Bescheidung eines Widerspruchs gegen ein Schreiben einer Krankenkasse
Widerspruch gegen sonstiges Verwaltungshandeln
Unstatthaftigkeit einer Untätigkeitsklage
Tatbestand
Die klagende GmbH begehrt die Bescheidung ihres Widerspruchs gegen ein Schreiben der beklagten Krankenkasse.
Die Beklagte setzte die Klägerin mit Schreiben vom 25.10.2018 unter dem Betreff "Auswertung des Prüfberichts, Betriebsnummer
XXX" darüber in Kenntnis, dass sie eine Mehrausfertigung des Prüfberichts der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund vom
23.10.2018 erhalten habe. Der Prüfbericht weise für die Firma der Klägerin eine Nachforderung von Beiträgen und Säumniszuschlägen
aus. Die Nachforderung betrage 1.578,24 EUR und sei am 28.11.2018 fällig. Da die Klägerin der Beklagten eine Ermächtigung
zum Lastschrifteinzug erteilt habe, werde der ausgewiesene Betrag am genannten Fälligkeitstag eingezogen. Sollte die Klägerin
damit nicht einverstanden sein, möge sie umgehend die Beklagte anrufen. Für die Arbeitnehmer J. H. und L. N. benötige die
Beklagte noch die Berichtigungen der Meldungen. Die fehlenden Angaben möge die Klägerin innerhalb von sechs Wochen nach Erhalt
dieses Schreibens der Beklagten übermitteln. Das Schreiben enthält keine Rechtsbehelfsbelehrung.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erhob mit Schreiben vom 30.10.2018 gegen den "Bescheid vom 25.10.2018" Widerspruch.
Die Ansprüche seien nicht nachvollziehbar und würden dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Abbuchungen werde ausdrücklich
widersprochen. Eine Forderung von 1.578,24 EUR sei unbekannt. Angebliche Bescheide, etwa vom 23.10.2018, seien der Klägerin
unbekannt.
Mit Schriftsatz vom 27.03.2019, eingegangen beim Sozialgericht München (SG) am 29.03.2019, hat die Klägerin Anfechtungsklage gegen die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund sowie Untätigkeitsklagen
gegen zwölf Einzugsstellen, darunter die hiesige Beklagte, erhoben. Die Untätigkeitsklagen gegen die Einzugsstellen wurden
von der 31. Kammer des SG mit Beschluss vom 15.04.2019 abgetrennt.
Streitgegenstand der Anfechtungsklage gegen die DRV Bund ist deren Bescheid vom 23.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 26.02.2019, mit dem von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge für den Prüfzeitraum 01.01.2013 bis 31.12.2017 nachgefordert
werden mit der Begründung, dass verschiedene Personen - u. a. die bei der Beklagten versicherten J. H. und L. N. - nicht als
selbständige Unternehmer, sondern im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses für die Klägerin tätig gewesen seien. Die Klägerin
ist der Auffassung, dass durchweg selbständige Tätigkeiten vorlagen.
Ihre Untätigkeitsklage gegen die Beklagte hat die Klägerin damit begründet, dass die Beklagte mit "Bescheid vom 29.10.2018"
(gemeint: 25.10.2018) 1.578,24 EUR gefordert habe und die Klägerin dem mit Schreiben vom 30.10.2018 widersprochen habe. Die
Beklagte habe mehr als drei Monate ohne zureichenden Grund nicht über den Widerspruch entschieden. Die Zahlungsaufforderung
vom 25.10.2018 stelle einen Verwaltungsakt mit Außenwirkung dar.
Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung vorgetragen, dass sie keinen Bescheid erlassen habe, auch nicht unter dem Datum
des 25.10.2018. Sie habe der Klägerin unter dem 25.10.2018 lediglich ein Aufforderungs- bzw. Mitteilungsschreiben übersandt.
Mit dem Schreiben habe die Beklagte als Einzugsstelle die im Rahmen der Betriebsprüfung durch die DRV Bund festgestellte Nachforderung
geltend gemacht. Diese Zahlungsaufforderung stelle keinen Bescheid dar, gegen den ein Widerspruch statthaft wäre. Der Widerspruch
der Klägerin vom 30.10.2018 gegen die Zahlungsaufforderung gehe daher ins Leere und die Beklagte habe aus diesem Grund auch
nicht über den Widerspruch zu entscheiden.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12.08.2019 abgewiesen. Die Klage sei nicht zulässig, da die erhobene Untätigkeitsklage
nicht statthaft sei. Eine solche setze voraus, dass über einen Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt ohne zureichenden Grund
nicht innerhalb einer angemessenen Frist von drei Monaten entschieden worden sei. Die Zahlungsaufforderung der Beklagten vom
25.10.2018 sei bereits kein Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X. Die Beklagte sei hier als Gläubigerin des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als Einzugsstelle tätig gewesen. Schuldner des
Gesamtsozialversicherungsbeitrags sei der Arbeitgeber (§
28e Abs.
1 Satz 1
SGB IV); er sei ausschließlich der Einzugsstelle gegenüber zahlungspflichtig. Einer besonderen Aufforderung oder eines Verwaltungsakts
der Einzugsstelle zu dessen Zahlung bedürfe es nicht (Scheer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB IV, 3. Aufl. 2016, §
28h SGB IV, Rn. 55). Die Träger der Rentenversicherung erließen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe
in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide
gegenüber den Arbeitgebern; insoweit würden § 28h Absatz 2
SGB V sowie § 93 in Verbindung mit § 89 Absatz 5 SGB X nicht gelten (§ 28p Abs.
1 Satz 5
SGB IV). Hier sei die Beitragshöhe im angegriffenen Bescheid der Deutschen Rentenversicherung festgesetzt worden. Widerspruchsbehörde
sei daher nicht die Einzugsstelle, sondern der Rentenversicherungsträger, der den angefochtenen Verwaltungsakt anlässlich
einer Betriebsprüfung erlassen habe (Scheer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 28p
SGB IV, Rn. 53). Nach § 28p Abs. 3
SGB IV seien die Rentenversicherungsträger verpflichtet, die Einzugsstellen über alle Sachverhalte betreffend die Zahlungs- und
Meldepflichten des Arbeitgebers zu unterrichten. Hierzu erhielten die Einzugsstellen Durchschriften der Bescheide mit den
sie betreffenden Anlagen. Dies sei erforderlich, da trotz des Übergangs der Arbeitgeberprüfungen auf die Rentenversicherungsträger
die Krankenkassen als Einzugsstellen nach wie vor die anlässlich von Arbeitgeberprüfungen erhobenen Beitragsnachforderungen
einzuziehen hätten (§
28h Abs.
1 SGB IV). Der Mitteilung der Beklagten an die Klägerin über die von der Deutschen Rentenversicherung festgesetzten Beiträge fehle
daher ein eigener Regelungsgehalt, der über die Feststellungen der DRV Bund hinausginge. Die Mitteilung vom 25.10.2018 entspreche
noch nicht einmal einer Vollstreckungsankündigung, die schon keine Verwaltungsaktqualität habe (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.2015, B 14 AS 38/14 R, Rn. 15, juris). Sie sei bloße Zahlungsaufforderung ohne Verwaltungsaktqualität (vgl. BSG, Beschluss vom 29.12.2016, B 4 AS 319/16 B, Rn. 14, juris). Den Streitwert hat das SG auf 236,73 EUR festgesetzt.
Dagegen hat die Klägerin am 12.09.2019 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben.
Zur Begründung hat ihr Prozessbevollmächtigter vorgetragen, dass das SG zu Unrecht vom Nichtvorliegen eines Verwaltungsakts ausgegangen sei. Es liege ein Leistungsbescheid vor, mit dem die Beklagte
ihren öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruch im eigenen Namen geltend mache. Es liege eine Regelung vor, da die Maßnahme
der Beklagten als Behörde auf Abbuchung vom Konto der Klägerin zu einem bestimmten Zeitpunkt und also darauf gerichtet gewesen
sei, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen (Verringerung des Kontostandes der Klägerin). Damit würden Rechte der betroffenen
Klägerin (Verfügung über den Ursprungskontostand vor Abbuchung) durch die Beklagte unmittelbar begründet, geändert, aufgehoben
oder mit bindender Wirkung festgestellt. Die Beklagte habe hier nach §
28 h Abs.
2 SGB IV gehandelt, anderenfalls könnten die Krankenkassen gar nicht über den Zoll die Zwangsvollstreckung betreiben. Selbst ein schlichtes
Verwaltungshandeln würde mit der Abbuchung in die Rechte der Klägerin eingreifen und hätte damit einen vergleichbaren Eingriffscharakter
wie ein Verwaltungsakt. Daher sei die Rechtsschutzgarantie des Art.
19 Abs.
4 GG auch beim Realakt gegeben. Das SG habe rechtsfehlerhaft keine Ausführungen zur Frage der Selbständigkeit getroffen. Die Entscheidungsgründe seien rational
nicht nachvollziehbar, sachlich falsch und unbrauchbar und damit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet, den Beschlusstenor
zu tragen. Schließlich habe das SG es versäumt, die DRV Bund nach §
75 Abs.
2 SGG beizuladen.
Die Beklagte hat in ihrer Berufungserwiderung ausgeführt, dass das Berufungsvorbringen der Klägerin unzutreffend und nicht
nachvollziehbar sei. Die Zahlungspflicht ergebe sich vorliegend allein aus dem Bescheid der DRV. Die Beklagte sei nicht Inhaberin
einer eigenen Beitragsforderung. Sie habe auch nicht im Nichtzahlungsfall mit der Zwangsvollstreckung durch das Hauptzollamt
R-Stadt gedroht. Da die Untätigkeitsklage nicht statthaft sei, habe auch keine materiell-rechtliche Prüfung der Sozialversicherungspflicht
zu erfolgen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 15.11.2019 seinen Standpunkt bekräftigt, wonach das Schreiben
der Beklagten einen Verwaltungsakt darstellt. Er verwies auf einen Beschluss des SG München vom 25.09.2019, S 39 KR 2320/19 ER, in dem das SG das Schreiben einer Einzugsstelle als Haftungsbescheid angesehen hat. Im Übrigen wird auf die Niederschrift der Sitzung vom
30.07.2020 verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 12.08.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruch
der Klägerin vom 30.10.2018 gegen den Bescheid der Beklagten vom 25.10.2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
zu bescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten des Sozialgerichts und der
Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte in Abwesenheit der Beklagten entscheiden, da diese ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf die Möglichkeit
einer Entscheidung auch im Falle ihres Ausbleibens hingewiesen wurde (§§
110,
126,
132 SGG).
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist die Berufungssumme (§
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG) erreicht.
Nach der Rechtsprechung des BSG werden auch Untätigkeitsklagen von der Berufungsbeschränkung des §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 2. Alt.
SGG erfasst, da diese entweder auf die Vornahme eines beantragten, aber ohne zureichenden Grund innerhalb von sechs Monaten nicht
erlassenen Verwaltungsakts gerichtet sind (§
88 Abs.
1 SGG), oder den Erlass eines Widerspruchsbescheides zum Gegenstand haben, wenn ohne zureichenden Grund innerhalb von drei Monaten
über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist (§
88 Abs.
2 SGG). Sofern die zu erlassenden Verwaltungsakte Geld-, Dienst- oder Sachleistungen beträfen, die einen Wert von 750 Euro nicht
übersteigen, unterliege auch die Untätigkeitsklage der Berufungsbeschränkung. Bei einer Untätigkeitsklage sei auf den Wert
des erstrebten Verwaltungsakts abzustellen (BSG, Beschluss vom 06.10.2011, B 9 SB 45/11 B, SozR 4-1500 § 144 Nr. 7).
Im vorliegenden Fall begehrt die Klägerin den Erlass eines Widerspruchsbescheides (§
88 Abs.
2 SGG), der eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 1.578,24 EUR betrifft. Die erforderliche Berufungssumme
von mehr als 750 Euro ist damit erreicht.
In der Sache ist die Berufung jedoch unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Untätigkeitsklage zu Recht als unzulässig abgewiesen, da diese unstatthaft ist.
Der hier einschlägige §
88 Abs.
2 SGG regelt die Zulässigkeit einer Klage nach Ablauf einer Sperrfrist von drei Monaten für den Fall, dass über einen Widerspruch
nicht entschieden ist. Aus den §§
78,
83 SGG ergibt sich, dass durch den Widerspruch das Vorverfahren eingeleitet wird, das - vor Erhebung einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage
- der Nachprüfung der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes dient. Es handelt sich also um einen spezifischen
Rechtsbehelf, der sich gegen einen ablehnenden oder belastenden Verwaltungsakt richtet.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin Widerspruch gegen ein Schreiben der Beklagten vom 25.10.2018 eingelegt, mit dem unter
Hinweis auf eine in einem Prüfbericht der DRV Bund festgesetzte Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe
von 1.578,24 EUR die Abbuchung dieses Betrages vom Konto der Klägerin zum 28.11.2018 angekündigt wird. Dieses Schreiben stellt
- wie das SG zutreffend ausgeführt hat - im weiteren Sinne eine Zahlungsaufforderung dar. Es ist mangels eigenem Regelungsgehalt kein
Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des SG wird vollumfänglich Bezug genommen (§
153 Abs.
2 SGG).
Die Frage, ob eine Behörde einen "Widerspruch", der sich nicht gegen einen Verwaltungsakt, sondern gegen ein sonstiges Verwaltungshandeln
richtet, zu bescheiden hat oder nicht, wird in Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich gesehen (vgl. Loytved, Anmerkung
zu SG Bremen, Beschluss v. 06.10.2016, S 17 AL 125/15).
Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass auch bei Widersprüchen gegen schlichtes Verwaltungshandeln ein Anspruch auf
einen Bescheid bestehe, es sei denn, es liege eine missbräuchliche Rechtsausübung vor. Die beklagte Behörde könne den Widerspruch
in diesen Fällen als nicht statthaft zurückweisen, sie sei jedoch nicht berechtigt, eine Bescheidung abzulehnen. Lehne die
Behörde eine Bescheidung ab, sei eine Untätigkeitsklage nach §
88 Abs.
2 SGG auch in solchen Fällen grundsätzlich statthaft (vgl. Claus in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. Aufl., §
88 SGG, Stand: 15.07.2017, Anm. 15, m.w.N.).
Nach der wohl überwiegenden Meinung, der sich auch der Senat anschließt, ist die Behörde bzw. die Körperschaft des öffentlichen
Rechts nicht verpflichtet, einen Widerspruchbescheid zu erlassen, wenn sich der Widerspruch nicht gegen einen Verwaltungsakt,
sondern gegen sonstiges Verwaltungshandeln wendet. Da die Untätigkeitsklage nach §
88 Abs.
2 SGG eine grundsätzliche Bescheidungspflicht voraussetzt, wird die Untätigkeitsklage in einem solchen Fall nicht als statthaft
angesehen (vgl. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG Kommentar, 13. Auflage, §
88 Rn. 3; Ulmer in: Hennig,
SGG, Stand September 2016, §
88 Rn. 6; Hommel in: Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl. Stand Juni 2015, § 88 Anm. 1).
Für diese Auffassung sprechen folgende Gründe, die in der oben erwähnten Anmerkung von Loytved wie folgt zusammengefasst werden:
"Nach seinem Sinn und Zweck soll §
88 Abs.
2 SGG sicherstellen, dass der Bürger einen Rechtsbehelf zur Verfügung hat, wenn die Behörde seinen Anspruch auf Rechtsschutz innerhalb
einer angemessenen Zeit (vgl. Art. 6 Abs. 1 EMRK) verletzt. Da der Bürger durch das Vorverfahrenserfordernis nach §
78 SGG grundsätzlich gehindert ist, vor Erteilung des Widerspruchsbescheides (vgl. §
85 Abs.
2 SGG) eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage zu erheben, müsste er ohne die Untätigkeitsklage unbegründete Verzögerungen im
Vorverfahren schutzlos erdulden. Bei anderen Klagearten (z.B. der echten Leistungsklage nach §
54 Abs.
5 SGG und der Feststellungsklage nach §
55 SGG) gibt es kein Vorverfahrenserfordernis. Dementsprechend kann der der Bürger nicht durch behördliche Verzögerungen an der
Klageerhebung gehindert werden. Diese systematischen Gegebenheiten sprechen dafür, eine Bescheidungspflicht der Behörde i.S.v.
§
88 Abs.
2 SGG nur dann anzunehmen, wenn tatsächlich ein Widerspruch im Sinne der §§
78,
83 SGG eingelegt worden ist. Auf die Bezeichnung eines Schreibens kann es dabei nicht ankommen. Ist zwischen dem Bürger und der
Behörde streitig, ob ein bestimmtes Verwaltungshandeln als Verwaltungsakt anzusehen ist, kann dagegen zwar ein "Widerspruch"
eingelegt werden. Bei Nichtbescheidung desselben ist es dem Bürger auch nicht verwehrt, Untätigkeitsklage zu erheben. Zur
Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes dürfte es jedoch ausreichen, wenn dann das Gericht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit
dieser Klage darüber befindet, ob ein Widerspruch i.S.d. §§
78,
83 SGG vorliegt, der zu bescheiden ist. Eine entsprechende gerichtliche Klärung wäre grundsätzlich auch dann nicht entbehrlich,
wenn die Behörde ihre Auffassung, dass der "Widerspruch" nicht statthaft sei, in der Form eines Widerspruchsbescheides mitteilen
würde. Die Prüfung fände allerdings im Rahmen einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage statt." (Loytved, a.a.O.).
Zum Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren wird ergänzend Folgendes ausgeführt:
Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dass ein Leistungsbescheid der Beklagten vorliege, hält einer Überprüfung
nicht stand. Die Beklagte nimmt in ihrem Schreiben vom 25.10.2018 unmissverständlich auf den Prüfbericht der DRV Bund und
die darin festgesetzte Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen Bezug. Entgegen der Ausführungen des Prozessbevollmächtigten
der Klägerin enthält dieses Schreiben der Beklagten auch keine Regelung, insbesondere stellt die Ankündigung der Abbuchung
eines bestimmten Geldbetrages keine solche dar. Rechte der Klägerin werden hierdurch weder unmittelbar begründet noch geändert,
aufgehoben oder mit bindender Wirkung festgestellt.
Die Ankündigung, die im Prüfbericht der DRV Bund festgesetzte Nachforderung am Fälligkeitstag einzuziehen, stellt auch keinen
"Realakt mit Eingriffscharakter" dar. Ein solcher liegt schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin gleichzeitig aufgefordert
wurde, sich mit der Beklagte in Verbindung zu setzen, sollte sie mit der vorgeschlagenen Vorgehensweise (Abbuchung) nicht
einverstanden sein.
Die Beklagte war hier auch nicht nach §
28 h Abs.
2 SGB IV tätig. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid des SG Bezug genommen.
Schließlich war die DRV Bund im Rahmen der Untätigkeitsklage nicht nach §
75 Abs.
2 SGG beizuladen. Da eine Untätigkeitsklage nach §
88 Abs.
2 SGG lediglich auf bloße Verurteilung der Behörde zur Bescheidung des Widerspruchs gerichtet ist, findet im Rahmen dieser Klageart
eine materiell-rechtliche Prüfung des zugrundeliegenden Streitgegenstandes nicht statt. Die Notwendigkeit einer einheitlichen
Entscheidung auch einer anderen Behörde gegenüber kann daher gar nicht bestehen. Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung
nach §
75 Abs.
2 SGG liegen deshalb nicht vor.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §
154 Abs.
2 VwGO
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197 a Abs.
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 GKG. Wie vom SG zutreffend ausgeführt, ist bei einer Untätigkeitsklage die wirtschaftliche Bedeutung nicht gleichzusetzen mit der vollstreckbaren
Forderung, so dass 10 bis 20 % der vollen Forderung heranzuziehen sind (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 13. Aufl., §
197 Rn. 7h Untätigkeitsklage). Auch der Senat sieht einen Betrag von 15 % der vollstreckbaren Forderung vorliegend als angemessen
an.