Berücksichtigung des gesetzlichen Mindesterstattungssatzes bei der Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für die Entgeltfortzahlung
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz
(AAG).
Der Kläger ist als Rechtsanwalt selbständig tätig und beschäftigt nicht mehr als 30 Arbeitnehmer, darunter eine Sekretärin,
die bei der beklagten Krankenkasse versichert ist. Diese Krankenkasse bestimmte - soweit hier von Interesse - in § 39 ihrer
Satzung (in der ab 01.01.2009 geltenden Fassung): (1) Die AOK PLUS erstattet 1. den nach § 1 Abs. 1 AAG ausgleichsberechtigten
Arbeitgebern für Aufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit 60 vom Hundert des an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fortgezahlten
Arbeitsentgeltes ... 2 ... (2) Hat der Arbeitgeber den ermäßigten Umlagesatz nach § 38 Abs. 2 Nr. 2 gewählt, erstattet die
AOK PLUS 45 vom Hundert der in Absatz 1 Nr. 1 aufgeführten Aufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit. (3) Mit den genannten Erstattungssätzen
sind auch die auf die erstattungsfähigen Aufwendungen entfallenden Arbeitgeberanteile der Beiträge zur gesetzlichen Kranken-,
Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung abgegolten. Der Kläger hatte bei der Beklagten für den Ausgleich
der Aufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit nach § 1 Abs. 1 AAG (U1-Verfahren) den allgemeinen Umlagesatz mit einem Erstattungssatz
von 60 % gewählt. Seine Sekretärin war vom 19.01.2009 bis zum 23.01.2009 arbeitsunfähig und erhielt vom Kläger Entgeltfortzahlung
(Bruttoarbeitsentgelt von 372,14 EUR zuzüglich des Arbeitgeberanteils zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag von 70,08 EUR).
Die Erstattung dieser Krankheitsaufwendungen beantragte der Kläger am 28.01.2009. Die Beklagte erstattete ihm daraufhin 223,27
EUR, mithin 60 % des fortgezahlten Bruttoarbeitsentgelts; für den entrichteten Arbeitgeberanteil zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag
lehnte sie dagegen eine Erstattung ab (Bescheid vom 16.02.2009). Mit seinem Widerspruch vom 18.02.2009 rügte der Kläger, dass
der tatsächliche Erstattungssatz nicht bei 60 %, sondern bei 50,5 % liege. Die dem zugrunde liegende Satzungsbestimmung verstoße
gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG, der es zwar erlaube, durch Satzungsrecht die Höhe der Erstattung zu beschränken, es aber nicht
zulasse, den Arbeitgeberanteil vollständig von der Erstattung auszunehmen. Darüber hinaus verstoße die Satzungsregelung gegen
das Transparenzgebot, weil sie einen Vergleich mit anderen Krankenkassen, welche die Arbeitgeberanteile erstatteten, zumindest
erschwere. Die Beklagte wies den Widerspruch unter Verweis auf die Regelungen in § 39 ihrer Satzung zurück (Widerspruchsbescheid
vom 23.04.2009).
Der Kläger hat am 18.05.2009 vor dem Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben. Er habe nicht nur Anspruch auf Erstattung von 60 % des fortgezahlten Bruttoarbeitsentgelts, sondern auch
von 60 % der Arbeitgeberanteile, mithin insgesamt von 265,33 EUR, woraus sich eine offene Differenz von 42,05 EUR ergebe.
Die Satzungsregelung, wonach die Arbeitgeberanteile bei der Berechnung der Erstattung nicht berücksichtigt würden, verstoße
gegen § 9 AAG, zumal sich für Arbeitgeber mit einem Erstattungssatz von 45 % ein Erstattungsbetrag errechne, der unter dem
gesetzlichen Mindestsatz von 40 % liege.
Das SG hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 22.12.2009). Die Beklagte habe in Anwendung des § 39 ihrer
Satzung den Erstattungsbetrag richtig berechnet. Die Satzung verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Sie entspreche der
Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG, wonach die Satzung die Höhe der Erstattung nach § 1 Abs. 1 AAG beschränken
und verschiedene Erstattungssätze, die 40 % nicht unterschritten, vorsehen könne. Die Grundlagen der Berechnung würden nicht
geändert. Errechne man einen Gesamterstattungssatz aus fortgezahltem Arbeitsentgelt und Arbeitgeberanteilen zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag,
liege dieser zwangsläufig unter den in § 39 Abs. 1 und 2 der Satzung aufgeführten Erstattungssätzen von 60 % bzw. 45 % des
fortgezahlten Arbeitsentgelts. Sofern dadurch bei einem Erstattungssatz von 45 % die Höhe der Erstattung den in § 9 Abs. 2
Nr. 1 AAG vorgesehenen Mindestsatz von 40 % unterschreite, dürfte die Satzung rechtswidrig sein. Dies könne der Kläger jedoch
nicht rügen, da er durch die entsprechende Satzungsregelung nicht beschwert sei. Bei dem gewählten Erstattungssatz von 60
% sei im Hinblick auf die derzeit gültigen Beitragssätze zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung eine
Unterschreitung des Mindesterstattungssatzes von 40 % ausgeschlossen. Die Satzung verstoße auch nicht gegen das Gebot der
Normenklarheit bzw. das Bestimmtheitsgebot. Der Erstattungssatz sei in § 39 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 der Satzung klar formuliert.
Sofern - gegebenenfalls anlässlich der Wahl zwischen verschiedenen Umlagesätzen - ein Gesamterstattungssatz aus fortgezahltem
Arbeitsentgelt und Arbeitgeberanteilen zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag ermittelt werden sollte, sei dieser ohne Weiteres
errechenbar, wie die Klagebegründung zeige.
Gegen das ihm am 14.01.2010 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 27.01.2010 eingelegten Berufung. § 39
Abs. 3 der Satzung der Beklagten verstoße gegen höherrangiges Recht. § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG erlaube zwar, in der Satzung die
Höhe der Erstattung zu beschränken, nicht aber die Grundlagen der Berechnung zu ändern und nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 AAG erstattungsfähige
Positionen komplett aus der Erstattung herauszunehmen. Zudem führe die Satzungsregelung der Beklagten bei der Wahl eines Erstattungssatzes
von 45 % zu einer Unterschreitung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestsatzes von 40 %. Hierauf könnten sich nicht nur Arbeitgeber
mit einem Erstattungssatz von 45 % berufen. Da es keine geltungserhaltende Reduktion gebe, sei § 39 der Satzung der Beklagten
rechtswidrig und insoweit unbeachtlich, als er die Arbeitgeberanteile aus der Berechnung der Erstattung ausnehme. Ferner verstoße
das Vorgehen der Beklagten gegen das Gebot der Normenklarheit sowie insbesondere auch gegen das Transparenzgebot. Die Bestimmung
des § 39 der Satzung sei schon deshalb nicht klar und verständlich, weil sich ihr nicht entnehmen lasse, in welchen Fällen
sie wirksam sei. Zudem habe die Beklagte § 39 Abs. 3 ihrer Satzung in keinem Schreiben erwähnt. Ein Vergleich mit anderen
Krankenkassen, welche die Arbeitgeberanteile in der Berechnung der Erstattung einbezögen, werde auf diese Weise verhindert,
zumindest jedoch verfälscht.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Dezember 2009 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten
vom 16. Februar 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2009 zu ändern sowie die Beklagte zu verurteilen,
an den Kläger weitere 42,05 EUR zu zahlen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte
verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger ist durch den Bescheid der Beklagten vom 16.02.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 23.04.2009 nicht in rechtswidriger Weise beschwert. Er hat keinen Anspruch auf Erstattung weiterer 42,05 EUR aufgrund
der Arbeitsunfähigkeit seiner Sekretärin in der Zeit vom 19.01.2009 bis 23.01.2009.
1. Nach § 1 Abs. 1 AAG erstatten die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkassen den Arbeitgebern, die
in der Regel - ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten - nicht mehr als 30 Arbeitnehmer beschäftigen, 80
% 1. des für den in § 3 Abs. 1 und 2 und den in § 9 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes bezeichneten Zeitraum an Arbeitnehmer
fortgezahlten Arbeitsentgelts sowie 2. der darauf entfallenden, von den Arbeitgebern zu tragenden Beiträge zur Bundesagentur
für Arbeit und der Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung
und nach § 172 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sowie der Beitragszuschüsse nach § 257 des Fünften und nach § 61
des Elften Buches Sozialgesetzbuch. Die zu gewährenden Beträge werden dem Arbeitgeber von der Krankenkasse ausgezahlt, bei
der der Arbeitnehmer versichert ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 AAG). Die Krankenkasse ist ermächtigt, in ihrer Satzung die Höhe der
Erstattung nach § 1 Abs. 1 AAG zu beschränken und verschiedene Erstattungssätze vorzusehen, die 40 % nicht unterschreiten
(§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG).
Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte mit § 39 ihrer Satzung (in der ab 01.01.2009 geltenden Fassung) Gebrauch gemacht
und für das U1-Verfahren zwei Erstattungssätze vorgesehen. Danach entscheidet der Arbeitgeber mit der Wahl des Umlagesatzes,
ob für ihn ein Erstattungssatz von 60 % oder 45 % gelten soll, wobei sich dieser Prozentsatz auf das Arbeitnehmern "fortgezahlte
Arbeitsentgelt" bezieht (§ 39 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 der Satzung). Zudem bestimmt § 39 der Satzung in seinem Absatz 3, dass
mit diesen Erstattungssätzen - von 60 % oder 45 % des fortgezahlten Arbeitsentgelts - "auch die auf die erstattungsfähigen
Aufwendungen entfallenden Arbeitgeberanteile der Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie
zur Arbeitslosenversicherung abgegolten" sind.
Auf der Grundlage dieser satzungsrechtlichen Bestimmung hat die Beklagte die Höhe der Erstattung zutreffend berechnet. Denn
der dem Kläger in dem angefochtenen Bescheid zuerkannte Betrag von 223,27 EUR entspricht 60 % des an dessen Sekretärin während
der Arbeitsunfähigkeit vom 19.01.2009 bis zum 23.01.2009 fortgezahlten (Brutto-) Arbeitsentgelts von 372,14 EUR. Damit ist
gemäß § 39 Abs. 3 der Satzung der Arbeitgeberanteil zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag von 70,08 EUR abgegolten und kann
nicht auch noch die Erstattung von 60 % hieraus, mithin der streitigen 42,05 EUR, beansprucht werden. Folglich ergibt sich
für die gesamten Krankheitsaufwendungen von 442,22 EUR (fortgezahltes Bruttoarbeitsentgelt zuzüglich Arbeitgeberanteil zum
Gesamtsozialversicherungsbeitrag) ein Erstattungsbetrag von 223,14 EUR, was diesbezüglich einem Anteil von 50,5 % entspricht.
§ 39 der Satzung der Beklagten leidet nicht unter einem Rechtsfehler, der zu einem weitergehenden Erstattungsanspruch des
Klägers führte. Weder kann der Kläger einen solchen Anspruch aus einem Verstoß gegen die vom Gesetz vorgegebenen Berechnungsgrundlagen
herleiten (2.) noch aus einem Unterschreiten des Mindesterstattungssatzes von 40 % bei Wahl des ermäßigten Umlagesatzes (3.)
oder aus einem Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit bzw. Transparenz (4.).
2. Soweit es im vorliegenden Fall von Relevanz ist, hat die Beklagte in § 39 ihrer Satzung die gesetzlichen Vorgaben für die
Berechnung der Erstattung im U1-Verfahren nicht unzulässigerweise abgeändert.
Das Gesetz trifft selbst in § 1 Abs. 1 AAG eine Regelung über die Berechnung der Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für
Entgeltfortzahlung. § 1 Abs. 1 AAG definiert die erstattungsfähigen Aufwendungen ("fortgezahltes Arbeitsentgelt" und "Arbeitgeberanteile
an Beiträgen") und schreibt einen bestimmten Erstattungssatz (80 %) vor. Diese Regelung gilt, solange und soweit die Krankenkasse
nicht von der ihr durch § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG eingeräumten Befugnis zu einer abweichenden Satzungsregelung Gebrauch macht.
Vorgaben für eine satzungsrechtliche Regelung macht § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG insoweit, als er eine Herabsetzung des Erstattungssatzes
von 80 % bis auf 40 % gestattet und dabei verschiedene Erstattungssätze zulässt (zum Hintergrund für letzteres siehe BT-Drucks.
16/4247, S. 66 mit Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18.07.2006 - B 1 A 2/05 R - BSGE 97, 16 = SozR 4-7862 § 9 Nr. 1). Im Übrigen nimmt § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG mit dem Verweis auf "§ 1 Abs. 1" (AAG) Bezug auf die in dieser
Bestimmung enthaltenen Regelung über die Erstattung, mithin über die erstattungsfähigen Aufwendungen.
Zwar zählt das Gesetz in § 1 Abs. 1 AAG nicht nur das "fortgezahlte Arbeitsentgelt" (Nr. 1), sondern auch die "Arbeitgeberanteile
an Beiträgen" (Nr. 2) zu den erstattungsfähigen Aufwendungen. Doch verlangt das Gesetz für das U1-Verfahren nicht, dass diese
Aufwendungen in vollem Umfang erstattet werden, sondern beschränkt in § 1 Abs. 1 AAG die Erstattung auf 80 %. Dabei ist in
§ 1 Abs. 1 AAG nicht davon die Rede, dass 80 % der Aufwendungen nach Nr. 1 und 80 % der Aufwendungen nach Nr. 2 zu erstatten
sind. Vielmehr spricht § 1 Abs. 1 AAG davon, dass 80 % der Aufwendungen nach Nr. 1 und 2 zu erstatten sind. Das Gesetz gebietet
mit anderen Worten eine Gesamtbetrachtung bezogen auf alle erstattungsfähigen Aufwendungen. Dies muss auch im Rahmen des §
9 Abs. 2 Nr. 1 AAG gelten, der die Krankenkasse ermächtigt, in ihrer Satzung den in § 1 Abs. 1 AAG vorgesehenen Erstattungssatz
bis auf 40 % abzusenken. Der Bezugspunkt dieses Mindesterstattungssatzes wird in § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG nicht genannt, ergibt
sich aber aus der Bestimmung des § 1 Abs. 1 AAG, auf die darin verwiesen wird. Folglich ist auch bei der Prüfung, ob der Mindesterstattungssatz
von 40 % gewahrt ist, eine Gesamtbetrachtung anzustellen und sind nicht die Aufwendungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AAG
jeweils für sich allein getrennt zu beurteilen.
Aus diesem Grunde ist es unbeachtlich, wenn die Satzung der Beklagten die darin vorgesehenen Erstattungssätze von 60 % bzw.
45 % nur auf das "fortgezahlte Arbeitsentgelt" (§ 39 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 der Satzung), mithin nur auf eine der zwei der von
Gesetzes wegen erstattungsfähigen Aufwendungen, bezieht und hinsichtlich der anderen Aufwendung bestimmt, dass diese mit den
Erstattungssätzen auf das fortgezahlte Arbeitsentgelt abgegolten ist (§ 39 Abs. 3 der Satzung). Entscheidend ist allein, ob
eine so berechnete Erstattung bezüglich der Gesamtaufwendungen den Mindestsatz von 40 % nicht unterschreitet. § 9 Abs. 2 Nr.
1 AAG eröffnet dem Satzungsgeber im Rahmen der aufgezeigten Grenzen einen weiten Gestaltungsspielraum, der es zulässt, bei
der Erstattungsregelung zwischen den erstattungsfähigen Aufwendungen zu differenzieren, solange bei einer Gesamtbetrachtung
der gesetzliche Mindesterstattungssatz nicht unterschritten wird. Es wäre demnach denkbar, die Arbeitgeberanteile ganz von
der Erstattung auszuschließen, solange nur der Erstattungssatz für das fortgezahlte Arbeitsentgelt hoch genug ist. Freilich
schließt § 39 Abs. 3 der Satzung der Beklagten keineswegs die Arbeitgeberanteile zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag aus
der Erstattung völlig aus. Vielmehr ist darin mit Bedacht davon die Rede, dass diese Aufwendungen mit der in § 39 Abs. 1 der
Satzung vorgesehenen Berechnung der Erstattung "abgegolten" sind. Diese Abgeltungswirkung stellt - anders als das SG meint - keinen Erstattungsausschluss dar. Vielmehr weist sie darauf hin, dass der Arbeitgeber für alle erstattungsfähigen
Aufwendungen einen Ausgleich erhält, bei der Berechnung der Erstattungshöhe aber allein auf das "fortgezahlte Arbeitsentgelt"
abgestellt wird.
Die im vorliegenden Fall anzuwendende Regelung in § 39 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 der Satzung der Beklagten hält die gesetzlichen
Vorgaben des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGG ein. Die Mindesterstattungsgrenze ist gewahrt. Zwar ergibt eine Gesamtbetrachtung, dass
der Kläger nur 50,5 % der erstattungsfähigen Aufwendungen erhält. Dieser effektive Erstattungssatz liegt aber deutlich über
dem Mindestsatz von 40 %.
3. Der Kläger kann keine Ansprüche daraus herleiten, dass der Mindesterstattungssatz bei der gebotenen Gesamtbetrachtung unterschritten
würde, hätte er den ermäßigten Umlagesatz gewählt. Bei dem dann anwendbaren Erstattungssatz von 45 % (§ 39 Abs. 2 der Satzung
der Beklagten) wären von einem fortgezahlten (Brutto-)Arbeitsentgelt von 372,14 EUR und einem Arbeitgeberanteil zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag
von 70,08 EUR, mithin gesamten Krankheitsaufwendungen von 442,22 EUR, nur ein Betrag von 167,46 EUR zu erstatten, was einem
ein Anteil von 37,9 % an sämtlichen Aufwendungen nach § 1 Abs. 1 AAG entspricht. Noch gravierender wäre die Unterschreitung,
wäre bereits die ab 01.01.2010 geltende Fassung der Satzung anwendbar; bei den darin vorgesehenen Erstattungssätze für den
erhöhten und den normalen Umlagesatz von 70 % bzw. 55 % des fortgezahlten Arbeitsentgelts (§ 40 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und 2
der Satzung) ergäben eine Gesamtbetrachtung zwar Anteile von 58,9 % bzw. 46,3 %, der ebenfalls vorgesehen Erstattungssatz
für den ermäßigten Umlagesatz von 40 % des fortgezahlten Arbeitsentgelts (§ 40 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 der Satzung) führte aber
zu einem Anteil von lediglich 33,5 %. Aus einer Unvereinbarkeit der Regelung in § 39 Abs. 2 und 3 der Satzung der Beklagten
in der ab 01.01.2009 geltenden Fassung (bzw. in § 40 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3, Abs. 4 der Satzung in der ab 01.01.2010 geltenden
Fassung) mit dem gesetzlichen Mindesterstattungssatz folgt indessen nichts für die hier anzuwendende Regelung in § 39 Abs.
1 Nr. 1, Abs. 3 der Satzung der Beklagten.
Anders als der Kläger annimmt, führt die Unterscheitung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterstattungssatzes bei Wahl
des ermäßigten Umlagesatzes nicht dazu, dass § 39 Abs. 3 der Satzung der Beklagten für sich allein rechtswidrig wäre. Wie
bereits unter 2. ausgeführt wurde, überschreitet eine Krankenkasse mit einer Regelung wie derjenigen in § 39 Abs. 3 der Satzung
der Beklagten nicht ihren Gestaltungsspielraum, soweit sie nicht zu einer Unterschreitung des von § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG vorgegebenen
Mindestsatzes führt. Rechtliche Probleme wirft die Regelung in § 39 Abs. 3 der Satzung daher erst im Zusammenspiel mit derjenigen
in § 39 Abs. 2 der Satzung auf. Allein insoweit kann von einem Verstoß gegen höherrangiges Recht die Rede sein. Eine Rechtswidrigkeit
der Gesamtregelung, die § 39 Abs. 2 und 3 der Satzung für die Erstattung bei Wahl des ermäßigten Umlagesatzes trifft, wirkt
sich auf die hier anwendbare Gesamtregelung in § 39 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 der Satzung nicht aus.
Zudem könnte der Kläger selbst dann keine 60 %ige Erstattung der Arbeitgeberanteile zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag beanspruchen,
wenn § 39 Abs. 3 der Satzung der Beklagten für sich allein und nicht erst im Zusammenspiel mit § 39 Abs. 2 der Satzung rechtswidrig
wäre. Denn nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung berechnet sich der Erstattungsbetrag aus 60 % des "fortgezahlten Arbeitsentgelts".
Das Arbeitsentgelt in diesem Sinne umfasst aber nicht den Arbeitgeberanteil zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Dies ergibt
sich bereits aus der im Gesetz vorgenommenen Gegenüberstellung von "fortgezahltem Arbeitsentgelt" und "Arbeitgeberanteilen
an Beiträgen" (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AAG), an die die Satzung der Beklagen anknüpft. Diese Unterscheidung entspricht dem
Sprachgebrauch des Sozialversicherungsrechts, dessen Vorschriften, soweit sie für die gesetzliche Krankenversicherung gelten,
über § 10 AAG auch für den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen Anwendung finden. Aus der Legaldefinition des Arbeitsentgelts
in §
14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) geht hervor, dass dieses die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen
Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung sind (§
14 Abs.
2 Satz 1
SGB IV). Zu diesem (Brutto-)Arbeitsentgelt zählen demnach nicht die Beitragsanteile, die der Arbeitgeber zu tragen hat. In diesem
Sinne verwendet § 39 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung der Beklagten den Begriff des Arbeitsentgelts. Dies hat zur Folge, dass bei
der Wahl des normalen Umlagesatzes auch ohne die Regelung in § 39 Abs. 3 der Satzung die Erstattung ohne Berücksichtigung
des Arbeitgeberanteils zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu berechnen ist. Damit stellt § 39 Abs. 3 der Satzung letztlich
nur den Regelungsgehalt des § 39 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung klar.
Diese Klarstellungsfunktion hat § 39 Abs. 3 der Satzung auch für die Regelung in § 39 Abs. 2 der Satzung. Es verhält sich
daher keineswegs so - wie der Kläger annimmt -, dass eine Unterschreiung des gesetzlichen Mindestsatzes bei Wahl des ermäßigten
Beitragssatzes zwangsläufig einen Erstattungssatz von 45 % der gesamten Krankheitsaufwendungen aus fortgezahltem Arbeitsentgelt
und Arbeitgeberanteil zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag zur Folge hätte. Dagegen spricht auch aus Gründen der Verwaltungspraktikabiliät,
dass andernfalls der von einem geringeren effektiven Erstattungssatz aus kalkulierte ermäßigte Umlagesatz nicht mehr zuträfe,
die allein dazu berufene Satzung (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 AAG) aber keinen zutreffenden kalkulierten ermäßigten Umlagesatz festschriebe.
Dies gilt auch für die - vom Kläger nicht in den Blick genommenen - Alternativen eines unmittelbaren Rückgriffs auf die gesetzlichen
Erstattungssätze von 40 % (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG) oder 80 % (§ 1 Abs. 1 AAG) der gesamten Krankheitsaufwendungen. Auch in diesen
Fällen gäbe es keinen entsprechenden, in der Satzung der Beklagten festgelegten Umlagesatz. Dieses Problem stellt sich nur
dann nicht, wenn die Rechtswidrigkeit der Regelung für den ermäßigten Umlagesatz in § 39 Abs. 2 und 3 der Satzung zur Folge
hat, dass der normale Umlagesatz und die für ihn in § 39 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 der Satzung getroffene Regelung Anwendung findet.
Von einer Anwendbarkeit der Regelung über den normalen Umlagesatz in einem solchen Falle geht im Übrigen auch die ab dem 01.01.2010
geltenden Fassung der Satzung aus, wenn darin bestimmt wird, dass die Regelung für diesen Umlagesatz gilt, wenn der Arbeitgeber
keine Wahl bezüglich des Umlagesatzes getroffen hat (§ 40 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 der Satzung). Da eine solche Wahl wirksam sein
muss, darf sie auch nicht aus Rechtsgründen ins Leere gehen, was der Fall wäre, wenn die Satzungsregelung über den ermäßigten
Umlagesatz mit höherrangigem Recht unvereinbar wäre.
4. Schließlich lassen sich weder aus dem Gebot der Normenklarheit noch aus dem Transparenzgebot weitergehende Erstattungsansprüche
herleiten. Dabei kann offenbleiben, inwiefern ein Verstoß gegen diese im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Gebote überhaupt derartige
Ansprüchen begründen können soll. Denn auf jeden Fall ist weder die hier anwendbare Regelung in § 39 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3
der Satzung der Beklagten unklar noch hat die Beklagte im Zusammenhang mit der Wahl des Umlagesatzes durch den Kläger gegen
das Transparenzgebot verstoßen.
Zu Recht hat das SG darauf hingewiesen, dass die Regelung über die Höhe der Erstattung in § 39 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 der Satzung der Beklagten klar formuliert ist. Dies trifft auch dann zu, wenn für die gesamten nach
§ 1 Abs. 1 AAG erstattungsfähigen Krankheitsaufwendungen, also für "fortgezahltes Arbeitsentgelt" und "Arbeitgeberanteile
an Beiträgen", ein Erstattungssatz ermittelt werden soll. Dieser ist ohne Weiteres errechenbar, wie der Kläger mit seinen
Berechnungen in Klage- und Berufungsbegründung zeigt. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren bemängelt, der Bestimmung des
§ 39 der Satzung der Beklagten lasse sich nicht entnehmen, in welchen Fällen sie wirksam sei, ist dadurch ein in seinem Fall
relevanter Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit nicht aufgezeigt. Letztlich unternimmt der Kläger damit den Versuch,
über das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot eine Gesamtnichtigkeit des § 39 der Satzung aus der Rechtswidrigkeit einer darin
getroffenen Teilregelung, von der er nicht betroffen ist, herzuleiten. Derlei lässt sich dem Rechtsstaatsprinzip jedoch nicht
entnehmen.
Für einen Verstoß gegen das Transparenzgebot ist nichts ersichtlich. Insoweit moniert der Kläger im Berufungsverfahren, die
Beklagte habe in ihrer Wahlaufforderung von Januar 2009, im Wahlantwortformular und im Antragsformular nicht darauf hingewiesen,
dass die Arbeitgeberanteile im Erstattungsverfahren unberücksichtigt blieben. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass
es dem Kläger jederzeit möglich gewesen wäre, die Satzung der Beklagten einzusehen. Dann wäre ihm als Rechtsanwalt insbesondere
die klarstellende Bestimmung des § 39 Abs. 3 der Satzung sicherlich nicht entgangen. Sollte er die Satzung vor der Wahl des
Umlagesatzes für das Jahr 2009 eingesehen haben, die Tragweite deren § 39 Abs. 3 aber verkannt haben, könnte dies der Beklagten
von einem Rechtsanwalt nicht zum Vorwurf gemacht werden. Ferner ist im Auge zu behalten, dass die Wahl der Krankenkasse Sache
des Versicherten und nicht des Arbeitgebers ist (vgl. § 173 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V], siehe aber auch
§
175 Abs.
3 Satz 2
SGB V in Verbindung mit §
28a Abs.
1 SGB IV). Daher findet zwischen den Krankenkassen auch kein Wettbewerb über den Umlage- und Erstattungssatz im U1-Verfahren statt.
Die Satzungsregelungen hierüber müssen deshalb auch nicht so formuliert sein, dass zwischen den Krankenkassen ein möglichst
einfacher und schneller Vergleich vorgenommen werden kann. Da der Arbeitgeber auf die Kassenwahl seiner Beschäftigten keinen
Einfluss hat, muss er deren Entscheidung hinnehmen und hat nur insoweit Gestaltungsmöglichkeiten, als ihm die Satzung der
Krankenkasse seines Arbeitnehmers solche einräumt. Dies ist bei dem gesetzlich geregelten Modell, das einen einzigen Erstattungssatz
vorsieht (§ 1 Abs. 1 AAG), nicht der Fall. Erst wenn die Krankenkasse von ihrer der Ermächtigung in § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG zur
Schaffung verschiedener Erstattungssätze Gebrauch gemacht hat, ist dem Arbeitgeber eine Wahl eröffnet. Allein in diesem Zusammenhang
kann das Transparenzgebot Bedeutung erlangen. So verstanden, ist diesem Gebot hier Genüge getan. Denn die Vergleichbarkeit
der in der Satzung der Beklagten vorgesehenen Umlagesätze und der an deren Wahl anknüpfenden Erstattungssätze hängt nicht
von dem Hinweis ab, welche Aufwendungen bei der Berechnung der Erstattung berücksichtigt werden, solange - wie es hier der
Fall ist - die Satzung insoweit keine Unterschiede macht.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), da Arbeitgeber in Streitigkeiten über die Erstattung von Aufwendungen für die Entgeltfortzahlung als Leistungsempfänger
im Sinne von §
183 SGG anzusehen sind (vgl. dazu BSG, Urteil vom 27.10.2009 - B 1 KR 12/09 R - SGb 2010, 309, 311).
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) bestehen nicht.