Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) für die Zeit vom 1. September 2014
bis 28. Februar 2015.
Der im Leistungsbezug des Beklagten stehende Kläger, der im Streitzeitraum in ei-nem im Eigentum seiner Schwester stehenden
Wohnhaus im Rahmen eines "unent-geltlichen Wohnrechts" (vgl Überlassungsvertrag vom 21. August 1996, wonach die Kosten für
Energie, Wasser, Abwasser, Heizmaterial und Müllabfuhr vom "Berechtig-ten" anteilig zu tragen sei) lebte, stellte im Juli
2014 einen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab 1. September 2014. Mit Schreiben vom 5. August 2014 forderte der Beklagte
den Kläger unter Hinweis auf §
60 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (
SGB I) auf, im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten Rechnungen bzw Bescheide für die im Einzelnen bezeichneten Hauslasten bis zum
19. August 2014 vorzulegen. Mit Bescheid vom 26. August 2014 versagte der Beklagte KdUH-Leistungen ganz, weil die fehlenden
Unterlagen trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vorgelegt wor-den seien. Den Widerspruch wies der Beklagte hinsichtlich
der begehrten KdUH-Leistungen mit der Begründung zurück, auch im Widerspruchsverfahren, in dem der Kläger ua Kontoauszüge
vorlegte, seien für den streitigen Zeitraum keine geeigneten Nachweise bzw Rechnungen vorgelegt worden (Widerspruchsbescheid
vom 20. Ja-nuar 2015).
Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat die auf Gewährung von KdUH-Leistungen für den in Rede stehenden Zeitraum iHv mtl 230,- EUR gerichtete Klage
abgewiesen, weil er entsprechende Nachweise nicht vorgelegt habe.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und weist darauf hin, dass die mtl im Streitzeitraum an seine
auf dem Hausgrundstück ebenfalls wohnhafte Mutter (L Sch) aufgrund einer mündlichen Abrede erfolgte Zahlung iHv pauschal 230,-
EUR sämtliche von ihm zu entrichtenden KdUH abdecken würde. Er verfüge daher auch nicht über entsprechende Abrechnungsbelege.
Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 12. Oktober 2016 und den Bescheid des Beklagten vom 26. August 2014 in der Gestalt
des Widerspruchsbeschei-des vom 20. Januar 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. September
2014 bis 28. Februar 2015 Leistungen für Kos-ten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 230,- EUR zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt
(vgl §§
124 Abs.
2,
155 Abs.
3 und
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist begründet, soweit er die Aufhebung der angefochtenen Bescheide begehrt; die mit der Anfechtungsklage
verbundene Leistungsklage (sog kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage iSv §
54 Abs.
4 SGG) auf Gewährung von KdUH-Leistungen im Streitzeitraum ist indes unzulässig. Die insoweit nicht be-gründete Berufung war zurückzuweisen.
Nach §
54 Abs.
4 SGG kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsaktes gleichzeitig die Leistung verlangt werden, wenn der angefochtene
Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Die Regelung setzt voraus, dass die Verwaltung
über die begehrte Leistung in der Sache entschieden hat. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn der Leistungsträger die Leistung
ohne abschließende Ermittlung bis zur Nachholung der Mitwirkung - wie hier - nach §
66 SGB I versagt. Gegen einen solchen Versagensbescheid ist grundsätzlich nur die Anfechtungsklage eröffnet (vgl Bundessozialgericht
(BSG), Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 78/08 R = SozR 4-12300 § 66 Nr 5; BSG SozR 1200 § 66 Nr 13; BSG SozR 4-1200 § 66 Nr 1).
Bei dem hier angefochtenen Bescheid vom 26. August 2014 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 20. Januar 2015 handelte
es sich um eine vorläufige Versagung der Zahlung von Arbeitslosengeld II (Alg II) für den Streitzeitraum, soweit KdUH betroffen
sind. Soweit der Kläger vorbringt, im Widerspruchsbescheid habe der Beklagte nicht nur eine Versagens-, sondern eine Sachentscheidung
getroffen, vermag dieses Vorbringen die rechtliche Einordnung des angefochtenen Bescheids als Versagensbescheid nicht zu erschüttern.
Denn auch die Ausführungen des Be-klagten in dem Widerspruchsbescheid mit ausdrücklichem Hinweis auf das Schreiben vom 5.
August 2014 und den Bescheid vom 26. August 2014 lassen nur den Schluss zu, dass aus Sicht des Beklagten dem Kläger die Vorlage
von Nachweisen für die Unterkunftskosten obliege und bis zu deren Vorlage KdUH nicht "anerkannt" werden könnten.
Der so verstandene Versagensbescheid ist rechtswidrig und war aufzuheben.
Nach §
66 Abs.
1 Satz 1
SGB I kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen bis zur Nachholung der Mitwirkung die Leistung ganz oder teilweise versagen
oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistungen nicht nachgewiesen sind, wenn derjenige, der eine Sozialleistung
beantragt, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§
60 bis
62,
65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Gemäß §
66 Abs.
3 SGB I dürfen Sozialleis-tungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf
diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen
Frist nachge-kommen ist. Die hier relevanten Mitwirkungsobliegenheiten ergeben sich aus §
60 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 und Nr.
3 SGB I. Danach hat, wer Sozialleistungen beantragt, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, auf Verlangen
des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen (Nr. 1) und Beweismittel
zu bezeichnen und auf Verlangen des zustän-digen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen
(Nr. 3); soweit für die genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden (§
60 Abs.
2 SGB I). Die Mitwirkungspflichten nach §
60 SGB I be-stehen gemäß §
65 Abs.
1 SGB I nicht, soweit ihre Erfüllung nicht in einem ange-messenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer
Er-stattung steht (Nr. 1) oder ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden (Nr. 2) oder
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen
Kenntnisse selbst beschaffen kann (Nr. 3).
Die angefochtene Versagensentscheidung ist schon aufgrund von Ermessensfehlern des Beklagten rechtswidrig. Das Gesetz räumt
den Verwaltungsträgern in §
66 Abs.
1 Satz 1
SGB I ("kann") einen Entscheidungsspielraum ein, den die Gerichte zu ach-ten haben. Gemäß §
54 Abs.
2 Satz 2
SGG dürfen sie nur prüfen, ob die Verwaltung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer
dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, maW, ob sie die ihr durch das Verwaltungsverfahrensrecht
(vgl §
39 Abs
1 Satz 1
SGB I) auferlegte Verhaltenspflicht beachtet haben, ihr Ermessen entspre-chend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen
Grenzen des Ermessens einzuhalten. Liegen also - wie hier - keine sog Vorermessensfehler, die der vollen gerichtlichen Kontrolle
nach §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG unterliegen, vor, be-schränkt sich die gerichtliche Prüfung darauf, ob der Leistungsträger seiner Pflicht zur Ermessensbetätigung
nachgekommen ist (falls nein: Ermessensnichtgebrauch), ob er mit dem Ergebnis seiner Ermessensbetätigung, dh mit seiner Ermessensent-scheidung,
die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, dh eine nach dem Gesetz nicht zugelassene Rechtsfolge gesetzt (ggf:
Ermessensüberschreitung) und ob er von dem Ermessen (und hier liegt der Entscheidungsfreiraum der Verwal-tung) in einer dem
Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Abwägungsdefizit, Ermessensmissbrauch; zum Vorstehenden
schon BSG SozR 3-1300 § 50 Nr 16, jeweils mwN).
Zur Ermessensausübung ist der Leistungsträger verfahrensrechtlich verpflichtet; in-soweit steht ihm kein Entscheidungsspielraum
zu. Gegenstand dieser sog Eingangs-prüfung hat zu sein, welche Handlungsmöglichkeiten der Verwaltung im konkreten Fall eröffnet
sind, den Zweck der Ermächtigungsnorm zu verwirklichen oder zu för-dern. Ob der Beklagte seine rechtlichen Handlungsmöglichkeiten
erkannt und sich nicht schon vorab bei Nichtvorlage der erbetenen Unterlagen für eine Versagung von KdUH-Leistungen entschieden
hatte, wofür das Aufforderungsschreiben vom 5. Au-gust 2014 ("ab dem 01.09.2014 versagt werden") sprechen könnte, kann dahinste-hen.
Er hat dieses Ermessen jedenfalls nicht dadurch überschritten, dass er eine vom Gesetz nicht zugelassene Rechtsfolge gesetzt
hätte. Der Beklagte hat aber sei-nen Entscheidungsspielraum nicht "entsprechend dem Zweck der Ermächtigung" ausgefüllt.
Der Schutzzweck der Entziehungsermächtigung rechtfertigt gerade aufgrund des in dieser Vorschrift eingeräumten Ermessens rechtlich
nicht von vornherein in jedem Fall eine (völlige oder teilweise) Versagung der Leistung; in die Abwägung zwischen dem og Interesse
der Versichertengemeinschaft bzw der Allgemeinheit am Schutz vor Nachteilen einerseits und dem Interesse eines materiell Berechtigten,
der nicht mitgewirkt hat, die Leistung weiterhin ungeschmälert zu beziehen, sind besondere Umstände des Einzelfalles sowie
persönliche Verhältnisse des Berechtigten einzu-beziehen; dies gilt aber nur, soweit sie dem Leistungsträger "ohne weitere
Ermittlun-gen" bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens bekannt geworden sind. Ein solcher Umstand, nämlich dass der Kläger
- in dem hier in Rede stehenden Zeitraum augenscheinlich regelmäßig - an seine Mutter ("LILO") mtl 230,- EUR für den Verwen-dungszweck
"BK" zahlte, ergab sich indes aus den im Widerspruchsverfahren vom Kläger eingereichten Kontoauszügen. Dies hätte Anlass für
den Beklagten sein müs-sen, entsprechend nachzufragen, ggf auch bei der Mutter des Klägers, bevor er im Widerspruchsverfahren
seine Versagensentscheidung bestätigt, ohne hierauf ersicht-lich einzugehen.
Der Kläger hat im Hinblick auf die ihn treffende Mitwirkungspflicht hierzu im gerichtli-chen Verfahren ergänzend vorgetragen,
er könne die vom Beklagten geforderten Nachweise nicht erbringen, da er über entsprechende Belege nicht verfüge, sondern mtl
eine Pauschale iHv 230,- EUR "für sämtliche grundstücksbezogenen Kosten", zu deren Tragung er anteilig verpflichtet sei, an
seine Mutter entrichte. Entsprechende Zahlungen des Klägers sind auch nachweislich erfolgt. Es handele sich "quasi um eine
Art Mietvertrag". Sollte dieses Vorbringen zutreffen, was hier dahinstehen kann, wäre dem Kläger ggf die Erfüllung der ihm
auferlegten Mitwirkungspflicht (Vorlage von Nachweisen über die Unterkunftskosten) schon nicht möglich gewesen bzw wäre ggf
durch eine Mitwirkungspflicht nach §
60 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB I (Zustimmung durch Auskunftserteilung durch die Mutter) ersetzt worden, zu deren Durchsetzung indes eine entsprechende Aufforderung
durch den Beklagten nicht ergangen ist.
Die Leistungsklage ist hingegen bereits unzulässig. Wendet sich der Bürger gegen die Versagung einer Sozialleistung mangels
Mitwirkung, so hat er über die Aufhe-bung des Versagensbescheids hinaus regelmäßig kein schützenswertes Interesse an einer
gerichtlichen Entscheidung. Streitgegenstand eines solchen Rechtsstreits ist nicht der materielle Anspruch, sondern die Auseinandersetzung
über Rechte und Pflichten der Beteiligten im Verwaltungsverfahren. Die Verpflichtung der Behörde zur nochmaligen Entscheidung
ergibt sich bei der Aufhebung des Versagensbescheides - wie hier - von selbst. Die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen
für eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass lediglich die isolierte Anfechtung des Versagensbescheides statthaft ist, liegen
nicht vor (vgl hierzu BSG USK 87161; BSG SozR 1200 § 66 Nr 13; BSG SozR 4-1200 §
66 Nr 1; vgl auch BVerwGE 71, 8, 11 = Buchholz 435.11 §
66 SGB I Nr 1). Für diese Rechtsprechung werden Gründe der Prozessökonomie und des effektiven Rechtsschutzes angeführt. Eine zusätzliche
Klage auf Leistungsgewährung ist danach zulässig, wenn die anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen zwischen den
Beteiligten unstreitig ist oder vom Klä-ger behauptet wird. Eine derartige Situation liegt hier nicht vor. Es ist zwischen
den Beteiligten nicht unstreitig gewesen, dass die Leistungsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Alg II vorliegen, denn
der Kläger bestreitet durch sein Vorbringen, maßgebend für die KdUH könne nur eine mit seiner Mutter getroffene Pauschalabre-de
iHv mtl 230,- EUR sein, die Entscheidungserheblichkeit der von dem Beklagten be-gehrten Informationen. Ebenso wenig hat der
Kläger behauptet, die Anspruchsvo-raussetzung der Hilfebedürftigkeit sei anderweitig geklärt, zB weil dem Beklagten die KdUH
auf andere Weise bekannt geworden wären. Schließlich hat der Kläger nicht einmal dargelegt, dass die übrigen Voraussetzungen
des § 7 SGB II für einen An-spruch auf Alg II (unstreitig) geklärt waren. Auch der Fall, dass sich bei einer Aufhe-bung der Entscheidung
über die Versagung wegen fehlender Mitwirkung nach §
66 SGB I das bisherige Verwaltungsverfahren lediglich wiederholen würde und im Er-gebnis der Beklagte die Leistung in der Sache voraussichtlich
mit der gleichen Be-gründung ablehnen würde (vgl BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 78/08 R - Rn 16), liegt nicht vor. Denn aufgrund des jetzigen Vorbringens des Klägers kommt es ggf auf den Nachweis konkreter (anteiliger)
KdUH gar nicht an, sollte es tatsächlich so sein, dass er hinsichtlich der Betriebskosten "quasi eine Art Mietvertrag" mit
seiner ebenfalls in dem Haus lebenden Mutter geschlossen habe. Diesbezüglich wären im wieder eröffneten Verwaltungsverfahren
weitere Ermittlungen zB durch Befragung der Mutter durchzuführen. Soweit entsprechende Ermittlungen nicht durchgeführt werden,
dürfte auch eine Beweislastentscheidung zulasten des Klägers nicht statthaft sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.