Gründe:
Die Beschwerde, mit welcher der Antragsteller unter Zugrundelegung der gemäß §
123 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) gebotenen sachdienlichen Auslegung unter Würdigung seines Gesamtvorbringens - sachdienlich gefasst - beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juni 2010 aufzuheben und der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung
aufzugeben, dem Antragsteller hinsichtlich der bei ihm bestehenden inkompletten Tetraplegie Heilbehandlung einschließlich
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren, ist gemäß §§
172 Abs.
1,
173 SGG zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §
86b Abs.
2 SGG abgelehnt. Der Antragsteller hat es nicht vermocht, einen Anordnungsanspruch mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen
hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft zu machen, §§ 86b Abs. 2
SGG, 920 Abs.
2,
294 ZPO.
Zunächst sind die Voraussetzungen der einzig in Betracht zu ziehenden Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Heilbehandlung
einschließlich medizinischer Rehabilitation aus § 26 Abs. 1 S. 1, Abs.
2 Nr.
1, Abs.
4 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (
SGB VII) nicht glaubhaft gemacht. Nach §
26 Abs.
1 S. 1
SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buchs unter anderem Anspruch auf
Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Nach §
26 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII hat der Unfallversicherungsträger mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den durch den Versicherungsfall verursachten
Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern. Nach §
26 Abs.
4 SGB VII haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen zur Heilbehandlung und Teilhabe dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen
Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen; sie werden als Dienst- und Sachleistung
zur Verfügung gestellt, soweit dieses oder das Neunte Buch keine Abweichungen vorsehen.
Ein Versicherungsfall im vorstehenden Sinne erscheint unter Zugrundelegung der im vorliegenden Eilverfahren gebotenen und
auch nur möglichen überschlägigen Prüfung nicht überwiegend wahrscheinlich.
Versicherungsfälle sind gemäß §
7 Abs.
1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach §
8 Abs.
1 S. 1
SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle der Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6 begründenden Tätigkeit. Nach §
8 Abs.
1 S. 2
SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum
Tod führen.
Zwar hat der Senat keinen Zweifel daran, dass in der Inanspruchnahme stationärer Krankenhausleistungen auf Kosten der Krankenkasse
durch den Antragsteller im S Klinikum eine den Versicherungsschutz nach §
2 Abs.
1 Nr.
15 lit. a
SGB VII begründende Tätigkeit vorlag. Jedoch vermag der Senat nicht zu erkennen, dass das Unfallereignis - wahrscheinlich Ausrutschen
und Stürzen während eines Gangs zur Toilette am 15. Juni 2009 - infolge eben dieser versicherten Tätigkeit eintrat, wobei
eine Berufskrankheit vorliegend von vornherein ausscheidet.
Der Gesetzgeber bringt mit der Formulierung "infolge" in §
8 Abs.
1 S. 1
SGB VII das Erfordernis eines Zusammenhangs zum Ausdruck. Es muss eine kausale Verknüpfung des Unfalls mit der betrieblichen Sphäre
bestehen, mithin eine rechtliche Zurechnung für besonders bezeichnete Risiken der Arbeitswelt beziehungsweise gleichgestellter
Tätigkeiten, für deren Entschädigung die gesetzliche Unfallversicherung als spezieller Zweig der Sozialversicherung einzustehen
hat, und zwar nicht nur im Sinne einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der
Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen
Kausalzusammenhangs (Zurechnungslehre der wesentlichen Bedingung, ständige Rechtsprechung, etwa Bundessozialgericht [BSG],
Urteil vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Die Frage nach diesem Zurechnungszusammenhang stellt sich auf drei Ebenen, nämlich als
Unfallkausalität zwischen ausgeübter Tätigkeit und Unfallereignis, als haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis
und Gesundheitserstschaden und als haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheitserstschaden und längerandauernden Unfallfolgen
(BSG, aaO., Rn. 10; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 21 f.).
Der Senat hält einen derartigen Zurechnungszusammenhang im vorliegenden Fall nicht für überwiegend wahrscheinlich. Zunächst
ist die erforderliche Unfallkausalität nicht zu erkennen.
Soweit das Gesetz in §
8 Abs.
1 S. 2
SGB VII eine äußere Ursache für den Gesundheitsschaden fordert, lösen im Umkehrschluss solche Gesundheitsschäden keinen Anspruch
aus, welche auf so genannten inneren Ursachen beruhen. Dies sind körpereigene Ursachen infolge krankhafter Erscheinungen oder
der Konstitution des Betroffenen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO., S. 28).
Vorliegend besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Unfallereignis im Wesentlichen eine innere Ursache hat. Hierfür
bezieht sich der Senat zunächst auf den ärztlichen Bericht des S Klinikums vom 30. Juni 2009, wonach der Antragsteller am
08. Juni 2009 im Rahmen einer Notfalleinweisung durch den Notarzt wegen zunehmender Schwäche, mehrfachen Schwindels, Schweißausbrüchen
und Gangunsicherheit im Krankenhaus aufgenommen wurde und bei ihm zunächst unter anderem Herzrhythmusstörungen festgestellt
wurden. Hiermit stimmt eine telefonische Auskunft der Ehefrau vom 20. Januar 2010 gegenüber der Sachbearbeitung der Antragsgegnerin
überein, wonach der Antragsteller vor dem Sturz am 15. Juni 2009 bereits einmal im Bad und einmal beim Aufstehen aus dem Bett
gestürzt war. Dem entsprechen auch die von der Antragsgegnerin eingeholten Angaben des damals mit der Erstversorgung des Antragstellers
betrauten Arztes auf der kardiologischen Station, Herrn Z, wonach der Antragsteller sich wegen seines schlechten Allgemeinzustands
in stationärer Behandlung befand, körperlich deutlich geschwächt war und eine schlaffe Tetraplegie hatte, weswegen er strikt
angewiesen worden war, das Bett nicht allein zu verlassen, weil er seine Bewegungen nicht mehr koordinieren konnte (vgl. schriftlicher
Vermerk vom 25. Januar 2010, unterzeichnet von Herrn Z am 01. Februar 2010). Demgegenüber ist nichts dafür vorgetragen oder
sonst ersichtlich, dass der Untergrund, auf welchem der Antragsteller zu Fall kam, Stolperstellen oder glatte Stellen aufwies.
Vielmehr liegen lediglich auf das Gegenteil hindeutende Angaben in der zuvor erwähnten Auskunft Herrn Zs vor, welcher den
Antragsteller am 15. Juni 2009 mitten im Patientenzimmer auf dem Boden sitzend und mit blutig geschlagener Nase vorgefunden
hatte. Auch führt die eidesstattliche Versicherung der Tochter des Antragstellers nicht zu einer anderen Einschätzung. Die
Erklärung ist zunächst in sich widersprüchlich, indem es dort einerseits über den Antragsteller heißt, "dass er nicht mehr
völlig problemlos Treppen steigen konnte", zum anderen, dass "das Steigen von Treppen ... aber dennoch problemlos möglich"
gewesen sei. Der dort geschilderte Umstand, dass der Antragsteller ohne fremde Hilfe zu Fuß zum Chirurgen gegangen sei, gibt
keine Auskunft über den Krankheitszustand des Antragstellers, welcher letztlich zur Notfalleinweisung führte und nach den
oben genannten ärztlichen Stellungnahmen auch in der Zeit danach im S Klinikum fortbestand.
Zudem erachtet es der Senat nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass eine haftungsbegründende Kausalität (zum Wahrscheinlichkeitsgrad
BSG, aaO., Rn. 20) zwischen Unfallereignis und dem vom Antragsteller behaupteten Gesundheitserstschaden - inkomplette Tetraplegie
sub C 4 - besteht, wobei unter diesem jede körperliche Beeinträchtigung zu verstehen ist, die unmittelbar auf die Einwirkung
durch das äußere Ereignis zurückzuführen ist (Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO., S. 22). Auch wenn der Senat keinen Zweifel
am Bestehen des vorgetragenen Gesundheitsschadens hat und die Antragsgegnerin zunächst in ihrer Befundberichtsanforderung
vom 07. Dezember 2009 die neurologische Verschlechterung des Antragstellers als Sturzfolge bei vorbestehender Spinalkanalstenose
wertete, hat der Senat bereits ernste Zweifel, dass zwischen der beim Antragsteller vorliegenden Erkrankung und dem Unfallereignis
ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang besteht. Zwar heißt es im Durchgangsarztbericht vom 21. Oktober 2009 zunächst noch,
dass die neurologische Verschlechterung als Sturzfolge bei vorbestehender cervikaler Spinalkanalstenose anzusehen sei, wobei
im Durchgangsarztbericht im Folgenden angegeben ist, dass Hergang und Befund gegen die Annahme eines Arbeitsunfalls sprechen
würden, weil der Zusammenhang zu klären sei. Jedenfalls enthalten der bereits oben erwähnte ärztliche Bericht des S Klinikums
vom 30. Juni 2009 und der Zwischenbericht des Behandlungszentrums für Rückenmarkverletzte beimU) vom 17. Dezember 2009 nach
Durchführung weiterer körperlicher Untersuchungen des Klägers keine Anhaltspunkte mehr für einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang.
Nach dem letztgenannten Bericht erlitt der Antragsteller bei seinem Sturz am 15. Juni 2009 eine Nasenbeinfraktur, nach deren
Versorgung im U er ins S Klinikum zurückverlegt wurde und "Im weiteren Verlauf ... sich bei vorbestehender Spinalkanalstenose
eine inkomplette Tetraplegie sub C 4 [entwickelte], so dass Herr P. erneut in die Neurochirurgische Abteilung ... verlegt
wurde...".
Davon abgesehen sieht der Senat nach dem bisherigen Erkenntnisstand die beim Antragsteller bestandene, bereits zuvor beschriebene
Krankheitsanlage und nicht das schädigende Ereignis nach den vorstehenden ärztlichen Stellungnahmen als wesentlich für den
Gesundheitsschaden an, weil nichts dafür vorliegt, dass die Krankheitsanlage entweder zur Entstehung krankhafter Veränderungen
einer besonderen, in ihrer Art unersetzlichen äußeren Einwirkung bedurfte oder ohne das Unfallereignis zu einem - nicht unwesentlich
- späteren Zeitpunkt aufgetreten wäre, dieser aber durch die schädigende Einwirkung erheblich vorverlegt wurde (vgl. BSG,
Urteil vom 27. Oktober 1987 - 2 RU 35/87 -, zitiert nach juris Rn. 27).
Die vom Gericht durchgeführte summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache genügt auch eingedenk der besonderen
Umstände des Falls dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art.
19 Abs.
4 S. 1 des Grundgesetzes (
GG). Eine Folgenabwägung (zu den Anforderungen grundlegend Bundesverfassungsgericht [BVerfG], stattgebende Kammerbeschlüsse
vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586//02 -, zitiert nach juris Rn. 6 ff., und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -, zitiert nach juris Rn. 24 ff.) war nicht geboten, weil die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes im vorliegenden Fall nicht
zu schweren und unzumutbaren Nachteilen für den Antragsteller führt. Er kann mangels gegenteiliger medizinischer Anhaltspunkte
bis zum Ausgang des Hauptsacheverfahrens auf die Inanspruchnahme von Heilbehandlung und Rehabilitationsleistungen durch die
gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung verwiesen werden, zumal für den 1935 geborenen Antragsteller unter Rückgriff auf
das Leistungsspektrum der gesetzlichen Unfallversicherung auch keine Rückführung ins Arbeitsleben mehr im Raum steht.
Nach alldem kann dahinstehen, ob auch ein Anordnungsgrund im Sinne einer gegenwärtigen existenziellen Notlage besteht. Hiergegen
spricht jedenfalls, dass nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, dass der Antragsteller gerade jetzt, das heißt
in seiner gegenwärtigen Krankheitssituation einer Kranken- oder rehabilitativen Behandlung bedürfte, welche ihm die Kranken-
oder Pflegeversicherung nicht gewährte, zumal - wie gezeigt - im Fall des Antragstellers für bestehenden Unfallversicherungsschutz
keine, insbesondere keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg,
2. Senat, Beschluss vom 30. September 2009 - L 2 U 260/09 B ER -, zitiert nach juris, Rn. 13).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgte dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, §
177 SGG.