Änderung eines bestandskräftigen Beitragsbescheides der gesetzlichen Krankenversicherung nach der Umstellung auf eine einkommensabhängige
Beitragsbemessung
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.08.1999
bis 29.02.2000 im Rahmen von § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) streitig.
Die 1953 geborene Klägerin, Logopädin, war (zunächst) vom 01.11.1979 bis 30.11.1998 bei der BEK versichert. Vom 01.12.1998
bis 29.02.2000 war sie bei der Beklagten freiwillig versichert. Ursprünglich erfolgte die Beitragsbemessung für die hauptberuflich
selbständig erwerbstätige Klägerin aufgrund des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1997.
Mit Antrag auf einkommensabhängige Beitragsbemessung vom 19.11.1999 - Eingang bei der Beklagten 01.12.1999 - legte die Klägerin
den Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 14.07.1999 vor.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 18.01.2000 wurden die Beiträge entsprechend dem Einkommensteuerbescheid mit Wirkung vom
01.08.1999 an neu berechnet. Einschließlich der Beiträge zur Pflegeversicherung errechnete sich ein monatlicher Beitrag von
606,68 DM.
Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit dem ebenfalls bestandskräftigen Widerspruchsbescheid vom 09.05.2000 zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 07.06.2005 beantragten die ehemaligen Bevollmächtigten der Klägerin gemäß § 44 SGB X, den Bescheid vom 18.01.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2000 aufzuheben und die Beiträge neu festzusetzen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin sei der ursprüngliche Beitrag für ein ganzes Jahr zugesichert
worden und im Übrigen sei die Beklagte auch von zu hohen monatlichen Einkünften ausgegangen.
Mit streitigem Bescheid vom 19.07.2005, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 21.10.2005, lehnte die Beklagte den Antrag
mangels neuer Sachverhaltsangaben ab.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es sei seinerzeit unter Zeugen ein gleichbleibender Mitgliedsbeitrag
für ein Jahr zugesichert worden. Sie habe erst im Februar 2000 offiziell eine Versicherungskarte erhalten, weshalb sie auch
erst ab diesem Zeitpunkt Ärzte habe konsultieren können. Von daher sei es nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte die
Mitgliedsbeiträge im Nachhinein bei ihr eingezogen habe.
Mit Urteil vom 09.04.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei nicht begründet, weil die Klägerin gemäß den Erfordernissen des § 44 SGB X keinen relevanten neuen Sachvortrag vorgebracht habe. Ausweislich der hier nach §
240 Abs.1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) maßgeblichen Satzung der Beklagten (§ 19 Abs.4) würden als Gesamtbezüge die Bruttobezüge der freiwillig Versicherten gelten. Nach § 34 SGB X bedürfe eine Zusicherung der Schriftform. Im Übrigen seien auch keine Rechtsfehler in den angegriffenen bestandskräftigen
Bescheiden erkennbar, weshalb sich das Gericht gemäß §
136 Abs.3
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) der Auffassung der Beklagten anschließe.
Gegen das Urteil des SG vom 09.04.2008 richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 09.04.2008 sowie den zugrunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 19.07.2005 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.01.2000
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2000 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 01.08.1999 bis 29.02.2000 Beiträge
zur Kranken- und Pflegeversicherung in einem Umfang von mehr als 750,00 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten wird im Übrigen zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Akten sowie der
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §
151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Insbesondere ist auch der Beschwerdewert des §
144 Abs.1 Satz 1
SGG in der Fassung des SGGArbGGÄndG vom 26.03.2008 (BGBl.I S.444) von 750,00 EUR erreicht. Die Klägerin errechnet einen monatlichen
Beitrag von 287,19 DM und die Beklagte einen solchen von 606,60 DM, weshalb also die Differenz von 319,49 DM streitig ist,
was umgerechnet in Euro ca. 1.104,18 EUR - 159,74 EUR x 7) ergibt.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Das sozialgerichtliche Urteil vom 09.04.2008 ist zutreffend, da
die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden sind.
Zu Recht hat es die Beklagte (zugleich im Namen der Beigeladenen) abgelehnt, ihre bestandskräftigen Bescheide vom 18.01.2000
und 09.05.2000 zurückzunehmen. Dies folgt aus § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt
ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder
Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für
die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs.1 Satz 1 SGB X).
Die genannten Voraussetzungen des § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X sind im Falle der Klägerin nicht erfüllt.
Bei freiwillig versicherten Mitgliedern, die einer selbständigen Tätigkeit nachgehen, kommt es nur bedingt auf die tatsächlichen
Einkünfte an, weil der Gesetzgeber für solche Selbständigen in §
240 SGB V besondere Regeln aufgestellt hat.
Die Beitragsbemessung für freiwillig versicherte Mitglieder wird nach §
240 Abs.1
SGB V durch die Satzung der Kasse geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
des Mitglieds berücksichtigt.
Bei Mitgliedern, deren Beitrag einkommensabhängig bemessen ist, werden höhere Bezüge ab dem 1. des Monats für die Beitragsbemessung
herangezogen, der dem Monat folgt, in dem das Mitglied von der Änderung Kenntnis erhält. Bei Mitgliedern, die nicht regelmäßig
zufließende Einnahmen erzielen und die zur Einkommensteuer veranlagt werden, gilt als Zeitpunkt der Kenntnis einer Änderung
der Höhe dieser Bezüge der Tag des Zugangs des Einkommensteuerbescheides (§ 19 Abs.13 der KKH-Satzung).
Grundlage für die ursprüngliche einkommensabhängige Beitragsbemessung waren die im Antrag vom 22.01.1999 angegebenen Einkünfte
aus der selbständigen Tätigkeit. Am 01.12.1999 reichte die Klägerin den Verlängerungsantrag mit dem Einkommensteuerbescheid
für das Jahr 1998 ein. Der Einkommensteuerbescheid wurde am 14.07.1999 erstellt und war gemäß den vorstehenden Ausführungen
ab 01.08.1999 bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen. Zur Beitragsbemessung werden die Gesamtbezüge herangezogen. Als
Gesamtbezüge geltend die Bruttobezüge. Ihnen zuzurechnen sind das Arbeitsentgelt und alle Einnahmen und Geldmittel, die das
Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung (§ 19 Abs.4
der KKH-Satzung).
Der Einkommensteuerbescheid für 1998 weist anrechenbare Gesamtbezüge von 49.864,00 DM (= monatlich 4.155,33 DM) aus. Danach
war die Beitragsbemessung ab 01.08.1999 aus diesem Betrag durchzuführen.
Wenn die Klägerin anführt, im Februar 1999 die Auskunft erhalten zu haben, der zu jenem Zeitpunkt bekannt gegebene Beitrag
gelte für die Dauer eines Jahres, so ist darauf hinzuweisen, dass der Bescheid vom 10.02.1999 eine solche Zusage nicht enthält.
Bezüglich einer Zusicherung muss aber gemäß § 34 Abs.1 SGB X die Schriftform vorliegen, die hier fehlt.
Die Klägerin war auch nicht, wie von ihr vorgetragen, in der Zeit von Dezember 1998 bis Januar 1999 ohne Krankenversicherungsschutz.
Bis zum 30.11.1998 war die Klägerin bei der BEK versichert. Den Antrag auf freiwillige Weiterversicherung mit einkommensabhängiger
Beitragsbemessung der Beklagten ab 01.12.1998 unterschrieb die Klägerin erst am 22.01.1999.
Nach §
9 Abs.2
SGB V ist der Beitritt der Krankenkasse innerhalb von drei Monaten anzuzeigen. Damit innerhalb dieser Frist keine Lücke im Versicherungsschutz
entsteht, schließt sich die freiwillige Versicherung immer unmittelbar an die letzte Versicherung an. Nach §
188 Abs.1
SGB V beginnt die Mitgliedschaft Versicherungsberechtigter mit dem Tag ihres Beitritts zur Krankenkasse. Da, wie bereits ausgeführt,
der Beitritt zum 01.12.1998 erfolgte, begann auch an diesem Tag rückwirkend die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten.
Daraus folgt dann aber auch, dass, hätte die Klägerin in der Zeit vom 01.12.1998 bis 22.01.1999 Leistungen in Anspruch genommen,
die Beklagte für Kassenleistungen hätte aufkommen müssen.
Somit ist die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 09.04.2008 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 SGG liegen nicht vor.