Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Arbeitslosengeld.
Der Kläger war seit 1. Juni 1981 bei C. beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis wurde durch arbeitsgerichtlichen Vergleich vom
3. März 2009 zum 31. Januar 2010 beendet (Bl. 4 - 12 der Verwaltungsakte). Der Kläger meldete sich am 27. Juli 2009 bei der
Beklagten arbeitssuchend und wies darauf hin, dass er noch bis 31. August 2009 bei C. als IT-Leiter beschäftigt sei und danach
freigestellt werde. Er wolle vier Monate in Urlaub und sich danach selbständig machen. Er fragte nach einem Gründungszuschuss.
Die Beklagte schloss mit dem Kläger eine Eingliederungsvereinbarung, nach der der Kläger seine Geschäftsidee abkläre und die
Beklagte seine Selbständigkeit eventuell mit einem Gründungszuschuss fördere (Vermerke vom 27. Juli 2009, Bl. 35 - 37 der
Verwaltungsakte).
Der Kläger meldete sich am 1. Februar 2010 wieder bei der Beklagten. Er sei auf Reisen gewesen, um sich selbst zu finden und
Ideen für eine Selbständigkeit zu sammeln. Zwischen dem Kläger und der Beklagten wurde als gemeinsames Ziel die Aufnahme einer
selbständigen Tätigkeit besprochen (Vermerke vom 1. Februar 2010, Bl. 38 - 41 der Verwaltungsakte).
Am 9. Februar 2010 bestätigte der Kläger auf Nachfrage der Beklagten, bei der eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Klägers
eingegangen war, dass er bis 28. Februar 2010 krankgeschrieben sei. Er wurde darauf hingewiesen, dass er sich erst wieder
arbeitslos melden könne, wenn er wieder gesund sei. Die Arbeitssuchend- und die Arbeitslosmeldung wurden gelöscht (Vermerke
vom 9. Februar 2010, Liste der Vermerke).
Am 25. Februar 2010 meldete sich der Kläger wieder. In dem entsprechenden Vermerk ist festgehalten, dass er weiterhin arbeitsunfähig
ist und dass ihm für die Krankenkasse bescheinigt wurde, dass wegen der Arbeitsunfähigkeit keine Arbeitslosmeldung erfolgen
könne. Außerdem wurde festgehalten, dass der Kläger nochmals mit der privaten Krankenversicherung Rücksprache halten solle,
ob er Krankengeld bekomme. Zudem wurde festgehalten, dass der Kläger nach der Berechnungsgrundlage des Arbeitslosengeldes
beim Bezug von Krankengeld gefragt habe und ihm die Auskunft gegeben wurde, dass der Krankengeldbezug in der Berechnung nicht
berücksichtigt werde (Vermerk vom 25. Februar 2010, Liste der Vermerke).
Am 1. März 2010 wandte sich der Kläger per Mail an die Beklagte und wies darauf hin, dass er sich nicht arbeitslos melden
könne, weil er über sein bisheriges Arbeitsverhältnis hinaus krankgeschrieben sei. Laut seinem Sachbearbeiter müsse die Krankenkasse
mit Krankentagegeld einspringen. Seine private Krankenkasse zahle jedoch Krankentagegeld erst ab dem 43. Tag. Die Beklagte
antwortete am 2. März 2010, dass der Kläger während seiner Krankheitszeit keine versicherungspflichtige mindestens 15 Stunden
wöchentliche umfassende zumutbare Tätigkeit annehmen könne und er deshalb nicht verfügbar wäre. Erst wenn er arbeitsfähig
sei, stehe er dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung (Bl. 19 der Gerichtsakte).
Im Oktober 2010 gab es einen weiteren E-Mail-Verkehr zwischen dem Kläger und der Beklagten zur Frage der Versicherungspflicht
in der Arbeitslosenversicherung vor und bei dem Bezug von Krankentagegeld (Bl. 14 der Gerichtsakte).
Am 18. Juni 2012 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 18. Juni 2012 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Bl. 1 der
Verwaltungsakte). Der Kläger war vom 1. Juni 1981 bis 31. Januar 2010 bei C. beschäftigt (Bl. 4 der Verwaltungsakte). In der
Zeit vom 28. Januar 2010 bis 1. Mai 2011 war der Kläger arbeitsunfähig und erhielt von seiner privaten Krankenversicherung
vom 11. März 2010 bis 1. Mai 2011 Krankentagegeld (Bl. 14 der Verwaltungsakte), da sein Vertrag die Zahlung von Krankentagegeld
erst ab dem 43. Kalendertag einer Krankmeldung vorsah. Erkrankt war er wegen einer depressiven Episode. Vom 2. Mai 2011 bis
9. Dezember 2011 nahm der Kläger an einem Quit-Lehrgang beim Bildungswerk Hessische Wirtschaft in D-Stadt teil und erhielt
in dieser Zeit Übergangsgeld (Bl. 16 der Verwaltungsakte). In der Zeit vom 2. November 2011 bis zum 17. Juni 2012 war der
Kläger wieder arbeitsunfähig krankgeschrieben und erhielt vom 12. Dezember 2011 bis 31. Mai 2012 Krankentagegeld (Bl. 14 der
Verwaltungsakte).
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Arbeitslosengeld durch Bescheid vom 3. August 2012 (Bl. 22 der Verwaltungsakte) ab und
verwies darauf, dass der Kläger in den letzten zwei Jahren vor dem 18. Juni 2012 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig
gewesen sei. Dagegen legte der Kläger am 10. August 2012 (Bl. 24 der Verwaltungsakte) Widerspruch ein, der durch Widerspruchsbescheid
vom 17. Oktober 2012 (Bl. 31 der Verwaltungsakte) als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der Kläger habe die Anwartschaftszeit
nicht erfüllt. Er sei in der Rahmenfrist vom 9. November 2009 bis 17. Juni 2012 nur 84 Tage versicherungspflichtig gewesen,
nämlich in der Zeit seiner Beschäftigung bei C. bis zum 31. Januar 2010. Zeiträume des Bezuges von Krankentagegeld vom 11.
März 2010 bis 1. Mai 2011 und vom 12. Dezember 2011 bis 31. Mai 2012 seien nicht nach §
26 Abs.
2 Nr.
2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) versicherungspflichtig, da der Kläger jeweils nicht unmittelbar vorher versicherungspflichtig gewesen sei. Dabei wies die
Beklagte auch darauf hin, dass die Vermeidung des Verlustes des Anspruchs im Zeitraum vom 1. Februar bis 10. März 2010 auch
nicht mehr durch eine Beratung im Oktober 2010 über die Voraussetzungen eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag
nach §
28a SGB III möglich gewesen wäre.
Dagegen erhob der Kläger am 6. November 2012 Klage vor dem Sozialgericht Gießen. Der Kläger war der Ansicht, dass ein Beratungsfehler
der Beklagten vorliege, da er mehrfach der Beklagten mitgeteilt habe, dass er erst ab dem 43. Kalendertag der Arbeitsunfähigkeit
einen Anspruch auf Krankentagegeld habe. Die Beklagte habe ihm nicht mitgeteilt, dass ein Verlust der Anwartschaft drohe.
Hätte sie ihn dahingehend beraten, hätte er entsprechende Maßnahmen ergreifen können. Die Beklagte trat dem entgegen und verwies
auf die Begründung im Widerspruchsbescheid.
Mit Urteil vom 17. Oktober 2014 hob das Sozialgericht Gießen den Bescheid der Beklagten vom 3. August 2012 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2012 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger ab 18. Juni 2012 Arbeitslosengeld
in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Klage sei zulässig und begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 3. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2012 sei aufzuheben,
da er rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze.
Der Kläger habe ab 18. Juni 2012 Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang. Nach § 136 Abs. 1
SGB Ill hätten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld
1. bei Arbeitslosigkeit oder
2. bei beruflicher Weiterbildung.
§ 137 Abs. 1 SGB Ill bestimme, dass Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit habe, wer
1. arbeitslos sei,
2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und
3. die Anwartschaftszeit erfüllt habe.
Arbeitslos sei nach §
138 SGB III, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer sei und
1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehe (Beschäftigungslosigkeit),
2. sich bemühe, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und
3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehe (Verfügbarkeit). Eine ehrenamtliche Betätigung schließe
Arbeitslosigkeit nicht aus, wenn dadurch die berufliche Eingliederung der oder des Arbeitslosen nicht beeinträchtigt werde.
Die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder mithelfender
Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) schließe die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit
(Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasse; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer blieben unberücksichtigt.
Die Arbeitszeiten mehrerer Erwerbstätigkeiten würden zusammengerechnet. Im Rahmen der Eigenbemühungen habe die oder der Arbeitslose
alle Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung zu nutzen. Hierzu gehörten insbesondere
1. die Wahrnehmung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung,
2. die Mitwirkung bei der Vermittlung durch Dritte und
3. die Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit. Den Vermittlungsbemühungen der Agentur
für Arbeit stehe zur Verfügung, wer
1. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen
des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben könne und dürfe,
2. Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten könne,
3. bereit sei, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und
4. bereit sei, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.
Der Kläger sei seit dem 18. Juni 2012 arbeitslos. Er habe bis zum 31. Januar 2010 eine abhängige Beschäftigung ausgeübt, hiernach
nicht mehr. Er habe sich - entsprechend seiner Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung, an deren Richtigkeit das Gericht
keinen Zweifel habe - stets weiterhin um Arbeit bemüht und sich beworben. Er habe keine Erwerbstätigkeit mehr aufgenommen,
denn sein Bemühen sei bisher nicht erfolgreich gewesen. Sein Lebensunterhalt sei durch Vermögen und anderweitiges Einkommen
gesichert gewesen. Er sei zudem lediglich in den schon bekannten Zeiten arbeitsunfähig gewesen. Er sei seit Juni 2012 nicht
mehr für einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig gewesen.
Der Kläger habe sich auch am 18. Juni 2012 arbeitslos gemeldet. Nach §
141 Abs.
1 SGB III habe sich der Arbeitslose persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden. Diese Voraussetzungen lägen
vor. Die Arbeitslosmeldung sei auch nicht erloschen, denn dies sei der Fall bei einer mehr als sechswöchigen Unterbrechung
der Arbeitslosigkeit oder mit der Aufnahme der Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige
oder als mithelfender Familienangehöriger, wenn die oder der Arbeitslose diese der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich mitgeteilt
habe. Beides läge nicht vor.
Der Kläger erfülle auch die Anwartschaftszeit.
Nach § 142 Abs. 1 Satz 1 SGB Ill habe die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist (§ 143 SGB Ill) mindestens zwölf
Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Gemäß §
143 Abs.
1 SGB III betrage die Rahmenfrist zwei Jahre und beginne mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch
auf Arbeitslosengeld. Die Rahmenfrist reiche nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der die oder der Arbeitslose
eine Anwartschaftszeit erfüllt habe. In die Rahmenfrist würden Zeiten nicht eingerechnet, in denen die oder der Arbeitslose
von einem Rehabilitationsträger Übergangsgeld wegen einer berufsfördernden Maßnahme bezogen habe. In diesem Fall ende die
Rahmenfrist spätestens fünf Jahre nach ihrem Beginn.
Der Kläger habe am 18. Juni 2012 die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld erfüllt. Die Rahmenfrist laufe
somit nach §
143 Abs.
1 SGB III vom 18. Juni 2010 bis 17. Juni 2012. Sodann erweitere sie sich jedoch um den Zeitraum, in dem der Kläger an dem Quit-Lehrgang
beim Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft in D-Stadt vom 2. Mai 2011 bis 9. Dezember 2011 teilgenommen habe. Hierbei handele
es sich um einen Zeitraum von 222 Tagen, so dass sich die Rahmenfrist bis zum 8. November 2009 verlängert habe. In dem Zeitraum
vom 8. November 2009 bis 31. Januar 2010 habe der Kläger 85 Tage in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis
gestanden. Zudem habe er vom 11. März 2010 bis 1. Mai 2011 Krankentagegeld bezogen, was einem Zeitraum von 415 Tagen entspreche.
Dieses Krankentagegeld sei auch zu berücksichtigen. Nach §
26 Abs.
2 Nr.
2 SGB III seien versicherungspflichtig Personen in der Zeit, für die sie von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen Krankentagegeld
bezögen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig gewesen seien, eine laufende Entgeltersatzleistung
nach dem SGB Ill bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt hätten, die ein Versicherungspflichtverhältnis
oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach diesem Buch unterbrochen habe. Der Kläger habe bis zum 31. Januar
2010 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Er sei daher unmittelbar vor Bezug des Krankentagegelds
versicherungspflichtig nach dem SGB Ill gewesen.
Die Lücke vom 1. Februar 2010 bis 11. März 2010 (sechs Wochen) hindere den Unmittelbarkeitszusammenhang nicht. Unmittelbarkeit
in diesem Sinne liege dann vor, wenn keine wesentlichen Zeiträume zwischen der Beschäftigungszeit und der Leistungsbezugszeit
lägen. Das sei hier der Fall. Das Gericht schließe sich der Ansicht des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
(Urteil vom 22. Mai 2014, Az.: L 16 AL 287/13, juris) an. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Unmittelbarkeitszusammenhang nicht mehr gegeben sein könne, wenn eine
Lücke vorliegt, die einen Zeitraum von vier Wochen überschreite (so z.B. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 6. Mai
2010, Az.: L 3 AL 98/09 m.w.N.) bzw. diese Grenze nur unwesentlich überschritten werde (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. Juli 2011,
Az.: L 9 AL 125/10 - Überschreitung um 2 Tage).
Das Gesetz benenne keine feste Frist. Hieraus folge, dass eine Auslegung gefunden werden müsse, die dem Sinn und Zweck der
Vorschrift entspreche (siehe auch B. Schmidt, SGb 2014, S. 240, 246). Der Zweck des Unmittelbarkeitszusammenhangs sei es, im Ergebnis die Arbeitslosen vom Leistungsbezug auszuschließen, die
den Bezug zur Arbeitslosenversicherung durch lange Unterbrechungen der Erwerbsbiographie verloren hätten. Es handele sich
um Personen, die als nicht mehr zum Kreis der Arbeitnehmer gehörend zu bezeichnen seien. Dies sei jedoch bei dem Kläger nicht
der Fall. Er sei durchgehend seit 1981 bis Januar 2010 in einem Beschäftigungsverhältnis tätig gewesen. Er habe sodann seine
Arbeitsstelle verloren und sei in der Folge arbeitsunfähig erkrankt. Er habe sechs Wochen nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit
Krankentagegeld erhalten, habe jedoch dann an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilgenommen. Er sei erneut erkrankt
und habe sich nach Genesung fortan um ein neues Arbeitsverhältnis bemüht. Nach Ansicht des Gerichtes bestehe bei dem vorliegenden
zeitlichen Ablauf zwischen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und Bezug des Krankentagegeldes ein ausreichender Bezug
zur Arbeitslosenversicherung. Ebenso wie im vom Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (a.a.O.) entschiedenen
Fall beruhe die "Lücke" zwischen Beschäftigungsende und Beginn des Krankentagegeld-Zahlungszeitraums nicht darauf, dass der
Kläger den Status als Arbeitnehmer aufgegeben und sich einer selbständigen Tätigkeit zugewandt oder jegliche Erwerbstätigkeit
aufgegeben habe. In der Entscheidung des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (a.a.O.) werde weiter ausgeführt,
dass, wenn der Gesetzgeber beim Bezug von Krankengeld (anders als beim Bezug von Rente wegen voller Erwerbsminderung) typisierend
davon ausgehe, dass der Betreffende noch nicht aus dem Kreis der Erwerbstätigen und damit aus der Solidargemeinschaft ausgeschieden
sei, und deshalb unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 2 SGB Ill die Versicherungspflicht der Zeit des Krankengeldbezugs
anordne, es systemwidrig erscheine, einen hinreichenden Bezug zur Arbeitslosenversicherung wegen des bei Arbeitnehmern ohne
Anspruch auf Lohnfortzahlung für wenigstens sechs Wochen zwangsläufig vorausgehenden sechswöchigen Ruhenszeitraums den Versicherungsschutz
zu verneinen. Die Lücke sei nämlich nicht Ausdruck einer wie auch immer gearteten Lösung von der Versichertengemeinschaft,
sondern diene lediglich in Bezug auf den Beginn der Krankengeldzahlung der Gleichstellung der Betroffenen mit den sonstigen
Arbeitnehmern mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung für wenigstens sechs Wochen. Gleiches gelte nach Ansicht des Gerichts auch
im Fall des Klägers beim Bezug des Krankentagegelds ab dem 43. Tag der Krankschreibung. Die Verpflichtung zur Leistungsgewährung
sei nur dem Grunde nach verfügt, beginne am 18. Juni 2012 und bestehe in gesetzlichem Umfang.
Dieses Urteil wurde der Beklagten am 20. November 2014 zugestellt. Am 18. Dezember 2014 hat die Beklagte dagegen beim Hessischen
Landessozialgericht Berufung eingelegt.
Die Beklagte ist der Auffassung, der Begriff "unmittelbar" vor Beginn der Leistung sei nur dann erfüllt, wenn der Zeitraum
zwischen dem Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung und dem Beginn der Entgeltersatzleistung einen Monat nicht überschreite.
Zwischen dem Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung des Klägers am 31. Januar 2010 und dem Beginn des Krankentagegeldes
am 11. März 2010 lägen jedoch knapp sechs Wochen. Bei dieser zeitlichen Lücke schließe sich der Krankentagegeldbezug nicht
mehr unmittelbar an die Beschäftigung an.
Zwar werde weder im Gesetzestext des § 26 SGB Ill noch in der Gesetzesbegründung ein zeitlicher Rahmen für "unmittelbar" genannt.
Allerdings werde zu § 28a SGB Ill, der ebenfalls den Begriff unmittelbar verwende, in der Gesetzesbegründung ausgeführt, "ein
unmittelbarer Anschluss im Sinne der Regelung liege vor, wenn die Unterbrechung nicht mehr als einen Monat betrage". Ebenso
nenne §
7 Abs.
3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) eine Monatsfrist, denn dort gelte eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis
ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauere, jedoch nicht länger als einen Monat. Es werde somit eine Lücke oder Unterbrechung
zwischen Versicherungspflichtverhältnissen von bis zu einem Monat als unschädlich angesehen.
Auch einige Landessozialgerichte verträten die Auffassung, dass "unmittelbar" in § 26 SGB Ill längstens einen Monat umfasse
(z.B. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 6. Mai 2010 - L 3 AL 98/09 -; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. Dezember 2011 - L 3 AL 20/10 -; zitiert nach juris). Das Hessische Landessozialgericht habe ausnahmsweise einen Zeitraum von 32 Tagen zugelassen (Hessisches
Landessozialgericht vom 15. Juli 2011 - L 9 AL 125/10 -; zitiert nach juris). Die Auffassung der Beklagten werde auch durch die Kommentarliteratur gestützt, die ebenfalls von
einem Monat ausgehe (so z.B. Brand, in: Brand, SGB Ill, § 26 Rdnr. 20; Fuchs, in: Gagel, § 26 SGB Ill Rdnr. 29; Scheidt, in:
Mutschler/Schmidt-de Caluwe/Coseriu, SGB Ill, Rdnr. 41).
Das erstinstanzliche Gericht stütze sich in seiner Entscheidung auf ein Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen
vom 22. Mai 2014 (L 16 AL 287/13) und führe aus, da in § 26 SGB Ill keine Frist genannt werde, müsse eine Auslegung gefunden werden, die dem Sinn und Zweck
der Vorschrift entspreche. Zweck des Unmittelbarkeitszusammenhangs sei es, im Ergebnis die Arbeitslosen vom Leistungsbezug
auszuschließen, die den Bezug zur Arbeitslosenversicherung durch lange Unterbrechungen der Erwerbsbiographie verloren hätten.
Im Falle des Klägers bestehe bei dem zeitlichen Ablauf zwischen Ende des Beschäftigungsverhältnisses und Bezug des Krankentagegeldes
ein ausreichender Bezug zur Arbeitslosenversicherung. Ebenso wie im Fall des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen beruhe
die Lücke zwischen Beschäftigungsende und Beginn des Krankentagegeldes nicht darauf, dass der Kläger den Status als Arbeitnehmer
aufgegeben und sich einer selbständigen Tätigkeit zugewandt oder jegliche Erwerbstätigkeit aufgegeben habe.
Im Fall des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen habe die Klägerin bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch
auf Krankengeld gehabt, der jedoch nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) geruht habe. Auf dieses Ruhen habe das Landessozialgericht in seiner Entscheidung besonders abgestellt. Im vorliegenden
Fall habe es einen solch ruhenden Anspruch auf Krankengeld jedoch nicht gegeben. Der Anspruch auf Krankentagegeld von der
privaten Krankenversicherung habe erst ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit bestanden. Im Übrigen habe der Kläger entgegen
den Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts auch zunächst nicht die Absicht gehabt, sich um eine abhängige Beschäftigung
zu bemühen, sondern habe sich selbständig machen wollen. Die Planung der Selbständigkeit sei offensichtlich erst durch die
längere Erkrankung aufgegeben worden.
Das erstinstanzliche Gericht stelle zum einen auf die Zugehörigkeit zum Kreis der Arbeitnehmer ab, zum anderen auf einen ausreichenden
Bezug zur Arbeitslosenversicherung. Auch bei Selbständigen könne ein Bezug zur Arbeitslosenversicherung vorliegen, wenn diese
ein Versicherungspflichtverhältnis nach § 28a SGB Ill begründet hätten. Eine Zuordnung zum Kreis der Arbeitnehmer und ein
ausreichender Bezug zur Arbeitslosenversicherung lassen sich nicht immer eindeutig vornehmen. Außer Acht bleibe gänzlich die
zeitliche Komponente, die der Begriff unmittelbar in § 26 SGB Ill habe.
Nach §
26 SGB III trete die Versicherungspflicht nur dann ein, wenn der Bezieher unmittelbar vor Beginn der Leistung in einer versicherungspflichtigen
Beschäftigung gestanden oder eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB Ill bezogen habe. Das Sächsische Landessozialgericht
führe hierzu aus, soweit "unmittelbar" in einem zeitlichen Kontext stehe, werde in der Rechtssprache darunter verstanden,
dass eine Unterbrechung keinen wesentlichen Zeitraum umfasse. Als wesentlich werde in der Regel ein Zeitraum angesehen, der
über vier Wochen oder einen Monat hinausgehe.
Nach Auffassung der Beklagten sei unmittelbar hier, wie vom Sächsischen Landessozialgericht ausgeführt, in einem zeitlichen
Kontext zu sehen. Wer in zeitlicher Nähe zu einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis eine Leistung i.S. des
§ 26 Abs. 2 SGB Ill bezogen habe, solle versicherungspflichtig sein, unabhängig davon, wie der Bezug zur Arbeitslosenversicherung
und die Zugehörigkeit zum Kreis der Arbeitnehmer aussehe. Wann im Zusammenhang mit der Versicherungspflicht eine unschädliche
Unterbrechung vorliege, habe der Gesetzgeber in §
7 Abs.
3 SGB IV und zu §
28a SGB Ill entschieden und eine Grenze von einem Monat gesetzt.
Da im Falle des Klägers die Lücke zwischen dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses und dem Beginn des Krankentagegeldes länger
als ein Monat sei, liege eine Unmittelbarkeit i.S. des §
26 SGB III nicht vor. Das Krankentagegeld könne, da nicht versicherungspflichtig, nicht zur Erfüllung der Anwartschaft herangezogen
werden, so dass kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. Oktober 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und verweist darauf, dass die Beklagte Arbeitslosengeld jedenfalls
wegen eines Beratungsfehlers leisten müsse.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der über den Kläger bei
der Beklagten geführten Leistungsakte, die dem Gericht vorgelegen haben und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und
der Beratung gemacht worden sind.
Die Berufung ist auch begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 3. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2012 ist rechtmäßig.
Der Kläger hat ab 18. Juni 2012 keinen Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld. Ihm steht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld
bei Arbeitslosigkeit zu, weil er die dafür nach § 137 Abs. 1 Nr. 3 SGB Ill erforderliche Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat.
Auch die Rechtsprechung der Landessozialgerichte geht überwiegend davon aus, dass nicht nur bei der Anwendung von §
28a SGB III, sondern auch bei der Anwendung von §
26 Abs.
2 SGB III "unmittelbar" längstens einen Zeitraum von einem Monat umfassen kann (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 6. Mai
2010, L 3 AL 98/09, Juris, Rdnr. 37; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 5. Dezember 2013, L 3 AL 36/11, Juris, Rdnr. 30). Das Hessische Landessozialgericht weist zwar in einem obiter dictum darauf hin, dass ausnahmsweise ein
Zeitraum von 32 Tagen ausreichend wäre (Urteil vom 15. Juli 2011, L 9 AL 125/10, Juris, Rdnr. 37), wobei es im entschiedenen Fall darauf jedoch nicht angekommen war, weil die Lücke im entschiedenen Fall
tatsächlich weniger als einen Monat betragen hat (Urteil vom 15. Juli 2011, L 9 AL 125/10, Juris, Rdnr. 38). Die Kommentarliteratur zu §
26 Abs.
2 SGB III ist ohnehin einhellig der Auffassung, dass der Unmittelbarkeitszusammenhang nur bei einem Zeitraum bis zu einem Monat gewahrt
ist (z.B. Brand, in: Brand (Hrsg.), SGB Ill, 7. Auflage, 2015, § 26 Rdnr. 20; Fuchs, in: Gagel (Hrsg.), SGB Ill (Loseblatt),
§ 26 Rdnr. 29; Scheidt, in: Mutschler/Schmidt-de Caluwe/Coseriu, SGB Ill, 5. Auflage, 2013, §
26 Rdnr. 41; Valgolio, in: Hauck/Noftz,
SGB III (Loseblatt), Stand Juli 2015, §
142 Rdnr. 93; Timme, in: Hauck/Noftz,
SGB III (Loseblatt), Stand September 2015, §
26 Rdnrn. 36, 48; Wehrhahn, in: juris-PK-
SGB III, 1. Auflage, 2014, §
26 Rdnr. 32; Wagner, in: GK-
SGB III (Loseblatt), Stand: Juli 2015, §
26 Rdnr. 29).
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen vertritt zwar die Auffassung, dass die Begriffe der Unmittelbarkeit und der Unterbrechung
nicht rein zeitlich zu verstehen seien, sondern auch einen kausalen Bezug aufwiesen und die Auslegung des Begriffs "unmittelbar"
daher vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung vorzunehmen sei (Urteil vom 22. Mai 2014, L 16 AL 287/13, Juris, Rdnr. 28). Es weist in dem von ihm entschiedenen Fall darauf hin, der enge Zusammenhang zwischen einer früheren Beschäftigung
und dem Leistungsbezug sei trotz einer sechswöchigen Lücke, die durch ein entsprechendes Ruhen eines Anspruchs auf Krankengeld
nach §
49 Abs.
1 Nr.
7 SGB V ausgelöst wurde, zu bejahen und deshalb sei die Unmittelbarkeit gegeben (Urteil vom 22. Mai 2014, L 16 AL 287/13, Juris, Rdnr. 29 ff.). Daran knüpft das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Gießen an und weist darauf hin, dass es Zweck
des Unmittelbarkeitszusammenhangs sei, im Ergebnis die Arbeitslosen vom Leistungsbezug auszuschließen, die den Bezug zur Arbeitslosenversicherung
durch lange Unterbrechungen der Erwerbsbiographie verloren hätten. Es handele sich um Personen, die als nicht mehr zum Kreis
der Arbeitnehmer gehörend zu bezeichnen seien. Dies sei jedoch bei dem Kläger nicht der Fall. Bei dem vorliegenden zeitlichen
Ablauf zwischen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses am 31. Januar 2010 und dem Bezug des Krankentagegeldes ab 11.
März 2010 sei ein ausreichender Bezug zur Arbeitslosenversicherung noch gegeben. Dem ist allerdings zu entgegnen, dass die
in §
26 Abs.
2 Satz 1
SGB III für das Fortbestehen der Versicherungspflicht durch den Bezug der in §
26 Abs.
2 Nrn. 1 bis 3
SGB III aufgeführten Leistungen aufgestellte Voraussetzung, dass diese Leistungen nur dann zur Versicherungspflicht führen, wenn
die Versicherten "unmittelbar vor Beginn der Leistung" versicherungspflichtig waren, eine zeitliche Begrenzung darstellt,
die auch bei der Anwendung einer wertenden Betrachtung nicht auf einen sehr viel längeren Zeitraum als den vom Gesetzgeber
in der Gesetzesbegründung zu §
28a SGB III genannten Zeitraum ausgedehnt werden kann (so aber z.B. auch Sozialgericht Marburg, Urteil vom 26. Oktober 2015, S 2 AL 114/13, Juris, Rdnr. 24, das auf der Grundlage einer wertenden Betrachtung einen Zeitraum von neun Monaten als "unmittelbar" ansieht).
Der Gesetzgeber hat jedoch die Wertung, wann eine enge Verbindung zum System der Arbeitslosenversicherung hergestellt ist,
selbst vorgenommen, indem er in §
26 Abs.
2 SGB III den Zusammenhang zwischen einer früheren Beschäftigung und einem Leistungsbezug nur durch eine kurze Zeitgrenze ("unmittelbar
vor Beginn der Leistung") als erhalten ansieht. Dementsprechend kann eine Überschreitung der in der Begründung zur Regelung
des §
28a SGB III zum Ausdruck kommenden Zeitgrenze von einem Monat nicht mit abstrakten eigenen Wertungen zum Bestehen oder zum Wegfall eines
ausreichenden Bezuges zur Arbeitslosenversicherung begründet werden. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass der Kläger zunächst
wohl auch die Absicht hatte, sich selbständig zu machen. Auch eine etwaige Schutzbedürftigkeit des Klägers kann keine Rechtfertigung
dafür sein, den Begriff "unmittelbar vor Beginn der Leistung" zeitlich wesentlich über den Zeitraum von einem Monat auszudehnen,
da er die Lücke, die die Aufrechterhaltung seiner Anwartschaft aus der Arbeitslosenversicherung verhindert hat, hätte vermeiden
können, wenn er seine private Krankenversicherung rechtzeitig zum Ausscheiden aus seinem Beschäftigungsverhältnis so umgestellt
hätte, dass er einen Krankengeldanspruch nicht erst am 43. Tag einer Erkrankung, wie das in einem Beschäftigungsverhältnis
beim Bestehen eines sechswöchigen Anspruchs auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalls sinnvoll ist, sondern bereits am ersten
Tag einer Erkrankung erwirbt, wie dies bei einem fehlenden Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall notwendig ist, wenn
man sozialrechtliche Nachteile vermeiden will. Eine solche Umstellung wäre dem Kläger auch möglich gewesen, weil er bereits
bei Abschluss des arbeitsgerichtlichen Vergleichs am 9. März 2009 wusste, dass sein Arbeitsverhältnis und damit ein möglicher
Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zum 31. Januar 2010 enden würde.