Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer stationären Rehabilitationsleistung.
Die am xxxxx 1948 geborene Klägerin stellte am 27. März 2014 einen Antrag auf stationäre Rehabilitation bei der Beklagten.
Zur Begründung ihres Antrages reichte sie am 23. Juni 2014 eine Verordnung ihres behandelnden Facharztes für Neurologie und
Psychiatrie E. bei der Beklagten ein, in welcher es heißt, die Klägerin leide unter einer Angstkrankheit mit Panikattacken
sowie einer Dysthymie. Mit Bescheid vom 26. Juni 2014 lehnte die Beklagte die Gewährung einer stationären Rehabilitationsleistung
ab.
Auf den Widerspruch der Klägerin hin holte die Beklagte ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
N. (MDK) ein, welches Dr. B. am 1. August 2014 nach Aktenlage erstellte. Dieser kam zu der Einschätzung, dass bei der Klägerin
keine Rehabilitationsbedürftigkeit bestehe. Vielmehr seien eine Intensivierung der fachärztlichen Behandlung und Psychotherapie
angezeigt. Die Beklagte wies den Widerspruch daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2014 zurück.
Auf die am 9. Dezember 2014 erhobene Klage hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens
der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Dr. M. vom 14. August 2015. Diese hat im Wesentlichen ausgeführt, die
Klägerin leide seit 1973 an einer Angsterkrankung mit gelegentlichen Panikattacken sowie unter einer langjährigen Dysthymie.
Die Dysthymie erfordere keine stationäre psychiatrische Maßnahme, da sie in der Regel gut ambulant psychotherapeutisch behandelt
werden könne. Die Angstzustände mit Panikattacken seien ausschließlich abends aufgetreten, wenn die Versicherte allein zuhause
sei. Hier bestehe in erster Linie eine Indikation für eine ambulante verhaltenstherapeutisch orientierte Psychotherapie, um
die inzwischen chronifizierten Ängste zu bearbeiten. Hierfür sei es wichtig, dass die Klägerin lerne, im Rahmen ihres häuslichen
Umfeldes die entsprechenden Coping-Strategien zur Regulation ihrer Angstsymptomatik anzuwenden und diese nicht in einem zeitlich
begrenzten und wohnortfernen Krankenhaus umzusetzen, zumal bereits aus den Krankenhausvoraufenthalten bekannt sei, dass die
Klägerin nicht in Anwesenheit anderer, sondern nur wenn sie zuhause alleine sei, Angst und Panikattacken bekomme. Eine ambulante
Psychotherapie bestehe jedoch seit 2012 nicht mehr, andere ambulante Versorgungsstrukturen seien bisher seitens der Versicherten
nicht in Anspruch genommen worden. Erst wenn die ambulanten Möglichkeiten ausgeschöpft seien und sich als insuffizient erwiesen,
könne gegebenenfalls ein teilstationärer Klinikaufenthalt in einer Tagesklinik mit dem Schwerpunkt Angststörung indiziert
sein. Im Vordergrund solle jedoch primär eine ambulante Ausdehnung der Therapiemaßnahmen stehen, auch eine PPM-Maßnahme (ambulante
Leistung der Eingliederungshilfe) sei sicherlich für die Klägerin hilfreich. Eine medizinische Indikation für eine medizinische
Rehabilitation bestehe nicht, zumal auch nicht davon auszugehen sei, dass diese geeignet wäre, die hinter der Angstsymptomatik
stehenden Ursachen im kausalen Sinne zu bearbeiten und längerfristig zu beheben. Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme wäre
für die Klägerin weder ausreichend noch notwendig, ihre Symptomatik im positiven Sinne zu beeinflussen. Stattdessen wären
ambulante Behandlungsmaßnahmen ausreichend und zweckmäßig, um längerfristig die depressiv-ängstliche Symptomatik der Klägerin
zu reduzieren. Vorzuschlagen seien des Weiteren soziotherapeutische Maßnahmen sowie das Erlernen von Entspannungstechniken.
Mit Gerichtsbescheid vom 27. September 2016, der Klägerin zugestellt am 30. September 2016, hat das Sozialgericht die Klage
abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen zur Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme im
Sinne des §
40 Abs.
2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) lägen nicht vor. Gemäß §§
40 Abs.
1 und
2, 11 Abs.
2 Satz 1
SGB V erbringe die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche stationäre Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen,
wenn eine ambulante Krankenbehandlung und eine ambulante Rehabilitationsleistung nicht ausreichten, um eine Behinderung oder
Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen
zu mildern. Nach §§ 8 ff. der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
(Rehabilitations-Richtlinie) setze eine erforderliche Rehabilitationsleistung, Rehabilitationsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit
und eine positive Rehabilitationsprognose voraus. Im Falle der Klägerin fehle es an der Rehabilitationsbedürftigkeit. Gemäß
§ 8 Rehabilitations-Richtlinie bestehe Rehabilitationsbedürftigkeit, wenn aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen
Schädigung voraussichtlich nicht nur vorübergehende alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivität vorlägen, durch die
in absehbarer Zeit eine Beeinträchtigung der Teilhabe drohe oder Beeinträchtigungen der Teilhabe bereits bestünden und über
die kurative Versorgung hinaus der mehrdimensionale und interdisziplinäre Ansatz der medizinischen Rehabilitation erforderlich
sei. Diese Voraussetzungen seien nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
Dr. Dr. M., denen die Kammer folge, nicht gegeben. Dr. Dr. M. lege in ihrem Gutachten plausibel dar, dass bei den Gesundheitsstörungen
der Klägerin nicht der mehrdimensionale und interdisziplinäre Ansatz einer medizinischen Rehabilitation im stationären Rahmen
geeignet und erforderlich sei. Bei der Klägerin lägen als Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet eine generalisierte
Angststörung, eine Panikstörung und Dysthymie vor. Sofern die Klägerin unter einer Angst bei U-Bahnfahrten und einer Höhenangst
leide, werde sie aufgrund der Möglichkeit sowohl das Auto als auch den Bus zu nutzen durch diese Ängste im Alltag nur geringfügig
beeinträchtigt. Die darüber hinaus bestehenden Angstzustände mit Panikattacken träten ausschließlich abends auf, wenn die
Versicherte alleine zu Hause sei. Hinsichtlich dieser Angstzustände bestehe jedoch vorrangig eine Indikation zu einer ambulanten
verhaltenstherapeutisch orientierten Psychotherapie. Erst wenn die ambulanten Maßnahmen - wie ambulante Einzel- und Gruppentherapie,
hochfrequente psychiatrische Behandlung, psychosoziale Unterstützungsangebote, soziotherapeutische Maßnahmen - ausgeschöpft
seien und sich als insuffizient erwiesen, wäre aufgrund des Krankheitsbildes ein teilstationärer Klinikaufenthalt, jedoch
keine stationäre Rehabilitationsmaßnahme indiziert.
Die Klägerin hat gegen den Gerichtsbescheid am 6. Oktober 2016 Berufung eingelegt, mit welcher sie vorträgt, erschwerend leide
sie auch noch unter einer COPD nebst Herzinsuffizienz, ihr sei ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 zuerkannt. Sie sei auch
der Meinung, die Reha sei notwendig zur Abwendung von Pflegebedürftigkeit. Sie sei bis 2012 in ambulanter Psychotherapie gewesen,
die Therapie sei jedoch abgebrochen worden, weil die Beschwerden oftmals erst abends oder in der Nacht aufgetreten seien.
Sie nehme seit 1998 Medikamente gegen Depressionen, hiervon seien bereits ihre Nieren geschädigt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 27. September 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr nach
Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Das Berufungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 31. August 2017 die Sachverständige Dr. Dr. M. zu ihrem Gutachten
angehört. Diese hat ausgeführt, dass bei der Klägerin Ängste im Vordergrund stünden, die vorwiegend abends auftreten. Sobald
jemand da sei, seien die Ängste weg. Unter stationären Bedingungen gäbe es keine Panikattacken, weshalb diese auch mit stationären
Maßnahmen kaum in Griff zu bekommen seien, weil sie dort eben nicht auftreten. Die Panikattacken hätten "kommunikative Intention"
und seien durch die nächtliche Einsamkeit ausgelöst. Die Klägerin leide durchaus auch unter diversen körperlichen Erkrankungen.
Diese seien aber nicht so relevant, dass sie im Alltagsleben die Klägerin einschränken würden. Hierzu hat die Klägerin ausgeführt,
sie fühle sich nicht einsam, sie habe einen großen Bekanntenkreis und eine Tochter. Ihre körperlichen Erkrankungen seien durchaus
auch einschränkend, zumal auch die Psyche darunter leide.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der
ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 31. August 2017 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten und Unterlagen.
Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Gründe
des angefochtenen Urteils, denen das Berufungsgericht folgt, wird daher gemäß §
153 Abs.
2 SGG Bezug genommen. Umstände, die zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen könnten, sind nicht erkennbar.
Anzeichen dafür, dass der Klägerin Pflegebedürftigkeit drohen könnte, die durch eine Rehabilitationsmaßnahme abzuwenden wäre,
sind ebenso wenig vorhanden, wie Anhaltspunkte dafür, dass eine medizinische Rehabilitation wegen der somatischen Beschwerden
notwendig sein könnte. Auch folgt die Festsetzung des GdB im Schwerbehindertenrecht gänzlich anderen Maßstäben als die Prüfung
der Notwendigkeit medizinischer Rehabilitation und hat hierfür keinerlei Aussagekraft. Schließlich erscheint es auch dem Berufungsgericht
schlüssig und nachvollziehbar, dass Panikattacken, die unter stationären Bedingungen nicht auftreten, weil dort rund um die
Uhr und damit auch abends und nachts potentielle Ansprechpartner verfügbar sind, in einem stationären Setting nicht behandelbar
sind. Auf die Frage, ob die Klägerin im Übrigen gute und ausreichende soziale Kontakte hat, kommt es insoweit nicht an. Da
nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nicht geeignet wäre,
die Angstsymptomatik der Klägerin nachhaltig zu beeinflussen, ist sie auch nicht geeignet, dauerhaft nachhaltig positiv den
Konsum an Antidepressiva der Klägerin zu beeinflussen.