Gründe:
I. Der Kläger begehrt die Zulassung der Berufung im Wege des Beschwerdeverfahrens. Streitig sind die Aufhebung und Erstattung
von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01. Januar
2005 bis 31. Juli 2006 in Höhe von 561,00 EUR (Differenz zwischen Regelleistungen für Alleinstehende und Mitglieder einer
Bedarfsgemeinschaft).
Der 1955 geborene Kläger und die 1958 geborene M Karl (vormals N) sind Eltern eines 1979 geborenen Kindes. Im Antrag auf Gewährung
von Leistungen nach dem SGB II vom 22. November 2004 gab der Kläger an, dass er alleinstehend sei und mit Frau M N in Wohngemeinschaft
lebe; sie führten keinen gemeinsamen Haushalt und wirtschafteten nicht aus einem Topf (Erklärung des Klägers vom 17. November
2004). Der Beklagte bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. Juli 2006 Leistungen nach dem SGB II jeweils
auf der Grundlage von Regelleistungen für Alleinstehende. Am 29. September 2006 schlossen der Kläger und Frau K die Ehe.
Nach Anhörung vom 14. November 2006 hob der Beklagte mit Bescheid vom 7. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27. April 2007 seine Entscheidungen vom 7. Dezember 2004, 6. Mai 2005, 20. September 2005 und 10. April 2006 über die
Bewilligung von Leistungen teilweise in Höhe von monatlich 33,00 EUR für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. August 2005
und 01. November 2005 bis 30. Juni 2006 sowie in Höhe von 34,00 EUR für die Zeit vom 01. bis 31. Juli 2006 auf mit der Begründung,
dass der Kläger laut Auskunft des Einwohnermeldeamtes bereits seit 1993 in verschiedenen Wohnungen mit Frau K zusammenlebe.
Im Fragebogen zur Überprüfung des Vorliegens einer eheähnlichen Gemeinschaft vom 12. April 2005 habe er angegeben, dass dies
die erste gemeinsame Wohnung sei. Die Bewilligung sei erfolgt, weil der Kläger in seinem Antrag zumindest grob fahrlässig
falsche Angaben gemacht habe. Von Beginn des Leistungsbezuges an habe eine eheähnliche Gemeinschaft vorgelegen. Hierfür spreche,
dass der Kläger mit seiner jetzigen Ehefrau bereits seit 1993 zusammenlebe und auch Mietverträge gemeinsam abgeschlossen worden
seien. Im Rahmen der Risikolebensversicherung des Klägers sei Frau K als Begünstigte angegeben. Die Befugnis zur teilweisen
Rücknahme folge aus § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Das zu Unrecht gezahlte Arbeitslosengeld II (Regelleistung) in Höhe von 562,00 EUR sei von dem Kläger nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.
Hiergegen hat der Kläger am 18. Mai 2007 bei dem Sozialgericht Potsdam Klage erhoben und zur Begründung u. a. ausgeführt,
dass er nur eine Wohngemeinschaft mit seiner Ehefrau gebildet habe. Sie hätten räumlich voneinander innerhalb der Zweizimmerwohnung
gelebt, weil er jahrelang erheblich dem Alkohol zugesprochen und im betrunkenen Zustand zu Gewalttätigkeiten geneigt habe.
Erst 2006 habe er den Konsum von Alkohol eingestellt und seine jetzige Ehefrau gebeten, sich mit ihm "zusammenschreiben zu
lassen".
Mit Urteil vom 12. Mai 2009 hat das Sozialgericht Potsdam den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 07. März 2007 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2007 insoweit aufgehoben, als darin eine Rückforderung von mehr als 561,00
EUR erhoben worden war. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Berufung im Tenor nicht zugelassen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Bewilligungsbescheide rechtswidrig begünstigende Verwaltungsakte seien, weil der
Kläger zum Zeitpunkt ihres Erlasses Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft gewesen sei. Damit sei er nicht im bewilligten Umfang
hilfebedürftig gewesen. Er habe im streitgegenständlichen Zeitraum mit Frau K in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammengelebt.
Der Kläger könne sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Bewilligungsbescheide berufen, da diese auf Angaben
beruhten, die er grob fahrlässig bzw. sogar vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht habe (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Der Beklagte sei berechtigt, die Bewilligung eines Betrages in Höhe von 561,00 EUR aufzuheben und diesen zurückzufordern.
Dies bedeute eine Verringerung um einen EUR gegenüber der Forderung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 07. März
2007. Für Juli 2006 sei die Aufhebungsentscheidung des Beklagten um einen EUR zu verringern. Bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung habe der Kammer kein Änderungsbescheid zum Bewilligungsbescheid vom 10. April 2006 vorgelegen, in dem eine Anhebung
der Regelsatzleistungshöhe (zum 01. Juli 2006) erfolgt wäre. Die Pflicht zur Erstattung folge aus § 50 Abs. 1 SGB X. Die Berufung sei nicht zuzulassen. Eine grundsätzliche Bedeutung der Sache könne die Kammer nicht erkennen.
Gegen das ihm am 25. Mai 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Juni 2009 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt und zur Begründung u.a. ausgeführt: Das Sozialgericht habe den
Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 87, 265 nicht berücksichtigt, die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Beweislast (Urteil vom 27. Januar 2009, B 14 AS 6/08 R) negiert und die Persönlichkeit des Klägers und seiner Ehefrau herabgewürdigt.
Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 23. Juni 2009),
die Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung aufzuheben und die Berufung zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen
haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. Mai 2009
ist gemäß §
145 SGG zulässig, jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des Sozialgerichts
Potsdam über die Nichtzulassung der Berufung.
Die Berufung gegen das Urteil bedarf nicht der Zulassung (§
143 SGG). Denn das Rechtsmittel der Berufung ist nicht ausgeschlossen. Zwar übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes mit einem
Aufhebungs- und Erstattungsbetrag von 561,00 EUR nicht den Betrag von 750 EUR nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG. Jedoch betrifft die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Sinne (iS) des §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG, weil sich der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid auf die Bewilligungsabschnitte vom 01. Januar 2005 bis 31.
August 2005 (acht Monate) und vom 01. November 2005 bis 31. Juli 2006 (neun Monate) bezieht. Somit soll für Leistungen nach
dem SGB II für mehr als ein Jahr ein wirtschaftlicher Ausgleich geschaffen werden. Da die Berufung bereits kraft Gesetzes
statthaft ist, bedarf es keiner Entscheidung über deren Zulassung, so dass die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolglos
bleiben muss, soweit sie hierauf gerichtet ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Sozialgericht - in der
unzutreffenden Annahme der Zulassungsbedürftigkeit - die Berufung ausdrücklich nicht zugelassen und eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung
erteilt hat. Gleichwohl ist ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Aufhebung des unrichtigen Ausspruchs über die Nichtzulassung
der Berufung anzuerkennen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. April 2011, L 10 AS 1087/09 NZB, juris, mwN; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Auflage, §
145 Rn. 7c).
Für eine Umdeutung der Nichtzulassungsbeschwerde in eine Berufung ist kein Raum, da die Umdeutung eines eindeutig eingelegten,
aber unstatthaften Rechtsmittels in das zulässige Rechtsmittel ausscheidet (vgl. BSG, Urteile vom 11. Mai 1999, B 11/10 AL 1/98 R, vom 20. Mai 2003, B 1 KR 25/01 R, beide juris). Im Hinblick auf die Dauer der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde und den Ablauf der Jahresfrist
nach §
66 Abs.
2 SGG sieht sich der Senat ausnahmsweise zu dem Hinweis veranlasst, dass sich der Bescheid vom 7. März 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 27. April 2007 bei summarischer Prüfung jedenfalls hinsichtlich eines Aufhebungs- und Erstattungsbetrages
von 561,00 EUR als rechtmäßig erweist. Eine Berufung dürfte damit keine Aussicht auf Erfolg haben. Insbesondere dürften der
Kläger und seine jetzige Ehefrau im streitigen Zeitraum (01. Januar 2005 bis 30. Juni 2006) in einer eheähnlichen Gemeinschaft
iS des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II gelebt haben. Die Voraussetzungen für die rückwirkende teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligungen
dürften nach §§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II, 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch erfüllt sein. Die Pflicht zur Erstattung der zu Unrecht
erbrachten Leistungen dürfte aus § 50 Abs. 1 SGB X folgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG. Eine auch nur teilweise Erstattung der Kosten des Klägers für das Beschwerdeverfahren kommt nicht in Betracht. Es fehlt
an einer Rechtsgrundlage, die es ermöglichen würde, im Falle unrichtiger Sachbehandlung durch das Gericht, die in der fehlerhaften
Behandlung der Frage der Zulassungsbedürftigkeit der Berufung liegt, entstandene außergerichtliche Kosten eines der Beteiligten
einem anderen Beteiligten oder, was näher liegt, der Staatskasse aufzuerlegen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom
11. Mai 2007, L 9 KR 205/04 NZB, juris).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).