Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt Leistungen nach dem SGB II während der Inhaftierung in einer Justizvollzugsanstalt (JVA), die zeitweise im offenen Vollzug durchgeführt wurde.
Der am 00.00.1991 geborene Antragsteller wohnte zunächst bei seinen Eltern und bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II vom Antragsgegner. Zuletzt mit Bescheid vom 06.12.2016 bewilligte dieser für die Zeit vom 01.11.2016 bis zum 30.04.2017 Leistungen
vorläufig, weil der Antragsteller seit Juli 2016 einer selbständigen Tätigkeit als Betreiber eines Kebap-Imbisses nachging.
Seit dem 05.12.2016 befindet der Antragsteller sich in Strafhaft. Nachdem der Antragsgegner am 09.12.2016 von der JVA Moers-Kapellen
über die Inhaftierung des Antragstellers informiert worden war, hob er mit Bescheid vom 22.12.2016 die Bewilligung der Leistungen
für die Zeit ab 01.01.2017 mit der Begründung auf, der Antragsteller sei während der Haft nach § 7 Abs. 4 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch. Er befinde sich im offenen Vollzug und könne
während der Haft seiner Tätigkeit weiter nachgehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2017 wies der Antragsgegner den Widerspruch
zurück. Die hiergegen erhobene Klage ist beim Sozialgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen S 43 AS 1088/17 anhängig.
Mit Bescheid vom 24.05.2017 lehnte der Antragsgegner einen weiteren Antrag des Antragstellers auf Leistungen ab.
Am 26.05.2017 hat der Antragsteller beantragt den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn "unter
Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Hauptverfahren ( ) über den 01.01.2017 hinaus über die AOK Rheinland/Hamburg ( ) zur Kranken- und Pflegeversicherung anzumelden
und die Beiträge an die AOK zu zahlen." Er verdiene mit seinem Imbiss nicht genug und habe einen Anspruch auf aufstockende
SGB II-Leistungen. Als selbständig Tätiger sei er nicht über die freie Heilfürsorge versichert. Seit dem 01.01.2017 sei er bei der
AOK Rheinland/Hamburg versichert, aufgrund fehlender Einkommensnachweise seien die monatlichen Beiträge auf 791,10 EUR auf
Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze festgesetzt worden. Der Antragsteller hat ein Schreiben der AOK Rheinland/Hamburg vom
16.05.2017 vorgelegt, wonach er in Anwendung von §
188 Abs.
4 SGB V ab 01.01.2017 der freiwilligen Anschlussversicherung unterliegt.
Mit Beschluss vom 14.06.2017 hat das Sozialgericht den Antrag - ausgelegt als Antrag auf Zahlung von Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts und Anmeldung zur Kranken- und Pflegeversicherung - abgelehnt. Der Antragsteller habe seine Hilfebedürftigkeit
nicht glaubhaft gemacht. Die Umsätze und das Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit seien nicht bekannt. Darüber hinaus
habe der Antragsteller offenbar nach § 45 Abs. 1 StrafvollzG NW einen Anspruch auf notwendige, ausreichende und zweckmäßige
medizinische Versorgung.
Am 14.07.2016 hat der Antragsteller Beschwerde erhoben. Bisher habe er immer aufstockende SGB II-Leistungen bezogen, seine ordnungsgemäße Sozialversicherung müsse im offenen Vollzug gewährleistet sei, dieser sei sonst
gefährdet. Den Mindestbeitrag zur freiwilligen Krankenversicherung iHv 270,- EUR könne er nicht aufbringen. Seine Einkünfte
beliefen sich monatlich auf ca. 500,- bis 600,- EUR. Eine Versicherung über die Heilfürsorge nach § 45 StrafvollzG sei aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit nicht möglich. Ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II liege nicht vor. Er sei während des offenen Vollzugs nur zum Schlafen in der JVA, von einer Unterbringung in einer Einrichtung
iSv § 7 Abs. 4 SGB II könne keine Rede sei. Der Antragsteller hat ein Schreiben der JVA Moers-Kapellen (ohne Datum, bei der Bevollmächtigten eingegangen
am 24.07.2017) vorgelegt, wonach ein Zugang zur Krankenversorgung nicht bestehe, weil der Antragsteller einer selbständigen
Tätigkeit außerhalb der JVA nachgehe.
Der Antragsgegner macht ergänzend geltend, aus den Angaben des Antragstellers zu Einnahmen und Ausgaben (aus April 2017) ergebe
sich, dass dieser Privatentnahmen von 270,- EUR getätigt und sogar einen Arbeitnehmer beschäftigt habe. Zudem seien Gewinne
von 350,- bis 540,- EUR verblieben. Dies decke jedenfalls den Regelbedarf.
Seit dem 04.08.2017 befindet sich der Antragsteller im geschlossenen Vollzug in der JVA Aachen. Der Antragsteller hat mitgeteilt,
der Antrag bleibe aufrechterhalten, da er Anfang November 2017 zurück in die JVA Moers-Kapellen in den offenen Vollzug verlegt
werden solle. Die Rechtsfrage bleibe daher klärungsbedürftig.
II.
Das Begehren des Antragstellers ist nach dem Meistbegünstigungsprinzip dahingehend auszulegen, dass dieser nicht allein Krankenversicherungsschutz
begehrt, sondern insgesamt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
So verstanden sind die Beschwerden zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht den Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Einstweilige Anordnungen sind nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt
grundsätzlich Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung.
Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung
(Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 ZPO). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung zu ermitteln. Können ohne Eilrechtsschutz
jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist
eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 Rn. 24 f). Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange
der Antragsteller umfassend zu berücksichtigen hat (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 Rn. 26; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl nur Beschluss vom 21.07.2016 - L 7 AS 1045/16 B ER).
Dahinstehen kann, ob der Bescheid vom 24.05.2017 bestandskräftig (§
77 SGG) geworden ist und damit ggf einer einstweiligen Anordnung entgegensteht. Denn auch unabhängig von einer Bestandskraft dieses
Bescheides hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Für die Zeit ab dem 04.08.2017 ergibt sich dies ohne Weiteres aus § 7 Abs. 4 SGB II. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II erhält Leistungen nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist. Nach Satz 2 ist dem Aufenthalt in einer
stationären Einrichtung der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt.
Bei dem Aufenthalt in der JVA Aachen im geschlossenen Vollzug handelt es sich um einen Aufenthalt in einer Einrichtung zum
Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung.
Auch für die Zeit ab Antragstellung bis zum 03.08.2017, als sich der Antragsteller noch im offenen Vollzug befand, ist er
gem. § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Ein Aufenthalt in einer Einrichtung, hier der JVA, liegt auch vor, wenn die Strafhaft im offenen
Vollzug erfolgte. Auch im offenen Vollzug ist der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II einschlägig (BSG Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 81/09 R). Insoweit unterscheidet sich die Strafhaft im offenen Vollzug von einer dauerhaften Beurlaubung aus dem Maßregelvollzug
gem. § 18 Abs. 2 Nr. 2 MRVG NW (dazu Beschluss des Senats vom 02.03.2017 - L 7 AS 57/17 B ER). Der Ausnahmetatbestand in § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB II liegt nicht vor. Zwar ist der Antragsteller unter den üblichen Arbeitsbedingungen mindestens 15 Stunden in der Woche erwerbstätig.
Jedoch ist er nicht in einer "stationären Einrichtung" nach § 7 Abs. 4 Satz 1 untergebracht. Der Gesetzgeber hat mit der Änderung
von § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB II durch das Neunte Gesetz zur Änderung des SGB II - Rechtsvereinfachung (BGBl I, 1824) ab 01.08.2016 den Ausnahmetatbestand in § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB II auf Einrichtungen nach Abs. 4 Satz 1 beschränkt, um entgegen der bis dahin vorherrschenden Rechtsprechung und Auffassung
in der Literatur (vgl BSG Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 81/09 R; Wolff-Dellen in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl, § 7 Rn 45; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, 43. Erg-Lfg. K § 7 Rn 252) klarzustellen, dass Personen, die sich in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung
aufhalten, auch dann nicht leistungsberechtigt sind, wenn sie als Freigänger einer Beschäftigung nachgehen (BT-Drs 18/8909
S. 29).
Vor diesem Hintergrund lässt der Senat offen, ob für das im Vordergrund stehende Begehren des Antragstellers - Sicherstellung
seines Krankenversicherungsschutzes - ein Anordnungsgrund vorliegt. Hieran bestehen Zweifel. Der Antragsteller dürfte - worauf
bereits das Sozialgericht hingewiesen hat - auch während seiner "Selbstbeschäftigung" iSd § 31 Abs. 2 Satz 1 StrafvollzugG
NW Anspruch auf Krankenversorgung nach § 45 Abs. 1 StrafvollzugG haben. Denn dieser Anspruch ruht gem. § 45 Abs. 2 StrafvollzugsG
nur, solange Gefangene auf Grund eines freien Beschäftigungsverhältnisses krankenversichert sind. Zwar ist die Selbstbeschäftigung
gem. § 31 Abs. 2 Satz 2 StrafvollzuG NW einem freien Beschäftigungsverhältnis gleichgestellt. Indes ist der Antragsteller
nicht "aufgrund" seiner Selbständigkeit krankenversichert iSd § 45 Abs. 2 StrafvollzugG NW, da die Fortsetzung der Krankenversicherung
des Antragstellers nach §
188 Abs.
4 SGB V ihre Grundlage nicht in der selbständigen Tätigkeit des Antragstellers hat. Die abweichende Auskunft der JVA Moers dürfte
unzutreffend sein.
Da die Rechtsverfolgung von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg hatte, kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht
in Betracht (§§ 73a Abs. 1 Satz 1
SGG, 114 ff.
ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG. Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 Satz
1
SGG, 127 Abs. 4
ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).