Ablehnung eines Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren wegen Befangenheit
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem ärztlichen Sachverständigen Dr.
A. begründet ist.
Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth (SG) zum Az.: S 12 SB 311/07 wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) mit 40; er hält einen höheren
GdB für zutreffend.
Mit Beweisanordnung vom 27.05.2008 beauftragte das SG den Orthopäden Dr. A. mit der Erstattung eines Gutachtens zur Frage, welche Behinderungen beim Beschwerdeführer vorliegen
und welcher GdB dadurch verursacht werde. Die Beauftragung des Sachverständigen gab das SG dem Beschwerdeführer am 27.05.2008 bekannt.
Am 08.07.2008 ging beim SG das in Auftrag gegebene Gutachten des Dr. A. ein. Dieser kam zum Ergebnis, lediglich ein GdB von 40 sei angemessen. Das SG übersandte das Gutachten dem Beschwerdeführer am 09.07.2008 zur Stellungnahme binnen drei Wochen; es fragte zugleich an,
ob die Klage zurückgenommen werde. Im Schreiben vom 13.07.2008 rügte der Beschwerdeführer eine Reihe von Mängeln des Gutachtens
und äußerte zugleich den Verdacht mangelnder Neutralität des Sachverständigen. In einem weiteren Schreiben forderte er, es
hätte ein Schmerzspezialist beauftragt werden müssen. Dr. A. sei nicht der richtige Sachverständige. Im Schreiben vom 13.08.2008
lehnte der Beschwerdeführer den Sachverständigen Dr. A. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dieser sei nicht ausreichend
kompetent und qualifiziert, ein Gutachten zu den bei ihm bestehenden Behinderungen zu erstellen. In einer hierzu vom SG erbetenen Stellungnahme erklärte Dr. A. am 17.12.2008, er sei als medizinischer Sachverständiger zertifiziert; das Gutachten
falle in seinen Fachbereich.
Mit Beschluss vom 27.01.2008 wies das SG das Gesuch auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. A. als unbegründet zurück. Die vom Beschwerdeführer gerügte mangelnde Kompetenz
stelle keinen Ablehnungsgrund dar.
Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer mit Postzustellungsurkunde vom 30.01.2009 zugestellt. Hiergegen legte er am 23.02.2009
Beschwerde ein. Er habe zu Recht beantragt, ein Spezialist für krampfhafte Schmerzzustände müsse beauftragt werden. Das Gericht
dürfe sich nicht ohne eigene Begründung dem Gutachten anschließen; dies sei verfahrensfehlerhaft.
Der Beschwerdeführer beantragt,
auf die Beschwerde den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 27.01.2009 aufzuheben und seinem Gesuch auf Ablehnung des
Sachverständigen Dr. A. wegen Besorgnis der Befangenheit stattzugeben.
Der Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen, da keine Befangenheitsgründe vorliegen.
Das SG legte die Beschwerde dem Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vor.
Nach §
118 Abs.1
SGG sind im sozialgerichtlichen Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen die Vorschriften der
Zivilprozessordnung (
ZPO) anzuwenden. Nach §§
406 Abs.2 Satz 1, 411 Abs.1
ZPO ist der Ablehnungsantrag bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, zwei Wochen nach Verkündung
oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung zu stellen und zu einem späteren Zeitpunkt nach §
406 Abs.2 Satz 2
ZPO nur dann, wenn der Antragsteller Gründe nennen kann, dass er die Befangenheit ohne sein Verschulden erst zu einem späteren
Zeitpunkt geltend machen konnte. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn der Ablehnungsgrund erst aus dem schriftlich abgefassten
Gutachten ersichtlich wird. in diesem Fall läuft die Frist für den Ablehnungsantrag mit dem Ablauf der Frist, die das Gericht
den Beteiligten zur Stellungnahme zum Gutachten eingeräumt hat, ab. Zweck der Regelung ist die Beschleunigung des Verfahrens.
Der Senat geht davon aus, dass das Befangenheitsgesuch nach diesen Grundsätzen gemäß §
406 Abs.2 Satz 2
ZPO rechtzeitig gestellt ist, weil der Beschwerdeführer bereits im Schreiben vom 13.07.2008 den Verdacht mangelnder Neutralität
geäußert hat und dieses Schreiben innerhalb der ihm vom SG eingeräumten Äußerungsfrist bis 30.07.2008 eingegangen war. Zwar enthält erst das Schreiben vom 13.08.2008 den ausdrücklichen
Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit, jedoch genügt es nach Auffassung des Senats, wenn
der Beschwerdeführer zuvor bereits die mangelnde Neutralität des Gutachters gerügt hat.
Das Gesuch ist jedoch unbegründet. Der Kläger rügt einzig die mangelnde Kompetenz des Gutachters. Er meint, um seine krampfartigen
Schmerzzustände beurteilen zu können, bedürfe es eines mit diesem Krankheitsbild vertrauten Sachverständigen. Zwar sei ihm
ein solcher selbst nicht bekannt, jedoch sei ein Orthopäde wie Dr. A. auf jeden Fall nicht kompetent; diesem fehle der entsprechende
Sachverstand.
Mangelnde Sachkunde allein ist kein Grund, der die Ablehnung eines Sachverständigen wegen Befangenheit rechtfertigt. Solche
behaupteten Mängel treffen nämlich beide Parteien und können lediglich dazu führen, die Rechte des Prozessrechts aus §§
411 und
412 ZPO in Anspruch zu nehmen. Allenfalls kann ein mangels Kompetenz des Sachverständigen unzureichendes Gutachten als ungeeignet
angesehen werden, den Sachverhalt im erforderlichen Maß aufzuklären. Das SG hat hierüber im Rahmen der erforderlichen Beweiswürdigung bei der Urteilsfindung noch zu entscheiden. Ein Grund, einen Sachverständigen
wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist die behauptete mangelnde Kompetenz des Sachverständigen jedenfalls nicht.
Der Senat kommt damit zum Ergebnis, dass die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 27.01.2009 zurückzuweisen war.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).