Berechnung der Regelaltersrente für Bestandsrentner, Vergleichsrente bei Rentenüberleitung, Verfassungsmäßigkeit
Gründe:
I. Streitig ist die Höhe der dem Kläger gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und daran anschließend auch die Höhe der
gezahlten Regelaltersrente.
Der 1931 geborene Kläger war im Beitrittsgebiet bei der deutschen Volkspolizei beschäftigt und gehörte dort der Sonderversorgung
der Angehörigen der Deutschen Volkspolizei, der Organe der Feuerwehr und des Strafvollzugs (Anlage 2 Nr. 2 des Anspruchs-
und Anwartschaftsüberführungsgesetzes [AAÜG]) an. Ab dem 01. Juni 1989 bezog er eine Invalidenvollrente in Höhe von 1.440,-
Mark. Diese Rente wurde zum 01. Januar 1992 nach dem ab diesem Zeitpunkt geltenden neuen Rentenrecht des Sozialgesetzbuch
Sechstes Buch (
SGB VI) umgewertet und angepasst und als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit weitergezahlt. Seit dem 01. Oktober 1996 bezieht der Kläger
eine Regelaltersrente, die ihm mit Bescheid vom 15. Oktober 1996 gewährt wurde.
Im Rahmen eines bei dem Sozialgericht Berlin - S 7 An 5435/97 - geführten Verfahrens wegen der Höhe der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
schlossen die Beteiligten einen verfahrensbeendenden Vergleich, in dem sich die Beklagte u. a. verpflichtete, die Rente des
Klägers für Leistungszeiträume ab dem 01. Juli 1990 nach Maßgabe der bis zum 30. Juni 2001 vom Gesetzgeber zu erlassenden
verfassungsgemäßen Regelung des §
307 b Abs.
1 SGB VI unter Außerachtlassung des § 44 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) neu zu berechnen.
In Ausführung des Vergleichs stellte die Beklagte mit Bescheid vom 31. August 2001 die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach
den Vorschriften des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes (AAÜG-ÄndG) vom 27. Juli 2001 neu fest. Der Rentenberechnung wurden ab dem 01. Juli 1993 72,3250 persönliche Entgeltpunkte (Ost)
- EP - zugrunde gelegt, die durch die Vergleichsberechnung nach §
307 b Abs.
3 SGB VI ermittelt wurden. Die aus der gesamten Versicherungszeit ermittelten EP betrugen 66,3960.
Mit weiterem Bescheid vom 14. September 2001 berechnete die Beklagte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auch für den Zeitraum
vom 01. Juli 1990 bis zum 30. Juni 1993 neu. Die für die Vergleichsrente ermittelten EP ergaben keine höhere Rente.
Weiterhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Oktober 2001 die Regelaltersrente nach den Regelungen des 2. AAÜG-ÄndG ab Rentenbeginn neu fest. Die Höhe bestimmte sich nach den gemäß §
88 Abs.
1 Satz 2
SGB VI besitzgeschützten EP in Höhe von 72,3250.
Mit seinen gegen die Neufeststellungsbescheide eingelegten Widersprüchen machte der Kläger u. a. geltend, für die Zeit vom
01. Januar 1969 bis zum 28. Februar 1971 seien fälschlicherweise nur 600,- Mark monatlich bzw. 7.200,- Mark jährlich als Arbeitseinkommen
berücksichtigt worden, obwohl er ein höheres Einkommen gehabt habe. Er habe Anspruch auf Anrechung seines Arbeitseinkommens
bis zur Beitragsbemessungsgrenze.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2002 zurück.
Der Kläger hat mit seiner dagegen bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage sein Begehren, eine höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
und eine höhere Regelaltersrente zu erreichen, weiterverfolgt. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt
und vertieft.
Mit Bescheid vom 17. Mai 2002 hat die Beklagte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 01. Juli 1993 neu berechnet. Die
Neuberechnung der Vergleichsrente hat 77,7954 EP ergeben, die der Rentenberechnung zugrunde gelegt worden sind.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2002 hat die Beklagte anschließend auch die Regelaltersrente neu berechnet. Die Höhe hat sich nach
den nach §
88 Abs.
1 Satz 2
SGB VI besitzgeschützten 77,7954 EP bemessen.
Durch Urteil vom 18. April 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Bescheide vom
14. September 2001 und 17. Mai 2002, der den Bescheid vom 31. August 2001 ersetze, sowie der Bescheid vom 27. Mai 2002, der
wiederum den vorhergehenden Bescheid vom 30. Oktober 2001 ersetze, seien rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine
höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 01. Januar 1992 bis zum 30. September 1996 und auf eine höhere Regelaltersrente
ab dem 01. Oktober 1996.
Die Berechnung der Vergleichsrente richte sich nach §
307 b SGB VI. Danach sei weder die Begrenzung der in die Vergleichsberechnung nach §
307 b Abs.
3 Nr.
3 SGB VI einzubeziehenden Arbeitsentgelte auf 600,- Mark monatlich für die Zeit vor dem 01. März 1971, noch die für den Leistungszeitraum
vom 01. Juli 1990 bis zum 30. Juni 1993 vorgenommene Begrenzung der erzielten Arbeitsentgelte nach § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungsergänzungsgesetzes (RüErgG) rechtlich zu beanstanden.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des §
307 b Abs.
3 Nr.
3 SGB VI sei für die Beitragszeiten vor dem 01. März 1971 das Arbeitsentgelt nur bis zu einer Höhe von 600,- Mark monatlich zu berücksichtigen.
Dies gelte auch im Fall von sonder-/zusatzversorgten Bestandsrentnern, denn die Vorschrift gelte allein für diesen Personenkreis.
Der Gesetzgeber habe mit der Regelung allein den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in seinem Urteil vom 28.
April 1999 (BVerfGE 100, 104) Rechnung getragen, das eine Ungleichbehandlung zwischen sonder- und zusatzversorgten Bestandsrentnern gegenüber Bestandsrentnern
der Sozialpflichtversicherung und der FZR darin gesehen habe, dass letzteren gemäß §
307 a SGB VI eine Rente aus den letzten 20 Versicherungsjahren berechnet werde, während zusatzversorgten Bestandsrentnern die Rente aus
der gesamten Erwerbsbiographie berechnet werde. Durch die begehrte Einstellung von monatlichen Verdiensten oberhalb von 600,-
Mark für Zeiten vor dem 01. März 1971 würden zusatzversorgte Bestandsrentner gegenüber den anderen Bestandsrentnern eindeutig
besser gestellt, ohne dass eine solche Besserstellung nach der Rechtsprechung des BVerfG mit Blick auf Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) geboten sei.
Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Rente für die Zeit vom 01. Januar 1992 bis zum 30. Juni 1993,
insbesondere könne er nicht die Vergleichsrente unter Zugrundelegung der ungekürzten Arbeitsentgelte beanspruchen. Als die
Summe der Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen i. S. des §
307 b Abs.
3 Nr.
3 SGB VI könnten nur die Verdienste verstanden werden, die rentenversicherungsrechtlich überhaupt anrechenbar seien. Dies seien für
Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem die nach §
259 b Abs.
1 Satz 1
SGB VI nur die nach dem AAÜG anrechenbaren Entgelte, für den Zeitraum vom 01. Januar 1992 bis zum 30. Juni 1993 also nur die gemäß § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des RüErgG begrenzten Entgelte. Denn diese Fassung habe bis zum 30. Juni 1993 gegolten, erst danach sei sie
wegen Verfassungswidrigkeit nicht mehr anzuwenden gewesen. Das BVerfG habe in seiner Entscheidung vom 28. April 1999 eindeutig
ausgesprochen, dass diese Regelung noch bis zum 30. Juni 1993 verfassungsrechtlich hingenommen werden könne. Das 2. AAÜG-ÄndG habe an dieses Urteil angeknüpft und dementsprechend Änderungen nur für den Zeitraum ab dem 01. Juli 1993 geschaffen.
Diese Entscheidung müsse auch bei der nach §
307 b Abs.
3 Nr.
3 SGB VI zu berechnenden Vergleichsrente beachtet werden.
Die Regelaltersrente sei ebenfalls zutreffend berechnet worden. Bei der Berechnung der Rente seien die aus der Vergleichsrente
der Erwerbsunfähigkeitsrente ermittelten EP gemäß §
88 SGB VI auch bei der Regelaltersrente zu berücksichtigen gewesen. Einen Anspruch auf Erhöhung dieser der Vergleichsrente entnommenen
EP habe der Kläger aus den oben genannten Gründen nicht.
Für das Begehren, seine in der Sonderversorgung der deutschen Volkspolizei erworbenen Ansprüche als Höherversicherung anzuerkennen,
fehle es an einer Rechtsgrundlage, insbesondere finde §
269 SGB VI keine Anwendung.
Zur Begründung der gegen das Urteil eingelegten Berufung führt der Kläger aus, mit den angefochtenen Bescheiden sei eine verfassungswidrige
Kappung seiner rechtmäßig erworbenen Rentenansprüche aus der überführten Höherversicherung für den Zeitraum vom 01. Dezember
1969 bis zum 28. Februar 1971 bei der Neufeststellung seiner Vergleichsrente vorgenommen worden. Das Urteil des Sozialgerichts
stehe in Widerspruch zu den Entscheidungen des BVerfGs vom 28. April 1999 und 23. Juni 2004.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. April 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 31.
August 2001, 14. September 2001 und 30. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2002 und der Bescheide
vom 17. Mai 2002 und 27. Mai 2002 zu verurteilen, ihm unter Berücksichtigung der in der Zeit vom 01. Januar 1969 bis zum 28.
Februar 1971 über 600,- Mark monatlich erzielten Arbeitsverdienste eine höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sowie eine höhere
Regelaltersrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit gerichtlichen Schreiben vom 29. Mai 2006 und 23. Mai 2008 sind die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung des
Senats durch Beschluss gemäß §
153 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) angehört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten
der Beklagten verwiesen.
II. Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss gemäß §
153 Abs.
4 SGG entscheiden, denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig aber unbegründet. Der Kläger hat, wie das Sozialgericht zutreffend
entschieden hat, keinen Anspruch auf die Gewährung einer höheren Rente, insbesondere nicht auf Berechnung der Vergleichsrente
unter Berücksichtigung von in der Zeit vom 01. Januar 1969 bis zum 28. Februar 1971 erzielten Arbeitsentgelten über 600,-
Mark.
Für den Kläger als ehemals sonderversorgtem Bestandsrentner bestimmt sich die Festsetzung der Rentenhöhe nach §
307 b SGB VI in der Fassung des 2. AAÜG-ÄndG.
Danach ist die Rente nach den Vorschriften des
SGB VI frühestens für die Zeit ab dem 01. Juli 1990 neu zu berechnen. Für die Zeit vom 01. Januar 1992 an ist eine Vergleichsrente
zu ermitteln. Die höhere der beiden Renten ist zu leisten.
Nach den von dem Kläger nicht beanstandeten Berechnungen der Beklagten bestimmt sich die Höhe der SGB-VI-Rente ab dem 01.
Juli 1990 auf der Grundlage von 65,9569 EP (Bescheid vom 14. September 2001) und ab dem 01. Juli 1993 auf der Grundlage von
66,3960 EP (Bescheid vom 31. August 2001 in der Fassung des Bescheids vom 17. Mai 2002). Bei der Vergleichsberechnung ergaben
sich für die Rentenbezugszeiten vom 01. Januar 1992 bis zum 30. Juni 1993 46,2880 EP, so dass ab dem 01. Januar 1992 die auf
der Grundlage von 65,9569 EP ermittelte höhere SGB-VI-Rente gezahlt wurde. Ab dem 01. Juli 1993 wurde bzw. werden sowohl die
Rente wegen Erwerbsunfähigkeit als auch die Regelaltersrente nach der höheren, auf der Grundlage von 77,7954 EP ermittelten
Vergleichsrente gezahlt.
Die Berechnung der Vergleichsrente ist nicht zu beanstanden. Der Kläger wendet sich dagegen, dass die Beklagte in Anwendung
des §
307 b Abs.
3 Nr.
3 Satz 2
SGB VI für die Zeit vom 01. Januar 1969 bis zum 28. Februar 1971 monatliche Arbeitsentgelte nur bis höchstens 600,- Mark monatlich
berücksichtigt hat.
Einen Anspruch auf Berücksichtigung höherer Arbeitsentgelte in diesem Zeitraum hat der Kläger nach dem eindeutigen Wortlaut
des Gesetzes jedoch nicht. Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die Vorschrift des §
307 b Abs.
3 Nr.
3 Satz 2
SGB VI verfassungswidrig ist. Der Senat folgt insoweit nach eigener Prüfung der Entscheidung des BSG vom 31. März 2004 - B 4 RA 11/03 R -, die den Beteiligten zur Kenntnis gebracht worden ist und auf die bereits das Sozialgericht seine Entscheidung gestützt
hat.
Danach liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.
3 Abs.
1 GG und gegen das Grundrecht auf Eigentum nach Art.
14 Abs.
1 GG nicht vor.
Die Neugestaltung des §
307 b SGB VI durch Art. 11 des 2. AAÜG-ÄndG, und zwar hier bezüglich der Vergleichsrente, bezweckt, die Rentenüberleitung innerhalb der Vorgaben des BVerfG im Urteil
vom 28. April 1999 (BVerfGE 100, 104, 132 ff. = SozR 3-2600 § 307 b Nr. 6) verfassungsgemäß auszugestalten. In dieser Entscheidung hat das BVerfG es teilweise
für unvereinbar mit Art.
3 Abs.
1 GG angesehen, dass Berechtigte u. a. aus Zusatzversorgungssystemen an Vergünstigungen für sonstige Bestandsrentner aus dem Beitrittsgebiet,
die verfassungsgemäß in §
307 a Abs.
2 Satz 1
SGB VI ausgestaltet sind, nicht teilhaben. Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab war allein Art.
3 Abs.
1 GG, da der Schutzbereich des Art.
14 Abs.
1 GG durch §
307 b SGB VI i. d. F. des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG), der Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Überprüfung war, nicht berührt
wurde (BVerfG, aaO., S. 127). Gleiches gilt für die Neufassung der Norm, soweit sie u. a. den Zusatzversorgungsberechtigten
erstmals neue Vergünstigungen, und zwar hier durch die neu eingefügte Regelung zur Vergleichsrente, einräumt. Diese Neuregelung
verletzt nicht Art.
3 Abs.
1 GG, da sie gerade verhindert, dass der ehemals Zusatzversorgungsberechtigte schlechter gestellt sein kann als die Bestandsrentner,
die vom Anwendungsbereich des §
307 a SGB VI erfasst werden; dies war nach der alten Fassung des §
307 b SGB VI bei einem kleinen Teil der ehemals Versorgungsberechtigten möglich.
Dem nicht näher begründeten Einwand des Klägers, dass dieses Urteil des BSG die Entscheidung des BVerfG vom 28. April 1999
grob missachte, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das BVerfG hat eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des
BSG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG 1. Senat 3. Kammer, Beschluss vom 08. September 2004 - 1 BvR 1632/04 - sowie weiterer Beschluss vom 03. September 2007 - 1 BvR 1935/07 -).
Eine Missachtung der Entscheidung des BVerfG vom 23. Juni 2004 - 1 BvL 3/98, 1 BvL 9/02 und 1 BvL 2/03 - vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen, denn wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, betrifft sie den Kläger
nicht, weil seine Jahresentgelte die vom BVerfG beanstandeten Grenzbeträge nach § 6 Abs. 2 AAÜG nicht übersteigen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.