Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Angemessenheit der Höhe der Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). In der Hauptsache stritten die Beteiligten über die Rechtmäßigkeit einer Erstattungsforderung nach endgültiger Festsetzung
zunächst vorläufig bewilligter Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II. Streitig im Klageverfahren war die Tatsache, ob ein Teil der zur Erstattung verlangten Summe überhaupt zur Auszahlung gelangt
ist, ferner die Rechtsfrage, ob der Erstattungsbescheid verfristet erlassen worden ist. Das Verfahren endete durch einen Vergleichsschluss
in einem Erörterungstermin; der Beklagte trug die Kosten der Kläger zu 1/3. Den damaligen Klägern ist für das Klageverfahren
mit Beschluss vom 14.7.2017 Prozesskostenhilfe bewilligt und der Beschwerdeführer beigeordnet worden.
Mit Antrag vom 17.1.2018 beantragte der Beschwerdeführer, Gebühren und Auslagen wie folgt festzusetzen:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG - 33,30 EUR 3/10 Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG 90,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 280,00 EUR Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 300,00 EUR Pauschale für Post und Telekomm. Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 181,77 EUR Gesamtbetrag 1138,44 EUR
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9.2.2018 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die erstattungsfähigen Gebühren
und Auslagen wie folgt fest:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 200,00 EUR Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG - 175,00 EUR 3/10 Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG 60,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 280,00 EUR Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 200,00 EUR Pauschale für Post und Telekomm. Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 111,15 EUR Gesamtbetrag 696,15 EUR
Zur Begründung führte er aus, die Verfahrensgebühr - und entsprechend die Einigungsgebühr - sei überhöht angesetzt. Ein relevantes
Haftungsrisiko sei nicht ersichtlich, die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit werde durch die unterdurchschnittlichen
Einkommensverhältnisse kompensiert. Umfang und Schwierigkeit seien unterdurchschnittlich. Der sonst übliche, aufwändige Schriftwechsel
mit streitigen Ausführungen zur Sach- und Rechtslage sei nicht erforderlich gewesen. Der Umfang werde daher als unterdurchschnittlich
bewertet. Die rechtliche Problematik liege im Durchschnitt. Bei der Anrechnung der Geschäftsgebühr gemäß Vorbemerkung 3, Abs.
4 VV RVG sei die Hälfte der "entstandenen" Geschäftsgebühr anzurechnen, ungeachtet dessen, was tatsächlich gezahlt worden ist.
Dagegen richtete sich die Erinnerung des Beschwerdeführers vom 26.2.2018. Die Verfahrensgebühr sei zu Unrecht auf zwei Drittel
gekürzt worden. Es habe sich um einen durchschnittlichen Fall gehandelt. Das zur Stützung seiner Auffassung bei der streitigen
Rechtsfrage genannte Urteil habe erst nach ausführlicher Recherche zitiert werden können. Wegen der streitigen Tatsachenfrage
hätten die Kontoauszüge der Kläger geprüft werden müssen. Zudem habe es zwei Besprechungstermine gegeben. Bei der Anrechnung
nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG könne nur angerechnet werden, was auch tatsächlich zugeflossen sei.
Der Erinnerung hat der Urkundsbeamte nicht abgeholfen; diese wurde sodann durch Beschluss des Sozialgerichts vom 28.12.2018
"aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung" zurückgewiesen. Eine Nichtabhilfe der Beschwerde gegen diesen
Beschluss vom 24.1.2019 wurde zunächst nicht geprüft und das Verfahren dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Nach Aufforderung durch das Landessozialgericht hat das Sozialgericht sodann unter Bezugnahme auf seinen Beschluss nicht abgeholfen.
II.
Über die Beschwerde entscheidet gemäß § 33 Abs. 8 RVG der Senat, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.
Die zulässige Beschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 33 Abs. 3 Satz 1 und 2 RVG findet die Beschwerde gegen eine Entscheidung über eine Erinnerung statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00
EUR übersteigt oder das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, die Beschwerde zugelassen hat. Vorliegend
übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR.
1. Die von dem Beschwerdeführer beantragte Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden (erhöhten) Termins- und Verfahrensgebühr
ist unangemessen.
Nach den Vorschriften der §§ 3 und 14 Abs. 1 Satz 2 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und
der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse
des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Wenn die Gebühr von einem Dritten zu erstatten ist, so ist die von dem Rechtsanwalt
getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Unbilligkeit ist nach der wohl überwiegenden Meinung (vgl. Mayer, in: Gerold/Schmidt
-Hrsg.-, RVG, 2019, § 14 Rn. 12 m.w.N.), der der Senat in seiner Entscheidung folgt, dann gegeben, wenn die von dem Prozessbevollmächtigten bestimmte
Gebühr um mehr als 20 % über der eigentlich als angemessen anzusehenden Gebühr liegt.
Die Kostenbestimmung durch den Beschwerdeführer erscheint hier unbillig. Dem Beschwerdeführer steht weder eine höhere Verfahrens-
noch eine höhere Terminsgebühr als festgesetzt zu; auch die Erhöhungsgebühr ist zutreffend festgesetzt.
Der Umfang der Sache und die Schwierigkeiten waren hier entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers unterdurchschnittlich.
Streitig war hier die Tatsache, ob für den Monat November 2014 eine Auszahlung in voller Höhe erfolgt war und die Rechtsfrage,
ob der Erstattungsbescheid verfristet sein könnte. Zum Umfang der Sache gehört insbesondere der zeitliche Aufwand, der für
den Bevollmächtigten mit der Vertretung verbunden ist. Dazu gehört auch etwa die Zeit für Besprechungen und Beratungen, für
das Aktenstudium und die Sichtung von Unterlagen, für die Recherche und die Führung von Schriftverkehr. Weiter können Berücksichtigung
finden der Aufwand, der zur Darlegung des Anspruchs geführt werden muss, sowie ggf. Berechnungen, welche durch den Bevollmächtigten
durchgeführt werden. Der Beschwerdeführer trägt vor, es hätten Unterlagen geprüft werden müssen, die vom Gericht angefordert
wurden. Dabei handelte es sich im Ergebnis um die Kontoauszüge, die für den Beleg des klägerseitigen Vortrags angefordert
wurden, eine Zahlung sei nicht erfolgt. Eine Prüfung im engeren Sinne der an das Gericht weiterzuleitenden Kontoauszüge war
nicht erforderlich. Auch stellte sich die Sache nicht als schwierig dar. Überdurchschnittlich ist die Schwierigkeit, wenn
sich erhebliche, sich üblicherweise nicht stellende Probleme ergeben, wenn sich der Umgang mit dem Mandanten als problematisch
darstellt oder wenn etwa sprachliche oder akustische Verständigungsprobleme bestehen. Die Schwierigkeit kann auch dann überdurchschnittlich
sein, wenn eine umfangreiche Beweiswürdigung oder die Auseinandersetzung mit einem Gutachten erforderlich ist. Hier war die
endgültige Bewilligung bestandskräftig, die Berechnungsgrundlage stand fest. In einer solchen Konstellation gibt es in Literatur
oder Rechtsprechung kaum offene Rechtsfragen; objektiv war daher auch die Schwierigkeit unterdurchschnittlich. Verfahrens-
und Einigungsgebühr waren daher mit der 2/3-Mittelgebühr in Ansatz zu bringen und sind vom Beschwerdegegner zutreffend festgesetzt
worden.
2. Allerdings ist entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts und des Beschwerdegegners nur die durch den Beklagten tatsächlich
- anteilig - erstattete Geschäftsgebühr (hier wegen der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG 1/2 von 390,00 EUR, davon wegen der Kostenquote 1/3: 65 EUR) auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, nicht der gesetzlich allgemein
vorgesehene Höchstbetrag von 175,- EUR. Die Beschwerde hatte insoweit Erfolg.
Gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG, die auch im Prozesskostenhilferecht Anwendung findet, wird, soweit wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr nach
Teil 2 (im vorliegenden Fall die Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG) entsteht, diese Gebühr zur Hälfte, bei Wertgebühren jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr
des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Bei Betragsrahmengebühren beträgt der Anrechnungsbetrag höchstens 175,- EUR. Sind
mehrere Gebühren entstanden, ist für die Anrechnung die zuletzt entstandene Gebühr maßgebend. Bei einer Betragsrahmengebühr
ist nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren infolge der vorangegangenen Tätigkeit
geringer ist. Bei einer wertabhängigen Gebühr erfolgt die Anrechnung nach dem Wert des Gegenstandes, der auch Gegenstand des
gerichtlichen Verfahrens ist.
a) Die Voraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG liegen für die im sozialrechtlichen Verfahren anwendbaren Betragsrahmengebühren dem Grunde nach vor, was zwischen den Beteiligten
auch unstreitig ist. Auf die Verfahrensgebühr ist die für die Vertretung durch den Beschwerdeführer in derselben Angelegenheit
im Vorverfahren angefallene Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG i.V.m. Nr. 1008 VV RVG zu 1/2 anzurechnen.
b) Für die Frage, in welcher Höhe die hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr zu erfolgen hat, ist
zunächst von der gesamten geltend gemachten Geschäftsgebühr - bestehend aus der Gebühr nach Nr. 2302 VV RVG erhöht um die Gebühr nach Nr. 1008 VV RVG für die Vertretung mehrerer Auftraggeber - auszugehen. Entgegen der Auffassung des Erinnerungsführers handelt es sich bei
der Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG nicht um eine gesonderte, von der Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG isoliert zu betrachtende Gebühr. Die Erhöhungsgebühr entsteht vielmehr nur und ausschließlich i.V.m. der geltend gemachten
"Grundgebühr" (im vorliegenden Fall der Geschäftsgebühr) und ist von dieser abhängig. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut
der Nr. 1008 VV RVG, wonach sich die "Verfahrens- und Geschäftsgebühr für jede weitere Person um ... erhöht". Maßgeblich für die Anrechnung nach
Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG ist damit die aus beiden Gebührenziffern insgesamt angefallene Geschäftsgebühr, im vorliegenden Fall der Betrag von 390,00
EUR.
c) Die Anrechnung hat jedoch lediglich in Höhe der Hälfte der durch den Beklagten als Dritten tatsächlich erstatteten Geschäftsgebühr
und nicht in Höhe der entstandenen Geschäftsgebühr "fiktiv" zu erfolgen. Der Senat folgt insoweit der vom 6. Senat des LSG
NRW vertretenen Rechtsansicht (26.3.2020 - L 6 AS 789/19 B; a.A. LSG NRW, 12.10.2018 - L 19 AS 814/18 B -; 30.4.2018 - L 9 AL 223/16 B -). Nach Auffassung des Senates lässt der Wortlaut beide Auslegungen zu, der systematische Zusammenhang innerhalb des RVG lässt jedoch zur Überzeugung des Senates in der Gesamtbetrachtung auf die Anrechnung nur der tatsächlichen Gebühr schließen;
dafür sprechen die Regelungen in §§ 55 Abs. 5 und 15a RVG. Schließlich folgt eine Anrechnung lediglich der tatsächlich gezahlten Geschäftsgebühr statt der fiktiv entstandenen Gebühr
auch aus der in § 58 RVG vorgesehenen Regelung. Zur Begründung verweist der Senat auf die genannte Entscheidung des 6. Senates, welche er sich nach
Prüfung zu eigen macht.
Die Gegenauffassung überzeugt den Senat nicht. Unter Verweis auf die in der Entscheidung des 6. Senates vorgenommene Herleitung
bestehen durchgreifende Zweifel, ob nicht § 15a Abs. 2 RVG in der vorliegenden Konstellation wegen Spezialität des § 55 Abs. 5 Satz 2 bis 4 RVG zurücktritt (siehe dazu die Herleitung bei Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt -Hrsg.-, RVG, 2019, § 58 Rn. 40 f.). Es bestehen zudem Zweifel, ob die Staatskasse "Dritter" im Sinne des § 15a Abs. 2 RVG sein kann. Dritter ist nämlich nur, wer nicht am Mandatsverhältnis beteiligt ist und aufgrund von Prozess- oder sonstigem
Verfahrensrecht oder materiellem Recht dem Auftraggeber erstattungspflichtig ist (Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt -Hrsg.,
RVG, 2019, § 15a Rn. 25). Im Rahmen der Prozesskostenhilfe ist die Staatskasse gegenüber dem Auftraggeber des Rechtsanwaltes allerdings nicht
erstattungspflichtig, sondern Kostenschuldner des beigeordneten Rechtsanwalts (Dürbeck, in: Dürbeck/Gottschalk -Hrsg.-, Prozess-
und Verfahrenskostenhilfe, 2020, Rn. 803; Enders, in: Hartung/Schons/Enders -Hrsg.-,RVG, 2017, § 15a Rn. 13). Hält man den Wortlaut der Vorbemerkung 3, Abs. 4 für offen - wie der Senat in Übereinstimmung mit dem 6. Senat -
verfängt das Argument nicht, es bestünde kein Anlass für eine einschränkende Auslegung (so LSG NRW, 12.10.2018 - L 19 AS 814/18 B -, Rn. 82). Bei offenem Wortlaut kann nicht eine der beiden Auslegungen "einschränkend" sein. Der Senat hält es schließlich
auch nicht für zwingend, dass die Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG derjenigen im Kostenfestsetzungsverfahren nach §
197 SGG entsprechen muss (LSG NRW, a.a.O.). Das Kostenfestsetzungsverfahren nach §
197 SGG betrifft das (Außen-)Verhältnis Kläger - Beklagter; das Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG das (Innen-)Verhältnis Kläger bzw. die an dessen Stelle tretende Staatskasse - Bevollmächtigter.
3. Es ergibt sich damit folgender Gebührenanspruch:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 200,00 EUR Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG - 65,00 EUR 3/10 Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG 60,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 280,00 EUR Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 200,00 EUR Pauschale für Post und Telekomm. Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 132,05 EUR Gesamtbetrag 827,05 EUR
4. Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet, Gebühren fallen nicht an (§ 56 Abs. 2 RVG).
5. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§§&8239;56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).