SGB-II-Leistungen
Vorliegen von Bedürftigkeit
Einkommensanrechnung aus selbständiger Tätigkeit
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.02.2016 bis 31.08.2016.
Die Kläger zu 1) und 2) sind die Eltern der minderjährigen Kläger zu 3) bis 5). Alle Kläger besitzen die rumänische Staatsbürgerschaft.
Der Kläger zu 1) meldete im September 2013 ein Gewerbe mit der Bezeichnung "Dachrinnenreinigung" an und geht nach eigenen
Angaben seither (ausschließlich) dieser selbständigen Tätigkeit nach. In einer Selbsteinschätzung vom 19.01.2016 über die
Höhe der zu erwartenden Betriebseinnahmen gab der Kläger zu 1) an, er werde im Zeitraum von Februar bis Juli 2016 voraussichtlich
3.200 EUR Betriebseinnahmen erzielen. Die Betriebsausgaben in diesem Zeitraum beliefen sich auf voraussichtlich 1191,90 EUR,
so dass sich voraussichtlich ein Gewinn von 2.008,10 EUR ergebe. Die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind nicht
berufstätig. Vor dem hier fraglichen Zeitraum wurden den Klägern zuletzt mit Bescheid vom 21.12.2015 Leistungen der Grundsicherung
für Dezember 2015 i.H.v. 1.064,83 EUR und für Januar 2016 i.H.v. 848,80 EUR vom Beklagten gewährt. Den Weiterbewilligungsantrag
vom 20.01.2016 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 09.03.2016 und Widerspruchsbescheid vom 24.05.2016 ab. Ein Leistungsanspruch
bestehe nicht für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zwecke der Arbeitssuche ergebe. Die selbständige Tätigkeit
des Klägers zu 1) führe zu keiner anderen Beurteilung, denn sie sei völlig untergeordnet und steuere nur einen unerheblichen
Beitrag zum Lebensunterhalt bei. Zudem sei die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit nicht glaubhaft. Rechnungen über durchgeführte
Arbeiten erstellte der Kläger nicht, eingereicht worden seien nur Quittungen über Barzahlungen, aus denen sich nicht der Name
des Auftraggebers oder die Art der durchgeführten Arbeiten ergebe. Auffällig sei auch, dass nur Arbeiten in weit vom Wohnort
entfernten Gebieten, in Entfernungen von deutlich über 100 km geltend gemacht worden seien, nicht jedoch in der Nähe des Wohnorts.
In einem wegen der Leistungsablehnung geführten einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Az.: S 30 AS 971/16 ER) hatte das Sozialgericht den Klägern vorläufig für den Zeitraum vom 29.02.2016 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in
der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 29.07.2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften mit Beschluss vom 19.05.2016 zugesprochen. Das vom Beklagten angerufene Landessozialgericht
(Az.: L 19 SF 277/16 ER) hat sodann zunächst die Vollstreckung aus dem vorgenannten Beschluss in Bezug auf Kosten der Unterkunft und Heizung vorläufig
ausgesetzt und mit weiterem Beschluss vom 25.07.2016 (Az.: L 19 AS 1069/16 B ER) den Antrag auf einstweilige Anordnung unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts vollumfänglich mit der Begründung
abgelehnt, die Antragsteller hätten ihre Hilfebedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht. Zwischenzeitlich waren vom Beklagten
jedoch im Juni 2016 bereits Leistungen in Höhe von ca. 3.500 EUR an die Kläger aufgrund der vom Sozialgericht erfolgten Verpflichtung
ausgezahlt worden.
Mit der am 13.06.2016 erhobenen Klage gegen die Ablehnung der Leistungsbewilligung für die Zeit ab Februar 2016 haben die
Kläger geltend gemacht, Bedürftigkeit im Sinne des SGB II liege vor. Neben Einkünften aus selbständiger Tätigkeit des Klägers zu 1) verfügten sie lediglich über Einnahmen aus Kindergeldzahlungen
und Elterngeld. Der Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit habe im Februar 2016 24,94 EUR und im Zeitraum von März bis August
2016 2.760,86 EUR betragen. Dazu wurden verschiedene Quittungen über die Entgegennahme von Barzahlungen eingereicht, in denen
es jeweils heißt "Dachrinnen Arbeit", wobei eine genaue Bezeichnung des Auftraggebers und des Arbeitsortes in der Regel fehlt.
Vom Sozialgericht sind die Kläger aufgefordert worden, substantiiert und unter Vorlage geeigneter Nachweise u. a. darzutun,
wann und woraus Einnahmen in welcher Höhe erzielt wurden. Die Kläger haben darauf mitgeteilt, neben den eingereichten Quittungen
existierten keine Rechnungen an Kunden. Einkommensteuerbescheide gebe es ebenfalls nicht, Einkommensteuer sei nicht gezahlt
worden. Es finde auch keine Buchführung statt und ein Fahrtenbuch werde nicht geführt.
Mit Urteil vom 10.08.2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung der Entscheidung ausgeführt, die
Kläger seien gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II in der bis zum 28.12.2016 geltenden Fassung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeit suchende ausgenommen, weil sich
ihr Aufenthaltsrecht als ausländische Staatsangehörige nur aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe (§ 2 Abs. 2 Nr. 1a Freizügigkeitsgesetz/EU).
Freizügigkeitsberechtigung im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU wegen Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit
liege nicht vor, denn der Kläger zu 1) übe diese Tätigkeit außerhalb der Rechtsordnung aus. Es handele sich um Schwarzarbeit,
denn die sich aus den Werkleistungen ergebenden Einkünfte zögen steuerliche Verpflichtungen in Bezug auf Einkommensteuer und
Umsatzsteuer nach sich, die nicht erfüllt würden.
Die Entscheidung darüber, ob eine Verurteilung der Beigeladenen erfolge, stehe im Ermessen des Gerichts. Die Kammer mache
von der Möglichkeit, die Beigeladene zu verurteilen, keinen Gebrauch, denn es erscheine sachgerecht, zunächst ein Verwaltungs-
und Widerspruchsverfahren in Bezug auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII. Buch (SGB XII) und sodann eine Klärung etwaiger Ansprüche durch einen Spruchkörper für Angelegenheiten der Sozialhilfe durchzuführen. In
jenem Verfahren wären sodann auch Feststellungen zu Hilfebedürftigkeit zutreffen, auf die es bei Ansprüchen nach dem SGB II hier nicht ankomme, weil diese bereits aus anderen Gründen scheiterten.
Gegen das ihnen am 18.08.2017 zugestellte Urteil haben die Kläger am 11.09.2017 Berufung eingelegt und beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Dortmund vom 10.08.2017 den Berufungsbeklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides
vom 09.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2016 zu verurteilen, den Berufungsklägern Leistungen nach
dem SGB II für die Monate Februar bis einschließlich August 2016 zu gewähren.
Der Berufungsbeklagte und die Beigeladene haben im Berufungsverfahren keine Anträge gestellt.
Nachdem die von den Berufungsklägern angekündigte Berufungsbegründung trotz wiederholter Fristverlängerungen nicht erfolgte,
hat der Senat die Kläger unter dem 13.12.2017 darauf hingewiesen, dass die sowohl für Leistungen nach dem SGB II als auch nach dem SGB XII anspruchsbegründende Hilfebedürftigkeit als völlig ungeklärt angesehen werde. Da der Kläger zu 1) in Bezug auf die von ihm
behauptete selbständige Tätigkeit, deren Umfang und die daraus erzielten Einkünfte keine nachprüfbaren Angaben mache, fehle
es am Nachweis der Hilfebedürftigkeit.
Mit Schriftsatz vom 02.01.2018 wurde von den Klägern sodann erneut eine Begründung der Berufung in Aussicht gestellt. Nachdem
diese nicht erfolgte, hat der Senat mit Beschluss vom 01.03.2018 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das
Berufungsverfahren abgelehnt und die Kläger zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß §
153 Abs.
4 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) angehört.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn er sie einstimmig für unbegründet
und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, §
153 Abs.
4 SGG.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Urteil jedenfalls im Ergebnis zu Recht
die Klage abgewiesen. Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts setzen nach den Regelungen des SGB II und des SGB XII gleichermaßen so genannte Hilfebedürftigkeit, d.h. die fehlende Möglichkeit, den Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen oder
Vermögen zu bestreiten, voraus (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 SGB II; § 19 Abs. 1 i.V.m. § 27 SGB XII).
Der Nachweis des Vorliegens von Mittelbedürftigkeit konnte nicht erbracht werden. Die Einkommensverhältnisse der Bedarfsgemeinschaft
außerhalb des Bezugs staatlicher Leistungen wie Kindergeld und Elterngeld sind völlig ungeklärt und konnten vom Senat auch
nicht weiter aufgeklärt werden. Der Kläger zu 1) übt die von ihm geltend gemachte selbständige Tätigkeit außerhalb der von
der Rechtsordnung dafür vorgesehenen Rahmenbedingungen, die auch für Kleingewerbetreibende Buchführungspflichten, Steueranmeldungen
und Steuererklärungen etc. vorsehen, aus. Die von den Klägern zu den Akten gereichten Quittungen über die Entgegennahme von
Barzahlungen sind nicht als Nachweis über den Umfang von Einkünften aus selbständiger Arbeit geeignet, denn sie ermöglichen
in keiner Weise eine Überprüfung der Richtigkeit und insbesondere auch der Vollständigkeit der zugestandenen Einkünfte. Dies
folgt bereits daraus, dass die Quittungen weit überwiegend die Person des Quittierenden nicht identifizierbar benennen. Es
fehlt auch an jeglichen Angaben zu Art und Umfang der Tätigkeiten. Dies verwundert schon deshalb, weil die Kläger bereits
während des Zeitraums, für den nunmehr im Hauptsacheverfahren noch Zahlungsansprüche verfolgt werden, mehrfach auf das Erfordernis
der Vorlage von nachvollziehbaren Belegen zum Umfang der Tätigkeit und der erzielten Einkünfte hingewiesen wurden (siehe beispielsweise
Verfügung des Gerichts im Verfahren L 19 AS 1069/16 B ER vom 29.06.2016) und Entscheidungen zu ihrem Nachteil wegen fehlender Glaubhaftmachung der Hilfebedürftigkeit ergangen
sind (im zuvor genannten Verfahren, Beschluss vom 25.07.2016). Es bestehen zudem auch erhebliche Zweifel an der Richtigkeit
der mit den vorgelegten Quittungen geltend gemachten Vorgänge. Vom Beklagten ist diesbezüglich zu Recht darauf hingewiesen
worden, dass die behaupteten Tätigkeiten nicht in der Nähe des Wohnorts, sondern regelmäßig über 100 km bis teilweise über
200 km davon entfernt erfolgten. Erklärungen dafür wurden von den Klägern nicht abgegeben. Nicht hinreichend nachvollziehbar
und damit glaubhaft sind ebenfalls die vereinnahmten Gelder der Höhe nach, denn für die behauptete Tätigkeit als Dachrinnenreiniger
erscheinen die wiederholt geltend gemachten 500 EUR von einem Auftraggeber als deutlich zu hoch. Da es sich um unqualifizierte
Tätigkeiten handelt, wäre bei Einnahmen in dieser Höhe aufgrund der Tätigkeiten an einem Objekt von einem Zeitaufwand auszugehen,
der allenfalls bei ausgedehnten Dächern, wie sie nur bei Gewerbeobjekten denkbar sind, anfallen könnte. Es ist aber völlig
unwahrscheinlich und auch fern jeder Lebenserfahrung, dass sich gewerbliche Auftraggeber mit den von den Klägern ausgestellten
Barzahlungsquittungen begnügen könnten.
Möglichkeiten zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen bestanden nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass von
den Klägern bei anderen Stellen weitergehende Angaben über Art und Umfang der behaupteten selbständigen Tätigkeit gemacht
worden sind oder auf andere Weise Erkenntnisse zu gewinnen wären. Insbesondere hat sich während des Verfahrens herausgestellt,
dass die Kläger in keiner Weise ihren steuerlichen Erklärungspflichten genügen. Die auf Anforderung im Verfahren vorgelegten
Kontoauszüge können nicht zur Aufklärung der Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit beitragen, weil diese nach Angaben der
Kläger stets bar erfolgten.