Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Kosten für die am 30.01.2006 in der Schweiz durchgeführte Tender-Point-Operation
bei Fibromyalgie in Höhe von 2.051,16 EUR und für die am 25.05.2006 durchgeführte Kontrolluntersuchung in Höhe von 150,00
EUR (= insgesamt 2.201,16 EUR) streitig.
Die 1943 geborene Klägerin, bei der Beklagten gegen Krankheit versichert, litt nach einem Attest des Allgemeinarztes Dr. G.
vom 16.01.2006 an einem fortgeschrittenen Fibromyalgie-Syndrom mit Ganzkörperschmerzen.
Am 19.01.2006 beantragte Dr. G. bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Tender-Point-Operation bei Prof. Dr. J. B.
in B. in der Schweiz.
Nach Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des MDK vom 24.01.2006 lehnte die Beklagte mit streitigem Bescheid vom
24.01.2006 - ohne Rechtsbehelfsbelehrung - den Antrag auf Kostenübernahme ab. Hier handle es sich um eine unkonventionelle
Behandlungsmethode, wobei die therapeutische Wirksamkeit bisher durch keine wissenschaftlichen Studien belegt sei. Alternativ
könne bei der vorliegenden Diagnose u.a. eine fachrheumatologische Behandlung mit einer entsprechenden Medikation einschließlich
Intensivierung durch sekundärpräventive Vorsorgemaßnahmen durchgeführt werden.
Am 30.01.2006 wurde die Operation durch Prof. Dr. B. in der Schweiz ambulant durchgeführt. Am 31.01.2006 stellte Prof. Dr.
B. hierfür einen Betrag von 2.051,16 EUR der Klägerin in Rechnung, durch Rechnung vom 25.05.2006 darüber hinaus einen weiteren
Betrag von 150,00 EUR für eine Kontrolluntersuchung nach der Operation am 25.05.2006.
Nach Einholung eines weiteren ausführlichen Gutachtens des MDK vom 26.06.2006 lehnte die Beklagte mit weiterem streitgegenständlichen
Bescheid vom 10.07.2006 erneut den Antrag der Klägerin ab.
Zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) vom 06.12.2005 sei bei einer schweren Krankheit, für die es keine gängige Heilmethode gebe, nicht erforderlich, dass
die Wirksamkeit durch wissenschaftliche Studien belegt sei. Es genüge schon eine entfernt liegende Aussicht auf Heilung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2006 bestätigte die Beklagte ihren Ausgangsbescheid. Erneut wies sie darauf hin, dass es
nach entsprechender Diagnostik sehr wohl rationale, wissenschaftsbezogene Behandlungsmöglichkeiten gebe. Die Voraussetzungen
für die Anwendbarkeit des Beschlusses des BVerfG vom 06.12.2005 lägen nicht vor.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 07.12.2006 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgte. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die von Prof. Dr. B.
praktizierte Behandlungsmethode führe in 66 % der Fälle zu einem langfristigen vollständigen Heilerfolg und darüber hinaus
in einem bedeutenden Anteil der Fälle zu wesentlichen Verbesserungen der Schmerzen. Des Weiteren hat die Klägerin auf ein
in einem zivilrechtlichen Verfahren vom Gericht eingeholtes Gutachten von Prof. Dr. med. J. Z. vom 24.03.2006 verweisen lassen,
wonach es sich bei der Fibromyalgie um eine unheilbare Krankheit handle und dass die operative Methode auf einer wissenschaftlichen
Theorie vergleichbar der Akupunktur geeignet sei, bei einer Vielzahl von Patienten die Symptome einer Fibromyalgie zu bessern.
Mit Urteil vom 23.09.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Da die Operation ambulant ausgeführt wurde und eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode darstelle,
hätte sie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gemäß §
135 SGB V nur erbracht werden dürfen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in seinen Richtlinien für die Anwendung dieser Methode Empfehlungen
abgegeben hätte. Solche Empfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses oder seiner Vorläufereinrichtung hätten jedoch nicht
vorgelegen. Ebenso sei ein Systemversagen zu verneinen gewesen, das nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG)
ausnahmsweise zur Anwendbarkeit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode führen könne, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss
oder eine der antragsberechtigten Institutionen untätig bleibt, obwohl die Voraussetzungen für die Anerkennung dieser Methode
vorlägen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer neuen Methode lägen jedoch frühestens dann vor, wenn die Methode dem
allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Davon könne bei der Tender-Point-Operation keine Rede
sein. Wie der MDK überzeugend dargelegt habe, werde die Methode von niemand anderem als Prof. Dr. B. angewandt. Sämtliche
Studien bezüglich der Wirksamkeit der Methode seien von Prof. Dr. B. selbst retrospektiv bezüglich des Erfolges an den von
ihm selbst behandelten Patienten vorgenommen worden. Bei einer solchen Vorgehensweise sei in methodischer Hinsicht ein Ausschluss
möglicher Placebo- oder Suggestiveffekte nicht zu führen. Auch die von der Klägerin vorgelegten Untersuchungsergebnisse und
Veröffentlichungen würden ausschließlich von Prof. Dr. B. selbst stammen. Bestätigt werde die Einschätzung des MDK durch die
wissenschaftliche Leitlinie "Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Fibromyalgie-Syndroms" der Deutschen
Fibromyalgie-Vereinigung und Deutschen Rheuma-Liga in Zusammenarbeit mit weiteren wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Darin
werde ausgeführt, die operative Lösung von "Verwachsungen" an Akupunkturpunkten im Bereich von Tender-Points widerspreche
den aktuellen Erkenntnissen über die Ursachen und Krankheitsmechanismen des Fibromyalgie-Syndroms. Erfolge dieser Behandlung
seien bisher nur von einer Arbeitsgruppe beschrieben worden. Daher werde von dieser Behandlungsmethode abgeraten. Dass die
Methode von Prof. Dr. B. wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt sei, werde auch durch das von der Klägerin selbst vorgelegte
Gutachten von Prof. Z. bestätigt, in dem auf Seite 19 ausgeführt werde, das Krankheits- und Therapiekonzept des Prof. Dr.
B. habe bislang noch keinen Eingang in die Schulmedizin gefunden; aussagekräftige, insbesondere unabhängige Studien zum Wirksamkeitsnachweis
stünden noch aus.
Auch die Voraussetzungen des Beschlusses des BVerfG vom 06.12.2005 lägen nicht vor, da es sich bei der Fibromyalgie zwar möglicherweise
um eine schwerwiegende, aber weder um eine lebensbedrohliche noch um eine regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung handle.
Auch schwere Schmerzen, die zu einer massiven Beeinträchtigung der Lebensqualität bis hin zur Erwerbsunfähigkeit oder suizidalen
Gedanken führen, könnten für sich genommen diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Dies habe das BSG in ähnlich belastenden
Situationen, wie im vorliegenden Fall, mehrfach entschieden. Die von der Klägerin beschriebenen Schmerzen und ihre Folgen
seien mit den vom BSG entschiedenen Fällen vergleichbar. Keine weiteren Erkenntnisse, die für die Entscheidung relevant wären,
liefere (auch) das von der Klägerin vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. Z. nicht. Die darin bestätigte Unheilbarkeit der Erkrankung
sei für sich genommen ohne Belang, da es nach den Kriterien des Beschlusses des BVerfG nicht um allein die Frage der Unheilbarkeit,
sondern um die Schwere der Erkrankung gehe.
Gegen das Urteil vom 23.09.2008 richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie vertritt
weiter die Auffassung, dass die Verpflichtung zur verfassungskonformen Auslegung der Leistungsvorschriften des Rechts der
gesetzlichen Krankenversicherung gerade nicht lediglich Fälle des Vorliegens einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich
verlaufenden Erkrankung betreffe. Das SG und die von ihm zitierte Rechtsprechung verkenne vielmehr, dass das BVerfG eine mögliche Notwendigkeit zur grundrechtsorientierten
Auslegung der Leistungsvorschriften des Krankenversicherungsrechts sowohl in den, in denen das Grundrecht auf Leben als auch
in den Fällen, in denen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit betroffen ist und darüber hinaus bei der Verweigerung
einer medizinischen Behandlung das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip
berührt sieht. Das angefochtene Urteil widerspreche auch dem Gleichheitsgrundsatz.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 23.09.2008 sowie die zugrundeliegenden Bescheide der Beklagten vom 24.01. und 10.07.2006
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten der
Behandlung durch Prof. Dr. B. in Höhe von insgesamt 2.201,16 EUR zu erstatten.
Die Vertreter der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Akten sowie der gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen.
Somit ist die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 23.09.2008 zurückzuweisen.