Nachträgliche Rückforderung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren noch die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung eines Zuschusses zu den
Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Erstattung bereits erbrachter Leistungen streitig.
Mit Rentenbescheid vom 28. Januar 2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger anstelle der bisher seit Oktober 1999 bezogenen
Altersrente für Schwerbehinderte nunmehr Regelaltersrente in Höhe von 1.230,94 EUR. Sie stellte fest, dass der Kläger zudem
seit Rentenbeginn am 1. Januar 2002 Anspruch auf einen Beitragszuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung
hat, sodass die monatliche Rente in Höhe von insgesamt 1.324,01 EUR zur Auszahlung gelangte.
Der Kläger führte einen Rechtsstreit gegen die Kaufmännische Krankenkasse (KKH). Gegenstand des seit März 2003 bei dem Sozialgericht
(SG) Oldenburg anhängigen Rechtsstreits (Az: S 61 KR 46/03) war - zunächst - die Höhe der der Beitragsbemessung für freiwillig versicherte Mitglieder zugrundeliegenden Gesamtbezüge.
Mit Urteil vom 18. Juni 2003 hat das SG Oldenburg die Klage abgewiesen. Im Verlauf des sich anschließenden Berufungsverfahrens
vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG Nds-Bremen - Az: L 4 KR 167/03) hat die beklagte Krankenkasse - nachdem der 4. Senat mit Verfügung vom 3. Februar 2005 um entsprechende Prüfung gebeten
hatte - mit Schriftsatz vom 15. März 2005 ausgeführt:
Herr Dr. H. erfüllt die notwendige Vorversicherungszeit für eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner
(KVdR) ab 01.04.2002.
Wir werden Herrn Dr. H. rückwirkend ab 01.04.2002 in der KVdR pflichtversichern. Seine freiwillige Versicherung wird mit dem
Vortag am 31.03.2002 beendet.
Daraufhin erklärte der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt (Schriftsatz vom 21. März 2005). Die KKH erstattete
dem Kläger die für den Zeitraum vom 01. April 2002 bis 31. März 2005 entrichteten freiwilligen Beiträge in Höhe von 17.169,71
EUR sodann im April 2005.
Anlässlich eines am 26. April 2005 verarbeiteten Meldesatzes zur Kranken- und Pflegeversicherung der KKH (Erstellungszeitpunkt:
12. April 2005) berechnete die Beklagte die bisherige Regelaltersrente beginnend ab 1. Juni 2005 unter Abzug von Beitragsanteilen
zur Kranken- und Pflegeversicherung neu. Für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. Mai 2005 stellte sie eine Überzahlung in Höhe
von insgesamt 7.687,22 EUR fest. Darin enthalten sind rückständige Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 4.031,42
EUR sowie überzahlte Zuschüsse zur Kranken-/Pflegeversicherung in Höhe von 3.655,80 EUR.
Nach entsprechender Anhörung (Bescheid der Beklagten vom 28. April 2005, Anlage 10, Ergänzende Begründungen und Hinweise)
hob die Beklagte mit Bescheid vom 23. Mai 2005 den Bescheid vom 28. Januar 2002 über die Bewilligung des Zuschusses zu den
Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. April 2002 auf und stellte den vom Kläger zu erstattenden Betrag
in Höhe von 3.655,80 EUR für die bis 31. Mai 2005 entstandene Überzahlung fest. Zur Begründung führte die Beklagte ergänzend
aus, dass der Kläger auf Grund der Informationen der Krankenkasse bereits im Vorfeld hätte erkennen können, dass der Beitragszuschuss
zur freiwilligen Versicherung nicht mehr bestehe, wenn die freiwillige Versicherung gegebenenfalls auch rückwirkend nicht
mehr vorliege.
Die gegen die Bescheide der Beklagten vom 28. April 2005 und 23. Mai 2005 erhobenen Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 16. Januar 2006 als unbegründet zurück. Der ab 1. April 2002 erfolgte Eintritt in die Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Kranken- und Pflegeversicherung führe dazu, dass die bisher nicht geleisteten Anteile an den Beiträgen zur KVdR rückwirkend
aus der Rente einzubehalten seien. Die ohne Rechtsgrundlage für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. Mai 2005 geleisteten Beitragszuschüsse
würden zurückgefordert. Die Änderung der Verhältnisse sei ab 1. April 2002 eingetreten. Ein atypischer Fall, der eine Ermessensausübung
erforderlich machen würde, liege nicht vor. Ein bösgläubiger Leistungsempfänger könne sich auf ein schutzwürdiges Vertrauen
nicht berufen. Spätestens mit Erhalt des Schriftsatzes der Krankenkasse vom 15. März 2005 über die Aufnahme in die KVdR zum
1. April 2002 sei dem Kläger bewusst gewesen, dass der zur Rente geleistete Zuschuss zu den Aufwendungen zur Kranken- und
Pflegeversicherung nicht mehr zugestanden hätte.
Das SG Oldenburg hat die Bescheide der Beklagten vom 28. April 2005 und 23. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 16. Januar 2006 insoweit aufgehoben, als damit der gezahlte Beitragszuschuss zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung
ab 1. April 2002 bis 31. März 2005 zurückgefordert und der Bewilligungsbescheid vom 28. Januar 2002 geändert worden ist. Im
Übrigen hat das SG Oldenburg die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Wirkung
vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse seien bis zum Anerkenntnis durch die KKH im Berufungsverfahren nicht erfüllt gewesen.
Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger davon gewusst hätte oder grob fahrlässig nicht gewusst hätte, dass
eine Beitragspflicht auf Grund einer Pflichtversicherung eingetreten sei. Für die Zeit ab 1. April 2005 habe der Kläger durch
die Annahme des Anerkenntnisses gewusst, dass ihm ein weiterer Beitragszuschuss nicht zustehe.
Gegen das ihr am 13. Dezember 2007 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 10. Januar 2008 erhobenen Berufung.
Die besonderen Gegebenheiten von Fällen der rückwirkenden Korrektur von Mitgliedschaftsverhältnissen innerhalb der gesetzlichen
Krankenversicherung und deren Auswirkungen auf den Bereich der Rentenversicherung seien unberücksichtigt geblieben. Der Argumentation
des SG Oldenburg zum Nichtvorliegen von Bösgläubigkeit könne nicht gefolgt werden. Es sei zwar korrekt, dass der Kläger erst
nach Kenntnis über das tatsächliche Ende der freiwilligen Versicherung sowie auch über den Beginn der Versicherungspflicht
erlangt habe. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X dürfen nicht allein auf den Zeitpunkt abgestellt werden, zu welchem der Kläger davon ausgehen musste, dass die Zuschüsse
zur Kranken- und Pflegeversicherung zu Unrecht gezahlt wurden. Nicht bestritten werde, dass der Kläger am 1. April 2002 noch
nicht hätte wissen können, dass die freiwillige Mitgliedschaft am 31. März 2002 enden werde. Die Umstellung des Mitgliedschaftsverhältnisses
durch die KKH sei erst am 12. April 2005 vorgenommen worden.
Weil für die besondere Fallkonstellation eine gewisse Regelungslücke bestehe, sich der Tatbestand unter keine der in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Alternativen eindeutig subsumieren lasse, könne die Bescheidaufhebung im Wege einer entsprechend weiten Auslegung
der Begriffe "Einkommen" und "Vermögen" auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gestützt werden
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 20. November 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist weiterhin der Auffassung, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die rückwirkende Aufhebung eines Verwaltungsaktes
nicht vorliegen.
Dem Senat haben außer den Prozessakten die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Beigezogen waren zudem die unter dem
Az: S 61 KR 46/03 bzw. L 4 KR 167/03 geführten Prozessakten. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts
und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben und damit zulässig. Sie ist auch begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2006 ist auch insoweit
rechtmäßig, wie mit ihm der Rentenbescheid vom 28. Januar 2002 hinsichtlich der Bewilligung von Zuschüssen zu den Aufwendungen
für die Kranken- und Pflegeversicherung für den hier allein noch streitgegenständlichen Zeitraum vom 01. April 2002 bis 31.
März 2005 aufgehoben und der Kläger zur Erstattung bereits erbrachter Leistungen aufgefordert worden ist. Der in dem angefochtenen
Urteil ausgesprochenen Teilaufhebung des Bescheides fehlt es damit an der erforderlichen Rechtsgrundlage.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung
vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Diese Voraussetzungen
sind - insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig - erfüllt.
Maßgeblich für die Beurteilung der Änderung der Verhältnisse ist der Rentenbescheid der Beklagten vom 28. Januar 2002, mit
welchem dem Kläger Regelaltersrente einschließlich Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung beginnend
am 1. Januar 2002 bewilligt worden war. Die diesem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung im Zeitpunkt seines Erlasses zugrunde liegenden
rechtlichen Verhältnisse haben dadurch eine Änderung erfahren, dass die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers in der gesetzlichen
Krankenversicherung und die deswegen bestehende Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung bei der KKH mit Ablauf
des 31. März 2002 geendet hat. Dies wiederum ist zurückzuführen auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. März
2000 (1 BvL 16/96 u.a., SozR 3-2500 § 5 Nr. 42), mit dem in dem dort erläuterten Umfang die Unvereinbarkeit des §
5 Abs.
1 Nr.
11 Halbsatz 1
SGB V idF des Gesundheitsstrukturgesetzes mit Artikel
3 Abs.
1 Grundgesetz festgestellt worden ist. Zugleich hat das BVerfG erkannt, dass sich ab dem 01. April 2002 der Zugang zur Krankenversicherung
der Rentner nach §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V idF des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I Seite 2, 4, 77) bestimmt.
In Ermangelung einer gesetzlichen Neuregelung und eines bis zum 30. September 2002 nicht erfolgten Beitritts des Klägers zur
freiwilligen Krankenversicherung nach Maßgabe des §
5 Abs.
1 Satz 1 Nr.
11 SGB V hat die (in dem damaligen Rechtsstreit des Klägers beklagte) Krankenkasse schriftsätzlich unter dem 15. März 2005 anerkannt,
dass der Kläger rückwirkend ab 01. April 2002 in der KVdR pflichtversichert und seine freiwillige Versicherung mit dem Vortag
am 31. März 2002 beendet werde. Mit der Begründung einer Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse zum 1. April
2002 (und dem damit korrespondierenden Wegfall der Verpflichtung des Klägers zur Entrichtung von Beiträgen für eine freiwillige
Krankenversicherung) sind materiellrechtlich die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Weitergewährung des Zuschusses zu den
Aufwendungen für die (freiwillige) Krankenversicherung nach §
106 Abs.
1 Satz 1
SGB VI (vgl. dort auch Satz 2) in Wegfall geraten. Dies beinhaltete eine wesentliche Änderung in den der Bewilligung des Zuschusses
zugrunde liegenden rechtlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Demzufolge war die Beklagte zunächst berechtigt und verpflichtet, den Rentenbewilligungsbescheid vom 28. Januar 2002 hinsichtlich
der im Berufungsverfahren allein noch streitgegenständlichen Zuschüsse zu den Aufwendungen für die gesetzliche Kranken- und
Pflegeversicherung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft, d.h. beginnend am 01. Juni 2005 aufzuheben.
Zu Recht hat sie darüber hinaus auch die für die bereits vergangene Zeit ab April 2002 geleisteten Zuschüsse unter entsprechender
rückwirkender Teilaufhebung des Bewilligungsbescheides nach § 48 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückgefordert.
In den Fällen einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X soll der Verwaltungsakt nach Satz 2 dieser Vorschrift mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben
werden, soweit
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht
zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen
ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder
zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche
Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum
Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X).
a) Allein auf den Wortlaut der Norm abstellend liegen die Voraussetzungen für eine rückwirkende Bescheidaufhebung nicht vor.
Dem Kläger kann zunächst weder eine Verletzung von Mitwirkungspflichten (Satz 2 Nr. 2) oder gar "Bösgläubigkeit" im Sinne
von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X vorgeworfen werden.
Eine dem Kläger obliegende Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse i. S. von
§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X, konkret die auf den 01. April 2002 rückwirkende Pflichtversicherung in der KVdR, ist ihm gegenüber erstmals mit Bekanntgabe
des Schriftsatzes der KKH vom 15. März 2005 und damit erst nach Erhalt der streitbetroffenen Zuschüsse entstanden. Eine in
zeitlicher Hinsicht davor liegende Verletzung etwaiger Mitteilungspflichten ist hingegen nicht begründbar.
Dementsprechend kann auch die den noch streitgegenständlichen Zeitraum vom 01. April 2005 bis 31. März 2005 betreffende rückwirkende
Aufhebung des die Zuschüsse bewilligenden Rentenbescheides vom 28. Januar 2002 mittels Bescheid vom 23. Mai 2005 nicht auf
§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X gestützt werden ... Erst durch die Erklärung der KKH vom 15. März 2005 über die rückwirkende Pflichtversicherung in der KVdR
ab 01. April 2002 und der Beendigung der freiwilligen Versicherung am 31. März 2002 - woraufhin der Kläger mit Schriftsatz
vom 21. März 2005 den unter dem Az: L 4 KR 167/03 bei dem LSG Nds-Bremen geführten Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat - war dem Kläger der Wegfall des
sich aus dem Rentenbewilligungsbescheid vom 28. Januar 2002 ergebenden Anspruchs auf Zuschussgewährung bekannt.
Schließlich hat der Kläger weder Einkommen noch Vermögen i. S. von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erzielt. Die Rückerstattung der zuvor für den streitbetroffenen Zeitraum vom Kläger entrichteten freiwilligen Beiträge seitens
der KKH beinhaltete nicht im Wortsinne eine Erzielung von "Vermögen", die als solche zum "Wegfall" des Anspruchs auf Gewährung
von Zuschüssen zu diesen Beiträgen geführt hätte. Im Vergleich zur maßgeblichen Ausgangslage bei Erlass des Renten- und Zuschussbewilligungsbescheides
vom 28. Januar 2002 war keine Mehrung des Vermögens oder des Einkommens des Klägers zu verzeichnen, die entscheidende Veränderung
bestand vielmehr in dem Wegfall einer Verpflichtung in Form des Entfallens der sich aus der zuvor bestehenden freiwilligen
Krankenversicherung ergebenden Beitragspflicht gemäß §
250 Abs.
2 SGB V. Die Krankenkasse hatte lediglich zunächst versäumt, dem Wegfall der Pflicht zur Entrichtung von Beiträgen zur freiwilligen
Krankenversicherung zum 1. April 2002 durch die Nichterhebung entsprechender Beitragszahlungen Rechnung zu tragen; die daraufhin
vom Kläger ohne Rechtsgrund zunächst fortentrichteten Beiträge sind von der Krankenkasse nach Fehleraufdeckung folgerichtig
im April 2005 erstattet worden. Damit hat diese jedoch den Kläger lediglich so gestellt, als ob er bereits ab April 2002 keine
Beiträge mehr zur freiwilligen Krankenversicherung entrichtet hätte; ansonsten hat sie sein Vermögen nicht vermehrt.
b) Auch wenn der vorliegende Sachverhalt nicht unmittelbar vom Wortlaut des ist § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erfasst wird, so ist doch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Zielvorstellungen eine entsprechende Anwendung dieser
Norm geboten. Gewährt der Sozialleistungsträger einen Zuschuss zu Beitragsaufwendungen, dann wird die Zuwendung dieser Sozialleistung
bei nachträglichem Wegfall der bezuschussten Beitragsaufwendungen ihres Sinnes beraubt. Eine Belassung eines solchen Zuschusses
wäre in jedenfalls gleichem Maße sinnwidrig wie in dem vom Gesetz ausdrücklich in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erfassten Fall, dass bei Gewährung einer einkommensabhängigen Sozialleistung eine nachträgliche Einkommensmehrung den Anspruch
wegfallen lässt.
In der Rechtsprechung des BSG wird allerdings bereits unterschiedlich beurteilt, ob § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X überhaupt einer erweiternden analogen Anwendung zugänglich ist. Im Urteil vom 26.09.1991 (4 RK 5/91) hat der 4. Senat des BSG ausgeführt, dass § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn 3 X nicht zu Lasten der Versicherten analog angewandt werden
dürfe. Es handele sich um eine abschließend geregelte Ermächtigung; die gesetzgebenden Körperschaften hätten umfassend und
abschließend geregelt, unter welchen Voraussetzungen die Verwaltung die Bindungswirkung eines begünstigenden Verwaltungsaktes
mit Dauerwirkung wegen nachträglich eingetretener wesentlicher Änderung der Verhältnisse rückwirkend durchbrechen dürfe. Bereits
aus diesem Grund komme eine entsprechende Anwendung der Eingriffsermächtigungen des Satzes 2 Nr 3 nicht in Betracht (vgl.
auch BSG, U.v. 23.03.1995, 13 RJ 39/94).
Demgegenüber haben der 3., 7. und 13. Senat ausdrücklich den Anwendungsbereich des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X unter Berücksichtigung der Regelungsabsichten des Gesetzgeber über seinen Wortlaut hinaus im Wege der analogen Anwendung
(auch zu Lasten der Versicherten) erweitert (vgl. U.v. 17. Januar 1996 - 3 RK 4/95 - SozR 3-2500 § 56 Nr 2; U.v. 19. Februar 1986 - 7 RAr 55/84 - SozR 1300 § 48 Nr 22; U.v. 26. August 1994 - 13 RJ 29/93 -). Ihrer Auffassung nach ist die Norm insbesondere auch in Fallgestaltungen anwendbar, in denen der Anspruch infolge nachträglich
erzielter Einkünfte zum Ruhen gekommen ist oder wenn etwa von demselben Sozialleistungsträger eine andere höhere Leistung
gewährt wird, die den Bezug der schon empfangenen Sozialleistung ausschließt.
Mit der zuletzt erläuterten höchstrichterlichen Rechtsprechung erachtet der erkennende Senat eine analoge Anwendung des §
48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X für geboten, wenn und soweit dies durch den dieser Vorschrift vom Gesetzgeber zugewiesenen Zweck gefordert wird. Die Auslegungsmethode
der Analogie geht zwar über die Auslegung im engen Sinne hinaus, indem sie den Anwendungsbereich einer Norm auf einen Fall
erstreckt, der von ihrem Wortlaut nicht erfasst wird. Auch eine solche Rechtsfortbildung hält sich jedoch innerhalb des verfassungsrechtlichen
Rahmens. Sie stellt nicht die Äußerung unzulässiger richterlicher Eigenmacht dar, durch die der erkennbare Wille des Gesetzgebers
beiseite geschoben und durch eine autark getroffene richterliche Abwägung der Interessen ersetzt wird. Vielmehr wird aus den
Wertungen des Gesetzes entnommen, ob eine Lücke besteht und in welcher Weise sie geschlossen werden soll. Damit wird die vom
Grundgesetz vorgegebene Bindung der Gerichte an das Gesetz (Art.
20 Abs.
3 GG) gerade umgesetzt (vgl etwa BVerfG, B.v. 3. April 1990 - 1 BvR 1186/89 - E 82, 6).
Der vom Gesetzgeber mit § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X verfolgte Zweck gebietet eine Heranziehung dieser Norm auch in Fallgestaltungen der vorliegenden Art, in denen noch ein Beitragszuschuss
gewährt worden ist, obwohl der zu bezuschussende Beitrag nach Erlass des Bewilligungsbescheides durch eine rechtliche Änderung
(wie hier durch die erläuterte Neuregelung zum 1. April 2002) in Wegfall geraten war. Eine Belassung entsprechender Beitragszuschüsse
nach Wegfall des zu bezuschussenden Beitrages wäre in jedenfalls gleichem Maße sinnentleert wie die Belassung einer Sozialleistung,
deren gesetzlicher Zuwendungsgrund durch eine nachträgliche Erzielung von Einkommen oder Vermögen weggefallen ist und bezüglich
derer § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X schon nach seinem ausdrücklich geregelten Anwendungsbereich eine Rückforderung auch für die Vergangenheit vorsieht.
Eine Besserstellung des Leistungsempfängers durch den nachträglichen Wegfall einer Beitragspflicht verbessert grundsätzlich
ebenso seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wie die nachträgliche Erzielung von Einkommen und Vermögen. Es ist letztlich
als ein Versehen des Gesetzgebers zu werten, dass er nicht allgemein auf den nachträglichen Wegfall der der Bewilligung der
Sozialleistung zugrunde liegenden wirtschaftlichen Verhältnisse abgestellt hat, sondern ausdrücklich nur den (in der Verwaltungspraxis
weitaus am häufigsten anzutreffenden) Fall der nachträglichen Erzielung von Einkommen bzw. Vermögen erfasst hat.
Für eine erweiternde Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X spricht überdies, dass die Beklagte nach § 45 SGB X zur Rückforderung der gewährten Beitragszuschüsse berechtigt wäre, wenn sie den Renten- und Beitragszuschussbewilligungsbescheid
erst im April 2002 erlassen hätte und dieser damit als anfänglich rechtswidrig zu beurteilen wäre. Bei ansonsten gleichem
Ablauf hätte sich der Kläger nicht auf schutzwürdiges Vertrauen im Sinne des § 45 Abs. 2 SGB X berufen können, da die anfängliche Vertrauensbetätigung in Form der Entrichtung von Beiträgen zur freiwilligen Krankenversicherung
durch die Rückerstattung dieser Beiträge ungeschehen gemacht worden ist und eine anderweitige schutzwürdige Vertrauensbetätigung
nicht ersichtlich ist. Insbesondere war für einen verständigen Leistungsempfänger (und damit erst recht für den rechtskundigen
Kläger) bei Erhalt der Beitragsrückerstattung offenkundig, dass mit ihr, wie dies auch die Beklagte im unmittelbaren zeitlichen
Anschluss durch den angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebracht hat, der Sachgrund für die zuvor gewährten Beitragszuschüsse
weggefallen war.
Wenn aber selbst eine anfängliche Rechtswidrigkeit der Zuschussbewilligung kein schutzwürdiges Vertrauen des Empfängers begründen
konnte, dann besteht erst recht kein Anlass, § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X in einem Sinne zu interpretieren, dass der Empfänger diese Zuschüsse ungeachtet eines nachträglichen Wegfalls der zu bezuschussenden
Beitragspflicht dauerhaft behalten dürfte.
Die Beklagte war von Gesetzes wegen zur Rückforderung der aufgrund des Wegfalls der Beitragspflicht in der freiwilligen Krankenversicherung
überzahlten Zuschüsse auch verpflichtet. Das Gesetz hat ihr diesbezüglich kein Ermessen eingeräumt. Nach der ständigen Rechtsprechung
des BSG (vgl. Urteil vom 26. August 1994, 13 RJ 29/93, aaO., mwN) bedeutet das "soll" in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, dass der Leistungsträger den Verwaltungsakt in der Regel rückwirkend aufzuheben hat. Anhaltspunkte, welche die Feststellung
eines sog. atypischen Falles, der zur Ausübung des Ermessens im Rahmen einer zur treffenden Ermessensentscheidung verpflichtet
hätte, sind nicht erkennbar.
Die zu Unrecht an die KKH von April 2002 bis März 2005 entrichteten freiwilligen Beiträge sind dem Kläger im April 2005 in
vollem Umfang in Höhe von 17.169,71 EUR erstattet worden. Demgegenüber hat ihn die Beklagte mit den - insoweit inzwischen
bestandskräftigen - angefochtenen Bescheiden lediglich zu rückständigen Pflichtbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung
betreffend den Zeitraum von März 2002 bis Mai 2005 in Höhe von 4.031,42 EUR herangezogen. Auch wenn der Kläger nunmehr darüber
hinaus die Zuschüsse zu den Beiträgen zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von 3.655,80 EUR an die Beklagte zurückzuerstatten
hat, so wird er doch auch unter Einbeziehung ihrer nicht schlechter gestellt als wenn er bereits von April 2002 an nur zu
den Beiträgen zur Pflichtversicherung in der KVdR herangezogen worden wäre. Der auch noch nach Abzug der rückwirkend erhobenen
Beitragsanteile in Höhe von 4.031,42 EUR und der zurückzugewährenden Beitragszuschüsse in Höhe von 3.655,80 EUR verbleibende
Anteil der vom Kläger im April 2005 bezogenen Beitragsrückerstattung von insgesamt 17.169,71 EUR, d.h. die Differenz in Höhe
von 9.482,49 EUR, gleicht im vollen Umfang die wirtschaftlichen Nachteile aus, die der Kläger durch die fehlerhafte Heranziehung
zu Beiträgen zur freiwilligen Krankenversicherung im Zeitraum von März 2002 bis Mai 2005 erlitten hat.
Mit der Rückforderung der Beitragszuschüsse vermeidet die Beklagte lediglich, dass der Kläger sich wirtschaftlich noch besser
steht als wenn bereits von April 2002 an seine (ihn im Vergleich zu der zunächst angenommenen freiwilligen Versicherung ohnehin
erheblich weniger belastende) Pflichtmitgliedschaft in der KVdR berücksichtigt worden wäre. Der Kläger strebt zwar in tatsächlicher
Hinsicht eine solche Besserstellung an, dieses Interesse ist aber rechtlich nicht schutzwürdig und vermag von vornherein nicht
die Annahme eines atypischen Falles zu begründen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 Abs.
1 SGG.
Die Revision war nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache schon angesichts der aufgezeigten Differenz in der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine
grundsätzliche Bedeutung aufweist.