Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung eines Nierenzellkarzinoms als Berufskrankheit (BK) Nr. 1301 der Anlage 1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO - Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine), BK 1302 der Anlage 1 zur
BKVO (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) und/oder BK 1304 der Anlage 1 zur BKVO (Erkrankungen durch Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols oder seiner Homologe oder ihrer Abkömmlinge).
Der 1943 geborene Kläger war in der ehemaligen DDR als Chemiker an der A tätig. Hier arbeitete er zunächst von September bis
November 1967 am Institut für Hochpolymere und nach Ableistung seines Wehrdienstes ab Mai 1969 am Z als wissenschaftlicher
Mitarbeiter, Laborleiter und ab 1980 als Abteilungsleiter und im Anschluss hieran von Januar 1984 bis Dezember 1991 im Z.
Nach April 1990 war der Kläger noch in verschiedenen anderen Positionen ohne Kontakt zu Schadstoffen tätig, unter anderem
als Niederlassungsleiter der Firma H GmbH und als Fachhochschuldozent.
Ende 1993 wurde beim Kläger als Zufallsbefund ein Tumor an der linken Niere festgestellt, woraufhin diese am 27. Dezember
1993 operativ entfernt wurde.
Im April 1994 erstattete Prof. Dr. A, Evangelisches Krankenhaus K, H, eine Anzeige über das mögliche Bestehen einer BK. Beigefügt
war der Entlassungsbericht über die Behandlung des Klägers in der Zeit vom 23. Dezember 1993 bis 06. Januar 1994, das Ergebnis
der histologischen Untersuchung sowie eine Aufstellung "Historischer Ablauf des Umgangs mit Chemikalien".
Die zunächst wegen ihrer Zuständigkeit für die vom Kläger zuletzt bei der Firma H GmbH ausgeübte Tätigkeit eingeschaltete
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) befragte den Kläger zu seiner Erkrankung und zu seinem beruflichen Werdegang und ermittelte
medizinisch im Hinblick auf die Tumorerkrankung des Klägers. Im September 1995 übergab die VBG den Vorgang an die Rechtsvorgängerin
der Beklagten, die Eigenunfallversicherung Berlin, da die vom Kläger zuletzt bei der Firma H GmbH als Niederlassungsleiter
ausgeübte Tätigkeit keinen Kontakt mit Schadstoffen mit sich gebracht habe.
Der Kläger übersandte seinen Sozialversicherungsausweis. Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Abteilung
Personalnachsorge, teilte mit Schreiben vom 09. Oktober 1996 mit, dass eine im Akademiearchiv durchgeführte umfangreiche Recherche
erfolglos geblieben sei, Personalunterlagen über den Kläger seien dort nicht vorhanden. Die Beklagte holte einen Ersten Untersuchungsbefund
des Facharztes für Arbeitsmedizin Dr. B vom 25. September 1999 ein, der ausführte, dass der Verdacht einer BK 1301 unbedingt
gegeben sei und eine weitere Begutachtung empfahl. Beigefügt war eine vom Kläger bei der Untersuchung überreichte Aufstellung
"Handhabung von Stoffen im Verlaufe meiner Tätigkeit als Chemiker, geordnet nach dem System der
BKV ...". Die Beklagte ermittelte weiter durch eine Anfrage beim Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Technische
Sicherheit Berlin - LAGetSi und bat um Informationen über die vom Kläger inne gehabten oder ähnliche Arbeitsplätze. Übersandt
wurden in diesem Zusammenhang u. a. ein Bericht über eine arbeitshygienische Untersuchung vom 25. März 1975 im Z, eine Arbeitsanweisung
der Abteilung Gesundheits- und Sozialwesen, Kreisinspektion, vom 02. Dezember 1976 an die A "Vermeidung von Berufserkrankungen
durch Halogenkohlenwasserstoffe", wobei derartige Stoffe, speziell Tetrachlorkohlenstoff, ab sofort nicht mehr für Reinigungsarbeiten
zu verwenden seien, ein Betriebs-Erfassungs-Bogen vom 06. Januar 1977, eine Aufstellung über durchgeführte arbeitshygienische
Überprüfungen aus den Jahren 1975 bis 1980 und ein Bericht über eine am 14. September 1984 durchgeführte Inspektion im Z.
Berichtet wurde u. a. über Gesundheitsbeeinträchtigungen bei Werktätigen in Form von Schleimhautreizungen der oberen Luftwege
sowie diffuse Beschwerden des Digestionstraktes. Der Kläger übersandte eine Aufstellung des ehemaligen Leiters des Labors
im Z der ehemaligen A Dr. H vom 08. Juli 2000 über vom Kläger in den Jahren von 1984 bis 1989 eingesetzte Stoffe und Artikel
über deren kanzerogene Wirkung.
Die Abteilung Prävention der Beklagten äußerte sich mit Schreiben vom 11. Juli 2000 und vom 27. September 2000 dahin, dass
entsprechend der Aufstellung des Klägers als relevante Noxe Benzidin in Betracht komme. Ob dieses die Erkrankung verursacht
habe, sei durch ein medizinisches Gutachten abzuklären. Der Kläger sei jedoch darauf hingewiesen worden, dass nicht nur die
in der Stoffliste zur BK 1301 verzeichneten Gefahrstoffe entsprechende Erkrankungen hervorrufen könnten, sondern auch weitere
Stoffe. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien aufgrund der Verarbeitung von zirka 1 kg Benzidin in den Jahren 1984
bis 1990 gegeben.
Am 20. März 2001 erstattete Dr. K ein Zusammenhangsgutachten. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass das beim Kläger diagnostizierte
Nierenzellkarzinom trotz Exposition gegenüber verschiedenen Krebs erzeugenden oder diesbezüglich verdächtigen chemischen Substanzen
bei Forschungsarbeiten im Labormaßstab nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung als BK erfülle, weil
- das zu den aromatischen Aminen zählende Benzidin nach derzeitigem Kenntnisstand nur Harnblasenkrebse vom Urothel-Typ, nicht
aber bösartige Tumore des Nierengewebes verursache,
- die Bedeutung arbeitsmedizinisch relevanter chemischer Gefahrstoffe als Krebs erzeugende Substanzen mit dem Zielorgan Niere
bisher nicht genügend erforscht oder zumindest widersprüchlich sei,
- der Stellenwert von Trichlorethylen (TRI, syn. Trichlorethen), mit dem der Kläger lt. aufgelisteter Arbeitsstoffe einen
nicht näher definierten Kontakt gehabt habe, als kanzerogen für die Niere unter Fachleuten noch durchaus kontrovers diskutiert
werde, und weil
- die reale Exposition gegenüber den genannten Gefahrstoffen unter den Bedingungen der Labortätigkeit quantitativ rückwirkend
nicht mehr abschätzbar sei, aber im Vergleich zu den Expositionsbedingungen im industriellen Bereich als eher geringgradig
einzustufen sein dürfte.
Bezüglich einer erwiesenen Kanzerogenität für den Menschen stehe Benzidin ganz obenan. Zielorgan sei diesbezüglich jedoch
allein die Harnblase mit dem Urothelkarzinom als Tumortyp. Die Ursachen für die Entstehung von Karzinomen des Nierengewebes
sowie des Nierenbeckens seien bisher weitgehend unerforscht, hinsichtlich beruflicher Ursachen für Nierenkarzinome bestehe
derzeitig noch weitestgehender Forschungsbedarf. Lediglich für Trichlorethylen gebe es neuerdings neben tierexperimentellen
Untersuchungen eine begrenzte Zahl von epidemiologischen Forschungsergebnissen mit einem statistisch erhöhten Risiko für das
Nierenzellkarzinom. Im internatonalen Maßstab sei man hingegen bisher wesentlich zurückhaltender bei der Beurteilung der Kanzerogenität
von TRI für den Menschen, weil das erhöhte Krebsrisiko für die Niere keineswegs von anderen Untersuchern hätte bestätigt werden
können. Offenbar sei auch der Organbezug noch nicht völlig abgeklärt. Aromatische Amine und Azofarbstoffe spielten in der
Diskussion um Ursachen für Nierenkarzinome keine Rolle. Insgesamt sei damit der Zusammenhang zwischen der Erkrankung des Klägers
und seiner beruflichen Tätigkeit als unwahrscheinlich einzustufen.
Der Kläger wandte hiergegen zunächst telefonisch und sodann mit Schriftsatz vom 25. Juli 2001 ein, dass nach verschiedenen
Veröffentlichungen sehr wohl ein Zusammenhang zwischen dem Nierenkarzinom und dem Kontakt mit Benzidin bejaht werde, und verwies
insbesondere auf seinen langjährigen Umgang mit aromatischen Diaminen, insbesondere Benzidin. Mit Rückäußerung vom 24. August
2001 führte Dr. K hierzu aus, dass die vom Kläger erhobenen Einwände arbeitstoxikologisch und epidemiologisch irrelevant seien.
Im Vordergrund der Diskussion stünde erneut das Harnblasenkarzinom, welches beim Kläger nicht vorliege. Soweit Nierentumoren
im Zusammenhang mit Benzidin überhaupt erwähnt würden, beträfen diese vor allem die Transitionalzellkarzinome im Übergangsepithel
des Nierenbeckens und nicht das beim Kläger diagnostizierte Nierenzell-Karzinom. Diese unterschiedlichen Tumorformen und -lokalisationen
seien ätiologisch im Rahmen der Kausaldiskussion jedoch gänzlich anders zu bewerten.
Mit Bescheid vom 24. Januar 2002 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung wegen der Folgen des Nierentumors auf
der Grundlage von §
9 Abs.
1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (
SGB VII) i. V. m. der BK 1301 der Anlage zur
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV) unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Dr. K ab.
Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte eine weitere Rückäußerung des Dr. K ein, der am 10. Juni 2002 erneut ausführte,
dass die Kanzerogenität aromatischer Amine, hier vor allem von Benzidin, für die Niere fragwürdig bleibe. Die Gefahrstoffeinstufungen
toxischer Substanzen seien vernünftigerweise präventiv ausgerichtet, für die versicherungsmedizinische Kausaldiskussion jedoch
nicht ausreichend. Synergistische Wirkungen kanzerogener Schadfaktoren seien zwar plausible Überlegungen, bisher jedoch -
mit Ausnahme von Asbest und Rauchen - überhaupt nicht systematisch untersucht. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2002
wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers daraufhin zurück.
Während des gegen die Ablehnung der Anerkennung einer BK 1301 geführten Klageverfahrens hat die Beklagte das Vorliegen weiterer
Berufskrankheiten-Tatbestände sowie das mögliche Vorliegen einer so genannten Quasi-BK/Wie-BK im Sinne von §
9 Abs.
2 SGB VII überprüft:
Im Hinblick auf die BK 1302 teilte die Abteilung Prävention der Beklagten am 14. März 2005 mit, dass in der Stoffliste des
Dr. H fünf Halogenkohlenwasserstoffe benannt worden seien, bei denen der begründete Verdacht auf ein kanzerogenes Potential
bestünde, Näheres müsse durch ein medizinisches Gutachten geklärt werden. Der Gewerbearzt des LAGetSi Dr. S teilte am 27.
Mai 2005 mit, die Anerkennung einer BK 1302 nicht vorzuschlagen, weil die medizinischen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben
seien.
Die Beklagte zog ein Positionspapier des Hauptverbandes der Gewerblichen Berufsgenossenschaften HVBG vom 18. Mai 2005 zur Anerkennung von Nierenzellkarzinomen durch Trichlorethen als BK 1302 bei (Brüning et al., Nierenzellkarzinome
durch Trichlorethen - Kriterien für die Anerkennung als Berufskrankheit der Nr. 1302 Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe).
Hier ist ausgeführt, dass neuere Erkenntnisse auf biologisch-toxikologischem und molekularbiologischem Gebiet epidemiologische
Studien bestätigt hätten, die ein erhöhtes Nierenzellkrebsrisiko für hochgradig Trichlorethen Exponierte unter der Voraussetzung
einer mehrjährigen Exposition im Hochdosisbereich ausgewiesen hätten. Unter einer "Hochdosis-Exposition" sei das regelmäßige
Auftreten von Konzentrationsspitzen zu verstehen, die pränarkotische Symptome auszulösen imstande seien. Diese träten bei
Expositionen gegenüber Luftkonzentrationen ab einer Höhe von zirka 300 ppm auf. Solche Expositionszenarien seien vor allem
bei beruflichen Tätigkeiten in den 50-er bis 70-er Jahren in verschiedenen Gewerbebereichen, insbesondere bei der Entfettung
von Metallteilen, aufgetreten. Erforderlich sei eine regelmäßige Exposition mit gravierenden und lang anhaltenden expositionsbezogenen
pränarkotischen Zuständen (z. B. Rausch- und Trunkenheitsgefühl, Benommenheit, Schwindel, Kopfschmerzen). Diese müssten mehrfach
wöchentlich über mindestens drei Jahre aufgetreten sein. Beim Nichtvorhandensein pränarkotischer Symptome sei auch bei längerfristiger
Einwirkung von Trichlorethen von keiner relevanten Krebs erzeugenden Wirkung auszugehen. Weitere Voraussetzung für einen Kausalzusammenhang
sei der Nachweis eines tubulären Nierenschadens in der verbliebenen Restniere bzw. der kontralateralen Niere nach Nephrektomie.
Die Beklagte befragte hierzu Dr. K, der zunächst eine Rückfrage beim Kläger bezüglich der Verwendung von Trichlorethylen empfahl.
In Beantwortung der Anfrage teilte der Kläger am 01. November 2005 mit, dass die chlorierten Kohlenwasserstoffe sehr unterschiedlich
und in schwankenden Mengen verwandt worden seien. Für TRI gab er eine durchschnittliche Jahresmenge von 100 bis 200 Litern
pro Jahr in den Jahren 1969 bis 1989 und 1991 an. Die Randbedingungen bei der Arbeit mit chlorierten Kohlenwasserstoffen seien
unterschiedlich gewesen.
In Auswertung dieser Angaben führte Dr. K am 21. November 2005 aus, dass die Diskussion über die Kanzerogenität des Schadstoffes
TRI seit seiner letzten Begutachtung mit weiterhin divergierenden Aussagen weitergegangen sei. Aus arbeitstechnischer Hinsicht
werde eine mehrjährige Exposition im Hochdosisbereich gefordert und diese durch das Auftreten von Konzentrationsspitzen mit
Luftkonzentrationen ab etwa 300 ppm präzisiert, welche zu pränarkotischen Zuständen bei den Betroffenen führten. Vorliegend
sei ein ursächlicher Zusammenhang nicht mit Wahrscheinlichkeit zu begründen, weil das Expositionsmaß unter den vom Kläger
beschriebenen Tätigkeitsmerkmalen aus arbeitsmedizinischer Sicht im Vergleich mit Expositionen unter Bedingungen der industriellen
Produktion als gering und annehmbar erheblich unterhalb der in den derzeitig geltenden Vorgaben geförderten Größenordnungen
gelegen haben dürfte, da weiterhin anamnestische oder klinische Hinweise für akute Angiftungen, speziell durch TRI, fehlten
und eine toxische Nierenschädigung des Tubulussystems, die ebenfalls als Voraussetzung in der Kausalitätsdiskussion gefordert
werde, nicht vorliege.
Hierzu äußerte sich der Kläger am 07. Januar 2006 dahin, dass TRI zwischen 1970 und 1976 als hauptsächliches Reinigungsmittel
für die Formen verwendet worden sei, die mit bis zu 2000 ml und Zellstoff offen auf dem Labortisch ohne Handschuhe gereinigt
worden seien. Hierbei habe sehr wohl eine Hochdosisexposition mit Konzentrationsspitzen bis zu 1830 ppm bei einer mittleren
Konzentration von 720 ppm vorgelegen. Diese Exposition sei regelmäßig und über mindestens sechs Jahre von 1970 bis 1976 erfolgt.
Die seinerzeit aufgetretene Benommenheit beim Umgang mit TRI sei gewohnheitsmäßig von allen Beteiligten in Kauf genommen worden.
Ein tubulärer Nierenschaden sei bislang lediglich nicht untersucht worden. Die Beklagte ermittelte diesbezüglich durch Nachfrage
beim Facharzt für Urologie Dr. S, der am 22. Mai 2006 einen Arztbrief vom 27. Juli 2005 und weitere Befunde übersandte. Der
Kläger verwies auf weitere Veröffentlichungen.
Mit Stellungnahme vom 13. Juli 2006 äußerte sich Dr. K zu allem sodann dahin, dass die Frage, ob und unter welchen Bedingungen
Trichlorethylen beim Menschen bei beruflicher Exposition ein Nierenzellkarzinom hervorrufen könne oder nicht, im internationalen
Maßstab noch im vollen Gange und die Kausalitätsfrage keineswegs abschließend geklärt sei. Mit der in Deutschland vorgenommenen
Einstufung als Kanzerogen habe man sich seines Erachtens weit vorgewagt, trotzdem werde auch hier weiterer Klärungsbedarf
gesehen. Die EU habe diese Einstufung zur Kanzerogenität jedenfalls nicht in ihre Richtlinie übernommen. Auch die zuständige
Organisation der WHO - die IARC in Lyon - habe sich bisher nicht von der Humankanzerogenität von TRI überzeugen können. Er
sehe sich nach wie vor außerstande, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der beruflichen Exposition des Klägers und seiner
Tumorerkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu begründen. Die vom Kläger vorgelegte Berechnung der Expositionsgröße
beim Umgang mit TRI als Reinigungsmittel sei bezüglich der erwartbaren Wirkung auf die Betroffenen mit arbeitstoxikologischen
Erfahrungen nicht zu vereinbaren. Die experimentelle Einatmung von 200 ppm TRI führten bereits zu ersten Symptomen wie Müdigkeit
und Schläfrigkeit. Bei stärkeren Angiftungen träten Rauschzustände und zunehmende Benommenheit auf. Ab 1000 ppm seien narkotische
Wirkungen zu erwarten. Wenn die von der Klägerseite reklamierten Größenordnungen der Angiftung mit TRI mit Konzentrationsspitzen
bis 1830 ppm bei einer mittleren Konzentration von 720 ppm zutreffen würden, wäre an den Laborarbeitsplätzen wegen Desorientiertheit
niemand mehr einsatzfähig gewesen oder gar bewusstlos geworden. Dies wäre aufgefallen.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2006 hat die Beklagte die Anerkennung einer BK 1302 der Anlage zur
BKV sowie die Gewährung von Leistungen wegen einer solchen BK abgelehnt. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens äußerte sich am
13. Juni 2007 die Abteilung Prävention der Beklagten dahin, dass sich dem Arbeitsbuch des Klägers entnehmen lasse, dass er
mit halogenierten Kohlenwasserstoffen gearbeitet habe. Es seien zwei Arbeitsplatzanalysen gefertigt worden, die glaubhaft
die Situation der Arbeitsplätze beschrieben, eine davon im Jahre 1981. Einer Arbeitsschutzanweisung vom 01. Januar 1977 zum
Umgang mit Gefahrstoffen könne man im Umkehrschluss entnehmen, dass vermutlich ungeschützt mit Halogenkohlenwasserstoffen
gearbeitet worden sei, was sich vermutlich auch nach Erlass der Anweisung nicht geändert habe. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen
für die Anerkennung einer BK 1302 lägen daher vor. Übermittelt wurden u. a. arbeithygienische Berichte der A, Z, vom 05. Oktober
1981 und 09. September 1982 sowie die genannten Arbeitsplatzanalysen. Eine Rückfrage bei der Abteilung Prävention der Beklagten
bezüglich der dort angenommenen TRI-Exposition ergab am 29. Juli 2008, dass konkrete Messprotokolle nicht hätten gefunden
werden können. Eine Überschreitung des Grenzwertes allein für den Stoff Trichlorethylen sei damit nicht bewiesen.
Mit Gutachten vom 14. August 2008 führte Prof. Dr. W, Medizinische Hochschule H, Institut für Arbeitsmedizin, aus, dass die
generelle Geeignetheit von Trichlorethylen, bei entsprechender Expositionshöhe Nierenzellkarzinome zu verursachen, als gesichert
anzusehen sei. Auf der Basis der zur Verfügung stehenden Literatur müsse davon ausgegangen werden, dass statistisch signifikant
erhöhte Nierenkrebsrisiken nur bei sehr hohen TRI-Expositionen von etwa 300 ppm (1638 mg/m³) bestünden. Eine derartige Exposition
für den Umgang mit Halogenkohlenwasserstoffen einschließlich Trichlorethen sei für den Arbeitsbereich des Klägers im Labor
den arbeitstechnischen Ermittlungen nach insgesamt nicht anzunehmen. Eine hohe Trichlorethenexposition im Bereich von 300
ppm sei nach allem nicht nachzuweisen. Dies entspreche auch arbeitsmedizinischer Erfahrung insofern, als dass in Laboratorien
sehr selten hohe Konzentrationen von Stoffen gefunden würden. Über regelhaft auftretende Rausch- und Trunkenheitsgefühle,
Benommenheit, Schwindel und Kopfschmerzen sei in den Aktenunterlagen kein Hinweis enthalten. Dieses sei auch aktuell vom Kläger
nicht berichtet worden. Auch die weitere Voraussetzung für einen Kausalzusammenhang in Gestalt des Nachweises eines tubulären
Nierenschadens bzw. einer Glomerulonephritis in der verbleibenden Niere sei nicht gegeben, wie die klinisch-chemische Urinuntersuchung
des Klägers sowie das Ergebnis einer Gel-Elektrophorese gezeigt hätten. Es fehle an den Auffälligkeiten im Proteinmuster des
Urins als Hinweis für eine Schädigung in der verbleibenden Restniere. Insgesamt könne daher das beim Kläger aufgetretene Nierenzellkarzinom
nicht mit der notwendigen sozialrechtlichen Wahrscheinlichkeit auf dessen berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden.
Die Beklagte übersandte später eine arbeitsmedizinische Stellungnahme der Prof. Dr. W vom 21. Juli 2009 zu Einwänden des Klägers,
die ausführte, dass der Kläger in der Tat angegeben habe, auf Benommenheit nicht so geachtet zu haben, er habe oftmals die
Luft angehalten oder sei kurz ans Fenster gegangen. Hinsichtlich des tubulären Nierenschadens, der bei nicht ausreichend geklärter
Exposition quasi als Brückensymptom aufgefasst werden könnte, sei nicht ausgeschlossen, dass sich diese Schäden nach einiger
Zeit wieder reparierten. Untersuchungen, die im Langzeitverlauf die Möglichkeit einer Regeneration des Nierengewebes aufzeigen
könnten, existierten jedoch bisher nicht. Unverändert sei festzuhalten, dass eine Überschreitung des Grenzwertes allein für
Trichlorethylen nicht bewiesen sei. Es könne weiterhin nicht mit der notwendigen sozialrechtlichen Wahrscheinlichkeit belegt
werden, dass das aufgetretene Nierenzellkarzinom beruflich verursacht worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2008 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers im Hinblick auf die BK 1302 zurückgewiesen.
Diesbezüglich hat der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 29. September 2008 erweitert, die Beklagte hat dem mit Schriftsatz
vom 20. Februar 2009 zugestimmt.
Zur BK 1304 führte die Abteilung Prävention der Beklagten am 14. März 2005 aus, dass sich zwar in der Stoffliste des Dr. H
drei Stoffe fänden, die Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols oder seiner Homologe oder ihrer Abkömmlinge entsprechend
der BK 1304 seien, wobei einem Stoff, nämlich Benzidin, ein kanzerogenes Potential unterstellt werde. Nierenkarzinome würden
diesbezüglich jedoch nicht beschrieben. Die unter Punkt 4 des Merkblattes zur BK 1304 genannten Stoffe, die Krebserkrankungen
erzeugten, seien in der den Kläger betreffenden Stoffliste nicht zu finden.
Nach Anhörung des LAGetSi, für welches Dr. S am 27. Mai 2005 mitteilte, die Anerkennung einer BK 1304 nicht vorschlagen zu
können, lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 1304 der Anlage zur
BKV sowie die Gewährung von Leistungen mit Bescheid vom 22. September 2005 ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2008 zurück.
Auch im Hinblick auf die BK 1304 erklärte der Kläger die Erweiterung seiner Klage mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2008. Dem
stimmte die Beklagte mit Schriftsätzen vom 13. Oktober 2004 und vom 20. Februar 2009 zu.
Mit weiteren Bescheiden entschied die Beklagte noch jeweils über die Anerkennung einer BK 1303 (Erkrankungen durch Benzol,
seine Homologe oder durch Styrol), einer BK 1315 (Erkrankungen durch Isocyanate), einer BK 1316 (Erkrankungen der Leber durch
Dimethylformamid) sowie über die Anerkennung einer BK nach §
9 Abs.
2 SGB VII als Quasi-BK. Im Hinblick auf die Ablehnung der BKs Nr. 1303 und 1316 wurde Klage nicht erhoben bzw. die Klage nicht erweitert. Im Hinblick auf die Anerkennung der BK 1315 und einer
Quasi-BK hat der Kläger die hierauf zunächst erweiterte Klage mit Schriftsatz vom 29. Juni 2009 wieder zurückgenommen.
Das Gericht hat ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. K, DZ, vom 23. August 2003 eingeholt, der zu dem Ergebnis
kam, dass die beim Kläger bestehenden Gesundheitsschäden im Sinne der erstmaligen Entstehung zu werten und durch berufliche
Exposition bedingt seien. Der berufliche Faktor sei wesentlich. Es könne als gesichert angesehen werden, dass der Kläger über
einen langen Zeitraum, nämlich zumindest beginnend mit dem Studium der Chemie 1962 bis hin zumindest 1991, gegenüber den verschiedensten
chemischen Substanzen exponiert gewesen sei. Unter der umfangreichen Liste befänden sich mehrere karzinogene Substanzen, es
fänden sich aromatische Amine und andere Aromaten, Isocyanate, die als Grundsubstanz einer chemischen Umwandlung zu aromatischen
Aminen dienen könnten. Es fänden sich auch Substanzen wie Benzol, Toluol und Trichlorethylen. Benzol sei nachweislich karzinogen
und darüber hinaus sei auch Trichlorethylen als karzinogene Substanz eingestuft. Es könne deshalb davon ausgegangen werden,
dass der Kläger über einen Zeitraum von 29 Jahren gegenüber einem Gemisch an karzinogenen Substanzen exponiert gewesen sei
in einer mehr oder weniger umfangreichen Größenordnung. Auch der medizinische Arbeitsschutz sei bis 1991 ein sehr problematischer
Punkt gewesen. Da die arbeitsmedizinische Überwachung im streitgegenständlichen Zeitraum völlig unzureichend gewesen sei,
lägen allerdings keinerlei objektive Daten vor. Letztendlich könne heute nur davon ausgegangen werden, dass die Konzentrationen
an fraglich toxisch karzinogenen Substanzen aus verschiedenen Lösungsmittelgemischen, Syntheseansätzen oder Prüfungen zumindest
in der Raumluft häufig einen Wert erreicht hätten, der für den Kläger unangenehm gewesen sein müsse, denn ansonsten wäre es
ihm nicht aufgefallen, dass die Förderleistung der Abzüge völlig unzureichend gewesen sei. Dies könne im vorliegenden Fall
eine Brückensymptomatik unterstützen, wobei darauf hinzuweisen sei, dass es eine eigentliche Brückensymptomatik mit typischen
körperlichen Beschwerden für die angeschuldigten Substanzen nicht gäbe. Es bleibe hier lediglich die olfaktorische Missempfindung,
die insbesondere von den Lösemitteln Trichlorethylen sowie auch von aromatischen Aminen ausgehe. Es sei mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit von einer dreifachen Resorption, nämlich einer inhalativen, ingestiven, und perkutanen, auszugehen. Es
könne als gesichert im Sinne des Vollbeweises angesehen werden, dass der Kläger die haftungsausfüllende Kausalität erfülle
und über einen sehr langen Zeitraum karzinogenen Substanzen in unterschiedlicher Konzentration und Ausmaß exponiert gewesen
sei. Die bisherigen Studien zum Auftreten von Nierenzellkarzinomen im Zusammenhang mit z. B. Trichlorethylen oder aromatischen
Aminen seien sehr spärlich, die Aussagekraft dieser Studien sei sehr gering. Sie könnten auf der anderen Seite den Vorwurf
der Kausalität, einer Beziehung zwischen aromatischen Aminen und Trichlorethylen und Nierenzellkarzinom, nicht entkräften.
Typischerweise sei zwar für karzinogene Substanzen die Exposition letztendlich nicht eindeutig zu sichern. Eine karzinogene
Substanz sei jedoch prinzipiell aufgrund ihres zell- und genverändernden Mechanismus in der Lage, bei Einmalkontakt eine schwere
Störung auszulösen, wenngleich heute davon ausgegangen werden könne, dass der Organismus in der Regel häufig in der Lage sei,
entsprechende Veränderungen biologisch abzufangen. Da die Niere ein Organ mit einer hohen Durchblutungsrate sei, bestehe hier
ein besonders hoher Kontakt zu karzinogenen Substanzen, so dass die haftungsausfüllende Kausalität gegeben sei. Außerberufliche
Fakten hätten nicht eruiert werden können. Nach dem Krasney'schen Prinzip sei daher der berufliche Faktor wesentlich.
Auf gerichtliche Rückfrage, wie die Wesentlichkeit der beruflichen Verursachung vorliegend zu begründen sei, teilte Dr. K
mit Kurznotiz vom 28. Oktober 2003 mit, bei seiner bisherigen Einschätzung zu bleiben.
Mit Urteil vom 22. Januar 2010 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur BK 1301 der Anlage zur
BKV ist ausgeführt: Dahingestellt bleiben könne, ob aromatische Amine und insbesondere Benzidin humankanzerogene Wirkung auch
hinsichtlich des Nierenzellgewebes hätten bzw. ob es hinreichend gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse für eine solche
kanzerogene Wirkung gäbe. Denn erfasst würden vom Tatbestand der BK 1301 nur Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen
"der Harnwege". Das Nierenparenchym als das vom Nierenzellkarzinom betroffene Organ gehöre aber anders als das Nierenbecken
nicht zu den vom Krankheitsbild der BK 1301 allein erfassten harnableitenden Organen. Dies sei ersichtlich die ganz einhellige
Kommentierung in der Literatur, auch unterscheide etwa die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie strikt zwischen
Nierenzellkarzinomen einerseits und Tumoren der Harnwege andererseits.
Warum der als Gutachter gehörte Dr. K das Nierenzellkarzinom ohne jede weitere Diskussion als Erkrankung der Harnwege im Sinne
der BK 1301 bezeichne und behandle, müsse vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen überraschen. Es zeige aber wie
auch seine sonstigen Ausführungen, in denen er entgegen den damals eindeutig nur auf die BK 1301 zugeschnittenen Beweisfragen
außer aromatischen Aminen auch alle möglichen anderen malignen Faktoren aus der beruflichen Tätigkeit des Klägers in eine
Gesamtbewertung der Kausalität einfließen habe lassen, sowie seine Weigerung, gerichtliche Hinweise zu Grundsätzen der Kausalitätsbewertung
und den Beweisanforderungen aufzunehmen und zu verarbeiten, dass er entweder nicht Willens oder nicht in der Lage gewesen
sei, eine vom Gericht gewünschte differenzierte und auf die Merkmale der
BKV zugeschnittene gutachterliche Bewertung abzugeben. Seine Aussage, die von ihm angenommenen Expositionen des Kläger seien
jedenfalls in ihrer Gesamtheit eindeutig für die Nierenkrebserkrankung des Klägers ursächlich geworden, widerspreche der Systematik
des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung und der
BKV, die eine isolierte Prüfung der einzelnen Berufskrankheitentatbestände und der damit jeweils verbundenen Kausalitätsprobleme
erfordere und die Bildung einer Art "Gesamt-BK" insbesondere auch bei fraglichen karzinogenen Expositionen, die verschiedenen
Berufskrankheitentatbeständen zuzuweisen seien, nicht zulasse. Das Sachverständigengutachten des Dr. K müsse vor dem Hintergrund
der vorstehenden Ausführungen als insgesamt nicht verwertbar bewertet werden.
Zur BK 1302 ist ausgeführt, dass es zwar mittlerweile hinreichend gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse gebe, aufgrund
derer davon ausgegangen werden könne, dass die Exposition gegenüber Halogenkohlenwasserstoffen und insbesondere Trichlorethylen
auch eine humankanzerogene Wirkung für das Zielorgan im Nierenparenchym habe. Allerdings könne diese kanzerogene Wirkung nach
dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis einen Ursachenzusammenhang nur dann hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen,
wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien, wovon im Falle des Klägers nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgegangen
werden könne. Auch wenn dahingestellt bleibe, ob entgegen den Ausführungen von Prof. Dr. W nicht vorausgesetzt werden dürfe,
dass ein tubulärer Nierenschaden nachgewiesen sei, und wenn auch dem Kläger zuzugeben sei, dass die Kriterien eines primären
Nierenzellkarzinoms und einer erwarteten Latenzzeit von mindestens zehn Jahren, im Regelfall 20 Jahren, seit dem Beginn der
Exposition bis zum Auftreten des Karzinoms erfüllt seien, fehle es jedoch am Nachweis einer mehrjährigen Exposition im Hochdosisbereich,
wovon üblicherweise bei einer Luftkonzentration ab zirka 300 ppm ausgegangen werde, und dem damit zusammenhängenden Nachweis
mehrfach wöchentlich aufgetretener, gravierender und lang anhaltender expositionsbezogener pränarkotischer Zustände. Diesbezügliche
Unterlagen lägen nicht vor, vielmehr sprächen die vorhandenen Dokumente eher gegen die vom Kläger zuletzt behauptete massive
TRI-Exposition von mindestens 500 ppm und dabei aufgrund der euphorisierenden und in höheren Dosen betäubenden Wirkung von
TRI zwangsläufig auftretende starke pränarkotische Zustände. Auf die Angaben des Klägers könne man sich diesbezüglich nicht
stützen, weil die Tragfähigkeit und Glaubwürdigkeit seiner Angaben aufgrund nicht unerheblicher Ungereimtheiten und Widersprüche
sowie einer nicht ohne weiteres nachzuvollziehenden "Entwicklung" im Laufe des Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahrens
erheblichen Zweifeln ausgesetzt sei, was wiederum im Einzelnen dargelegt wird. Zusammenfassend sei festzustellen, dass zwar
von einem Umgang mit Halogenkohlenwasserstoffen in der Zeit von 1969 bis 1983 in gewissem Umfang auszugehen sei, dass aber
der erforderliche Nachweis einer langjährigen Exposition im Hochdosisbereich und der Nachweis einer beim Umgang mit TRI im
Hochdosisbereich über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren mehrmals wöchentlich auftretenden starken pränarkotischen
Symptomatik nicht erbracht sei. Im Gegenteil erscheine beides auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen eher unwahrscheinlich.
Hinsichtlich der BK 1304 sei bereits zweifelhaft, ob hier nicht der Tatbestand der Nr. 1301 der Anlage zur
BKV eine abschließende Regelung enthalte, die den Rückgriff auf den Tatbestand der Nr. 1304 der Anlage zur
BKV nicht mehr ermögliche. Dies könne jedoch dahingestellt bleiben, da eine Kanzerogenität aromatischer Amine und insbesondere
von Benzidin für andere Zielorgane als die Harnwege, insbesondere die Nieren, bisher nicht hinreichend wissenschaftlich habe
gesichert werden können. Nach Einschätzung des Gerichts gebe Dr. K damit den Stand der wissenschaftlichen Diskussion korrekt
wieder.
Gegen dieses ihm am 12. Februar 2010 zugegangene Urteil richtet sich die am 12. März 2010 eingegangene Berufung des Klägers.
Der Kläger trägt vor, dass in seinem Fall mehrere Ursachen für die Herausbildung der Tumorerkrankung in Betracht kämen, eine
Abgrenzung sei hier nicht möglich. Er sei durchaus chemischen Stoffen ausgesetzt gewesen. Lediglich weil die Höhe der Dosis
nicht genau bestimmt werden könne, dürfe der von ihm geltend gemachte Anspruch nicht abgewiesen werden. Es sei nicht nachvollziehbar,
weshalb das für ihn positive Gutachten größtenteils ignoriert worden sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Januar 2010 und die die Bescheide der Beklagten vom 24. Januar 2002 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2002, vom 24. Oktober 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. August
2008 und vom 22. September 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2008 aufzuheben, die Beklagte
zu verurteilen, sein 1993 operiertes Nierenzellkarzinom als Berufskrankheit nach den Nrn. 1301, 1302 und/oder 1304 der Anlage
1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen und ihm eine Verletztenteilrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v. H. zu gewähren,
hilfsweise,
ein Gutachten nach §
109 Sozialgerichtsgesetz durch Prof. Dr. B zu den hier streitgegenständlichen Zusammenhangsfragen einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die im Urteil getroffenen Feststellungen; neuer Tatsachenvortrag sei nicht erfolgt. Eine Beweislastumkehr
für den Fall, dass die Höhe der Dosis der gefährlichen Exposition nicht hinreichend bestimmt werden könne, gäbe es nicht.
Das Gericht hat den Kläger durch ein ihm am 06. September 2010 zugegangenes Schreiben auf die Möglichkeit hingewiesen, binnen
vier Wochen gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) die Anhörung eines von ihm zu benennenden Arztes zu beantragen. Den Antrag, Prof. Dr. B- zu hören, hat der Kläger mit Schriftsatz
vom 17. Mai 2011 gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst
Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakten der Beklagten (8 Bände).
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung seiner operierten
Krebserkrankung als BK Nr. 1301, 1302 und/oder 1304. Das erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide der Beklagten
sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKVO Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine, nach der Nr. 1302 der Anlage
1 zur BKVO Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe und nach der Nr. 1304 der Anlage 1 zur BKVO Erkrankungen durch Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols oder seiner Homologe oder ihrer Abkömmlinge.
Voraussetzung für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als Berufskrankheit ist, dass die Verrichtung einer -
grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem
auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität), ferner müssen die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende
Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne
des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Lediglich für die nach der Theorie der
wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung
einerseits und zwischen der schädigenden Einwirkung und der eingetretenen Erkrankung andererseits reicht die hinreichende
Wahrscheinlichkeit aus. Nach der im Unfallversicherungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal
und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich
mitgewirkt haben. Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit der Ursache ist maßgebend, dass es mehrere rechtlich
wesentliche Mitursachen geben kann. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis bzw. die schädigende Einwirkung
wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig"
oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende
Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Eine
Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache ausscheidet,
kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder "Auslöser" bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale
Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen
ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter
Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere
alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der
Ursachenzusammenhang positiv festgestellt werden muss und dass es keine Beweisregel gibt, wonach bei fehlender Alternativursache
die naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist. Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs
genügt dann die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht
und ernsthafte Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (so insgesamt BSG, Urteil vom 09. Mai 2006, Az.: B 2 U 1/05 R, und Urteil vom 02. April 2009, Az. B 2 U 9/08 R, m. w. N., zitiert nach juris.de).
Das Gericht schließt sich insbesondere auch der erstinstanzlichen Bewertung der im Laufe des Verfahrens eingeholten Sachverständigengutachten
an. Dr. K hat sich in seinen Gutachten und ergänzenden Stellungnahmen wiederholt mit sämtlichen vom Kläger benannten Gefahrstoffstoffen,
denen er ausgesetzt gewesen ist, umfassend und überzeugend dahin auseinandergesetzt, ob diese die Erkrankung des Klägers mit
der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit verursacht haben. Auf Einwände des Klägers ist Dr. K jeweils eingegangen
und hat seine Auffassungen mit umfangreichen Literaturhinweisen belegt. Dessen Einschätzung, dass die Erkrankung des Klägers
nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch eine Exposition im Sinne der streitgegenständlichen BKs verursacht worden
ist, schließt sich daher auch das Berufungsgericht an. Prof. Dr. W, die auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers im Verwaltungsverfahren
gehört worden war, war ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, dass eine wesentliche Verursachung der Krebserkrankung des Klägers
durch Trichlorethen nicht feststellbar ist. Auch diesbezüglich wird auf die umfassende Auswertung des Gutachtens im erstinstanzlichen
Urteil Bezug genommen.
Den Ausführungen des Dr. K konnte sich hingegen auch das Berufungsgericht nicht anschließen. Die erstinstanzlich an dessen
Ausführungen geübte Kritik wird geteilt. Das Gutachten, welches bereits äußerlich durch die Art des Sprachgebrauchs außergewöhnlich
dürftig gestaltet ist, reicht auch inhaltlich in seiner Argumentationshöhe nicht annähernd an die Qualität der Gutachten und
Stellungnahmen des Dr. K heran. Zu Recht hatte das Gericht Dr. K deshalb nochmals darauf hingewiesen, dass die hinreichende
Wahrscheinlichkeit der Verursachung im Sinne der genannten Wesentlichkeitstheorie positiv begründet werden muss. Dies ist
durch den Gutachter nicht erfolgt. Die von ihm gezogene Schlussfolgerung, dass bei Fehlen außerberuflicher Faktoren irgendeine
der in Betracht kommenden kanzerogenen Noxen wohl mindestens zu einem Drittel ursächlich gewesen sein wird, entspricht in
keiner Weise den o. g. Anforderungen an die Feststellung der Ursächlichkeit im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die im Berufungsverfahren vom Kläger erhobenen Einwände überzeugten ebenfalls nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers war
es durchaus entscheidungserheblich, dass die Höhe der Belastung, insbesondere durch den Gefahrstoff TRI, vorliegend nicht
nachgewiesen werden konnte. Denn die Einwirkungen müssen nach den dargelegten allgemeinen Grundsätzen im Sinne des Vollbeweises
bewiesen werden. Dies ist vorliegend aus den erstinstanzlich umfassend dargelegten Gründen nicht geschehen mit der Folge,
dass nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen dieser Umstand zu Lasten des Klägers geht. Soweit der Kläger ausführt, dass ein
kausaler Zusammenhang "möglich" sei, ist darauf hinzuweisen, dass genau dies nach ständiger Rechtsprechung nicht ausreichend
ist; die bloße Möglichkeit einer Verursachung reicht nicht.
Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.