Gründe
I.
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein gegen einen
Versagungsbescheid gerichtetes Klageverfahren.
Der 2008 geborene Kläger bezieht gemeinsam mit seinen Eltern und zwei Geschwistern beim Beklagten Leistungen. Er besuchte
Anfang 2019 die Gemeinschaftsgrundschule X-Schule U. Am 11.03.2019 beantragte die Mutter des Klägers, Frau M C, für den Kläger
Leistungen für Bildung und Teilhabe zur Finanzierung einer außerschulischen Lernförderung in den Fächern Deutsch und Mathematik.
Die Lernförderung solle von der T1 GmbH in U durchgeführt werden. Er fügte eine Bescheinigung der Schule, wonach er außerschulische
Förderung in den genannten Fächern benötige, und einen am 19.02.2019 zwischen seiner Mutter und der T1 GmbH geschlossenen
Vertrag bei. Hiernach erbringt die T1 GmbH Nachhilfe in den Fächern Deutsch und Mathematik in Gestalt von zwei wöchentlichen
Unterrichtseinheiten von jeweils 90 Minuten. Die Mindestlaufzeit des Vertrages beläuft sich ab dem Vertragsbeginn zum 01.03.2019
auf zwölf Monate, der monatlich zu entrichtende Betrag beträgt 144,90 €. Mit Schreiben vom 19.03.2019 forderte der Beklagte
Frau M C als gesetzliche Vertreterin des Klägers auf, bis zum 05.04.2019 die Kostenvoranschläge von drei Nachhilfeinstituten
vorzulegen. Nach Eingang der Kostenvoranschläge könne eine Kostenzusage für den günstigsten Anbieter erfolgen. Würden die
Kostenvoranschläge nicht eingereicht, könne die Geldleistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz versagt werden. Am 04.04.2019
reichte der Kläger beim Beklagten eine Rechnung für im März 2019 in Anspruch genommene Nachhilfestunden iHv 144,90 € ein.
Mit Bescheid vom 11.04.2019, adressiert an Frau M C als gesetzliche Vertreterin des Klägers, versagte der Beklagte die für
die Lernförderung beantragten Leistungen ab dem 01.03.2019 ganz. Die Versagung beruhe auf §
66 Abs.
1 SGB I, der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten iSv §
60 Abs.
1 SGB I nicht nachgekommen. Es seien keine Ermessensgesichtspunkte erkennbar, die zugunsten des Klägers zu berücksichtigen seien.
Nach Abwägung mit dem gesetzlichen Zweck zur Ausübung des Ermessens und dem öffentlichen Interesse würden die Leistungen versagt.
Am 30.04.2019 erhob der Kläger durch seine Mutter Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.04.2019, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 21.10.2019 zurückwies. Der Widerspruchsbescheid weist den maschinellen Zusatz "abgesandt am 22.10.2019" aus, dieser ist
aber nicht unterzeichnet.
Am 28.11.2019 haben zunächst der Kläger und seine Mutter M C gemeinsam Klage gegen den Bescheid vom 11.04.2019 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2019 erhoben und beantragt, diesen aufzuheben und den Beklagten zur Zahlung von Leistungen
zur Bildung und Teilhabe zu verurteilen. Weiter haben sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Die in Anspruch
genommene Nachhilfe sei geeignet, erforderlich und angemessen, um die wesentlichen Lernziele des Klägers zu erreichen. Es
ergebe sich aus § 28 Abs. 5 SGB II indes nicht, dass der Beklagte vom Kläger drei Kostenvoranschläge verlangen könne. Der Beklagte hat ausgeführt, Leistungen
zur Bildung und Teilhabe seien grundsätzlich vor Inanspruchnahme der jeweiligen Leistungen zu beantragen. Der Vertrag mit
der T1 GmbH in U sei aber am 14.02.2019 und damit vor dem Antrag beim Beklagten am 11.03.2019 abgeschlossen worden. Da die
Schule die Notwendigkeit der Lernförderung in den Fächern Deutsch und Mathematik nur für jeweils 15 Stunden bescheinigt habe,
die nunmehr vorgesehene Nachhilfe aber drei Wochenstunden und eine Mindestlaufzeit von einem Jahr umfasse, sei auch ihre Erforderlichkeit
nicht zu bejahen. Da dem Leistungsträger im Rahmen des Begriffs der "Angemessenheit" ein dem Ermessen vergleichbares Recht
auf die Auswahl des konkreten Anbieters zustehe, sei es Aufgabe des Hilfebedürftigen, mehrere Angebote vorzulegen, um diese
Auswahl zu ermöglichen. Mit Schriftsatz vom 23.06.2020 hat der Kläger klargestellt, die Klage werde nur für ihn, vertreten
durch seine Mutter, geführt. Weiter hat er eine Ablichtung des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2019 übersandt, die einen
Eingangsstempel seines Bevollmächtigten vom 29.10.2019 ausweist.
Mit Beschluss vom 01.09.2020 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Da es sich bei dem angefochtenen
Bescheid um einen Versagungsbescheid handele, sei die Klage nur als Anfechtungsklage und nicht als kombinierte Anfechtungs-
und Leistungsklage statthaft. Diesen Versagungsbescheid könne der Beklagte auf §
66 Abs.
1 SGB I stützen, denn der Kläger sei seiner Mitwirkungspflicht iSd §
60 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB I nicht nachgekommen. Im vorliegenden Fall habe eine Mitwirkungspflicht des Klägers bestanden, Kostenvoranschläge von drei
verschiedenen Nachhilfeinstituten vorzulegen, denn es sei dem Beklagten nicht möglich gewesen, die Angemessenheit der Lernförderung
anderweitig zu beurteilen. Der Beklagte habe den Kläger im Schreiben vom 19.03.2019 zutreffend über seine entsprechende Mitwirkungspflicht
belehrt und im Bescheid vom 11.04.2019 hinreichend Ermessen ausgeübt.
Am 16.09.2020 hat der Kläger Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 04.09.2020 erhoben. Er habe dem Beklagten
den unterschriebenen Vertrag mit der T1 GmbH vorgelegt. Zudem gebe es in U keine anderen geeigneten Anbieter. Der Beklagte
hat in der Folge mehrere in Betracht kommende Anbieter, so die "Schülerhilfe Nachhilfe U", das U Lern- u. Bildungsinstitut,
die Intensiv Lernhilfe, das B-Nachhilfeinstitut und die W-Nachhilfe benannt. Der Kläger hat hierzu ausgeführt, die W-Nachhilfe
habe keinen Standort in U, die B-Nachhilfe sei zu weit entfernt, die Intensiv-Nachhilfe habe es zum streitgegenständlichen
Zeitpunkt nicht gegeben und die U1-Nachhilfe habe für ein Beratungsgespräch 100 € verlangt. Der Beklagte hat auf Anfrage des
Senats ausgeführt, ein weiterer Nachweis, wann der Widerspruchsbescheid vom 21.10.2019 zur Post gegeben worden sei, könne
nicht erbracht werden.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Bevollmächtigten. Die Rechtsverfolgung bietet hinreichende
Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig (§§ 73a Abs. 1 Satz 1
SGG, 114
ZPO).
Ein Rechtsschutzbegehren hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung
einer schwierigen Rechtsfrage abhängt. Die Prüfung der Erfolgsaussichten für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe soll nicht
dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern
und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechtsfragen dürfen nicht
im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt
werden können. Prozesskostenhilfe ist auch zu bewilligen, wenn in der Hauptsache eine Beweisaufnahme erforderlich ist und
keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil
des Antragstellers ausgehen wird (BVerfG Beschlüsse vom 04.05.2015 - 1 BvR 2096/13, vom 09.10.2014 - 1 BvR 83/12 und vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07; ständige Rechtsprechung des Senats, vergl. nur Beschlüsse vom 16.01.2019 - L 7 AS 1085/18 B, vom 20.04.2016 - L 7 AS 1645/15 B und vom 15.02.2016 - L 7 AS 1681/15 B).
Die erstinstanzliche Klage ist nicht bereits wegen einer Fristversäumnis unzulässig, vielmehr ist sie innerhalb der Monatsfrist
des §
87 Abs.
1 Satz 1, Abs.
2 SGG erhoben worden. Die Fiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe
zur Post als bekanntgegeben gilt, greift nicht. Voraussetzung für die Fiktion ist der Beweis des Tages, an dem das Schriftstück
zur Post gegeben wurde. Ein Anscheinsbeweis für die Aufgabe eines Schriftstücks zur Post kann durch in den Verwaltungsvorgängen
dokumentierten Ab-Vermerk geführt werden, wenn dieser nicht nur die Aufgabe des Schriftstücks in das Postausgangsfach, sondern
die Übergabe an das Beförderungsunternehmen dokumentiert (OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 01.04.2003 - 15 A 2468/01; VG Berlin Urteil vom 18.05.2018 - 19 K 372.15). Im vorliegenden Fall liegt aufgrund des Fehlens einer Unterschrift bzw.
eines Namenskürzels neben dem maschinellen Vordruck "abgesandt am 22.10.2019" aber keine hinreichende Dokumentation einer
Übergabe an ein Beförderungsunternehmen an diesem Tag vor. Für die Berechnung der Klagefrist ist damit nicht die Bekanntgabefiktion
des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X maßgeblich (Senatsurteil vom 18.02.2021 - L 7 AS 898/20, LSG Schleswig-Holstein Urteil vom 20.03.1998 - L 3 Ar 44/97), sondern abzustellen ist auf die Angabe des Klägers, wann er
den Bescheid erhalten hat (Senatsurteil vom 18.02.2021 - L 7 AS 898/20, VG Göttingen Urteil vom 01.03.2018 - 2 A 165/16). Mit dem Eingangsstempel des Klägerbevollmächtigten ist damit von einem Eingang des Widerspruchsbescheides am 29.10.2019
auszugehen, so dass die Klageerhebung am 28.11.2019 rechtzeitig erfolgt ist.
Die erstinstanzliche Klage hat auch im Übrigen hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zwar hat das Sozialgericht zu Recht ausgeführt,
dass die gegen den Versagungsbescheid des Beklagten gerichtete Klage nur als Anfechtungsklage gemäß §
54 Abs.
1 Satz 1
SGG und nicht als weitergehende kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß §
54 Abs.
4 SGG statthaft ist (vgl. hierzu nur BSG Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 78/08 R). Die Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheides vom 11.04.2019 und damit der Erfolg der Anfechtungsklage hängen indes von
einer schwierigen Rechtsfrage ab. Es ist nicht ohne Weiteres zu bejahen, dass die Vorlage von drei Kostenvoranschlägen verschiedener
Nachhilfeinstitute eine Mitwirkungslast des Klägers iSd §
60 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG darstellte und dass der Beklagte die vom Kläger beantragten Leistungen für Bildung und Teilhabe auf der Grundlage von § 66
Abs. 1 Satz 1 SGB versagen konnte. Zwar wird für die auf die Übernahme von Umzugskosten gerichtete Ermessensvorschrift des
§ 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II jedenfalls teilweise bejaht, dass ein Leistungsträger die Kostenübernahme von der vorherigen Vorlage von mindestens zwei
Kostenvoranschlägen abhängig machen kann (LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 11.02.2010 - L 12 B 94/09 AS NZB, Luik in: Eicher/Luik , SGB II, 4. Auflage, § 22 Rn. 225). Auf die gebundene Norm des § 28 Abs. 5 SGB II ist die auf § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II bezogene Rechtsprechung bzw. Literatur jedoch nicht ohne Weiteres übertragbar. Zwar ist bei beantragter Lernförderung gemäß
§ 28 Abs. 5 SGB II im Rahmen der "Angemessenheit" zu prüfen, ob sich die vom Hilfebedürftigen begehrte Förderung im Rahmen der örtlichen Angebotsstruktur
als kostengünstig erweist (Luik in: Eicher/Luik , SGB II, 4. Auflage, § 28 Rn. 149). Ob dem vom Leistungsträger vorzunehmenden Angebotsvergleich (vgl. auch hierzu Luik in: Eicher/Luik , SGB II, 4. Auflage, § 22 Rn. 225) jedoch eine vorherige Ermittlung potentieller Anbieter durch den Hilfebedürftigen vorauszugehen hat oder ob der
Leistungsträger diese Prüfung selbst vorzunehmen hat, ist § 28 Abs. 5 SGB II nicht zu entnehmen.
Sofern man die Verpflichtung des Hilfebedürftigen zur Vorlage von Kostenvoranschlägen dem Grunde nach bejaht, wäre im vorliegenden
Fall in rechtlicher Hinsicht weiter zu prüfen, ob aufgrund der Schaffung vollendeter Tatsachen durch den Vertragsabschluss
bei der T1 GmbH in U überhaupt noch Raum für die angeforderte Mitwirkung bestand oder ob der Beklagte vielmehr gehalten gewesen
wäre, den Anspruch des Klägers in der Sache zu prüfen und bei fehlender Angemessenheit der Lernförderung abzulehnen. Weiter
wäre in tatsächlicher Hinsicht zu prüfen, ob in U überhaupt Alternativangebote zu der in Anspruch genommenen Förderung bestanden,
was vom Kläger bestritten wird.
Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe liegen vor.
Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 Satz 1
SGG, 127 Abs. 4
ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).