Neuberechnung einer Altersrente unter Berücksichtigung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit
Kürzung des Beitragszeitraums
Anrechnungszeiten und Pflichtbeitragszeiten
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten - nach Teilanerkenntnis im Berufungsverfahren - die Neuberechnung seiner Altersrente
unter Berücksichtigung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 45 - auch - für die Zeit vom Rentenbeginn bis zum 31.
Dezember 2008 sowie ohne Zugrundelegung eines besonderen Freibetrages Ost für die Zeit bis zum 30. Juni 2011 und unter Berücksichtigung
eines höheren Jahresarbeitsverdienstes (JAV) bei der Anrechnung seiner Verletztenrente auf seine Altersrente sowie unter Berücksichtigung
der Zeit vom 14. Januar 1975 bis zum 31. Dezember 1975 als Beitragszeit.
Der 1940 geborene, also jetzt 75 Jahre alte Kläger hat am 21. November 1974 einen (ersten) Arbeitsunfall erlitten. Aus diesem
bezog er in der DDR eine Unfallrente. Mit Bescheid vom 4. Dezember 1991 anerkannte die Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel
(im Folgenden: BG) aufgrund des in der DDR erlittenen Unfalls sowie eines weiteren, am 5. Oktober 1990 erlittenen Arbeitsunfalles
eine MdE von 40 v. H. und bewilligte eine Verletztenrente. Mit Bescheid der BG vom 21. September 1992 wurde die MdE mit Wirkung
ab dem 12. August 1992 auf 45 festgestellt und dem Kläger mitgeteilt, dass er eine Dauerrente in Höhe von monatlich 569,40
DM erhalte. Aufgrund eines Versehens gab die BG in ihr Zahlsystem jedoch nur eine MdE von 40 v. H. ein und zahlte die laufende
Rente ab 1. Oktober 1992 nach dieser MdE. Die Nachzahlung der Verletztenrente mit einer MdE von 45 v. H. erfolgte 2013 für
die Zeit ab 1. Januar 2009, für die Zeit davor berief sich die BG mit Bescheid vom 2. Oktober 2013 auf Verjährung.
Nachdem der Kläger im April 2004 einen Antrag auf Altersrente gestellt hatte, bescheinigte die BG gegenüber der Beklagten
im Juni 2004 unter anderen eine MdE von 40 v. H. und einen Zahlbetrag der Unfallrente in Höhe von 431,57 Euro monatlich.
Mit Bescheid vom 11. Juni 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1. Mai
2004. Dabei ging sie bei der Berechnung des Zusammentreffens mehrerer Ansprüche (Unfallrente und Altersrente) von einer Leistung
aus der Unfallversicherung in Höhe von 431,57 Euro aus und legte bezüglich der abzuziehenden Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) eine MdE von 40 zugrunde.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 7. Juli 2004 Widerspruch ein. Er wandte sich u.a. gegen die Anrechnung seiner Unfallrente
auf die Altersrente sowie dagegen, dass das Jahr 1975 als Anrechnungszeit und nicht als Pflichtbeitragszeit berücksichtigt
worden war.
Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 16. November 2004 bezüglich der Berücksichtigung von Krankheitstagen für die Jahre 1990
und 1991 dem Widerspruch teilweise abgeholfen hatte, wies sie ihn mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2005 zurück.
Mit der am 22. Februar 2005 bei dem Sozialgericht eingegangenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung
ist vorgetragen worden, dass die Beklagte einen Abzugsbetrag für eine fiktive Grundrente nach dem BVG, bezogen auf eine MdE von 40 v. H. in Ansatz gebracht habe. Tatsächlich besitze der Kläger jedoch eine MdE von 45 v. H. Gemäß
§ 31 Abs. 2 BVG [richtig müsste es heißen § 30 Abs. 2 BVG]sei jedoch eine um 5 v.H. geringere Minderung der Erwerbsfähigkeit als der jeweils ausgewiesene Vomhundertsatz des §
31 [30]Abs. 1 BVG von der nächsthöheren Stufe umfasst. Die Beklagte habe hier einen Grundrentenbetrag für eine MdE von 50 v. H. in Ansatz bringen
müssen. Außerdem liege der JAV höher als der Betrag von 19.420,46 Euro, den die Beklagte zugrunde gelegt habe.
Ausweislich des Versicherungsverlaufes habe die Beklagte den Zeitraum vom 14. Januar 1975 bis 31. Dezember 1975 mit elf Monaten
Arbeitsausfalltagen erfasst. Der Kläger sei in dieser Zeit durchgehend krankgeschrieben gewesen und habe Krankengeld bezogen.
Die Beklagte habe daher den Zeitraum mit elf Monaten Pflichtbeiträgen erfassen und einen entsprechenden Verdienst/Entgeltpunkte
feststellen müssen.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass die BG eine MdE von 40 v.H. bestätigt habe. Der JAV sei i.H.v. 19.420,46 Euro ab Mai 2004
mitgeteilt worden. Diese Daten seien zutreffend im Rentenbescheid berücksichtigt worden. Die Regelungen des §
93 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) seien entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen angewendet worden. Die Höhe der maßgeblichen MdE und des JAV könnten nicht
zum Gegenstand des hiesigen Verfahrens werden, da diese nicht von der Deutschen Rentenversicherung festgestellt würden. Hierüber
habe der Kläger einen Bescheid von der Unfallversicherung erhalten, in dem die MdE und der JAV festgestellt worden seien.
Das Verfahren ruhte laut Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 21. November 2005 bis zur Entscheidung des Bundessozialgerichtes
(BSG) in Verfahren bezüglich der Höhe des abzuziehenden Grundfreibetrages nach dem BVG für Rentner im Beitrittsgebiet.
Mit Bescheid vom 30. Juni 2011 hat die Beklagte die Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1. Juli 2011 wegen der
jährlichen Überprüfung des zu berücksichtigenden Einkommens neu berechnet. Das Klageverfahren wurde wiederaufgenommen und
jetzt unter dem Aktenzeichen S 50 R 75/12 WA geführt. Mit weiterem Bescheid vom 30. März 2012 hat die Beklagte die Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem
1. Mai 2004 neu festgestellt in Ausführung eines Anerkenntnisses bezüglich der Zeit vom 1. Januar 1961 bis 12. November 1962,
das jedoch nicht zu einer Veränderung des Zahlbetrages führte. Anschließend ruhte das Verfahren erneut bis zur Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichtes gegen ein Urteil des Bundessozialgerichtes bezüglich der Höhe des Grundfreibetrages nach dem
BVG für Rentner im Beitrittsgebiet.
Mit Urteil vom 28. Februar 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zutreffend eine MdE von 40 zugrunde
gelegt. Es hat auf die Ausführungen des Sozialgerichts Potsdam in dem Urteil vom 21. April 2010 in dem Verfahren des Klägers
S 17 R 980/08 verwiesen. Bisher habe weder die Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel eine andere MdE-Höhe mitgeteilt noch habe der
Kläger eine solche nachgewiesen. Das zur Feststellung einer höheren MdE durchzuführende Verfahren sei auf Antrag des Klägers
von der BG einzuleiten.
Die Beklagte habe die rentenrechtliche Zeit vom 14. Januar 1975 bis zum 31. Dezember 1975 in den angegriffenen Bescheiden
zutreffend der Rentenberechnung zugrunde gelegt. Es wurde zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß §
136 Abs.
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid sowie in dem Schriftsatz vom 11.
Juli 2005 verwiesen.
Gegen das am 8. Mai 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. Juni 2013 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
eingelegt. Er vertritt seine Auffassung weiter, wonach sowohl die Berechnung seiner Altersrente unzutreffend als auch die
Absenkung seiner Altersrente wegen des Grundrentenbetrages Ost verfassungswidrig sei. Er nehme zur Kenntnis, dass nach der
Rechtsprechung des BSG der Ansatz des gesonderten Grundfreibetrages "Ost" als gesetzeskonform angesehen werde. Eine endgültige Entscheidung über
die Verfassungsmäßigkeit stehe nach der Rücknahme der gegen das Urteil des BSG vom 13. November 2008 eingelegten Verfassungsbeschwerde allerdings aus. Vorrangig gehe es ihm jedoch um die Zugrundelegung
der zutreffenden MdE bei der Berechnung und der Ermittlung des zutreffenden Grenzbetrages und des sich daraus ergebenden Minderungsbetrages
der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Rahmen der Ermittlung des Grenzwertes sei zunächst von dem Leistungsbetrag
der gesetzlichen Unfallversicherung der Grundrentenbetrag nach dem Bundesversorgungsgesetz in Abzug zu bringen. Das Sozialgericht habe insoweit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 v. H. zugrunde gelegt und
sich hierbei auf die Mitteilung der BG vom Juni 2004 bezogen. Er verwies auf den Bescheid der BG für Einzelhandel vom 21.
September 1992, wonach die MdE mit Wirkung ab dem 12. August 1992 45 v. H. betrage. Eine Herabsetzung der MdE sei dem Kläger
nicht bekannt. Daher sei zur Ermittlung des Grundrentenbetrages eine MdE von 50 v. H. in Ansatz zu bringen, d.h., dass ein
größerer Teil der Rente aus der Unfallversicherung anrechnungsfrei bleibe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 28. Februar 2013 und die Bescheide der Beklagten vom 30. März 2012 und 23. Oktober
2013 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen unter Berücksichtigung
einer nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 45 berechneten Verletztenrente auch für die Zeit vom Rentenbeginn
bis zum 31. Dezember 2008 sowie ohne Zugrundelegung eines besonderen Freibetrages Ost für die Zeit bis zum 30. Juni 2011 sowie
unter Berücksichtigung eines höheren Jahresarbeitsverdienstes bei der Anrechnung seiner Verletztenrente auf seine Altersrente
sowie unter Berücksichtigung der Zeit vom 14. Januar 1975 bis 31. Dezember 1975 als Beitragszeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die weitergehende Klage abzuweisen.
Sie hat auf das ihres Erachtens zutreffende Urteil des Sozialgerichts Potsdam verwiesen. Für das Jahr 1975 hätten für den
Kläger für die Zeit vom 14. Januar 1975 bis 31. Dezember 1975 lediglich Anrechnungszeiten berücksichtigt werden können, da
die im Sozialversicherungsausweis bescheinigten Arbeitsausfalltage gemäß §
252a Abs.
2 SGB VI nur zur Berücksichtigung einer Anrechnungszeit führten.
Für die Zeit ab dem Rentenbeginn am 1. Mai 2004 habe die BG lediglich eine MdE in Höhe von 40 v. H. bescheinigt. Sofern der
Kläger die Berücksichtigung einer höheren MdE begehre, habe er dies gegenüber dem Träger der Unfallversicherung geltend zu
machen. Insofern sei die Beklagte an die Entscheidung der BG gebunden.
Mit Bescheid vom 23. Oktober 2013 hat die Beklagte die Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1. Januar 2009 neu
berechnet, nachdem die BG mit dem Bescheid vom 2. Oktober 2013 mitgeteilt hatte, dass irrtümlich die festgestellte MdE von
45 v. H. bei der Berechnung der Rente nicht berücksichtigt worden sei. Es ergab sich eine Nachzahlung in Höhe von 1.096,66
Euro.
Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen, begehrt jedoch auch eine Neuberechnung für die Zeit vor Januar 2009.
Auf die Anfrage des Senats vom 31. Januar 2014, aus welchen Gründen die Neufeststellung der Rente erst ab 2009 erfolge, da
die MdE von 45 v. H. seit 1992 vorliege und der Rentenbescheid zu keinem Zeitpunkt bestandskräftig geworden sei, teilte die
Beklagte mit Schriftsatz vom 12. Februar 2014 mit, dass die BG die bisher gezahlte Unfallrente erst ab dem 1. Januar 2009
neu berechnet habe. Im Rahmen des §
93 SGB VI sei diese neuberechnete Unfallrente von der Beklagten ebenfalls ab Januar 2009 berücksichtigt worden. Sofern vom Kläger eine
Neuberechnung der Altersrente für Zeiten vor dem 1. Januar 2009 begehrt werde, müsse vorher die Berufsgenossenschaft die Neufeststellung
und Zahlung der Unfallrente für Zeiten vor dem 1. Januar 2009 veranlassen.
Dem ist der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2014 entgegengetreten. Er legte das Schreiben
der BG vom 10. September 2014 vor, mit dem diese sich bezüglich der Zeit vor Januar 2009 - erneut - auf Verjährung berufen
hat.
Mit Schreiben vom 1. März 2016 hat die Berichterstatterin die Beklagte zur Stellungnahme zu der Frage aufgefordert, ob die
Tatsache, dass die Verletztenrente versehentlich nur in Höhe einer Rente mit einer MdE von 40 v. H. gezahlt worden sei und
diesbezüglich Verjährung eingetreten sei, nur die gemäß §
93 Abs.
1 SGB VI zugrunde zu legende Höhe der Verletztenrente, nicht jedoch auch den gemäß §
93 Abs.
2 Satz 2 Nr.
2 SGB VI in Abzug zu bringenden Betrag der Grundrente nach dem BVG berühre. Mit Schreiben vom 4. März 2016 hat die Beklagte hierauf geantwortet, die Anwendung von § 44 Abs. 4 SGB X sei unabhängig von der Verschuldensfrage der DRV Bund oder dritter Stellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze der Beteiligten
und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
Die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Verwaltungsakte der BG und die Akten des Sozialgerichts
Potsdam in dem Verfahren S 17 R 980/08 haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§
151 SGG) eingelegt worden. Sie ist auch teilweise begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 28. Februar 2013 und der Bescheid
der Beklagten vom 30. März 2012, der sämtliche vorhergehenden Bescheide für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 ersetzt hat
und für diese Zeit allein noch zu berücksichtigen ist, sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten,
als die Beklagte es abgelehnt hat, die Altersrente des Klägers auch für die Zeit vom Rentenbeginn, also vom 1. Mai 2004, bis
zum 31. Dezember 2008 unter Berücksichtigung einer MdE von 45 v. H., und unter Berücksichtigung des § 30 Abs. 2 Satz 2 BVG dann von 50 v.H., zu berechnen. Rechtsgrundlage hierfür ist §
93 SGB VI in der zum Zeitpunkt des Beginns der Altersrente geltenden Fassung bzw., für die Neuberechnung ab 1. Juli 2008, in der Fassung
des Art. 20 Abs. 6 des Gesetzes vom 13. Dezember 2007, BGBl. I Seite 2904, die jedoch nur eine Klarstellung bezüglich der Höhe der gemäß §
93 Abs.
2 Nr.
2a)
SGB VI unberücksichtigt zu lassenden Grundrente nach dem BVG (dazu siehe unten) darstellte. §
93 Absätze 1 und 2
SGB VI in der am 1. Mai 2004 geltenden Fassung lautete:
(1) Besteht für denselben Zeitraum Anspruch
1. auf eine Rente aus eigener Versicherung und auf eine Verletztenrente aus der Unfallversicherung oder
2. auf eine Hinterbliebenenrente und eine entsprechende Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung, wird die Rente insoweit
nicht geleistet, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt.
(2) Bei der Ermittlung der Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge bleiben unberücksichtigt
1. (...)
2. bei der Verletztenrente aus der Unfallversicherung
a) der Betrag, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach § 31 in Verbindung mit § 84a Satz 1 und 2 des Bundesversorgungsgesetzes geleistet würde, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 vom Hundert zwei Drittel der Mindestgrundrente, bei einer
Minderung der Erwerbsfähigkeit um zehn vom Hundert ein Drittel der Mindestgrundrente, und
b) (...).
Für den Kläger war seit dem 12. August 1992 ein MdE von 45 v. H. festgestellt, die BG hatte lediglich versehentlich bei dem
tatsächlich gezahlten Betrag der Verletztenrente nur eine MdE von 40 v. H. berücksichtigt. Dies ändert jedoch nichts daran,
dass die Höhe der MdE von 45 v. H. verbindlich festgestellt war und ist. Die Feststellung der MdE wird vom Verfügungssatz
des Bescheides vom 12. August 1992 umfasst. (Nur) wenn eine Verletztenrente bewilligt wird, nimmt das Maß der MdE als unentbehrliche
Grundlage für die Rentenberechnung an der Bindung teil (vgl. Urteile des BSG vom 8. Dezember 1988, Az. 2 RU 83/87, juris Rdnr. 19 und vom 22. Juni 2004, Az. B 2 U 36/03 R, juris Rdnr. 18; Ricke in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand Dezember 2015, §
56 SGB VII, Rdnrn. 35 und 37; Kranig in Hauck/Noftz, Kommentar zum
SGB VII, §
56 Rdnr. 39). Das Maß der festgestellten MdE ist daher für die Beklagte verbindlich, dies hat sie selbst auch in ihrer Berufungsbegründung
vorgetragen indem sie angegeben hat, sie sei an die Entscheidung der BG gebunden. Die Beklagte hat daher eine MdE von 45 v.
H. bei der Anrechnung der Verletztenrente auf die Altersrente zu berücksichtigen. Man könnte daran denken, diese Bindung nur
für die Höhe des gemäß §
93 Abs.
2 Nr.
2 a)
SGB VI unberücksichtigt bleibenden Betrages in Höhe der Grundrente nach dem BVG anzunehmen, nicht aber für die gemäß §
93 Abs.
1 SGB VI zu berücksichtigende Höhe der Verletztenrente, da diese tatsächlich nicht in der einer MdE von 45 v. H. entsprechenden Höhe
gezahlt wurde und die BG sich - für die Zeit bis Dezember 2008 - auf Verjährung berufen hat . Dies entspräche zumindest dem
Wortlaut des §
93 Abs.
1 und
2 SGB VI, der in Absatz
1 von der "Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge" spricht und in Abs. 2 Nr. 2a) von "dem Betrag, der bei gleichem Grad
der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach (...) des Bundesversorgungsgesetzes geleistet würde". Allerdings ergäbe dies einen deutlich niedrigeren Anrechnungsbetrag, da dann von einer tatsächlich niedrigeren
- da nur nach einer MdE von 40 v. H. berechneten - Verletztenrente ein höherer - nämlich nach einer MdE von 45 v. H. bestimmter
- Betrag abgezogen würde. Dann würde sich ein monatlich höherer Zahlbetrag ergeben als bei der zutreffenden Berechnung. Dies
würde bedeuten, dass die Beklagte einen Teil der von der BG versäumten Zahlung der Verletztenrente "übernehmen" würde. Andererseits
soll die Anrechnung der Verletztenrente auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Überversorgung verhindern,
die hier tatsächlich nicht in dem Maß stattgefunden hat, weil dem Kläger die Verletztenrente nicht in der zutreffenden Höhe
gezahlt wurde. Letzteres ist jedoch ein Risiko, das den Kläger in Bezug auf die BG und nicht auf den Rentenversicherungsträger
trifft, so dass bezüglich der Anrechnung der Zustand hergestellt werden sollte, der bestünde, wenn die BG die zutreffende
Leistung gewährt hätte. Für diese Lösung spricht auch, dass der Ablauf der Verjährungsfrist den betreffenden Anspruch nicht
zum Erlöschen bringt, sondern dem Leistungsverpflichteten, hier der BG, lediglich ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht
gibt (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, Stand Dezember 2015, §
45 SGB I, Rdnr. 30). Dann ist jedoch auch der materiellrechtlich zutreffende Betrag der Verletztenrente der Berechnung gemäß §
93 SGB VI zu Grunde zu legen.
Dem steht auch nicht die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X entgegen, wonach, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, Sozialleistungen längstens
für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht werden. Der Bescheid vom 11. Juni 2004 war zu keinem
Zeitpunkt bestandskräftig, das Verfahren ruhte lediglich während mehrerer Jahre. Die folgenden Neuberechnungsbescheide jeweils
zum 1. Juli eines Jahres sind gemäß §
96 SGG Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden (und schließlich durch den Bescheid vom 30. März 2012 ersetzt worden).
Die Beklagte hat daher die Berechnung mit der zutreffenden Höhe der MdE ab Rentenbeginn vorzunehmen.
Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Soweit der Kläger weiterhin begehrt, bei der Anrechnung keinen besonderen, abgesenkten
Freibetrag ("Ost") zu berücksichtigen, sind der Bescheid vom 30. März 2012 und der gemäß §
96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordene Bescheid vom 23. Oktober 2013 rechtmäßig. Der Senat verweist, um Wiederholungen
zu vermeiden, auf das Urteil des BSG vom 13. November 2008, Az. B 13 R 129/08 R, dokumentiert in juris und in SozR 4-2600 § 93 Nr. 12. An den mit den Urteilen B 4 RA 32/02 R, B 13 RJ 5/03 R und B 4 RA 27/05 R vertretenen Rechtsauffassung, dass kein besonderer Freibetrag ("Ost") zu berücksichtigen sei, hat das BSG nicht festgehalten. Seit der Gesetzesänderung zum 1. Juli 2011 ist kein unterschiedlicher Freibetrag (Ost) mehr zu berücksichtigen.
Die Berufung und die Klage sind auch insoweit unbegründet, als der Kläger die Berücksichtigung eines anderen JAV begehrt.
Auch insoweit sind die Bescheide vom 30. März 2012 sowie der gemäß §
96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordene Bescheid vom 23. Oktober 2013 rechtmäßig. So wie an die Festlegung der MdE ist
die Beklagte auch hinsichtlich des JAV gebunden, auch dieser ist, wenn eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung
gewährt wird, verbindlich im Bescheid festgelegt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 1988, aaO., juris Rdnr. 19). Es ist auch nicht zutreffend, dass der JAV sich nicht verändert, der
Betrag unterliegt einer Anpassung. Soweit der Kläger vorgetragen hat, dass er durch den Arbeitsunfall daran gehindert gewesen
sei, höheres Einkommen zu verdienen, so müsste dies gegenüber dem Unfallversicherungsträger vorgebracht werden. Letztendlich
begehrt der Kläger damit eine Art Berufsschadensausgleich. Dieser ist jedoch in der Verletztenrente bereits enthalten. Der
Begriff der MdE wird im Sinne der abstrakten Schadensbemessung definiert. Durch die Renten an Versicherte wird nicht der konkrete
Erwerbsschaden (Einkommensverlust im Sinne der zivilrechtlichen Differenzmethode) ersetzt, sondern der durch jeden Versicherungsfall
bedingte Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (vgl. Kranig, aaO., §
56 Rdnr. 1). Dieser Grundsatz wird in Abs.
2 Satz 3 des §
56 SGB VII, allerdings nur für eng begrenzte Fallgruppen, modifiziert. Nach dieser Vorschrift werden bei der Bemessung der Minderung
der Erwerbsfähigkeit Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene
besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen in Folge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang
nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen
werden. Dies bedeutet, dass ein möglicher Verdienstausfall infolge der Unfallfolgen mit der Verletztenrente schon ausgeglichen
wird. Sofern der Kläger dies nicht als ausreichend ansieht, müsste er sich an die BG wenden.
Das Bundessozialgericht hat auch die Regelung des §
93 SGB VI als mit der Verfassung vereinbar angesehen, auch bzgl. der Unfallbestandsrentner aus dem Beitrittsgebiet. Auf das Urteil
des BSG vom 29. Juli 2004, Az. B 4 RA 51/03 R, dokumentiert in juris und in SozR 4-2600 § 93 Nr. 5, wird Bezug genommen.
Auch soweit der Kläger begehrt, die Zeit vom 14. Januar 1975 bis 31. Dezember 1975 auch bei der Bewertung als Beitragszeit
zu berücksichtigen und nicht als - pauschale - Anrechnungszeit, sind Berufung und Klage unbegründet. Die Beklagte hat die
genannte Zeit zutreffend gemäß §
252a Abs.
2 SGB VI als Anrechnungszeit für Ausfalltage bewertet. Diese Vorschrift lautet:
(2) Anstelle von Anrechnungszeiten wegen Krankheit, Schwangerschaft oder Mutterschaft vor dem 1. Juli 1990 werden pauschal
Anrechnungszeiten für Ausfalltage ermittelt, wenn im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung Arbeitsausfalltage als Summe
eingetragen sind. Dazu ist die im Ausweis eingetragene Anzahl der Arbeitsausfalltage mit der Zahl 7 zu vervielfältigen, durch
die Zahl 5 zu teilen und dem Ende der für das jeweilige Kalenderjahr bescheinigten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit
als Anrechnungszeit lückenlos zuzuordnen, wobei Zeiten vor dem 1. Januar 1984 nur berücksichtigt werden, wenn nach der Zuordnung
mindestens ein Kalendermonat belegt ist. Insoweit ersetzen sie die für diese Zeit bescheinigten Pflichtbeitragszeiten; dies
gilt nicht für die Feststellung von Pflichtbeitragszeiten für einen Anspruch auf Rente.
Diese Regelung beruht darauf, dass bis zum 30. Juni 1990 in der DDR das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis auch
dann weiter bestand, wenn aus bestimmten Gründen kein Arbeitsverdienst erzielt wurde. Die Beitragspflicht wurde unterbrochen,
der zeitliche Umfang des Beschäftigungsverhältnisses in den Versicherungsunterlagen innerhalb eines Kalenderjahres jedoch
ohne Unterbrechung bescheinigt. Die Zuordnung der nach §
252a Abs.
2 Satz 2
SGB VI ermittelten Anzahl von Tagen erfolgt pauschal an das Ende des für das jeweilige Kalenderjahr bescheinigten Pflichtbeitragszeitraums.
Dies hat die Wirkung, dass die nach § 252a Abs. 2 Satz 3 mit der pauschalen Anrechnungszeit belegten, durch Kürzung des Beitragszeitraums
frei gewordenen Kalendertage keine Pflichtbeitragszeiten mehr sind (vgl. Gürtner in Kasseler Kommentar, aaO., §
252a SGB VI, Rdnrn. 24-30). Sinn dieser Vorschrift ist es, Zeiten, für die gemäß § 17 Sozialversicherungsverordnung der DDR keine Beitragspflicht
bestand, systemkonform als Anrechnungszeiten und nicht als Pflichtbeitragszeiten zu bewerten. Dies ist nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG. Sie berücksichtigt, dass der Kläger mit einem großen Teil seines Begehrens erfolgreich war.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor. Es handelt sich um einen Einzelfall hinsichtlich der Berücksichtigung der MdE, der eine grundsätzliche
Bedeutung nicht begründen kann. Die Frage der Bindungswirkung der Feststellung der MdE ist höchstrichterlich geklärt.