Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin höheres Pflegegeld als nach Pflegestufe I zusteht.
Die 1927 geborene Klägerin erhält seit April 2002 Geldleistungen wegen Pflegebedürftigkeit nach Stufe I.
Am 22.06.2006 beantragte sie Höherstufung des Pflegegeldes. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch ihren Medizinischen
Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK). Dieser führte im Gutachten vom 05.09.2006 nach Hausbesuch am 28.08.2006 aus,
wie bisher sei die Pflegestufe I zutreffend. Bei der Klägerin bestehe eine Geh- und Bewegungseinschränkung bei Zustand nach
multiplen Frakturen der Arme, ein Zustand nach Hüfttotalendoprothese beidseits, eine Gonarthrose beidseits, eine globale Herzinsuffizienz
und eine Harndranginkontinenz. Insgesamt betrage der Zeitbedarf für Pflegeverrichtungen der Grundpflege 104 Minuten pro Tag
(Körperpflege 57 Minuten; Ernährung 10 Minuten; Mobilität 37 Minuten).
Mit Bescheid vom 18.09.2006 lehnte die Beklagte höhere Leistungen als nach Pflegestufe I ab. Im dagegen erhobenen Widerspruch
bezog sich die Klägerin auf ein von ihr geführtes Pflegetagebuch. Danach betrage der Pflegeaufwand pro Tag 155 Minuten (Körperpflege
75 Minuten; Ernährung 20 Minuten; Mobilität 60 Minuten). Im Attest des behandelnden Arztes Dr. S. vom 14.11.2006 werden die
Diagnosen bestätigt und als Pflege erschwerend ein starkes Übergewicht sowie Schmerzen angegeben. Die vom Ehemann der Klägerin
angegebenen Zeiten seien zutreffend.
Hierzu nahm der MDK am 20.11.2006 Stellung, kam jedoch zu keiner anderen Beurteilung als zuvor. Die im Pflegetagebuch angegebenen
Pflegezeiten seien deutlich überhöht und nicht nachvollziehbar, z.B. der Zeitaufwand für mundgerechte Zubereitung der Nahrung
und Aufstehen sowie Zu-Bett-Gehen. Hilfe für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung könne nicht berücksichtigt werden,
da keine regelmäßigen Arzt- bzw. Therapiebesuche stattfänden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen erhob die Klägerin beim Sozialgericht München Klage. Das Sozialgericht zog einen Arztbrief der Augenklinik des Klinikums
A. vom 19.09.2006 und einen Befundbericht des Dr. S. vom 08.08.2007 bei und beauftragte Dr. B. mit der Erstattung eines Gutachtens
nach Hausbesuch. Am 24.09.2007 führte die Sachverständige aus, bei der Klägerin bestünden schwerste Bewegungsstörungen in
den Gelenken der oberen Extremitäten. Die Klägerin könne die Arme beidseits nicht über die Horizontale heben. Die Greiffunktion
der Hände sei sehr stark eingeschränkt. Schwere Bewegungsstörungen bestünden auch in den Gelenken der unteren Extremitäten.
Aufstehen aus dem Liegen gelinge nur mühsam und sehr zeitaufwendig. Für Aufstehen aus dem Sitzen seien Hilfsmittel vorhanden.
Gehen sei nur mit Hilfsmitteln, sehr unsicher und sturzgefährdet möglich. Es bestehe eine Harninkontinenz. Für Verlassen und
wieder Aufsuchen der Wohnung sei kein Hilfebedarf festzusetzen. Der Physiotherapeut komme wöchentlich zum Hausbesuch. Der
Arzt werde allenfalls 14-tägig aufgesucht.
Die Klägerin wandte ein, ihr Hilfebedarf sei weitaus höher. Sie sehe sehr schlecht und sei fast blind, müsse wegen der Arthrosen
mehr als nur einmal pro Woche an die frische Luft und sei nach dem Tod ihres Ehemannes vor drei Jahren deutlich mehr auf fremde
Hilfe angewiesen. Vorgelegt wurde ein Bericht des Klinikums L. vom 12.07.2007. Darin wird über Pseudoarthrose an der linken
Schulter berichtet, deretwegen jedoch eine Operation nicht indiziert sei. Ein Computertomogramm der radiologischen Praxis
L. vom 07.01.2008 belegt eine Spinalstenose in Höhe L4/5, ansonsten keine Stenose und keinen Diskusprolaps.
Mit Urteil vom 17.01.2008 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es stützte sich auf das Gutachten der Dr. B., wonach der Hilfebedarf
pro Tag 93 Minuten für Grundpflege betrage, nämlich 61 Minuten für Körperpflege, 6 Minuten für Ernährung und 26 Minuten für
Mobilitätsunterstützung.
Dagegen legte die Klägerin Berufung ein. Zur Begründung führte sie aus, Art und Weise, wie der Pflegebedarf ermittelt worden
sei, seien befremdlich. Ihr Sohn P. und sie selbst seien nur wenig von der Sachverständigen befragt worden. Stattdessen habe
die Sachverständige Zahlenwerte in einen Computer eingegeben. Vorgelegte Atteste habe sie kaum beachtet. Inzwischen habe sich
ihr Zustand seit der Begutachtung durch Dr. B. verschlechtert. Zum Beweis dafür lege sie Atteste von Dr. W. vom 19.04.1999,
Dr. S. vom 07.08.2003 und 20.04.2005, der radiologischen Praxis L. vom 07.01.2008, des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder
vom 25.09.2000 und des Nervenarztes Dr. B. vom 19.05.1998 vor.
Der Senat wies die Klägerin am 17.07.2008 darauf hin, dass an neuen Unterlagen nur Röntgenaufnahmen aus 2008 vorgelegt worden
seien, ansonsten seien die Befunde aus Attesten zwischen 1998 und 2005 der Sachverständigen bekannt gewesen und von ihr verwendet
worden. Eine wesentliche Verschlechterung sei nicht erkennbar. Der Senat beabsichtige nicht, ein weiteres Gutachten einzuholen.
Hierzu äußerte sich die Klägerin nicht mehr.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 17.01.2008 und des Bescheids vom 18.09.2006 in der
Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2007 zu verurteilen, ihr ab 01.06.2006 Pflegegeld nach Stufe II statt Stufe I
zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.01.2008 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß §
136 Abs.2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) auf die Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§
143,
151 SGG), aber unbegründet.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf höheres Pflegegeld als nach Stufe I ab 01.06.2006 zu. Da der Senat die Berufung aus den
Gründen des angefochtenen Urteils zurückweist, nimmt er auf die Entscheidungsgründe gemäß §
153 Abs.2
SGG Bezug und sieht insbesondere von der Wiedergabe der gesetzlichen Grundlagen ab. Diese sind ausführlich im angefochtenen Urteil
des Sozialgerichts dargestellt.
Ergänzend weist er lediglich darauf hin, dass die von der Klägerin vorgelegten Atteste des Dr. W. vom 19.04.1999 und 25.01.1999,
Dr. S. vom 07.08.2003 und 20.04.2005, vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder vom 25.09.2000 sowie des Neurologen Dr. B. vom
19.05.1998 bereits bekannt waren und der Sachverständigen Dr. B. zur Verfügung gestanden hatten. Insoweit ist nicht nachvollziehbar,
dass sich aus diesen Unterlagen eine Verschlechterung des Gesundheitszustands seit der Begutachtung durch Dr. B. am 24.09.2007
ableiten lassen solle.
Lediglich der Bericht der radiologischen Praxis L. vom 07.01.2008 enthält Befunde nach der Begutachtung durch Dr. B ... Allerdings
lässt sich hieraus kein Hinweis auf eine Verschlechterung der Befunde, die zu einem zusätzlichen Hilfebedarf führen könnten,
ableiten. Es wird über ein CT der Lendenwirbelsäule berichtet, das eine Spinalstenose in Höhe der Wirbelkörper L4/5 aufzeigte,
aber ansonsten keine weitere Stenose und keinen Diskusprolaps. Über kyphotische Deformierungen an der Wirbelsäule mit Klopfschmerzempfindlichkeit
im Lendenwirbelsäulenbereich und einen reduzierten Finger-Boden-Abstand im Sitzen von 20 cm berichtete bereits Dr. B ... Im
Übrigen wies die Sachverständige darauf hin, dass ihre Beobachtungen über die Pflegebedürftigkeit der Klägerin letztendlich
nicht von dem von ihr geführten Pflegetagebuch abweiche. Lediglich den angegebenen Zeitaufwand für mundgerechte Zubereitung
hielt sie für zu hoch, da nur das Kleinschneiden bereits gekochter Nahrungsmittel zu berücksichtigen ist und nicht die Zubereitung
selbst. Dem schließt sich der Senat an; dies entspricht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG Urteil vom 17.06.1999
- B 3 P 10/98 R m.w.N.).
Ein Hilfebedarf beim Verlassen und wieder Aufsuchen der Wohnung ist nicht berücksichtigungsfähig, da ein solcher nicht regelmäßig
einmal wöchentlich anfällt. Der Physiotherapeut sucht die Klägerin zu Hause auf. Auch für Aufstehen und Zu-Bett-Gehen ist
der notwendige Hilfebedarf geringer, so dass sich insgesamt allenfalls ein Hilfebedarf für Grundpflege von 100 Minuten errechnet.
Dies stimmt überein mit dem Hilfebedarf, den Dr. B. in etwa für notwendig gehalten hat. Ein Zeitbedarf von 120 Minuten, wie
er für Leistungen nach der Pflegestufe II maßgebend ist, ist nicht zu begründen. §
15 des Elften Sozialgesetzbuchs (
SGB XI) verlangt in Abs.3 Ziffer 2, dass der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegefachkraft
ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt,
täglich im Wochendurchschnitt 3 Stunden betragen muss. Dabei müssen auf die Grundpflege mindestens 2 Stunden entfallen. Ein
derartiger Pflegeaufwand lässt sich aufgrund des Gutachtens der Dr. B. und der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen nicht
begründen.
Der Klägerin stehen somit keine höheren Leistungen als die bisher gewährten zu. Ihre Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts
München vom 17.01.2008 war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen (§
160 Abs.2 Nrn.1 und 2
SGG).