Elterngeld
Ermittlung des Bemessungszeitraumes
Unterschiedliche Behandlung von Einkommen aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit und Mischeinkünften
Rationalisierung und Verwaltungsbeschleunigung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung höheren Elterngeldes.
Die Klägerin ist 1974 geboren und war seit September 2013 abhängig beschäftigte Geschäftsführerin der G.-GmbH. Darüber hinaus
war die Klägerin aushilfsweise bei der R. GmbH und dem P. beschäftigt. Die Klägerin hält daneben Anteile in Höhe von 3,75%
der C. und in Höhe von 25% der G1 GmbH. Tätigkeiten in beiden Unternehmen hat sie seit Februar 2014 nicht mehr ausgeübt. Zu
Gewinnausschüttungen ist es aus beiden Beteiligungen nicht gekommen. Der Steuerbescheid für das Jahr 2015 weist Einkünfte
aus Gewerbebetrieb in Höhe von 0 EUR aus.
Am xxxxx 2016 wurde die Tochter E. der Klägerin geboren, am 10. November 2016 beantragte die Klägerin Elterngeld. Mit Bescheid
vom 29. Dezember 2016 bewilligte die Beklagte der Klägerin Elterngeld für den ersten Lebensmonat von 0 EUR, für den zweiten
in Höhe von 132,80 EUR - hierbei wurde das Mutterschaftsgeld bzw. der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld angerechnet - und für
den 3.-14. Lebensmonat Elterngeld in Höhe von jeweils 1.029,35 EUR. Dabei legte die Beklagte als Bemessungszeitraum das Kalenderjahr
2015 zugrunde und kam unter Zugrundelegung eines Einkommens der Klägerin in diesem Jahr von 28.934,96 EUR aus nichtselbständiger
Tätigkeit auf ein monatliches Elterngeld-Bruttoeinkommen von 2.494,58 EUR, auf ein Elterngeld-Nettoeinkommen von 1.583,61
EUR und daraus resultierend auf ein Elterngeld von 1.029,35 EUR monatlich.
Hiergegen legte die Klägerin am 12. Januar 2017 Widerspruch ein, mit welchem sie begehrte, die zwölf Lebensmonate vor der
Geburt ihres Kindes, d.h. die Monate August 2015 bis August 2016 der Berechnung zu Grunde zu legen. Sie sei nicht selbständig
tätig und erziele erst recht keine Einkünfte aus einer solchen Tätigkeit. Sie sei lediglich Kommanditistin der C. KG, die
seit Jahren nur Verluste erwirtschafte und überschuldet sei. Ferner sei sie zu 25 % Mitgesellschafterin der G1 GmbH. Auch
diese Gesellschaft sei seit Jahren verschuldet und erwirtschafte nur Verluste. Daher seien keine Ausschüttungen an sie vorgenommen
worden. Eine selbständige Tätigkeit im Jahr 2015 habe daher nicht vorgelegen. Es sei folglich fehlerhaft, das Jahr 2015 als
Bemessungszeitraum heranzuziehen. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Bescheid vom 24. Februar 2017 zurück.
Die Klägerin sei im Jahre 2015 selbständig tätig gewesen. Dieses ergebe sich aus dem vorgelegten Einkommensteuerbescheid für
dieses Jahr. Hierbei sei es unerheblich, ob die Klägerin selbst aktiv gewesen sei oder ob es sich um ein positives oder negatives
Einkommen aus Gewerbebetrieb handele. Daher sei gemäß § 2 b Abs. 3 Satz 1 BEEG abweichend vom Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt des Kindes das Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes heranzuziehen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 3. Mai 2017, der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt
am 9. Mai 2017, abgewiesen und dabei im Wesentlichen auf den Bescheid der Beklagten Bezug genommen. Ergänzend hat das Sozialgericht
ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 2 b Abs. 3 BEEG Gewinnanteile eines Elterngeldberechtigten aus Unternehmensbeteiligungen auch dann als Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusehen
seien, wenn der Elterngeldberechtigte z.B. als Kommanditist einer Kommanditgesellschaft im Hinblick auf die Erzielung dieser
Einkünfte tatsächlich keine Arbeitsleistung erbracht habe. Hieran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Einkünfte der
Klägerin aus den Gesellschaftsbeteiligungen im Kalenderjahr 2015 null Euro betragen hätten. Der Begriff des Einkommens im
Sinne des § 2 b Abs. 3 BEEG sei nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers weit auszulegen und umfasse sogar negative Einkünfte (BSG, Urt. v. 27.10.2016 - B 10 EG 5/15 R). Solche lägen bei der Klägerin nicht einmal vor, sie habe lediglich keine Einkünfte gehabt. Eine außergewöhnliche Härte,
die einen Verstoß gegen Art.
3 Abs.
1 GG zur Folge hätte, sei nicht zu erkennen. Die Klägerin werde nicht vom Elterngeldbezug ausgeschlossen, sondern beziehe ihr
Elterngeld lediglich auf Grundlage ihres Einkommens in einem anderen Bemessungszeitraum. Sie gehöre damit auch nicht zu einer
nennenswerten Gruppe vergleichbarer Elterngeldbezieher, deren Existenz die Befugnis des Gesetzgebers zu Typisierung in atypischen
Sonderfällen überschreiten könnte (vgl. BSG, Urt. v. 27.10.2016 - B 10 EG 5/15 R). Letztlich sei auch ein Verstoß gegen Europarecht nicht zu erkennen. Dieses regle nur die Notwendigkeit der Bezahlung von
Elternurlaub, überlasse die Höhe dieser Bezahlung jedoch den einzelnen Mitgliedstaaten.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat gegen den Gerichtsbescheid am 16. Mai 2017 Berufung eingelegt, mit welcher sie
vorträgt, im Unterschied zu dem vom BSG entschiedenen Fall sei die Klägerin gerade nicht selbständig im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes und zwar auch
nicht als Kommanditistin. Sie versuche bereits seit langem vergeblich, ihre Gesellschaftsanteile zu übertragen. Sie übe keine
Betätigung mit der Absicht Gewinn zu erzielen aus, sie trage kein Unternehmerrisiko und zeige keine Unternehmerinitiative.
Die Anteile befänden sich nur noch deshalb in ihrem Vermögen, weil sie für diese keinen Erwerber gefunden habe. Eine Tätigkeit
übe sie in diesem Zusammenhang spätestens seit Februar 2014 nicht mehr aus. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beziehe sie
damit ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Es sei nicht das Anliegen des BEEG, Personen, die Anteile an Kapitalgesellschaften beispielsweise als Altersvorsorge hielten, als Selbständige einzuordnen.
Mit dem Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzuges habe lediglich eine Verwaltungsvereinfachung einhergehen sollen,
nicht jedoch die Benachteiligung von Personen, die keine Selbständigkeit ausübten und diese gerade aufgegeben hätten, um ihren
Lebensunterhalt sicherzustellen. Darüber hinaus verstoße diese Auffassung gegen Art.
3 GG, weil sie die Anleger von Minimalbeteiligungen an Kapitalanlagen besserstelle als die Klägerin, welche bereits etliche Versuche
unternommen habe, sich ihrer Beteiligung zu entledigen. Das Ergebnis sei im Falle der Klägerin darüber hinaus sachwidrig und
führe zu einer unzumutbaren Härte. Ferner stehe die Europarechtskonformität der Vorschrift des § 2b Abs. 3 BEEG zumindest in Frage, weil die Grundrechtscharta einen bezahlten Elternurlaub vorsehe. Dies mache aber nur Sinne, wenn sich
dieser am tatsächlich vor der Geburt erzielten Einkommen orientiere.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 3. Mai 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Dezember 2016 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin höheres
Elterngeld unter Berücksichtigung eines Bemessungszeitraumes von 12 Monaten vor Geburt des Kindes E. Röhrs zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und macht geltend, es sei vom Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers
gedeckt, dass bestimmte Einkommensarten dazu führten einen anderen Bemessungszeitraum zu Grunde zu legen, unabhängig davon,
ob positives, negatives oder überhaupt kein Einkommen erzielt werde.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der
ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 31. August 2017 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten und Unterlagen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts, über die die Berichterstatterin mit dem Einverständnis der Beteiligten an
Stelle des Senats nach §
155 Abs.
3,
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) entscheiden kann, ist nach §§
143,
144 SGG statthaft und zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht (§
151 Abs.
1 SGG) eingelegt worden.
Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Gründe
des angefochtenen Urteils, denen das Berufungsgericht folgt, wird daher gemäß §
153 Abs.
2 SGG Bezug genommen und von einer weiteren Begründung abgesehen.
Das Vorbringen im Berufungsverfahren gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlass. Als Bemessungszeitraum für die Ermittlung
des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit im Sinne von § 2c Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) sind gemäß § 2b Abs. 1 Satz 1 BEEG die zwölf Kalendermonate vor dem Geburtsmonat des Kindes maßgeblich. Abweichend davon ist nach § 2b Abs. 3 Satz 1 BEEG stattdessen der steuerliche Veranlagungszeitraum zugrunde zu legen, der den Zeiträumen für die Gewinnermittlung aus selbstständiger
Tätigkeit nach § 2b Abs. 2 BEEG zugrunde liegt, wenn die berechtigte Person in diesen Zeiträumen Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit hatte. Diese Voraussetzungen
für die Verlagerung des Bemessungszeitraums auf den letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt
des Kindes erfüllt die Klägerin, weil sie im Jahr 2015 Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne von §
15 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 Satz 1
EStG und damit Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit im Sinne von § 2d Abs. 1 BEEG hatte. Es kann insoweit dahinstehen, ob die Klägerin selber aktiv unternehmerisch tätig geworden ist. Denn als Kommanditistin
einer KG und Mitgesellschafterin einer GmbH trug sie wenigstens ein Unternehmerrisiko auf ihre Einlagen. Auf dieser Grundlage
sollten jedenfalls mit Gewinnerzielungsabsicht laufende Einnahmen erwirtschaftet werden, auch wenn sich diese Hoffnung nicht
realisiert hat. Bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne des Steuerrechts handelt es sich deshalb elterngeldrechtlich
um Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, gleichgültig, ob das Einkommen "Plus", "Minus" oder "Null" betrug. Denn nach der
Definition in §
15 Abs.
2 S. 1
Einkommensteuergesetz (
EStG) handelt es sich bei den diesen Einkünften zugrunde liegenden Erwerbstätigkeiten um selbstständige nachhaltige Betätigungen,
die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen werden und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr
darstellen. Dabei können die selbstständigen Erwerbstätigen u.a. den zeitlichen Umfang ihrer Tätigkeit selbst bestimmen. Dies
gilt grundsätzlich auch für die Klägerin hinsichtlich ihrer Gewinnanteile, auch wenn sie als Kommanditistin und Geschäftsführerin
tatsächlich insoweit keine Arbeitsleistung erbracht hat. (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juni 2016 - B 10 EG 8/15 R - juris zum Unternehmerrisiko und BSG Urteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 4/13 R - juris zur fehlenden Arbeitsleistung).
Die konsequente Anlehnung an die steuerrechtliche Beurteilung dient dabei - wie dies mit dem Gesetz zur Vereinfachung des
Elterngeldbezuges zweifellos bezweckt war - der Verwaltungsvereinfachung. "Beabsichtigt" war damit eine Benachteiligung oder
Bevorzugung gegenüber dem Bemessungszeitraum nach § 2b Abs. 1 BEEG keineswegs; dass sich eine divergierende Höhe der Elterngeldleistung in dem einen oder anderen Fall nicht vermeiden lässt,
liegt indes in der Natur der Sache. Die unterschiedliche Behandlung von Elterngeldberechtigten mit Einkünften nur aus nichtselbständiger
Tätigkeit einerseits und solchen mit Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit und mit Mischeinkünften andererseits ist im
Normzweck der Rationalisierung und Verwaltungsbeschleunigung angelegt. Ihn verfolgt das Gesetz unter anderem im Interesse
aller Elterngeldberechtigten. Sie profitieren insgesamt davon, wenn das Elterngeld aufgrund der Verwaltungsvereinfachung beschleunigt
berechnet und ausgezahlt wird. Die mit der Typisierung in § 2b Abs. 3 Satz 1 BEEG vorgenommene Härte wiegt für die Klägerin auch nicht unzumutbar schwer. Sie wird dadurch nicht vom Elterngeldbezug ausgeschlossen,
sondern erhält Ausgleich für ihr entfallendes Einkommen im Bemessungszeitraum in Höhe der gesetzlichen Ersatzrate. Die Klägerin
bezieht zwar insgesamt nicht unwesentlich weniger Elterngeld als erwartet. Dies indes deshalb, weil sie sich entschieden hatte,
ihre selbstständige Tätigkeit einzustellen und ihre abhängige Beschäftigung auszuweiten und weil sie sich in Folge dessen
nach Aufnahme einer weiteren Beschäftigung bei der R. GmbH dort erst einarbeiten musste. Diese Entscheidung braucht aber elterngeldrechtlich
gegenüber anderen Ausfällen von Erwerbseinkommen nicht privilegiert zu werden (vgl. BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R, juris).
Nach § 2b Abs. 3 Satz 1 BEEG hat die Beklagte deshalb zutreffend als Bemessungszeitraum für das Elterngeld der Klägerin das Kalenderjahr 2015 zugrunde
gelegt. Es war sowohl steuerlicher Gewinnermittlungszeitraum als auch letzter abgeschlossener steuerlicher Veranlagungszeitraum
vor der Geburt ihres Kindes, wie sich aus §
4a Abs.
1 Satz 2 Nr.
3 Satz 1
EStG i.V.m. §
4a Abs.
1 Satz 1
EStG ergibt.
Aus der Richtlinie 2010/18/EU ergibt sich kein für die Klägerin günstigeres Ergebnis. Dort heißt es in § 5 Abs. 5 der Rahmenvereinbarung
u.a.: "Einkommensrelevante Fragen im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung werden von den Mitgliedstaaten und/oder Sozialpartnern
nach den nationalen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen und/oder Gepflogenheiten geprüft und entschieden; dabei ist dem Einkommen
als einem der maßgeblichen Faktoren für die Inanspruchnahme des Elternurlaubs Rechnung zu tragen." Ein unmittelbarer Rechtsanspruch
ergibt sich aus dieser Regelung nicht. Diese Bestimmung anerkennt vielmehr das Einkommen als einen der maßgeblichen Faktoren
für die Inanspruchnahme des Elternurlaubs und ruft dazu auf, diesen Fragen auf nationaler Ebene Rechnung zu tragen und sie
ebendort zu entscheiden. Hieraus ergibt sich aber weder, dass ein bestimmter Bemessungszeitraum zu Grunde zu legen ist, noch
in welcher Art oder welchem Umfang das vor der Geburt erzielte Einkommen Berücksichtigung zu finden hat. Dass dem Einkommen
durch eine zeitlich verhältnismäßig geringfügige Vorverlegung des Bemessungszeitraums nicht mehr ausreichend Rechnung getragen
würde, ist auch nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder Nr.
2 SGG nicht vorliegen.