2008 ist gemäß §
177 SGG nicht anfechtbar. Die Anhörungsrüge ist demnach statthaft. Sie ist auch fristgerecht gemäß §
178a Abs.
2 Satz 2
SGG erhoben worden.
Sie jedoch nicht begründet. Grundvoraussetzung ist, dass das Gericht den Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör in
entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundessozialgerichts
soll der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
2 Grundgesetz, §§
62,
128 Abs. 2
SGG verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen
beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten, und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen
wird. Dabei muss das Gericht nicht ausdrücklich jedes Vorbringen des Beteiligten bescheiden. Ein Verstoß gegen die Pflicht
zur Berücksichtigung von Vorbringen ist nur dann anzunehmen, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt
(BSG SozR 4-1500 § 178a Nr. 6 Rn. 4).
Mit ihrer Anhörungsrüge greift die Antragstellerin im Wesentlichen die inhaltliche Richtigkeit der Beschwerdeentscheidung
des Senats an. Hingegen trägt sie nicht einmal vor, der Senat habe sich mit ihren Einwendungen gegen den der Beschwerde zugrunde
liegenden Beschluss des Sozialgerichts vom 02.07.2008 nicht befasst und die Entscheidung habe sie überrascht. Vielmehr akzeptiert
sie die Begründung des Senats nicht. Dieser hatte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass inhaltliche Fehler, Unzulänglichkeit
oder behauptete Inkompetenz eines Gutachters nicht Ausdruck der Voreingenommenheit gegenüber einem Prozessbeteiligten sind,
sondern dass solche Fehler beide Beteiligte treffen. Der Senat hat insoweit hervorgehoben, dass inhaltlichen Unrichtigkeiten
mit anderen prozessualen Mitteln zu begegnen ist, als mit einem Befangenheitsantrag. Er hat in diesem Zusammenhang auch darauf
hingewiesen, dass die Frage der Beweiswürdigung durch das SG noch zu erfolgen hat und damit auch die Frage zu klären ist, inwieweit die eingeholten Gutachten Grundlage der gerichtlichen
Entscheidung werden können. Das weitere Argument der Antragstellerin, die Diskrepanz zwischen den schriftlichen Gutachten
und ihrem tatsächlichen psychischen und physischen Krankheitszustand beweise die Fehlerhaftigkeit der Gutachten, ist ein Vorwurf,
mit dem sich der Senat in der Beschwerdeentscheidung über das Gesuch eingehend befasst hat, jedoch insoweit ebenso keinen
Befangenheitsgrund feststellen konnte.
Insgesamt kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die von der Antragstellerin vorgebrachten Rügen nicht als Verletzung des rechtlichen
Gehörs verstanden werden können. Dass die Antragstellerin die Einschätzung des Senats nicht teilt, kann nicht zur erneuten
Überprüfung der angefochtenen Entscheidung führen.
Die Anhörungsrüge war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§
183,
193 SGG.