Gründe:
I. Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Mehrbedarfes für kostenaufwändige Ernährung.
Der Beklagte gewährte der 1963 geborenen Klägerin ergänzend zu der von ihr bezogenen unbefristeten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
mit Bescheid vom 23. Dezember 2004 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) ab dem 1. Januar 2005 bis auf weiteres, zunächst jedenfalls bis Dezember 2005.
Im Verlauf des wegen der Leistungshöhe eingeleiteten Widerspruchsverfahrens machte die Klägerin u.a. geltend, dass sie wegen
chronischer Erkrankungen einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernähung habe. Sie reichte hierzu Bescheinigungen ihres Hausarztes
H (Arzt für Allgemeinmedizin - Psychotherapie-) ein, denen zufolge sie an Ulcus ventriculi, Hepatitis C, Bulimie, chronischen
Diarrhoen und Neurodermitis leide und einen Mehrbedarf wegen der erforderlichen eiweißdefinierten, zugleich vitaminreichen,
aber säure- und allergenarmen Kost habe. Nach Einschaltung des Amts- und Vertrauensärztlichen Dienstes lehnte der Beklagte
mit Bescheid vom 3. März 2005 die Gewährung eines Mehrbedarfes ab, da die bei ihrem Krankheitsbild erforderliche Diät keine
Mehrkosten erforderlich mache. Den Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 30. August 2006 mit der ergänzenden
Begründung zurück, dass den noch angeforderten ärztlichen Unterlagen nicht der Nachweis eines Ulcus ventriculi innerhalb der
letzten fünf Jahre habe entnommen werden können.
Hiergegen hat die Klägerin am 15. September 2006 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben und weiterhin einen ernährungsbedingten
Mehrbedarf geltend gemacht. Hierzu hat sie neben einem Attest der Diplompsychologin K vom 1. August 2007 eine Stellungnahme
ihres Hausarztes H vom 7. November 2007 (nebst Kopien seiner früheren Atteste) übersandt, in der er u.a. ausgeführt hat, dass
bei ihr auch ohne aktuellen Gastroskopiebefund klinisch die Diagnose eines Ulcus ventriculi gerechtfertigt sei. In diesem
Fall müsse eine leichte Vollkost eingehalten werden. Die Patientin müsse selbst herausfinden, welche konkreten Nahrungsmittel
für sie verträglich seien. Gleiches gelte bezüglich der Neurodermitis. Auch ohne nachgewiesene Überempfindlichkeit sei es
den Patienten möglich, die von ihnen zu meidenden Nahrungsmittel herauszufinden. Diese Lebensmittel seien kostenaufwändiger
als Normalkost. Ein leichtes Übergewicht der Klägerin widerlege nicht die bei ihr bestehenden Essstörungen.
Der Beklagte hat unter Vorlage einer amtsärztlichen Stellungnahme des Medizinaldirektors Dr. M vom 9. Oktober 2007 an seiner
Auffassung festgehalten, dass bei den Leiden der Klägerin - so sie überhaupt nachgewiesen seien - eine leichte Vollkost angezeigt
sei, die keine Mehrkosten verursache.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. August 2008 abgewiesen. Sie sei mit dem auf den Mehrbedarf beschränkten
Streitgegenstand zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfes wegen krankheitsbedingter
kostenaufwändiger Ernährung nach § 30 Abs. 5 SGB XII.
Unabhängig davon, ob bei ihr die Diagnose eines Ulcus ventriculi gerechtfertigt sei, könne sie daraus keinen Anspruch auf
Gewährung eines Mehrbedarfes herleiten. Zwar hätten die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe von 1997 für diese Erkrankung einen Mehrbedarf vorgesehen. Diese
Empfehlungen seien aber inzwischen veraltet und nicht mehr als Orientierungshilfe bei der Prüfung eines krankheitsbedingten
Mehrbedarfes für Ernährung geeignet. Bis zur Herausgabe neuer Empfehlungen, an denen der Deutsche Verein seit geraumer Zeit
arbeite, stütze die Kammer sich auf den "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwendiger
Ernährung (Krankenkostzulage) gemäß § 23 Abs. 4 BSHG" des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe aus dem Jahre 2002. Danach sei bei den der Klägerin attestierten Krankheiten nicht
das Erfordernis einer mit höheren Kosten verbundenen Ernährung ersichtlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 5 bis 7) des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und macht geltend, dass in den Empfehlungen des Deutschen Vereins
von 1997 u.a. bei Neurodermitis ein Mehrbedarf bejaht worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei
ein Abweichen von diesen Empfehlungen - unabhängig von ihrer Rechtsnatur - begründungsbedürftig und setze entsprechende Fachkompetenz
voraus, die im sozialgerichtlichen Verfahren entweder einzuholen oder - im Falle eigener Sachkunde des Gerichts - darzulegen
sei. Daran fehle es hier. Dass mittlerweile unter dem 1. Oktober 2008 neue Empfehlungen des Deutschen Vereins veröffentlicht
worden seien, sei unbeachtlich, weil es hier auf den - früheren - Zeitpunkt der angefochtenen letzten Behördenentscheidung
ankomme. Im übrigen erforderten ihre Krankheiten eine jeweils andere Vollkost. Da sie verschiedene Obst- und Gemüsesorten
nicht vertrage, müsse sie zum Ausgleich Vitaminpräparate und Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen. Schließlich sei der
ihr zur Verfügung stehende Regelsatz durch monatliche Kreditraten von 30,-- Euro belastet.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. August 2008 und den Bescheid des Beklagten vom 3. März 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 30. August 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr ab Januar 2005 einen Mehrbedarf
von monatlich mindestens 25,56 Euro wegen krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil und seine Bescheide für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen. Die den Streitgegenstand betreffenden Verwaltungsvorgänge
des Beklagten haben dem Senat bei der Beratung und Entscheidung vorgelegen.
II. Der Senat entscheidet gemäß §
153 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) über die Berufung durch Beschluss, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich
hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.
Die Berufung hat keinen Erfolg, denn das angefochtene Urteil des Sozialgerichts vom 22. August 2008 ist nicht zu beanstanden.
Das Gericht hat zutreffend entschieden, dass Gegenstand des Rechtsstreits zulässigerweise allein der von der Klägerin für
die Zeit ab 1. Januar 2005 geltend gemachte Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung als abtrennbarer Leistungsbestandteil
der Grundsicherung wegen Erwerbsminderung nach §§ 41, 42 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 30 Abs. 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
(SGB XII) ist (vgl. BSG, Urteil vom 26. August 2008 - B 8/9b SO 10/06 R, zitiert nach juris, ferner Urteil des LSG Berlin-Brandenburg
vom 12. Oktober 2010 -L 23 SO 130/06 mwN zur ähnlichen Rechtslage nach dem SGB II, zitiert nach sozialgerichtsbarkeit.de),
dessen Berücksichtigung der Beklagte mit Bescheid vom 3. März 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. August
2006 aber zu Recht abgelehnt hat.
Nach §§ 41, 42 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 30 Abs. 5 SGB XII wird bei grundsicherungsberechtigten Kranken, Genesenden, behinderten
Menschen oder von einer Krankheit oder Behinderung bedrohten Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein
Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
Der Anspruch auf eine sogenannte "Krankenkostzulage" setzt voraus, dass zum einen wegen einer bestimmten Krankheit eine besondere
Ernährung erforderlich ist und zum anderen diese mehr kostet, als im Regelsatz für Ernährung berücksichtigt ist. Diese Voraussetzungen
sind im Falle der Klägerin nicht erfüllt.
Sie macht unter Hinweis auf Atteste ihrer behandelnden Ärzte geltend, dass sie u. a. wegen Ulcus ventriculi und Neurodermitis
eine eiweiß- und vitaminreiche, säurearme Schonkost benötige, für die ein monatlicher Mehrbedarf von mindestens 25,56 € anzuerkennen
sei. Dies ist nicht (mehr) begründbar.
Ob bei einer Erkrankung aus medizinischen Gründen eine bestimmte Kostform einzuhalten ist, ist auf der Grundlage der jeweils
aktuellen medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Auffassungen zu entscheiden. Auch die Höhe jeweiliger Zuschläge zum
Regelsatz bedarf fachwissenschaftlicher Ermittlungen. Die Klägerin stützt sich auf die Empfehlungen für Krankenkostzulagen
des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge aus dem Jahre 1997, nach denen bei den genannten Leiden eine "Vollkost"
mit einem Mehrbedarf von 50,-- DM bzw. umgerechnet ca. 25,56 Euro monatlich angeraten war. Diese Empfehlungen stellten grundsätzlich
eine geeignete und zutreffende Entscheidungsgrundlage für die Verwaltungspraxis und gerichtliche Überprüfung dar (vgl. Münder
in LPK, SGB XII, 8. Auflage 2007, § 30 Rdnr. 29 ff mwN, u. a. auf die Gesetzesmaterialien zu § 30 SGB XII in BT-Drs. 15/1516
S. 57). Allerdings müssen auch neue medizinische und ernährungswissenschaftliche Erkenntnisse sowie aktuellere Grundlagen
der Regelsatzbemessung berücksichtigt werden. Der Deutsche Verein hat nach umfassender fachwissenschaftlicher Beratung am
01. Oktober 2008 geänderte Empfehlungen für Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe herausgebracht, (kostenlos abrufbar unter
www.deutscher-verein.de), die der Klägerin bekannt sind. Danach ist zwar auch nach dem aktuellen Stand der Ernährungsmedizin
auf der Grundlage des Rationalisierungsschemas 2004 des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner u. a. bei Ulcus ventriculi
und Neurodermitis Hyperlipidämie keine spezielle Kostform einzuhalten, sondern eine "Vollkost" angeraten. Für diese ist jedoch
regelmäßig ein erhöhter Ernährungsaufwand zu verneinen (Empfehlungen Seiten 11, 16). Denn nach den weiteren Ermittlungen des
Deutschen Vereins ist der Ernährungsanteil im Regelsatz, der auf der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 beruht, ausreichend,
um den Mindestaufwand für eine Vollkost zu bestreiten (vgl. Empfehlungen Seite 17 mwN).
Die Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 01. Oktober 2008, die auf umfassenden ernährungsmedizinischen Studien und Kostenermittlungen
unabhängiger Fachinstitutionen basieren, können als antizipiertes Sachverständigengutachten herangezogen werden (vgl. das
bereits zitierte Urteil des 23. Senats mwN). Die Bedenken, die das Bundessozialgericht insoweit bezüglich der Vorauflage der
Empfehlungen aus dem Jahre 1997 geäußert hat (u. a. Urteil vom 15. April 2008 - B 14/11b AS 3/07 R -, zitiert nach juris), beruhten im Wesentlichen auf den veralteten Daten und der nicht mehr einhelligen Akzeptanz jedenfalls
in der Verwaltungspraxis.
Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen auch keine Bedenken, die Empfehlungen vom 01. Oktober 2008 auf vorherige streitige
Zeiträume - wie im vorliegenden Fall - anzuwenden (Scheider in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl. 2010, RNr. 30
zu § 30 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Die überarbeiteten Empfehlungen des Deutschen Vereins von 2008 sind auf
der Grundlage der fachwissenschaftlichen Auswertung von Datenmaterial ergangen, das aus den Jahren 2003 und 2004 stammt, also
nicht auf tatsächlichen Änderungen nach dem Beginn des hier streitigen Zeitraumes beruht. Im Ergebnis werden damit die vom
Beklagten mehrfach eingeholten amtsärztlichen Stellungnahmen bestätigt, die im Falle der Klägerin das Erfordernis einer speziellen
kostenaufwändigen Ernährungsweise verneint hatten. Soweit die Klägerin geltend macht, dass sie wegen einer Hepatitis C viele
Obst- und Gemüsesorten meiden müsse und stattdessen Vitaminpräparate einnehme, lässt sich daraus ebenfalls kein relevanter
Mehrbedarf herleiten, da solche Präparate preisgünstig bei Lebensmittel- und Drogeriediscountern erhältlich sind.
Ihre Kreditverpflichtungen sind für die Prüfung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfes unbeachtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.