Gründe:
Die zulässige Beschwerde (§
172 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) des Antragsgegners ist begründet. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Antragsteller nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II) von Leistungen ausgeschlossen. Er ist lettischer Staatsangehöriger, geboren am 8. Dezember 1972, nach seinen Angaben 2012
in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hat hier nach seinen Angaben nie gearbeitet und kann sich daher allein auf
ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche (§ 2 Freizügigkeitsgesetz/EU) berufen, welches zum Leistungsausschluss führt.
Das Sozialgericht Berlin hat im Beschluss vom 8. April 2020 verkannt, dass die Voraussetzungen der "Rückausnahme" vom Ausschluss
nach § 7 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB II nicht vorliegen. Danach erhalten Ausländer dann Leistungen, wenn sie seit mindestens 5 Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt
im Bundesgebiet haben. Die Frist beginnt mit der Meldung bei der zuständigen Meldebehörde.
Nach der vorliegenden Auskunft des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 19. März 2020 hat der Antragsteller
sich erstmals am 21. März 2013 bei der Meldebehörde mit einer Wohnung in Berlin Marzahn-Hellersdorf gemeldet. Nach dieser
Auskunft ist er aber am 3. Mai 2014 aus einer anderen Wohnung ebenfalls in Berlin Marzahn-Hellersdorf ausgezogen, es liegt
eine Abmeldung nach unbekannt mit diesem Datum vor.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 5 SGB II muss sich ein fünfjähriger Aufenthalt aber an die erstmalige Meldung bei der Meldebehörde anschließen, eine Abmeldung bewirkt,
dass die Fünfjahresfrist nicht mehr läuft. Vielmehr müsste sich der Antragsteller erneut bei der zuständigen Meldebehörde
anmelden, um die Dauer eines fünfjährigen gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet zu erreichen.
Nach Auffassung des Senats belegt schon der Wortlaut von § 7 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB II, dass eine Meldung bei den zuständigen Behörden während der gesamten Dauer des gewöhnlichen Aufenthalts vorliegen muss, wobei
kürzere Unterbrechungen aus verschiedensten Gründen unschädlich sein könnten. Nur eine solche Auslegung entspricht auch dem
Sinn und Zweck des Meldeerfordernisses. Nur durch eine solche polizeiliche Meldung bleibt es jedenfalls im Grundsatz überprüfbar,
ob tatsächlich ein gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet vorliegt. Entfällt die Meldung wie im vorliegenden Fall, so wird
der Aufenthalt des Leistungsberechtigten unbekannt, die Überprüfbarkeit im Sinne öffentlich-rechtlicher Meldevorschriften
entfällt. Zutreffend hat der Gesetzgeber darauf hingewiesen, dass Ausländer mit der polizeilichen Meldung im Bundesgebiet
ihre Verbindung zu Deutschland dokumentieren, die Voraussetzung eines verfestigten Aufenthalts ist (Gesetzentwurf der Bundesregierung,
Drucksache 18/10211 vom 7. November 2016, B. zu Artikel 1 dort zu Nr. 2, Seite 14). Ist dem so, folgt daraus für den Senat
aber zwingend, dass das Entfallen der Meldung das genaue Gegenteil dokumentiert.
Der erkennende Senat folgt nicht dem Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. April 2017 (L 15 SO 353/16
B ER, Rdnr. 44, zitiert nach juris), nach welchem es -neben dem 5-jährigen Aufenthalt- ausreichen soll, dass ein Ausländer
sich überhaupt je einmal in der Bundesrepublik polizeilich gemeldet hat, sei es wie im vom 15. Senat entschiedenen Fall auch
mit einer offensichtlich unzutreffenden Meldung für eine Wohnung, die der Ausländer nie bewohnt hat. Die Entscheidung des
15. Senats verkennt insoweit offensichtlich, dass es sich bei einer polizeilichen Meldung nicht nur um eine Formalität handelt,
bei der der Meldepflichtige wahlweise richtige oder unrichtige Angaben machen kann, um Rechtswirkungen zu erzeugen. Das Personenstands-
und Einwohnerwesen dient öffentlichen Interessen an der Erfassung bestimmter Daten der Bevölkerung und ist keineswegs bürokratischer
Selbstzweck. Auch im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 4, 5 SGB II kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber eine einmalige, möglicherweise nur wenige Tage dauernde Meldung beim Einwohnermeldeamt
als Voraussetzung für die Begründung eines zum Leistungsbezug führenden Rechtes nach 5-jährigem Aufenthalt ausreichen lassen
wollte.
Damit ist es keinesfalls ausreichend, dass sich ein Antragsteller überhaupt einmal in der Bundesrepublik Deutschland angemeldet
hat. Vielmehr ist entscheidend, dass die Meldung inhaltlich zutreffend ist und zum anderen aufrechterhalten wurde. An letzterem
fehlt es wegen der Abmeldung zum 3. Mai 2014, so dass ein im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II beachtlicher fünfjähriger gewöhnlicher Aufenthalt nicht vorliegt.
Selbst wenn der Senat es grundsätzlich für möglich halten würde, dass nach einer inhaltlich zutreffenden auch nur kurzfristigen
Meldung bei der zuständigen Meldebehörde ein im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II beachtlicher fünfjähriger gewöhnlicher Aufenthalt ohne polizeiliche Meldung begründet werden könne, so lägen dessen Voraussetzungen
nicht vor. Der Antragsteller verfügt über keinen Wohnsitz. Er ist obdachlos. Es ist damit praktisch unmöglich festzustellen,
wo er sich im Zeitraum ab dem 3. Mai 2014 aufgehalten hat. In diesem Zusammenhang ist es insbesondere nicht ausreichend, eine
lediglich wenige Zeilen umfassende Bestätigung einer Tagesstätte für wohnungslose Menschen vorzulegen, in der behauptet wird,
der Antragsteller suche den Treff regelmäßig drei- bis fünfmal pro Woche auf. Wird bedacht, dass der Gesetzgeber im hiesigen
Zusammenhang den gewöhnlichen Aufenthalt an eine öffentlich-rechtliche Meldebescheinigung geknüpft hat, so erhellt sich, dass
an deren Stelle nicht ohne weiteres eine private Erklärung treten kann. Dabei kann der Senat offenlassen, ob im vorliegenden
Zusammenhang ein Obdachloser überhaupt einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen kann oder ob durch die von ihm aufrechterhaltene
Obdachlosigkeit nicht eher dokumentiert wird, dass der betreffende Mensch sich jegliche Freiheiten zu einem Ortswechsel aufrechterhalten
will und am jeweiligen Ort nur vorübergehend verweilt. Nach §
30 Abs.
3 Satz 2 Sozialgesetzbuch/Erstes Buch (
SGB I) hat eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt aber dort, wo sie nicht nur vorübergehend verweilt. Weitere Ermittlungen in
diesem Zusammenhang sind im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ohnehin nicht angezeigt.
Damit steht fest, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat.
Nicht zu entscheiden war vorliegend, ob der Antragsteller möglicherweise Leistungen nach dem SGB XII (Sozialhilfe durch das Bezirksamt) geltend machen kann. Dies wird der Antragsteller mit einem Antrag an das Bezirksamt klären
müssen, der nach dem Schriftsatz seines Bevollmächtigten am 28. April 2020 auch gestellt wurde.
Eine Beiladung des Sozialhilfeträgers im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren kommt nicht in Betracht, da das
Verfahren hier in der Beschwerde entscheidungsreif ist und nicht ersichtlich ist, warum dieses entscheidungsreife Verfahren
durch ein Antragsverfahren bei einer anderen Behörde verzögert werden sollte. Der Antragsteller kann ohne weiteres gegen die
zu erwartende Entscheidung des Bezirksamtes vorgehen, wenn diese gegen ihn ausfallen sollte. Ihm bleiben damit alle Instanzen
vor den für das Sozialhilferecht zuständigen Kammern und Senaten erhalten, die ihm durch eine Beiladung im vorliegenden Verfahren
genommen würden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war schon deshalb zu bewilligen, da der Antragsgegner in die Beschwerde gegangen
ist (§
73 a SGG i. V. m. §
119 Satz 2
Zivilprozessordnung -
ZPO). Die Erfolgsaussicht der Beschwerde war daher nicht zu prüfen.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).