SGB-II-Leistungen
Übernahme von durch einen Umzug entstandenen Kosten für einen Telefon- und Internetanschluss
Anerkanntes Grundbedürfnis
Kein Regelbedarf
Gründe:
I.
Streitig ist die Übernahme von dem Kläger durch einen Umzug entstandenen Kosten für einen Telefon- und Internetanschluss.
Der 1946 geborene, seinerzeit im Arbeitslosengeld II-Bezug stehende Kläger zog aufgrund einer Kostensenkungsaufforderung des
Beklagten zum 1. Juli 2010 in die im Rubrum bezeichnete Unterkunft, zu deren Aufwendungen der Beklagte eine Zusicherung erteilt
hatte. Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den Umzug in die nach seiner Auffassung angemessen teure Wohnung zudem einen
Gutschein für die Umzugskosten (Bescheid vom 10. Mai 2010) sowie ein Darlehen für die Mietkaution (Bescheid vom 7. Mai 2010).
Am 3. August 2010 beantragte der Kläger ua die Übernahme der Kosten für die Bereitstellung einer DSL-Leitung und eines Festnetzanschlusses
in der neuen Wohnung iHv 50,37 EUR (Rechnung der Telekom Deutschland GmbH - TD - vom 6. Juli 2010), die er zeitnah beglichen
hatte. Die DT hatte sich insoweit bereit erklärt, den Vertrag über Telefon- und Internetanschluss in der bisherigen Wohnung,
der auf Rechnung des Klägers von einer Verwandten (M) abgeschlossen worden und frühestens zum 17. Oktober 2010 kündbar gewesen
war, zum 30. Juni 2010 bei gleichzeitigem Neuabschluss eines Zwei-Jahres-Vertrags (Call & Surf Comfort Universal) für die
neue Wohnung zu beenden. Der Beklagte gewährte diverse Renovierungskosten, lehnte die Übernahme der Kosten für die Bereitstellung
eines Telefon- und Internetanschlusses jedoch mit dem Hinweis ab, dass solche Kosten nach § 22 Abs. 3 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) nicht erstattungsfähig seien. Sie stellten auch keine Erstausstattung dar (Bescheid vom 9. August 2010 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2010).
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat den Beklagten unter Änderung des genannten Bescheides mit Urteil vom 22. Oktober 2013 verurteilt, dem Kläger
die geltend gemachten Bereitstellungskosten iHv 50,37 EUR zu zahlen und die Berufung zugelassen. Rechtsgrundlage hierfür sei
§ 22 Abs. 3 Satz 1 Halbs 1 SGB II in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (aF). Die Kosten seien auch notwendig und angemessen gewesen. Das in § 22 Abs. 3 SGB II aF dem Beklagten eingeräumte Ermessen sei im Hinblick auf den von ihm veranlassten Umzug auf Null reduziert gewesen.
Der Beklagte begründet seine Berufung mit einem Verstoß gegen § 22 Abs. 3 SGB II aF. Kosten, die nur anlässlich eines Umzugs oder im zeitlichen Zusammenhang mit diesem beim Leistungsberechtigten entstünden
und auch nicht unvermeidbar seien, seien hiervon nicht umfasst.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG für zutreffend.
II.
Der Senat hat gemäß §
153 Abs.
4 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) die Berufung des Beklagten durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und
eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl. §
153 Abs.
4 Satz 2
SGG).
Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet.
Richtige Klageart hinsichtlich des vom Kläger verfolgten Begehrens - Aufhebung der Ablehnung seines Antrags auf Übernahme
der von ihm aufgewendeten Kosten für die Bereitstellung des Telefon- und Internetanschlusses und Verurteilung des Beklagten
zur Zahlung dieser Kosten - ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl §
54 Abs
1, 4
SGG). Wenn eine leistungsberechtigte Person sich die beantragte Leistung zwischenzeitlich selbst beschafft hat und nur noch um
die Erstattung der dafür aufgewendeten Kosten gestritten wird, ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage die allein
zulässige Klageart (siehe zum Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuletzt BSG, Urteil vom 10. August 2016 - B 14 AS 58/15 R - juris - Rn 11; BSG, Urteil vom 6. August 2014 - B 4 AS 37/13 R - juris - Rn 10 ff mwN; grundlegend BSG, Urteil vom 21. November 1991 - 3 RK 17/90 = SozR 3-2500 § 13 Nr 2; Urteil vom 28. Januar 1999 - B 3 KR 4/98 R = BSGE 83, 254, 263 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1). Dies gilt erst recht bei der vorliegend gegebenen Konstellation, in der sich der Kläger den
Telefon- und Internetanschluss selbst beschafft und die angefallenen Kosten genau beziffert hat (vgl BSG, Urteil vom 10. August 2016 - B 14 AS 58/15 R - aaO.).
Die Klage ist auch im Übrigen statthaft. Wohnungsbeschaffungs- oder Umzugskosten gemäß § 22 Abs. 3 SGB II aF bzw § 22 Abs. 6 SGB II in der seit 1. Januar 2011 geltenden Fassung stellen einen eigenständigen abtrennbaren Streitgegenstand dar (vgl BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 14 AS 7/09 R = BSGE 106, 135 = SozR 4-4200 § 22 Nr 37, Rn 11. Auch die Sonderbedarfe gemäß § 24 SGB II erlauben eine abgetrennte Entscheidung (vgl BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 - B 14 AS 75/10 R = SozR 4-4200 § 23 Nr 11 Rn 9). Insofern ist über den betroffenen Streitgegenstand in dem angefochtenen Bescheid eine isolierte
Regelung getroffen worden, die nicht davon abhängt, in welcher Höhe dem Kläger im Übrigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
gemäß §§ 19 ff SGB II zustehen (vgl BSG Urteil vom 6. Mai 2010 - B 14 AS 7/09 R - aaO.). Der mögliche Anspruch auf Übernahme der geltend gemachten Kosten hängt allein davon ab, dass dem Kläger überhaupt
dem Grunde nach Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zustehen; hiervon ist ohne weiteres auszugehen, da der Kläger
im maßgebenden Zeitpunkt erwerbsfähig und hilfebedürftig war.
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Bereitstellung seines Telefon-
und Internetanschlusses iHv 50,37 EUR. Nach § 22 Abs. 3 SGB II aF (wortgleich mit § 22 Abs. 6 SGB II) können Kosten für Wohnungsbeschaffung, die Mietkaution und Umzug bei entsprechender Zusicherung des jeweils zuständigen
kommunalen Trägers übernommen werden. Eine Zusicherung als Voraussetzung für die Kostenübernahme hat hier - was zwischen den
Beteiligten nicht streitig ist - vorgelegen. Nach dieser aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 3 SGB II aF sich ergebenden Beschränkung besteht kein Anspruch auf Übernahme der Kosten eines jedweden Umzugs. Die Erteilung der Zusicherung
steht im Ermessen des Trägers; sie "soll" nur dann erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder
aus anderen Gründen notwendig ist. Nur bei Vorliegen der genannten Umzugsgründe besteht ein Anspruch auf die Zusicherung.
Vorliegend ist der Beklagte wegen des von ihm letztlich veranlassten Wohnungswechsels aufgrund zu hoher Kosten der früheren
Wohnung zu Recht von einem notwendigen Umzug ausgegangen und hat entsprechend seiner Zusicherung die Übernahme der Umzugskosten
und die darlehensweise Gewährung der Mietkaution ausgesprochen.
Übernommen werden nach § 22 Abs. 3 SGB II aF die Kosten für den Umzug. Umzugskosten sind nur solche Kosten, die unmittelbar durch den Umzug verursacht werden und nicht
solche, die damit lediglich in Zusammenhang stehen (vgl BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 49/07 R - juris - Rn 14) Diese Begrenzung wurde nach der Systematik des Gesetzes für notwendig erachtet, weil im Falle eines Umzugs
auf Veranlassung des Trägers dadurch entstehende Umzugskosten bereits von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II umfasst werden. Wenn der Gesetzgeber dennoch auch für den Fall des vom Träger veranlassten Umzugs eine eigene Regelung geschaffen
hat, ist es im Interesse einer klaren Abgrenzung zu den Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II geboten, die Aufwendungen für den Umzug auf solche Kosten zu beschränken, die einmalig durch die besondere Bedarfslage "Umzug"
verursacht werden. Berücksichtigungsfähige Unterkunftskosten iS des § 22 Abs. 3 SGB II aF (bzw jetzt § 22 Abs. 6 SGB II sind etwa Transportkosten, Kosten für eine Hilfskraft, Benzinkosten und Verpackungsmaterial sowie für den Fall, dass der
Leistungsberechtigte den Umzug wegen einer Behinderung nicht selbst vornehmen oder durchführen kann, auch die Übernahme der
Aufwendungen für einen gewerblich organisierten Umzug (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 14 AS 7/09 R = BSGE 106, 135 = SozR 4-4200 § 22 Nr 37, Rn 19).
Ausgehend von der Definition von Umzugskosten als Kosten, die einmalig durch die besondere Bedarfslage "Umzug" verursacht
werden, sind indes auch die - angemessenen - Kosten für die Bereitstellung des Telefon- und Internetanschlusses heutzutage
als Kosten in dieser Lebenslage zu qualifizieren, die vom Wortlaut und Sinn und Zweck des § 22 Abs. 3 SGB II aF bzw § 22 Abs. 6 SGB II umfasst sind (vgl BSG, Urteil vom 10. August 2016 - B 14 AS 58/15 R - Rn 19), wohingegen eine Zuordnung zu den Leistungen der Erstausstattung einer Wohnung ausscheidet (vgl BSG aaO. Rn 20). Nach heutiger Auffassung ist ein Telefon- und Internetanschluss notwendig, um nach einem Umzug die Kommunikation
mit anderen Menschen, Behörden, Banken usw aufrecht zu erhalten. Diese Kommunikation stellt ein vom Gesetzgeber anerkanntes
Grundbedürfnis dar, wie die Aufnahme der Abteilung 8 (Nachrichtenübermittlung) in die Ermittlung der Regelbedarfe zeigt, ohne
dass diese Kosten, die einmalig in bestimmten Lebenslagen - wie vorliegend durch den Umzug - entstehen, selbst zum Regelbedarf
gehören (vgl BSG aaO. Rn 19).
Die Kosten iHv 50,37 EUR waren vorliegend auch angemessen. Der Senat nimmt in entsprechender Anwendung von §
153 Abs.
2 SGG insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil (S 7 Abs. 4 Zeile 1 bis S 9 Abs. 1 letzte Zeile) Bezug und sieht von weiteren Ausführungen ab.
Der Kläger war auch zumindest im Innenverhältnis zu M zur Zahlung der Bereitstellungsgebühr verpflichtet und hat diese auch
an M gezahlt.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.