Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung von Rechtsanwalt M für die Durchführung einer
Untätigkeitsklage.
Der Kläger bezieht Arbeitslosengeld (Alg) II sowie ab 1.4.2011 von der Beklagten Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe
von zunächst 13,95 Euro, gegenwärtig laufend 28,16 Euro (Bescheide v. 9.6.2011 und 12.8.2011). Mit Schreiben vom 6.7.2011
teilte die Beklagte dem Kläger mit, auf die ihm für die Zeit vom 1.4. bis 30.6.2011 zustehende Nachzahlung von 41,85 Euro
(3 x 13,95 Euro) habe das Jobcenter L einen Erstattungsanspruch erhoben. Es verbleibe mithin keine Restzahlung. Hiergegen
erhob der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, am 3.8.2011 Widerspruch und trug vor, das Jobcenter habe
keinen Erstattungsanspruch, weil die monatlichen Rentenzahlungen unter dem Freibetrag von 30,00 Euro monatlich lägen. Die
Beklagte bat das Jobcenter L um Rückerstattung des Betrages von 41,85 Euro zuzüglich der darauf entfallenden Beiträge zur
Kranken- und Pflegeversicherung wegen Unterschreitung der Bagatellgrenze nach § 110 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sowie unter Bezugnahme auf den Widerspruch um Mitteilung, ob ein Erstattungsanspruch grundsätzlich bestehe (Schreiben v.
28.9.2011). Auf dieses Schreiben erhielt die Beklagte vom Jobcenter L keine Antwort.
Der Kläger hat am 29.2.2012 Untätigkeitsklage erhoben und Bewilligung von PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt M beantragt.
Das Sozialgericht (SG) Köln hat die Bewilligung von PKH abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, kein Versicherter der seine Anwaltskosten selbst
tragen müsste, würde wegen eines Betrages von weniger als 50,00 Euro eine Untätigkeitsklage mit Anwaltskosten in voraussichtlich
mindestens 3 bis 4facher Höhe erheben, sondern wegen des Kostenrisikos einfach den Ausgang des Widerspruchsverfahrens abwarten,
ggf. den Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren veranlassen, beim Jobcenter zu intervenieren oder Dienstaufsichtsbeschwerde
zu erheben (Beschluss v. 7.5.2012).
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Bewilligung von PKH und Beiordnung von Rechtsanwalt
M.
Nach §
73a Abs.
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §
114 Satz 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht
auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
1. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH sind bei dem Kläger, der neben seiner geringen Rente wegen
voller Erwerbsminderung nur Alg II bezieht, erfüllt.
2. Die Klage bietet auch hinreichende Erfolgsaussichten. Nach §
88 Abs.
2 i.V.m. Abs.
1 Satz 1
SGG kann Untätigkeitsklage erhoben, wenn über einen Widerspruch ohne zureichenden Grund nicht innerhalb von drei Monaten entschieden
worden ist. Hier hat der Kläger gegen das als Bescheid i.S.v. § 31 Satz 1 SGB X anzusehende Schreiben der Beklagten vom 6.7.2011 am 3.8.2011 Widerspruch erhoben. Diesen Widerspruch hat die Beklagte bis
zur Klageerhebung am 29.2.2012, d.h. über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten - und bis heute - nicht beschieden. Hierfür
ist ein zureichender Grund nicht ersichtlich. Der Kläger will erkennbar geklärt wissen, ob die Erfüllungswirkung des § 107 Abs. 1 SGB X eintritt, wenn der Grundsicherungsträger seine Leistungen auch bei rechtzeitiger Rentenzahlung in ungeschmälerter Höhe hätte
erbringen müssen, weil die Höhe des Rentenzahlbetrages den Pauschbetrag nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung unterschreitet (vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil v. 12.5.2011, B 11 AL 24/10 R, SozR 4-1300 § 107 Nr. 4). Selbst wenn sich diese Frage, wie die Beklagte meint, nicht ohne Hinzuziehung des Jobcenters beantworten
lassen sollte, sind jedenfalls keine Gründe ersichtlich, warum bei entsprechend nachdrücklicher Erinnerung eine solche Klärung
nicht innerhalb von sechs Monaten möglich gewesen sein sollte. Tatsächlich lassen sich der Verwaltungsakte der Beklagten im
Anschluss an das Schreiben vom 28.9.2011 bis zur Klageerhebung keinerlei weitere Maßnahmen entnehmen.
3. Die Rechtsverfolgung erscheint nicht mutwillig. Weder sind die Erfolgsaussichten der Untätigkeitsklage als gering einzuschätzen,
noch ist sie sonst als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Bei der gegebenen Sachlage - Fehlen jeglicher Reaktion der Beklagten
auf einen Widerspruch über einen Zeitraum von einem halben Jahr - ist nicht auszuschließen, dass auch ein Beteiligter, der
für die Prozesskosten selbst aufzukommen hätte, Klage erhoben hätte. Da zudem die Beklagte mit ihren Versuchen, eine Auskunft
seitens des Jobcenters zu erhalten, bislang offenbar keinen Erfolg hatte, kann man auch den Kläger nicht auf derartige Bemühungen
verweisen.
4. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist erforderlich (§
121 Abs.
2 ZPO). Entscheidend hierfür ist, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der
Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Davon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn im Kenntnisstand und in den Fähigkeiten
der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht (vgl. hierzu und zum Folgenden BVerfG, Beschluss v. 24.3.2011,
1 BvR 1737/10, NJW 2011, 2039 m.w.N.). Bewertungsmaßstab für die Frage der Beiordnung ist nach der Rechtsprechung des BVerfG somit nicht in erster Linie
das Verhältnis von Streitwert und Kostenrisiko. Vielmehr kommt es vornehmlich darauf an, ob die besonderen persönlichen Verhältnisse
dazu führen, dass der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen den Parteien verletzt ist. Das ist regelmäßig anzunehmen, wenn
- wie hier - dem Kläger prozesserfahrene Vertreter einer Behörde gegenüberstehen. Im Übrigen erscheint es zumindest nicht
fern liegend, dass ein Bemittelter auch verhältnismäßig hohe Rechtsanwaltskosten nicht scheut, wenn er mit einem Obsiegen
und der Erstattung seiner Aufwendungen rechnet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
127 Abs.
4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).