Tatbestand:
Der Kläger ist iranischer Staatsbürger und lebt seit 1978 in der Bundesrepublik Deutschland und stellte im Januar 1979 einen
Asylantrag; im streitgegenständlichen Zeitraum war er Inhaber einer Duldung.
Er ist der Vater von zwei aus Beziehungen mit deutschen Staatsangehörigen hervorgegangen, 1982 und 1989 geborenen Söhnen.
Bis 1994 war er aufgrund einer zwischenzeitlich geschiedenen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis.
Mit Verfügung vom 18. Juli 1994 lehnte der Oberbürgermeister der Beklagten den Antrag auf Verlängerung ab. Wiederholt stellte
er daraufhin erfolglos Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, u.a. unter Berufung auf § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Auch Petitionen an den Hessischen Landtag blieben erfolglos.
Er bezog dann Leistungen nach dem
AsylbLG, jedenfalls ab August 2008 auf der Grundlage von §
2 AsylbLG. Dem Kläger waren zuletzt Leistungen analog dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) i.H.v. 894 EUR monatlich (374 EUR Regelbedarf, 520 EUR Kosten der Unterkunft) gewährt worden (Bescheid vom 21. Juni 2012,
Bl. 535 der Verwaltungsakten des Jugend- und Sozialamtes).
Mit E-Mail vom 13. Februar 2008 informierte das Regierungspräsidium Darmstadt u.a. die Beklagte darüber, dass nach Einschätzung
der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Teheran Iraner für die Ausstellung eines Passes keine Freiwilligkeitserklärung
abgeben müssten (Bl. 1627 der Ordnungsamtsakte).
Mit Schreiben der Ausländerbehörde (Ordnungsamt) der Beklagten vom 20. Juni 2008 an den Bevollmächtigten des Klägers forderte
die Beklagte den Kläger auf, sich einen Reisepass zu beschaffen um seiner Mitwirkungspflicht nach § 48 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nachzukommen (Bl. 1532 der Ordnungsamtsakte). Mit Verfügung vom 18. August 2008 (Bl. 1585 der Ordnungsamtsakte) wurde er
zur Mitwirkung bei der Passbeschaffung in Gestalt der Vorlage einer Originalbescheinigung des Personenstandswesens der Region
C. aufgefordert.
In den Verwaltungsakten der Ordnungsbehörde (Ausländerbehörde) der Beklagten findet sich eine 2008 zu den Akten gelangte Bescheinigung
des Zentralamtes für Personenstandswesen der iranischen Region C. bezüglich des Klägers und eine Kopie des abgelaufenen Reisepasses
(unblattierte Kopien in Band 4). 2010 und 2011 beantragte der Kläger wiederholt und erfolglos, verbunden mit dem Antrag auf
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die Ausstellung eines Reiseausweises. Am 22. Juli 2012 beantragte der Kläger einen Fremdenpass.
Anlässlich dieses Antrages erklärte er: "Ich wäre auch jederzeit gerne bereit die Ausstellung eines iranischen Reisepasses
zu beantragen, wenn unter schriftlicher Gewährleistung mir zugesichert wird, dass die Ausstellung eines iranischen Reisepasses
nicht zur Abschiebung missbraucht wird" (Bl. 1848 der Ausländerakte, Band 4). Der Kläger wurde wiederholt wegen Verstoßes
gegen § 95 AufenthG verurteilt.
Am 17. Juni 2011 und am 19. September 2011 wurde er nochmals über seine Mitwirkungspflichten belehrt und allgemein zur Passbeschaffung
aufgefordert (Bl. 1779, 1820 der Ordnungsamtsakte). Auf den Vermerken findet sich die Anmerkung "Unterschrift verweigert".
Unter dem Datum vom 10. September 2012 (Bl. 1851 der Ordnungsamtsakte) findet sich in der Akte des Ordnungsamts folgender
E-Mal-Vermerk: "Laut telefonischer Mitteilung des iranischen Konsulats vom 22.06.2010 kann Herr A. bei Vorlage seiner Geburtsurkunde,
die er im Original besitzt, und einer Flugbestätigung definitiv ein Heimreisedokument erhalten."
Mit Schreiben vom 21. Juni 2012 teilte das Ordnungsamt der Beklagten dem Jugend- und Sozialamt mit, dass der Kläger keinerlei
Anstrengungen unternehme, um seine bestehende Passlosigkeit zu ändern. Die Durchsetzung der bestehenden Ausreisepflicht scheitere
daran, dass er seine Unterschrift, welche zur Passausstellung erforderlich sei, im Konsulat verweigere. Er sei einzig wegen
seiner selbstverschuldeten Passlosigkeit geduldet (Bl. 539 Verwaltungsakte).
Der Kläger war im Juli 2012 einkommens- und vermögenslos. Hinsichtlich der weiteren Feststellungen der Beklagten zu Einkommen
und Vermögen wird insbesondere auf das Vorspracheprotokoll vom 28. Juni 2012 (Bl. 545 der Verwaltungsakte) sowie den gesamten
Inhalt von Band III der Verwaltungsakten der Beklagten (Jugend- und Sozialamt) Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2012 gewährte der Beklagte dem Kläger ab 1. Juli 2012 neben den Kosten der Unterkunft nur noch den
Asylgrundbetrag und den Asylbarbetrag in Höhe von 184,07 EUR zuzüglich 40,90 EUR, insgesamt 744,97 EUR (Bl. 541 Verwaltungsakte).
Der Kläger legte mit Schreiben vom 22. Juli 2012 Widerspruch ein (Bl. 555 Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 13. August 2012 bewilligte der Beklagte Leistungen für August 2012 i.H.v. 744,97 EUR, mit Änderungsbescheid
und Bescheid vom 30. August 2012 (in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012) Leistungen
für August und September 2012 i.H.v. 866 EUR, mit Änderungsbescheid vom 4. Oktober 2012 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2012
bis 31. Oktober 2012 Leistungen ebenfalls i.H.v. 866 EUR monatlich, ebenso mit wiederholendem Änderungsbescheid vom 29. Oktober
2012 für November 2012. Mit Änderungsbescheid vom 29. November 2012 bewilligte die Beklagte für Dezember 2012 lediglich Grundleistungen
und den Barbetrag i.H.v. 346 EUR.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2012 "gegen den Bescheid des Jugend- und Sozialamtes ( ) vom
27.06.2012" zurückgewiesen (Bl. 581 Verwaltungsakte). Nur der Zugang dieses Widerspruchsbescheides ergibt sich aus den Akten,
nachdem die Beklagte bereits zuvor unter anderen Daten gleichlautende Widerspruchsbescheide verschickt hatte. Zur Begründung
wurde ausgeführt, die Umsetzung der Rückkehrpflicht scheitere am fehlenden Pass. Da der Widerspruchsführer eine Geburtsurkunde
besitze und damit seine Identität feststehe, werde er auf entsprechenden Antrag bei seinem Konsulat einen Pass ausgestellt
erhalten. Dies habe das Konsulat telefonisch bestätigt. Es bestünden keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Auskunft. Die
Passausstellung setze zwingend die Antragstellung und die Vorsprache des Widerspruchsführers beim Konsulat voraus. Da er sich
weigere, erfülle er den Tatbestand des §
1a AsylbLG, weil bei ihm aus von ihm zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden könnten. Ohne einen
Pass könne er nicht in sein Heimatland zurückkehren. Die Ausländerbehörde habe auch deutlich gemacht, dass sie die Ausreisepflicht
durchsetzen wolle. Im Übrigen gebe es keine Gründe, die gegen eine Ausreisepflicht sprechen. Es sei nicht zutreffend, dass
man sich von den Leistungen nicht ausreichend ernähren könne. Der Widerspruch sei daher zurückzuweisen.
Der Kläger hat am 14. Januar 2013 Klage beim Sozialgericht Frankfurt erhoben.
Der Kläger hat vorgetragen, der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig. Er habe einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen
analog der Sozialhilfe. Er könne sich seinen Pass nicht beschaffen. Es sei sehr schwierig, einen iranischen Pass zu beschaffen
(Bl. 42 d.A.). Zudem würde dieser zu seiner Ausweisung verwendet werden (Bl. 41 d.A.).
Der Beklagte ist der Ansicht gewesen, es bestünde kein Anspruch auf Gewährung der begehrten Leistungen. Der Vortrag des Klägers
zu seiner Passlosigkeit sei unschlüssig und nicht glaubhaft.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14. August 2017 abgewiesen. Das Begehren des Klägers werde nach §
123 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in dem Sinne ausgelegt, dass er ab Juli 2012 die Gewährung von Leistungen nach dem
AsylbLG analog dem SGB XII begehre. Die in diesem Sinne ausgelegte Klage sei zulässig aber unbegründet. Der Bescheid vom 27. Juni 2012 in Gestalt des
Widerspruchbescheides vom 12. Dezember 2012 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Sozialgericht
hat sich nach §
136 Abs.
3 SGG auf die Begründung des Verwaltungsaktes und des Widerspruchsbescheides bezogen. Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 17.
August 2017 zugestellt worden.
Die hiergegen gerichtete Berufung ist am Montag, den 18. September 2017 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Der Kläger trägt vor, er habe alles für ihn Mögliche getan, um seinen Mitwirkungspflichten nachzukommen, insbesondere an der
Passbeschaffung mitzuwirken. Er habe Herrn Dr. D. D. als Verfahrensbevollmächtigten beauftragt, alles Erforderliche zu unternehmen,
um einen iranischen Reisepass zu erlangen. Die Ausstellung eines iranischen Reisepasses stelle sich durch das iranische Generalkonsulat
in Frankfurt am Main jedoch als sehr schwer, gar unmöglich heraus, denn für die Ausstellung eines iranischen Personalausweises
bzw. Reisepasses müsse eine andere amtliche Urkunde vorliegen. In Ermangelung dessen müssten drei Zeugen unter Eid unzweifelhaft
Erkenntnisse über die Identität des Klägers bestätigen und bekunden, dass sie den Kläger aus dem Iran kennen würden. Selbst
dann sei es schwer, einen Reisepass ausgestellt zu erhalten, da die Unterlagen und Zeugenaussagen von iranischen Behörden
geprüft und abgesegnet werden müssten. Dies sei ein langwieriger Prozess, der nicht vom Kläger beeinflusst werden könne und
nicht in seinem Verantwortungsbereich liege. Er habe 12 Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt. Das Erfordernis
der Beibringung von Zeugen zur Begründung seiner Identität sei bereits deshalb unmöglich, weil der Kläger sich seit 1978 in
der Bundesrepublik Deutschland aufhalte. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 30. Oktober 2008 bestätigt, dass der Kläger zur
Beschaffung seiner Geburtsurkunde bei der Passbeschaffung mitgewirkt habe. Herrn Dr. D. D. habe die Ausstellung eines zweiten
iranischen Personalausweises für den Kläger erwirkt. Dieser Personalausweis sei der Beklagten vorgelegt worden.
Die Behauptung einer angeblichen telefonischen Auskunft durch das iranische Konsulat darüber, dass der Kläger lediglich einen
entsprechenden Antrag stellen müsse, sei nicht bewiesen. Eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer durch
den Kläger im Sinne des §
2 Abs.
1 AsylbLG liege nicht vor. Die Beweislast für Rechtsmissbrauch liege bei der Beklagten (Hinweis auf BSG, Urteil vom 8. Februar 2007 - B 9b AY 1/06 R). Die Entscheidung des Sozialgerichts sei verfahrensfehlerhaft ergangen; angesichts
der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hätte nicht durch Gerichtsbescheid entschieden werden können. Das Absehen von
Gründen verletze den Kläger in seinem Grundrecht aus Art.
103 Abs.
1 Grundgesetz (
GG)
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. August 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Juni
2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm rückwirkend
ab 1. Juli 2012 Leistungen nach dem
AsylbLG analog dem SGB XII zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die Berufung sei unzulässig, da sich die Klage allein gegen den Leistungsbescheid vom 27. Juni 2012
für den Monat Juli 2012 richte. Weder werde die Wertgrenze von 750 EUR erreicht noch würden Leistungen für einen Zeitraum
von mehr als 12 Monaten begehrt.
Die Berufung sei auch unbegründet. Die Voraussetzungen des §
1a Nr. 2
AsylbLG in der bis zum 28. Februar 2015 geltenden Fassung lägen vor. Der Kläger habe seine Passlosigkeit selbst zu verantworten.
Er sei mehrfach wegen Verstoßes gegen § 95 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) verurteilt worden. Teil des strafrechtlichen Vorwurfes sei, dass selbstverschuldete Passlosigkeit vorliegen. Die Verweigerungshaltung
werde aus den Einlassungen des Klägers gegenüber der Ausländerbehörde ersichtlich. Mit Schreiben vom 22. Juli 2012 habe der
Kläger die Ausstellung eines Fremdenpasses beantragt. In diesem Schreiben heiße es, er sei jederzeit gerne bereit, die Ausstellung
eines iranischen Reisepasses zu beantragen, wenn unter schriftlicher Gewährleistung zugesichert werde, dass die Ausstellung
eines iranischen Passes nicht zur Abschiebung missbraucht werde.
Dem Kläger ist mit Beschluss vom 4. September 2019 Prozesskostenhilfe für den Berufungsrechtszug bewilligt worden. Der Berichterstatter
hat die Beteiligten mit Verfügung vom selben Tage auf die Zulässigkeit der Berufung hingewiesen, da der Kläger formal dadurch
beschwert sei, dass das Sozialgericht nach den Entscheidungsgründen die Rechtskraftwirkung seines Urteils auf dem Zeitraum
ab Juli 2012 bis zum Datum des Gerichtsbescheides erstrecke.
Mit Berichterstatterverfügung vom 16. Juli 2020 sind die Beteiligten auf die vom Senat herangezogenen behördlichen Auskünfte
und sonstigen Erkenntnisse zur Reisepassbeschaffung bezüglich der Islamischen Republik Iran hingewiesen worden.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22. Juli 2020, den
Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Ordnungsamtsakte (1 Hefter) und der Jugend- und Sozialamtsakten
(4 Bände) verweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere am Maßstab von §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG statthaft. Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts,
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten
Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Dabei ist der Beschwerdegegenstand das, was das angefochtene Urteil des
Sozialgerichts in seiner Hauptsachentscheidung dem Kläger und Berufungskläger versagt hat und er nun mit der Berufung weiterverfolgen
möchte. Es genügt insoweit grundsätzlich die sich aus dem Vergleich seines Antrags mit dem Urteilstenor ergebende formelle
Beschwer (BSG, Urteil vom 29. September 1999 - B 6 KA 30/98 R -, SozR 3-1500 §
54 Nr. 4 m. w. N.; Schreiber, in: Fichte/Jüttner,
SGG, 3. Aufl. 2020, §
143 Rn. 10). Bei Zweifeln an der Reichweite des Antrages ist die Auslegung des Antrages durch das Sozialgericht maßgeblich, denn
eine formelle Beschwer kann sich auch aus der Abweisung eines durch das Sozialgericht überdehnt ausgelegten Antrages ergeben
(Wehrhahn, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, §
143 Rn. 16). Das Sozialgericht hat nach seinen eindeutigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen den erstinstanzlichen Antrag
dahingehend ausgelegt, dass der Kläger Leistungen nach §
2 AsylbLG zukunftsoffen ab Juli 2012 begehrt. Der erstinstanzliche Antrag war insoweit auch auslegungsbedürftig. Der Kläger ist formell
dadurch beschwert, dass das Sozialgericht die Rechtskraftwirkungen seines Urteils ausweislich der insoweit tragenden Entscheidungsgründe
auf den Zeitraum ab Juli 2012 bis zum Datum des Gerichtsbescheides erstrecken möchte. Kommt es allein auf die so ermittelte
formelle Beschwer an, so kann die Beklagte im Rahmen der Statthaftigkeit nicht damit gehört werden, dass der streitgegenständliche
Bescheid allein Leistungen für Juli 2012 regelt.
Die Berufung ist aber nur teilweise begründet.
I. Die Klage ist nur teilweise zulässig.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und des Klägers ist die Klage nur bezüglich des Streitgegenstandes, in Abänderung
des Bescheides vom 27. Juni 2012 744,97 EUR übersteigende Leistungen in Höhe des §
2 AsylbLG für den Monat Juli 2012 zu erhalten, gegenwärtig einer Sachentscheidung zugänglich. Im Übrigen fehlt es an der abschließenden
Nachprüfung der Bescheide für dem Folgezeitraum vom 13. August 2012, 30. August 2012, 4. Oktober 2012, 29. Oktober 2012 und
29. November 2012 im Vorverfahren (§
78 SGG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8 AY 11/07 R -, juris, Rn. 10; vgl. auch BSG, Urteil vom 14. April 2011 - B 8 SO 12/09 R -, SozR 4-3500 § 82 Nr. 7; zuletzt BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 - B 8 SO 14/15 R -, juris Rn. 11), der der Senat folgt (Beschluss vom 2. Juni 2020 - L 4 AY
7/20 B ER -, juris Rn. 13), werden nach §
86 SGG analog im Falle der monatsweisen Bewilligung die Bescheide für die Folgemonate Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens.
Die Beklagte hat indes im Widerspruchsbescheid allein eine Entscheidung bezüglich des Bescheides vom 27. Juni 2012 getroffen.
Angesichts der eindeutigen Formulierung im Widerspruchsbescheid ist die Auslegung einer konkludenten Mitentscheidung über
die Bescheide für dem Folgezeitraum vom 13. ugust 2012, 30. August 2012, 4. Oktober 2012, 29. Oktober 2012 und 29. November
2012 ausgeschlossen.
II. Die Klage ist im zulässigen Umfang begründet.
1. Der Kläger hat Anspruch auf Leistungen nach §
2 Abs.
1 AsylbLG.
a) Nach der bis 28. Februar 2015 geltenden Fassung dieser Vorschrift ist abweichend von den §§ 3 bis 7 das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch
auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach
§ 3 erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.
aa) Der Kläger hat die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst. Der Begriff des Rechtsmissbrauchs
enthält eine objektive - den Missbrauchstatbestand - und eine subjektive Komponente - das Verschulden - (zum Folgenden ausf:
BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - juris Rn. 32 ff.). Diesem Tatbestandsmerkmal des §
2 AsylbLG liegt der Gedanke zu Grunde, dass niemand sich auf eine Rechtsposition berufen darf, die er selbst treuwidrig herbeigeführt
hat.
In objektiver Hinsicht setzt der Rechtsmissbrauch ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - juris Rn. 33). Dabei genügt angesichts des Sanktionscharakters des §
2 AsylbLG nicht schon jedes irgendwie zu missbilligende Verhalten. Nur ein Verhalten, das unter jeweiliger Berücksichtigung des Einzelfalls,
der besonderen Situation eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland und der besonderen Eigenheiten des
AsylbLG unentschuldbar ist (Sozialwidrigkeit), führt zum Ausschluss von Analog-Leistungen. Die Gesetzesbegründung führt insoweit
beispielhaft die Vernichtung des Passes (BT-Drucks 15/420, S 121) als typische Fallgestaltungen eines Rechtsmissbrauchs an,
es sei denn, sie wären ihrerseits eine Reaktion auf oder eine vorbeugende Maßnahme gegen objektiv zu erwartendes Fehlverhalten
des Staates. Nicht hinreichend ist die bloße Ausnutzung einer Verfahrensposition durch Nichtausreise. So liegt nicht in dem
Nichtausreisen des Ausländers trotz (formaler) Ausreisepflicht (Duldung) ein Rechtsmissbrauch, sondern unter Umständen in
den Gründen, die hierzu geführt haben. Der Aufenthaltsstatus (Duldung) ist für die Beantwortung der Frage, ob der Ausländer
seinen Aufenthalt rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hat, unerheblich. Hat der Ausländer diese Gründe zu vertreten, hat
er also insoweit selbst Einfluss auf das Geschehen genommen, kann nur deshalb, nicht aber wegen bestehender Ausreisepflicht,
ein Rechtsmissbrauch bejaht werden.
Gemessen an diesem Maßstab kann dem Kläger ein solches von der Rechtsordnung missbilligtes, sozialwidriges Verhalten nicht
zum Vorwurf gemacht werden.
Der Kläger wurde zwar wiederholt zur Passbeschaffung und zur Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten aus § 48 AufenthG aufgefordert. Dem ist er nicht nachgekommen und hat zudem am 22. Juli 2012 unwidersprochen erklärt: "Ich wäre auch jederzeit
gerne bereit die Ausstellung eines iranischen Reisepasses zu beantragen, wenn unter schriftlicher Gewährleistung mir zugesichert
wird, dass die Ausstellung eines iranischen Reisepasses nicht zur Abschiebung missbraucht wird". Auch daraus geht hervor,
dass er willentlich und bewusst keinen Reisepass beantragt, um eine Abschiebung unmöglich zu machen.
Jedoch fehlt es aufgrund der tatsächlich bestehenden Anforderungen an die Passbeschaffung an der Sozialwidrigkeit der Verweigerung
der Mitwirkung.
Der Senat geht hinsichtlich der Passbeschaffungsmöglichkeit und der Rückkehrsituation im Jahr 2012 und zuvor von folgenden
Erkenntnissen aus, die er sich zu Eigen macht:
Das Auswärtige Amt führte in seinen Lageberichten vom 27. Februar 2011, GZ: 508-516.80/3 IRN, S. 43 und vom 8. Oktober 2012,
Gz.: 508-516.80/3 IRN, S. 38 f. (zitiert nach asylis) Folgendes aus: "Deutsche Reiseausweise oder EU-Heimreisepapiere werden
von den Grenzbehörden nicht anerkannt. Die iranischen Behörden bestehen darauf, dass ein Heimreisedokument von der zuständigen
iranischen Auslandsvertretung ausgestellt wird. Diese wiederum haben Anweisung, jedem Iraner, der bei ihnen vorspricht und
freiwillig die Ausstellung eines Reisepasses beantragt, einen solchen auszustellen. Dies gilt auch für Personen, die im Ausland
einen Asylantrag gestellt haben. Die iranischen Auslandsvertretungen in Deutschland stellen Heimreisedokumente grundsätzlich
nur dann aus, wenn die betreffende Person persönlich vorgesprochen und dabei zu erkennen gegeben hat, dass sie freiwillig
nach Iran zurückkehrt. Außerdem wird der zweifelsfreie Nachweis der iranischen Staatsangehörigkeit verlangt."
Für den vorherigen Zeitraum ging das Bundesministerium des Innern davon aus, dass das Erfordernis einer Freiwilligkeitserklärung
mit Vorgaben aus iranischem innerstaatlichen Recht übereinstimmen solle, wonach kein iranischer Staatsangehöriger gezwungen
werden könne, in den Iran zurückzukehren. Den dem Bundesministerium des Innern vorliegenden Erkenntnissen zufolge könne nicht
davon ausgegangen werden, dass der Iran in absehbarer Zeit von der bisherigen Praxis abweichen werde. Die Freiwilligkeitserklärung,
die von iranischen Staatsangehörigen erwartet werde, erfolge bereits durch die eigenhändige Unterschrift des Betroffenen auf
dem Antragsformular für die Passersatzausstellung (Gutachten des Bundesministeriums des Innern vom 28. November 2001 an VG
Köln (Anfrage vom 4. Oktober 2001 zu 16 K 4056/99.A - asylis).
Nach Erkenntnissen des Oberverwaltungsgerichts Münster zu einem Sachverhalt aus dem Jahr 2005 enthielt das von den Konsulaten
der Islamischen Republik Iran verwendete Antragsformular folgende Erklärung: "Hiermit erkläre ich, dass ich freiwillig in
die Islamische Republik Iran zurückkehren möchte" (OVG Münster, Urteil vom 18. Juni 2008 17 A 2250/07 -, juris Rn. 66).
Verzichtbar war eine Freiwilligkeitserklärung im maßgeblichen Zeitraum nur bei Nachweis eines rechtmäßigen Aufenthalts in
der Bundesrepublik Deutschland und der Vorlage weiterer Unterlagen (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2013 - L 4 AY 16/13
B ER , juris Rn. 8). Vorliegend hielt sich der Kläger aber schon seit langem unrechtmäßig und lediglich geduldet in der Bundesrepublik
auf.
Dieser Erkenntnisstand für den Zeitraum um und vor 2012 wird bestätigt durch eine Reihe sozial- und verwaltungsgerichtlicher
Entscheidungen (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2013 - L 4 AY 16/13 B ER -, juris Rn. 8). So geht das Sächsisches
Landessozialgericht (Beschluss vom 30. Juni 2011 - L 7 AY 8/10 B ER -, juris) bezüglich eines Sachverhalts aus dem Jahr 2010
von der Erforderlichkeit einer Freiwilligkeitserklärung bei der Passbeschaffung über ein iranisches Konsulat oder eine iranische
Botschaft aus, ebenso das Thüringische Landessozialgericht für 2014 (Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 09. Oktober
2014 - L 8 AY 474/14 B ER -, juris), das Sozialgericht Hildesheim für 2016/2017 (SG Hildesheim, Beschluss vom 6. Januar 2017
S 42 AY 56/16 ER -, juris), das Verwaltungsgericht Bayreuth für 2018 (VG Bayreuth, Gerichtsbescheid vom 11. Dezember 2018
- B 6 K 18.696 -, juris).
Die der Beklagten vorliegenden E-Mail-Auskünfte und Telefonvermerke, denen es im Übrigen auch an Substanz mangelt, sind damit
hinsichtlich des fehlenden Erfordernisses einer Freiwilligkeitserklärung widerlegt, soweit sie überhaupt den hier relevanten
Zeitraum betreffen.
Nach alledem ist zur Passbeschaffung bzw. Passersatzbeschaffung zur Überzeugung des Senats bei einem rechtswidrigen Aufenthalt
in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber einem iranischen Konsulat nicht nur die schlichte Mitwirkung in Gestalt der Vorlage
von Urkunden zur Identitätsfeststellung und Abgabe eines entsprechenden Antrages bei einem iranischen Konsulat hinreichend.
Vielmehr bedarf es auch der Abgabe einer Freiwilligkeitserklärung bezüglich der Rückkehr in den Iran.
Deren Verweigerung kann nicht als gesteigert sozialwidrig und damit nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden (vgl.
zum Folgenden am Maßstab von §
1a AsylbLG BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 7 AY 7/12 R -, BSGE 114, 302-310, SozR 4-3520 § 1a Nr. 1 zit. nach juris, Rn. 26 ff.; Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2013 L 4 AY 16/13 B ER -, juris).
Versteht man die Aufforderungen durch die Ordnungsbehörde und zuletzt durch das Sozialamt der Beklagten an den Kläger lebensnah
so, dass der Kläger alles seinerseits Erforderliche tun solle, um vom iranischen Konsulat einen Reisepass oder ein zur Einreise
in den Iran berechtigendes Dokument ausgestellt zu erhalten, so wird vom Kläger ein Verhalten verlangt, das die Intimsphäre
als unantastbaren Kernbereich des Persönlichkeitsrechts des Art.
2 Abs.
1 i.V.m. Art.
1 Abs.
1 GG berührt (vgl. zur Unantastbarkeit eines Kernbereichs: BVerfGE 34, 238 (245); 54, 143 (146); 103, 21 (31)). Der Kläger erklärte zuletzt mit Schreiben vom 22. Juli 2012, dass er nur an der Passbeschaffung
nur mitwirke, wenn ihm versichert werde, dass er nicht abgeschoben werde. Damit erklärte der Kläger zugleich, dass er nicht
freiwillig ausreisen werde. Freiwilligkeit kann sowohl nach dem allgemeinen Wortverständnis als auch unter Berücksichtigung
der konkreten Umstände des Falles (vgl. zum Folgenden BSG a.a.O., Rn. 27 f.) nur bedeuten, dass der Kläger erklären sollte, er reise aus freien Stücken in den Iran. Diese Erklärung
kann indes von niemandem verlangt werden, der den entsprechenden Willen nicht besitzt; ansonsten wäre er zum Lügen gezwungen.
Der Begriff der Freiwilligkeit entzieht sich weiteren Überlegungen. Gefordert war vom der Kläger eine Erklärung, etwas zu
wollen, was er gerade nicht wollte. Ein gegenteiliger Wille kann von ihm auch nicht verlangt werden; der Wille als solcher
ist staatlich nicht beeinflussbar. Eine andere Frage ist, ob von dem Betroffenen trotz eines entgegenstehenden Willens bestimmte
Handlungen abverlangt werden können. Der Zwang, dies auch zu wollen, entspräche einem dem
Grundgesetz fremden totalitären Staatsverständnis (BSG a.a.O., Rn. 28).
Dieser vom Bundessozialgericht zu §
1a AsylbLG entwickelten Überlegungen sind auf §
2 AsylbLG übertragbar (wie hier: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16. Januar 2020 - L 8 AY 22/19 B ER -, juris Rn. 23 f.; vgl.
auch Krauß, in: Siefert,
AsylbLG, 2018, §
2 Rn. 48).
Unerheblich ist, dass in den genannten Entscheidungen die geforderte Mitwirkungshandlung bereits auf die Abgabe einer Freiwilligkeitserklärung
hin konkretisiert wurde, demgegenüber der Kläger im hiesigen Rechtsstreit zuletzt im Jahr 2011 nur noch allgemein zur Mitwirkung
an der Passbeschaffung aufgefordert wurde. Aufgrund der vom Senat herangezogenen Auskünfte steht fest, dass die Abgabe einer
entsprechenden Freiwilligkeitserklärung notwendige Bedingung der Passerteilung oder Ausstellung eines Passersatzpapiers durch
ein iranisches Konsulat war. Es steht zudem fest, dass der Kläger gegenüber dem iranischen Konsulat die Abgabe einer Unterschrift
verweigert hat. Offen bleiben kann, ob sich diese Verweigerung durch den Kläger explizit auf die Freiwilligkeitserklärung
bezog. Sollte die Passerteilung an der Verweigerung einer anderen Unterschrift gescheitert sein, so ist dies ebenfalls nicht
vorwerfbar. Wegen der Erforderlichkeit der Freiwilligkeitserklärung als conditio sine qua non kann es auch nicht sozialwidrig
sein, eine andere, von vornherein nicht zum Ergebnis führende unspezifische Mitwirkungshandlung zu verweigern. Nach alledem
ist die schlichte Weigerung der Mitwirkung an der Passbeschaffung dann nicht sozialwidrig, wenn die Passbeschaffung ohnehin
an einer nicht erzwingbaren Mitwirkungshandlung, nämlich der Abgabe einer Freiwilligkeitserklärung, scheitern würde, deren
Verweigerung nicht als sozialwidrig anzusehen ist.
Soweit die Beklagte für die Rechtsmissbräuchlichkeit auf die strafrechtlichen Verurteilungen wegen Passlosigkeit verweist,
ist darauf hinzuweisen, dass nach verbreiteter Ansicht an die verweigerte Abgabe der Freiwilligkeitserklärung keine strafrechtlichen
Sanktionen geknüpft werden können, insbesondere nicht bezüglich § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 16. Januar 2007 - 2 St OLG Ss 242/06 -, juris; OLG München, Urteil vom 9. März 2010 - 4St RR 102/09 -, juris, beide bezüglich Angeklagter mit iranischer Staatsangehörigkeit). Aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung
zur Zumutbarkeit aufenthaltsrechtlicher Mitwirkungspflichten (BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1 C 19.08 -, juris) können wegen der Unterschiede der betroffenen Normen (einerseits rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Dauer
des Aufenthalts in §
2 AsylbLG, andererseits Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse in § 25 Abs. 5 AufenthG) keine zwingenden Rückschlüsse auf die hiesige Rechtsfrage gezogen werden. Zudem erkennt auch das Bundesverwaltungsgericht
an, dass die Abgabe einer Freiwilligkeitserklärung weder rechtlich erzwungen noch gegen den Willen des Ausländers durchgesetzt
werden kann (BVerwG a.a.O. Rn. 17).
Ein anderes als rechtsmissbräuchlich einzustufendes Verhalten im Zeitraum vor 2012 wird von der Beklagten nicht vorgebracht
und ist auch nicht ersichtlich.
bb) Der Kläger hatte im Juli 2012 auch schon länger als 48 Monate Leistungen nach §
3 AsylbLG, hier: ausweislich der Feststellungen in der Ordnungsamtsakte des Beklagten, die sich der Senat zu eigen macht, sogar bereits
seit mindestens August 2008 nach §
2 AsylbLG, zuvor nach §
3 AsylbLG bezogen.
cc) Dem Leistungsanspruch steht entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht ein Tatbestand der Leistungsabsenkung nach
§
1a AsylbLG entgegen.
Unabhängig von der Frage, inwieweit bei Erfüllung des Tatbestandes von §
2 AsylbLG noch eine Leistungsabsenkung nach §
1a AsylbLG erfolgen kann oder umgekehrt die Erfüllung eines Tatbestandes §
1a AsylbLG die Anwendung des §
2 AsylbLG sperrt (zum Meinungsstand ausf. Oppermann/Filges in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, §
2 AsylbLG Rn. 16, 152 (Stand: 26. April 2020); SG Landshut, Beschluss vom 28. Februar 2018 - S 11 AY 66/18 ER - juris Rn. 107), liegen
die Voraussetzungen des §
1a Nr. 2
AsylbLG a.F. nicht vor.
Hiernach erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 und ihre Familienangehörigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 6, bei denen
aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, Leistungen nach diesem
Gesetz nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist.
Der Nichtvollzug aus von ihnen zu vertretenden Gründen setzt eine konkrete Monokausalität voraus. Liegen mehrere Ursachen
für die Unmöglichkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen vor, so dürfen den Leistungsberechtigten lediglich die Gründe zugerechnet
werden, die sie nur selbst zu vertreten haben. Ursachen, die im Verantwortungsbereich der Ausländerbehörden, des Heimatlandes
oder im politischen Raum anzusiedeln sind und die die Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung ebenfalls kausal beeinflussen,
scheiden für eine Anspruchseinschränkung aus. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die vom Leistungsberechtigten gesetzte Ursache
die einzige und diejenige sein muss, die die Anspruchseinschränkung rechtfertigt (Oppermann, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, §
1a AsylbLG Rn. 86; vgl. auch BSG, Urteil vom 27. Februar 2019 - B 7 AY 1/17 R -, juris Rn. 26). Aus dem eigenen Verantwortungsbereich sind auch Ursachen ausgeklammert,
die aus anderen Gründen nicht vorwerfbar sind. Dies gilt aus den oben ausgeführten Gründen insbesondere für die Abgabe einer
Freiwilligkeitserklärung (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 7 AY 7/12 R -, BSGE 114, 302-310, SozR 4-3520 § 1a Nr. 1 zit. nach juris, Rn. 26).
Da letztlich eine Passbeschaffung nach dem o.g. Kenntnisstand daran scheitern würde, dass der Kläger die Freiwilligkeitserklärung
nicht abgibt, und dies ihm nicht vorgeworfen werden kann, fehlt es an der konkreten Monokausalität der Verweigerung der Mitwirkung.
dd) Nach alledem bleibt die Leistungsbewilligung für Juli 2012 hinter dem Anspruch des Klägers auf Leistungen nach §
2 AsylbLG um den ausgeurteilten Betrag zurück. Tatsächlich bewilligt wurden für Juli 2012 744,97 EUR die Leistungshöhe nach § 2 AsybLG
belief sich seinerzeit auf 894 EUR (Regelbedarf 374 EUR, Kosten der Unterkunft 520 EUR).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Beklagte durch die verfahrensfehlerhafte Entscheidung im Widerspruchsverfahren einen
Anlass für die erstinstanzlich und klägerseits fehlerhafte Würdigung des Streitgegenstands gesetzt hat.
Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich.