Auf die Beschwerde des Klägers vom 30. März 2010 wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. März 2010 abgeändert.
Dem Kläger wird mit Wirkung vom 15. Juli 2011 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt bewilligt. Monatsraten
oder Beträge aus dem Vermögen sind nicht zu leisten.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe:
I. Mit der am 28. August 2007 eingegangenen Klage begehrt der Kläger unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 18.
Juni 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2007 im Wege der Neufeststellung nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bei ihm infolge der im Zeitraum von 1963 bis 1968 in der ehemaligen DDR verbüßten Strafhaften einen Grad der Schädigungsfolge
(GdS) von 60 (statt 40) nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) i. V. m. dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz - BVG -) anzuerkennen und dabei eine besondere berufliche Betroffenheit zu berücksichtigen. Gleichzeitig ersuchte der Kläger um
Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines damaligen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt . Mit Beschluss
vom 4. März 2010 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten des
Rechtsschutzbegehrens abgelehnt. Gegen den am 16. März 2010 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 30. März 2010 Beschwerde
zum Landessozialgericht erhoben. Zum 7. März 2011 endete das Mandatsverhältnis gegenüber Rechtsanwalt . Unter dem 21. März
2011 zeigte Rechtsanwalt die Vertretung des Klägers an.
II. Die Beschwerde des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft nach §
172 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) und - wie aus dem Tenor ersichtlich - auch teilweise begründet. Im Übrigen hat die Beschwerde keinen Erfolg.
Der Kläger hat mit Wirkung ab 15. Juli 2011 Anspruch auf Prozesskostenhilfe, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint sowie Kostenarmut gegeben ist (§
73 a Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. § 114 f
Zivilprozessordnung -
ZPO -). Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerG) verfassungskonform auszulegen. Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip nach Art.
20 Abs.
3 GG und dem aus Art.
19 Abs.
4 Satz 1
GG folgenden Gebot effektiven Rechtschutzes gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten
bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt
zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf
die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe dieses Verfahrens an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG,
Beschluss vom 28. November 2007, 1 BvR 68/07). Aus diesem Grunde dürfen insbesondere schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen in dem Verfahren der Prozesskostenhilfe
nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von dem Unbemittelten einer prozessualen
Klärung im Verfahren der Hauptsache zugeführt werden können (BVerfG aaO.). Vor diesem Hintergrund ist ausgehend von dem für
das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits dann gegeben, wenn zum rechtlich
maßgeblichen Zeitpunkt entweder noch Beweis zu erheben ist oder wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund
der Sachverhaltsschilderung und den vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder für zumindest vertretbar und klärungsbedürftig
hält.
Nach diesen Maßstäben war hier zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs am 15. Juli
2011, der vollständigen Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers, die hinreichende
Erfolgsaussicht nicht zu verneinen. Das Sozialgericht geht zu Unrecht von mangelnden Erfolgsaussichten aus. Der klägerische
Rechtsstandpunkt ist zumindest vertretbar und als klärungsbedürftig anzusehen. Der Kläger ist auf seinen Neufeststellungsantrag
vom 5. September 2004 nebst Ergänzung vom 25. Dezember 2004 auf Veranlassung des Beklagten nur psychiatrisch durch die Fachärztin
für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. am 1. März 2007 untersucht und begutachtet worden. Für die darüber hinaus geltend gemachte
Schädigung auf internistischem Gebiet liegen nur versorgungsärztliche Stellungnahmen nach Aktenlage vor, die allein nicht
ausreichen um den Sachverhalt hinreichend beurteilen zu können. Zudem ist dem - bei Beschlussfassung durch das Sozialgericht
überdies bereits drei Jahre zurückliegenden - Gutachten von Dr. zu entnehmen, dass die Gutachterin auf psychiatrischem Gebiet
zwar den zuerkannten GdS von 40 für weiterhin zutreffend hält, jedoch die Gesamtheit der seelischen Leiden des Klägers für
den Bereich des Schwerbehindertenrechts (einschließlich der schädigungsbedingten Beeinträchtigungen) mit einem höheren Grad
der Behinderung, nämlich 60 ansetzt, so dass ein GdS von mehr als 40 insbesondere auch bei etwaigen weiteren Schädigungsfolgen
nicht ausgeschlossen erscheint. Der dem streitgegenständlichen Anspruchs zugrunde liegende medizinische Sachverhalt kann danach
nicht als hinreichend aufgeklärt angesehen werden, so dass im Hauptsacheverfahren weitere Ermittlungen erforderlich werden
und dabei auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens in Betracht kommt. Mithin sind dem Klagebegehren des Klägers
hinreichende Erfolgsaussichten nicht abzusprechen, wobei im Falle der Anerkennung etwaiger weiterer Schädigungsfolgen ggf.
auch die Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit neu zu beurteilen wäre.
Der Senat geht in eigener Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Hinblick auf die am 14. und 15. Juli
2011 eingegangnen Schriftsätze des Klägers vom 13. und 14. Juli 2011 nebst Anlagen davon aus, dass beim Kläger Kostenarmut
mit der Folge gegeben ist, dass auch Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen nicht zu leisten sind.
Für die Zeit vor dem vollständigen Eingang der Unterlagen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am 15. Juli
2011 hat die Beschwerde hingegen keinen Erfolg. Der Prozesskostenhilfeantrag war insoweit unabhängig der vom Sozialgericht
zu Unrecht verneinten Erfolgsaussichten jedenfalls nicht bewilligungsreif, so dass eine Beiordnung von Rechtsanwalt für die
Zeit vor dem 15. Juli 2011 sowie eine Beiordnung des früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers, Rechtsanwalt Schulz, für
die Zeit der Vertretung im Verfahren vom 12. Oktober 2007 (Vertretungsanzeige) bis 7. März 2011 (Mitteilung der Mandatsbeendigung)
nicht in Betracht kam. Für die Folgezeit bis zum 21. März 2011 (Vertretungsanzeige durch Rechtsanwalt) fehlt es mangels einer
anwaltlichen Vertretung angesichts der Gerichtskostenfreiheit des Hauptsacheverfahrens gemäß §
183 Satz 1
SGG bereits am Rechtsschutzbedürfnis.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
73 a SGG i. V. m. §
127 Abs.
4 ZPO.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG nicht anfechtbar.