Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Unfallfolge in der gesetzlichen Unfallversicherung; Abgrenzung des
Traumas von einer psychischen Anlage
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des Arbeitsunfalls vom 13.09.1990 aufgrund
einer Leidensverschlimmerung.
Der 1956 geborene Kläger, zum Unfallzeitpunkt Installateur bei der B. AG, B-Stadt, erlitt am 13.09.1990 einen Arbeitsunfall,
als er ein Aluminiumfass im Feien reinigte, dieses detonierte und er dabei ca. 8 bis 10 m durch die Luft geschleudert wurde.
Dr.S., Durchgangsarzt, diagnostizierte eine schwere Schädelkontusion mit Verdacht auf Commotio cerebri, eine Kontusion des
linken Ellenbogengelenks sowie des rechten Kniegelenks mit Schürfwunden und einen partiellen Hörverlust beidseits. Es habe
kurzzeitige Bewusstlosigkeit bestanden.
Zur Aufklärung des Sachverhalts holte die Beklagte Gutachten des Prof.Dr.G., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom
09.09.1994 und des Dr.S., Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, vom 22.09.1994 ein.
Prof.Dr.G. führte aus, die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen mit wechselnd ausgeprägten Kopfschmerzen, Störungen
der Merkfähigkeit und der Konzentration, gelegentliche Schwindelerscheinungen, eine erhöhte Reizbarkeit und ein Kloßgefühl
seien Folgen einer depressiven Anpassungsstörung, die als unfallunabhängig zu werten sei.
Dr.S. legte dar, die durch den Unfall verursachten gelegentlichen Ohrgeräusche beidseits sowie die Lärmempfindlichkeit bedingten
eine MdE von weniger als 10 v.H.
Darauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.10.1994 die Gewährung einer Rente ab.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.1994 als unbegründet zurück.
Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG).
Das SG holte Gutachten der Prof.Dr.Sch., Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, vom 20.10.1996, des Dr.W., Facharzt für Neurologie
und Psychiatrie, vom 26.01.1998/16.04.1998 sowie auf Antrag des Klägers ein Gutachten des Dr.V., Facharzt für Psychiatrie,
vom 06.05.1997 ein. Die Beklagte legte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Prof.Dr.G. vom 23.02.1998 vor.
Prof.Dr.Sch. führte aus, der Tinnitus sei nicht Folge der Explosion, sondern allenfalls Folge des Schädeltraumas, so dass
die Einholung eines neurologischen Gutachtens erforderlich sei.
Dr.W. führte aus, Folge des Unfalls sei eine posttraumatische Belastungsstörung. Tinnitus und Depression seien Teil der posttraumatischen
Belastungsstörung. Die MdE sei innerhalb der ersten zwei Jahre nach dem Unfallereignis mit 40 v.H. einzuschätzen. Ab diesem
Zeitpunkt sei von einer MdE von 30 v.H. auszugehen.
Dr.V. legte dar, der Unfall habe zu einer chronischen Depression geführt. Schmerzen und Befindungsstörungen, eine dauernd
geschmälerte Lebensfreude und depressionsbedingte Einschränkungen der Lern- und Merkfähigkeit seien Unfallfolgen und bedingten
eine MdE von 40 v.H.
Prof.Dr.G. hielt dem entgegen, dass die anhaltenden psychischen Störungen der Persönlichkeitsstruktur des Klägers zuzurechnen
seien.
Mit Urteil vom 23.06.1998 änderte das SG den Bescheid vom 13.10.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.1994 dahin ab, dass als weitere Folge des
Unfalls vom 13.09.1990 eine "posttraumatische Belastungsstörung" mit auf den Unfall bezogenen Angstträumen, Schlafstörungen,
subjektiven Schwindelbeschwerden mit Ohrgeräuschen, Druckgefühl in beiden Ohren und Lärmempfindlichkeit anerkannt und dem
Kläger Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. ab März 1994 gewährt wurde.
Dagegen legte der Kläger Berufung ein. Nach Anhörung des Dr.W. und des Prof.Dr.G. in der mündlichen Verhandlung schlossen
die Beteiligten einen Vergleich, wonach beim Kläger eine unfallbedingte MdE für die Dauer vom 22.10.1990 bis 21.10.1992 in
Höhe von 30 v.H., für die Dauer vom 22.10.1992 bis 21.10.1996 in Höhe von 20 v.H. bestehe und ab diesem Zeitpunkt auf weniger
als 20 v.H. abgesunken sei.
Mit Ausführungsbescheid vom 21.12.1999 erkannte die Beklagte als Folge des Arbeitsunfalls vom 13.09.1999 eine "vorübergehende
posttraumatische Belastungsstörung nach Explosion" an. Dem dagegen eingelegten Widerspruch half sie mit Bescheid vom 29.12.1990
insoweit ab, als die Unfallfolge nunmehr als "posttraumatische Belastungsstörung nach Explosion" bezeichnet worden ist.
Mit Neufeststellungsantrag vom 21.01.2002 machte der Kläger eine Verschlimmerung der Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung
geltend. Er legte dazu eine Bescheinigung des Dr.Dr.Z., Facharzt für Psychiatrie, vom 20.12.2001 vor.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte einen Bericht des Dr.M., Facharzt für ... bei und holte ein Gutachten des
Dr.B., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 12.02.2003 mit ergänzender Stellungnahme vom 04.06.2003 ein. Dieser führte
aus, der Unfall sei nicht wesentlich ursächlich für die beim Kläger vorliegende psychosomatische Störung. Die vom Kläger vorgebrachte
Verschlimmerung sei im Wesentlichen in unfallunabhängigen Stressoren begründet, wie z.B. dem Tinnitus, Schwierigkeiten am
Arbeitsplatz, etc.
Darauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.03.2003 die Gewährung einer Rente ab. Es sei eine sogenannte Änderung
der Wesensgrundlage der psychosomatischen Störung eingetreten.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.2003 als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Kläger Klage zum SG erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.03.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides 06.08.2003
zu verurteilen, dem Kläger wegen wesentlicher Verschlimmerung Rente nach einer MdE um 40 v.H. ab Verschlimmerungsantrag zu
gewähren.
Das SG hat ein Gutachten des Dr.K., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 21.04.2008 und auf Antrag des Klägers gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Gutachten des Dr.V., Facharzt für Psychiatrie, vom 05.11.2005, des Prof.Dr.N., Facharzt für Chirurgie, vom 20.11.2006 und
des Dr.M., Facharzt für Neurochirurgie, vom 28.11.2007 eingeholt.
Dr.K. hat ausgeführt, der Kläger leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung kombiniert mit einer depressiven Erkrankung
mit begleitenden somatischen Beschwerden. Diese Erkrankungen seien wesentlich auf das Unfallereignis zurückzuführen. Eine
Trennung des Krankheitsbildes sei nicht möglich. Ein Abklingen des unfallbedingten Teils der Symptomatik sei auch nicht nachvollziehbar.
Nach dem Gesamtbild und dem Ausprägungsgrad der plausibel dargestellten Beschwerden betrage die MdE seit dem Verschlimmerungsantrag
40 v.H.
Dr.V. führte aus, die bestehende posttraumatische Belastungsstörung sei mit weniger als 20 v.H. einzuschätzen. Es sei eine
wesentliche Änderung im Sinne einer Verstärkung und Chronifizierung der depressiven Symptomatik eingetreten, die indessen
nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen sei. Im Vordergrund stünden derzeit mittelschwer ausgeprägte depressive
Phänomene, die nicht der posttraumatischen Belastungsstörung zugeordnet werden könnten.
Prof.Dr.N. hat dargelegt, hinsichtlich des rechten Schultergelenkes sei keine Verschlimmerung festzustellen. Das Gleiche gelte
für den Rippenbrustkorb und die Lunge.
Dr.M. hat ausgeführt, es seien im Bereich des Kopfes keine Gesundheitsstörungen festzustellen, die auf den Unfall zurückgeführt
werden könnten. Im Vordergrund stehe eine depressive Symptomatik, die psychiatrisch zu beurteilen sei.
Die Beklagte hat eine beratungsärztliche Stellungnahme des Prof.Dr.St., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 23.06.2008
vorgelegt.
Prof.Dr.St. hat dargelegt, es fehlten bereits die Voraussetzungen für eine posttraumatische Belastungsstörung. Die bestehende
depressive Erkrankung sei unfallunabhängig zu werten.
Mit Urteil vom 20.08.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich dabei auf das Gutachten des Dr.V. und des Dr.B. gestützt. Dem Gutachten des Dr.K. ist es
nicht gefolgt. Mit zunehmendem zeitlichem Abstand zu dem Ereignis sei es zu einer sogenannten "Verschiebung der Wesensgrundlage"
gekommen. Nunmehr seien unfallunabhängige Faktoren wie Tinnitus oder Stresssituationen am Arbeitsplatz dominierend für die
bestehenden Gesundheitsstörungen.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Er hat sich dabei auf das Gutachten des Dr.K. berufen und auf ein Gutachten des
Dr.D., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie vom 22.04.2009, das im Rahmen eines Schwerbehindertenverfahrens eingeholt worden
ist. Dieser habe ausgeführt, dass beim Kläger eine seelische Störung bestehe, die auf einer posttraumatischen Belastungsstörung,
einer Somatisierungsstörung sowie einer gemischten Angst- und depressiven Störung basiere. Dr.B., Facharzt für Orthopädie,
habe zudem eine Periarthropathia Humero-scapularis rechts bei Zustand nach massivem Anpralltrauma beschrieben.
Der Senat hat ein Gutachten der Dr.E., Fachärztin Für Neurologie und Psychiatrie, vom 12.11.2009 sowie auf Antrag des Klägers
nach §
109 SGG ein Gutachten des Prof.Dr.C., Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde mit psychologischem Zusatzgutachten des Dr.Sch. vom
11.05.2010 eingeholt. Die Beklagte hat beratungsärztliche Stellungnahmen des Prof.Dr.T., Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde,
vom 02.08.2010 und des Prof.Dr.St., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 06.10.2010 vorgelegt.
Dr.E. hat ausgeführt, bei den nun mehr geltend gemachten Gesundheitsstörungen handele es sich nicht um eine posttraumatische
Belastungsstörung in engerem Sinne. Beim Kläger liege vielmehr ein Symptomkomplex aus Angstspektrumerkrankung, Depression
und somatoformer Schmerzstörung vor. Diese Erkrankungen seien nicht wesentlich auf as Unfallereignis vom 13.09.1990 zurückzuführen.
Dabei sei zu berücksichtigen, dass bereits vor dem Unfall eine Klaustrophobie und Hyperventilationsneigung aufgrund einer
traumatisch wirkenden Lungenembolie nach einer Leistenbruchoperation 1983 bestanden habe. Eine Angstspektrumerkrankung sei
daher schon vor dem Unfall gesichert. Die darüber hinaus bestehenden Krankheitserscheinungen mit Depression, somatoformer
Schmerzstörung seien unfallunabhängig zu werten. Dabei sei die Persönlichkeit des Klägers zu berücksichtigen sowie Belastungen
im familiären und beruflichen Bereich.
Prof.Dr.C. hat den Tinnitus als unfallabhängig bewertet. Dieser sei Teil der posttraumatischen Belastungsstörung, so dass
sich insgesamt eine MdE von 40 v.H. begründen lasse.
Prof.Dr.T. hat den Tinnitus ebenfalls als unfallbedingt eingeschätzt und mit einer MdE von 10 v.H. bewertet.
Prof.Dr.St. hat seine bisherigen Ausführungen aufrecht erhalten.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 24.05.2011 den Tinnitus beidseits mit einer MdE von 10 v.H. anerkannt.
Dieses Teilanerkenntnis hat der Kläger angenommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 20.08.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.03.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 06.08.2003, abgeändert durch das Teilanerkenntnis vom 24.05.2011, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger
eine Verletztenrente nach einer MdE von 40 v.H. ab Antragstellung (23.01.2002) aufgrund des Unfalls vom 13.09.1990 zu gewähren,
hilfsweise ein weiteres Gutachten auf nervenfachärztlichem Fachgebiet einzuholen, hilfsweise eine weitere Antragstellung nach
§
109 SGG auf nervenfachärztlichem Fachgebiet zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 20.08.2008 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Gerichtsakten sowie
der Akten unter dem Az.: S 5 SB 91/05 und L 15 SB 1/09 hingewiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 20.08.2008 und der Bescheid
der Beklagten vom 13.03.203 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2003, abgeändert durch das Teilanerkenntnis vom
24.05.2011, sind nicht zu beanstanden, weil der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen und
auf die Gewährung von Verletztenrente hat.
Nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung
vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung Eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Nach §
56 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) haben Versicherte Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche
nach dem Versicherungsfall hinaus um mindestens 20 vom Hundert (v.H.) gemindert ist.
Gesundheits- oder Körperschäden sind Folgen eines Arbeitsunfalls, wenn sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich
ursächlich oder mitursächlich auf den Unfall zurückzuführen sind. Dabei müssen die Gesundheits- und Körperschäden "voll",
d.h. mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Dagegen gilt
die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung
zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie zwischen dem Unfall
und der maßgebenden Erkrankung. Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der wesentlichen Mitverursachung ist
nur diejenige Bedingung als ursächlich für einen Unfall anzusehen, die im Verhältnis zu anderen Umständen wegen ihrer besonderen
Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen
einem Körper- und Gesundheitsschaden und dem Arbeitsunfall ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die
auf dem Unfall beruhenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann, und wenn die gegen
den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren außer Betracht bleiben können, das heißt nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen
Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden
(vgl. BSGE 32, 203, 209; 45, 285, 286).
Die vorstehend dargelegten Grundsätze der unfallrechtlichen Kausalitätslehre gelten auch bei der schwierigen Zusammenhangsbeurteilung
psychischer Reaktionen auf Arbeitsunfälle (vgl. dazu BSGE 18, 173, 177; 19, 275, 278; BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R). Akute abnorme Reaktionen kommen danach als Unfallfolge dann ohne Weiteres in Betracht, wenn sich die Symptome unmittelbar
nach dem schädigenden Ereignis entwickelt haben, das mit einer so schweren seelischen Belastung verbunden war, dass auch mit
gewöhnlicher seelischer Reaktionsweise eine ausgeprägte Reaktion zu erwarten gewesen wäre. In der Regel klingen die psychischen
Folgen in wenigen Monaten, selten im Verlauf von einem bis zwei Jahren ab. Bleiben sie bestehen oder verstärken sich sogar,
deutet dies auf eine besondere Disposition des Verletzten zu neurotischen Störungen hin, so dass sich die Frage der Wesentlichkeit
der Anlage im Vergleich zum Trauma stellt.
Dabei ist u.a. zu prüfen, ob das Unfallereignis und seine organischen Auswirkungen ihrer Eigenart und Stärke nach unersetzlich,
d.h. z.B. nicht mit anderen alltäglich vorkommenden Ereignissen austauschbar sind oder ob eine entsprechende psychische Anlage
so leicht "ansprechbar" war, dass sie gegenüber den psychischen Auswirkungen des Unfallereignisses die rechtlich allein wesentliche
Ursache ist.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war festzustellen, dass der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung gelitten
hat, wie dies auch die Beklagte bestandskräftig anerkannt hat. Die diesbezüglichen Gesundheitsstörungen sind indessen nach
Ablauf einer bestimmten Zeit abgeklungen. Dementsprechend wurde auch in der mündlichen Verhandlung vom 16.11.1999 beim Bayer.
Landessozialgericht ein Vergleich dahingehend geschlossen, dass ab dem 21.10.1996 die MdE auf weniger als 20 v.H. abgesunken
war. Die beim Kläger heute vorliegenden Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet mit einer Angstspektrumerkrankung, Depression
und einer somatoformen Schmerzstörung sind indessen nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis vom 13.09.1990 zurückzuführen.
Die Ursache von Angststörungen und depressiven Erkrankungen sind vielfältig. Eine genetische Komponente kommt dabei ebenso
zum Tragen wie Funktionsstörungen oder psychologische Faktoren. Dr.E. hat für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass die
beim Kläger vorliegende Angstspektrumerkrankung bereits vor dem Unfall gegeben war. Entsprechende Auffälligkeiten mit Klaustrophobie
und Hyperventilationsneigung waren bereits im Rahmen einer Leistenbruchoperation am 03.08.1983 festgestellt worden und im
Rahmen eines Heilverfahrens in Bad Reichenhall vom 10.09. bis 08.10.1987. Hinsichtlich der weiterhin bestehenden depressiven
Erkrankung und der somatoformen Schmerzstörung waren eine Vielzahl von Risikofaktoren gegeben, die den Ausbruch dieser Erkrankungen
begünstigen können. Dr.E. hat insoweit auf die Persönlichkeitsstruktur mit zwanghaften Zügen hingewiesen. Auch die beim Kläger
vorliegende Schmerzerkrankung ist als unfallunabhängig zu werten. Neben organischen Ursachen kommen zumindest im Sinne einer
Verstärkung auch Ereignisse in der Biographie des Klägers in Betracht. Ungünstig zu werten ist in diesem Zusammenhang die
sehr hohe Leistungserwartung des Klägers vor allem im beruflichen Bereich. Ein Zusammenhang mit dem Unfall kann nicht mit
der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.
Das Gutachten des Dr.K. konnte nicht überzeugen. Es berücksichtigt zu wenig, dass beim Kläger psychische Auffälligkeiten bereits
vor dem Unfall vorhanden waren und lässt eine ausreichende Auseinandersetzung mit den unfallversicherungsrechtlichen Grundsätzen,
insbesondere der medizinischen Gutachtensliteratur, vermissen.
Das Gutachten des Dr.D., das im Rahmen des Schwerbehindertenverfahrens (Az.: L 15 SB 1/09) eingeholt worden ist, beschreibt allein die bestehenden Gesundheitsstörungen. Hinsichtlich der Ursache der Erkrankungen
lässt es entsprechend seiner Zielrichtung verwertbare Aussagen vermissen.
Prof.Dr.C. hat sich ebenfalls mit den psychiatrischen Erkrankungen des Klägers und deren Ursache nicht ausreichend auseinandergesetzt.
Auf orthopädischem Fachgebiet sind keine weiteren Unfallfolgen festzustellen. Insbesondere sind keine bleibenden Schäden im
Schulterbereich und im Bereich des rechten Knies gegeben. Es fehlt bereits das entsprechende Erstschadensbild. Dr.S. hat lediglich
eine Kontusion des linken Ellenbogengelenks sowie des rechten Kniegelenkes mit Schürfwunden festgestellt. Es haben keine Hinweise
auf eine Fraktur, eine Luxation oder Verletzung des Bandapparates bestanden. Die beim Kläger heute vorliegenden Beschwerden
auf orthopädischem Fachgebiet im Bereich der Halswirbelsäule, der Lendenwirbelsäule, der Schulter und der Knie sind nicht
auf das Unfallereignis zurückzuführen.
Eine weitere Begutachtung von Amts wegen war nicht erforderlich, da der Sachverhalt ausreichend aufgeklärt ist.
Dem Antrag, ein weiteres Gutachten auf nervenfachärztlichem Gebiet nach §
109 SGG einzuholen, war nicht stattzugeben, da dieser Antrag erst in der mündlichen Verhandlung am 24.05.2011 und damit verspätet
gestellt worden ist. Die Klägerin hatte ausreichend Gelegenheit, einen entsprechenden Antrag fristgemäß zu stellen (vgl. Fristsetzung
des Senats zum 30.06.2010 mit Schreiben vom 31.05.2010).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.