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LSG Hessen, Urteil vom 27.06.2012 - 4 KA 47/11
Anspruch auf Leistungen der Erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen; Eingriff in den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz durch Nachhaltigkeitsfaktor
1. Die Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) nach Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit sind strukturell sowie im Hinblick auf ihre alterssichernde Funktion und der besonderen Schutzbedürftigkeit der inaktiven Ärzte Ansprüchen aus betrieblichen Versorgungsanwartschaften und aus den beitragsfinanzierten Sozialversicherungssystemen vergleichbar und damit durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt.
2. In den durch die Beitragszahlungen während der aktiven Phase erworbenen und festgestellten Anspruch des inaktiven Vertragsarztes greift der sog Nachhaltigkeitsfaktor des § 8 GEHV 2006 ein, indem er die Quotierung des EHV-Anspruchs anordnet, sobald das zur Verteilung vorhandene Honorar aufgrund der "Deckelung" des Umlagesatzes auf 5 % nicht mehr ausreicht, um die Ansprüche der EHV-Berechtigten zu erfüllen. Dieser Eingriff, der im Ergebnis eine effektive Kürzung der erworbenen Ansprüche der inaktiven Ärzte bewirkt, ist mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Er stellt sich in seiner konkreten Ausgestaltung als unverhältnismäßige Belastung der Inaktiven dar. Durch den die rechtsstaatlichen Prinzipien des Übermaßverbots, des Vertrauensgrundsatzes und das Gebot ausgewogener Abwägung (vgl hierzu Papier in Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr 137) verletzt werden. Dies ist insbesondere mit dem Gebot einer gerechten Lastenverteilung in einem System kollektiver Verantwortung nicht vereinbar.
3. Der Regelungsgehalt des § 5 GEHV 2010 ist hinreichend klar und insbesondere im Hinblick auf den weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers bei der Ausgestaltung der Honorarverteilung rechtlich nicht zu beanstanden. Er ordnet an, dass die als "TL-Anteil" bezeichneten Praxiskosten, welche in der durch die Vertreterversammlung beschlossenen "Liste TL-Anteile" definiert sind, unmittelbar von der Honorarforderung der jeweiligen Praxis abgezogen werden, soweit sei über dem Anteil der jeweiligen Fachgruppe liegen. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Normenkette:
GG Art. 14 Abs. 1 S. 1
,
GG Art. 14 Abs. 1 S. 2
,
GG Art. 20 Abs. 3
,
SGB V § 85 Abs. 4
Vorinstanzen: SG Marburg 24.02.2010 S 12 KA 155/08
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. Februar 2010 sowie die Bescheide der Beklagten über das EHV-Honorar in den Quartalen II/07 bis II/08, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Juli 2009 sowie des Änderungsbescheides vom 20. September 2010, abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Quartale II/07 bis II/08 Leistungen aus der EHV ohne Quotierung aufgrund des Nachhaltigkeitsfaktors gemäß § 8 Abs. 1 GEHV 2006 zu erbringen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. Februar 2010 abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit die Beklagte zur Neubescheidung des EHV-Anspruchs des Klägers hinsichtlich der Kürzungen wegen technischer Leistungen gemäß § 5 GEHV verurteilt worden ist.
Im Übrigen werden sowohl die Berufung des Klägers als auch die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Revision wird nicht zugelassen.

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