Vergütung vertragsärztlicher Leistungen; höchstpersönliche Leistungserbringung des Vertragsarztes bei der Abrechnung der Beratung
nach Nr 03120 EBM-Ä 2005
Gründe:
I. Der Antragsteller wendet sich gegen die im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Berichtigung durch die Antragsgegnerin vorgenommene
Kürzung seines ärztlichen Honorars für die Quartale II/2005 bis I/2006; im Streit steht ein Rückforderungsbetrag von insgesamt
32.333,99 Euro.
Mit Beschluss vom 10. März 2009 hat das Sozialgericht Berlin den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage
S 71 KA 582/08 zurückgewiesen und zur Begründung angeführt: Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig, denn zu Recht habe die Antragsgegnerin
die Ziffer 03120 EBM-Ä aus dem Honoraranspruch des Antragstellers herausrechnen dürfen. Diese Leistung dürfe nur bei unmittelbarem
Arzt-Patientenkontakt abgerechnet werden, der nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers aber überwiegend nicht gegeben
gewesen sei. Zudem sei angesichts der Vermögensverhältnisse des Antragstellers bei Vollziehung der Bescheide eine besondere
Härte nicht zu befürchten.
Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, die Ziffer 03120 EBM-Ä setze keinen höchstpersönlichen
Arzt-Patienten-Kontakt voraus; es sei unschädlich, dass die Leistungen insoweit von seinen nichtärztlichen Mitarbeiterinnen
erbracht worden seien. Im Übrigen bewirke die Vollziehung der angefochtenen Bescheide eine besondere Härte. Ihm drohe Zahlungsunfähigkeit;
ein Verkauf seines Wohneigentums sei nicht ohne weiteres zu bewerkstelligen.
Wegen des Sachverhalts, der zwischen den Beteiligten unstreitig ist, nimmt der Senat im Übrigen Bezug auf die zutreffenden
Darstellungen im Widerspruchsbescheid vom 19. August 2008 sowie im Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. März 2009,
des Weiteren auf den Inhalt der Akten des Eil- und des Klageverfahrens sowie auf den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin.
II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin den Eilantrag zurückgewiesen. Der
Antragsteller hat keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
Von Gesetzes wegen sind die hier angefochtenen Bescheide über die sachlich-rechnerische Berichtigung bzw. Kürzung der ärztlichen
Honorare für die Quartale II/2005 bis I/2006 sofort vollziehbar, §
86 a Abs.
2 Nr.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §
85 Abs.
4 Satz 9 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (
SGB V), so dass ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach §
86 b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG grundsätzlich statthaft ist.
Im Rahmen der Begründetheitsprüfung ist - bezogen auf den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts -
eine Abwägung der jeweiligen Interessen der Beteiligten vorzunehmen, die die vom Gesetzgeber getroffene Grundentscheidung,
den Eintritt der aufschiebenden Wirkung abweichend von dem in §
86 a Abs.
1 SGG geregelten Grundsatz nach §
86 a Abs.
2 Nr.
4 SGG in Verbindung mit §
85 Abs.
4 Satz 9
SGB V gerade auszuschließen, zu beachten hat. Ergibt diese Abwägung, dass das private Interesse eines Antragstellers an der Anordnung
der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des belastenden Bescheides
überwiegt, ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Dies wiederum ist in aller Regel dann der Fall, wenn sich der angegriffene
Bescheid als offensichtlich rechtswidrig erweist und dies mit einer subjektiven Rechtsverletzung des Belasteten einhergeht,
weil an der sofortigen Vollziehung eines mit der Rechtsordnung nicht im Einklang stehenden Bescheides kein öffentliches Interesse
besteht. Umgekehrt überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Bescheides das private Interesse
eines Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs grundsätzlich dann, wenn gegen die Rechtmäßigkeit
des Bescheides offensichtlich keine Bedenken bestehen. In diesem Fall ist die aufschiebende Wirkung in der Regel nicht anzuordnen.
Lässt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides indes im Rahmen des Eilverfahrens nicht hinreichend
sicher beantworten, kommt es unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundentscheidung des Gesetzgebers für die Begründetheit
des Antrages entscheidend auf die sonstigen Interessen der Beteiligten an. Grundsätzlich hat hierbei zu gelten, dass die an
das private Interesse eines Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu stellenden Anforderungen im Sinne
einer dynamischen Betrachtung um so höher sein müssen, je geringer die Erfolgsaussichten des von ihm in der Hauptsache eingelegten
Rechtsbehelfs zu bewerten sind. Nicht außer Betracht gelassen werden dürfen in diesem Zusammenhang die wechselseitig eintretenden
Folgen, die jeweils entstünden, wenn sich die durch das Gericht getroffene Eilentscheidung im Hauptsacheverfahren als unzutreffend
erweisen sollte.
Hieran gemessen hat der Eilantrag keinen Erfolg; es überwiegt das Vollziehungsinteresse, weil die angefochtenen Bescheide
rechtmäßig sind. Die angefochtene Honorarkürzung beruht ausschließlich auf der Herausnahme der Ziffer 03120 EBM-Ä; entscheidend
ist damit allein, ob der Antragsteller einen Anspruch auf Vergütung für die insoweit von ihm abgerechneten, aber von nichtärztlichem
Personal erbrachten Leistungen hat oder nicht. Zu Recht haben die Antragsgegnerin und das Sozialgericht diese Frage verneint.
Auch der Senat ist der Auffassung, dass die Abrechnung der Ziffer 03120 EBM-Ä in der Fassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes
(EBM) vom 1. April 2005 die höchstpersönliche Leistungserbringung durch einen Arzt erfordert. Auf die zutreffenden Ausführungen
im Widerspruchsbescheid und im erstinstanzlichen Beschluss kann insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen
werden. Ziffer 03120 befindet sich im Kapitel 3.3 / 3.3.1 des EBM, betreffend "Leistungen der allgemeinen hausärztlichen Versorgung
/ Hausärztliche Grundleistungen" und umfasst "Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Minuten". Wortlaut
und Einbettung der Ziffer deuten insoweit auf das Erfordernis der höchstpersönlichen ärztlichen Leistungserbringung. "Beratung"
und Angabe einer festen Zeitdauer sind im Rahmen ärztlicher Gebührenvorschriften geradezu typische Anhaltspunkte für die Abrechenbarkeit
(nur) ärztlicher Tätigkeit. So verstehen auch Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung "Aufklärung und Beratung
des Patienten" als höchstpersönliche Leistung des Arztes (Dt. Ärzteblatt 2008, Seite A 2174). Dass Ziffer 03120 von einem
unmittelbaren Arzt-Patienten-Kontakt ausgeht, der nach Nr. 4.1 der "Allgemeinen Bestimmungen" die "räumliche und zeitgleiche
Anwesenheit von Arzt und Patient und die direkte Interaktion derselben" voraussetzt, wird weiter dadurch belegt, dass "bei
der Nebeneinanderberechnung der Leistungen nach den Nummern 03110 bis 03112 und 03120 eine Dauer der Arzt-Patienten-Kontaktzeit
von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der Nummer 03120" ist. Hieraus kann nur geschlussfolgert
werden, dass Nummer 03120 stets den unmittelbaren Arzt-Patienten-Kontakt beinhaltet.
Unabhängig davon ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Vollziehung der Honorarkürzung vor Eintritt der Bestandskraft für den
Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte (vgl. §
86 a Abs.
3 Satz 2
SGG) zur Folge hätte. Trotz aller vom Antragsteller vorgelegten Materialien vermag der Senat keinen Anhaltspunkt dafür zu erkennen,
dass die ratenweise Durchsetzung der Forderung ihn in existentiell bedrohende wirtschaftliche Bedrängnis bringen könnte. Allein
die Existenz des vom Antragsteller eingeräumten Immobilienvermögens in Gestalt von vier Eigentumswohnungen spricht dagegen.
Auch hat der Antragsteller, worauf die Antragsgegnerin zu Recht hingewiesen hat, nach Bekannt werden der möglicherweise auf
ihn zukommenden Forderungen im September 2006 Festgeldtransaktionen in Höhe von 150.000,- Euro vorgenommen. Noch nach Erlass
des ersten hier relevanten Bescheides vom 16. August 2007 hat der Antragsteller nach seinem eigenen Vorbringen Festgeld in
Höhe von rund 90.000,- Euro zurück auf sein Girokonto übertragen. Angesichts dieser Beträge fällt es dem Senat mehr als nur
schwer, dem Vorbringen des Antragstellers zu folgen, ihm drohe nun als pensioniertem Arzt Zahlungsunfähigkeit, falls der derzeit
noch offene Kürzungsbetrag von 15.333,99 Euro weiter abzutragen sei.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197 a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).