Missbräuchlichkeit eines Ablehnungsantrags
Prozesskostenhilfe für Entschädigungsklage wegen unangemessener Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens
Erhebung der Verzögerungsrüge zur Unzeit
Gründe
I.
Der Ablehnungsantrag vom 15.09.2014 ist zu verwerfen, weil er missbräuchlich ist. Der Antragsteller nimmt seit Jahren die
Ressourcen des Landessozialgerichts in Anspruch, indem er aus wenigen Ausgangsverfahren fortlaufend neue Verfahren konstruiert.
Jede Entscheidung wird mit einem Rechtsmittel/Rechtsbehelf angegriffen. Befangenheitsanträge werden bis in die dritte oder
vierte Vertreterebene gestellt. Das Handeln des uneinsichtigen Antragstellers erweist sich in hohem Maße als querulatorisch
(zu allem eingehend Senat, Beschluss vom 03.09.2014 - L 11 SF 201/13 EK AS -), so auch hier. Der Ablehnungsantrag wird mit den üblichen Textversatzstücken begründet, wiederholt fortlaufend das
in anderen Verfahren verwandte Vorbringen und hat teils beleidigenden Inhalt.
II.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist abzulehnen.
1. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 05.08.2014 einen Antrag auf Prozesskostenhilfe betreffend die unangemessene Verfahrensdauer
des mit Schriftsatz vom 17.09.2013 "rechtsanhängig gemachten Erinnerungsverfahrens L 3 SF 326/14 E Landessozialgericht betreffend: L 3 SF 119/13 EK AS Landessozialgericht NRW vorher L 5 SF 119/13 EK AS Landessozialgericht NRW" gestellt. Nach seinem Vorbringen bezieht sich das mit Schriftsatz vom 17.09.2013 eingeleitete
Erinnerungsverfahren auf die Kostenrechnung vom 13.09.2013. Mit Schreiben vom 31.01.2014 hat der Antragsteller die Länge des
zwischenzeitlich vom 3. Senat übernommenen Verfahrens gerügt und mit Schriftsatz vom 05.08.2014 den streitgegenständlichen
Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt.
a) Für ein Klageverfahren wegen einer Entschädigung auf Grund einer unangemessenen Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens
sind die Vorschriften des §
198 Abs.
1 Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG) sowie die §§
183,
197a und
202 SGG in der ab 03.12.2011 geltenden Fassung durch das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen
Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24.11.2011 (BGBl. I S. 2302), zuletzt geändert durch das Gesetz über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur
Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06.12.2011 (BGBl. I S. 2554) maßgebend.
b) Davon ausgehend ergibt sich:
aa) Für die Entscheidung über eine Staatshaftungsklage i.S.d. §§
198 ff.
GVG ist das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen zuständig. Nach §
200 S. 1
GVG haftet das Land für Nachteile, die auf Grund von Verzögerungen bei Gerichten des Landes eingetreten sind. Für Klagen auf
Entschädigung gegen ein Land ist nach §
201 Abs.
1 S. 1
GVG das Oberlandesgericht (OLG) zuständig, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Für sozialgerichtliche
Verfahren ergänzt §
202 S. 2
SGG diese Regelung dahin, dass die Vorschriften des 17. Titels des
GVG (§§
198 - 201
GVG) u.a. mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden sind, dass an die Stelle des OLG das LSG und an die Stelle der
ZPO das
SGG tritt. Daraus folgt die Zuständigkeit des LSG Nordrhein-Westfalen; das streitgegenständliche Gerichtsverfahren wird vor diesem
Gericht geführt.
bb) Die Klage hinsichtlich des Ausgangsverfahrens wäre als allgemeine Leistungsklage nach §
54 Abs.
5 SGG statthaft, sie wäre aber unbegründet.
(1) Anspruchsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch wegen einer unangemessenen Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens
ist §
198 Abs.
1 GVG i.V.m. §
202 SGG. Nach §
198 Abs.
1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil
erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit
und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§
198 Abs.
1 Satz 2
GVG). Entschädigung wird für materielle und immaterielle Schäden geleistet. Für immaterielle Schäden erleichtert §
198 Abs.
2 GVG die Geltendmachung. Danach wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen
lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung
auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1.200,00 EUR für jedes Jahr der Verzögerung.
Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren
Betrag festsetzen.
(2) Prozesskostenhilfe wird für ein beabsichtigtes Entschädigungsverfahren begehrt, das auf die angebliche Säumnis eines Erinnerungsverfahrens
bezieht. Letztgenanntes Verfahren ist nicht entschädigungsrelevant. Haftungsauslösend kann nur die unangemessene Dauer eines
Gerichtsverfahrens sein (§
198 Abs.
1 Satz 1
GVG). Der Begriff "Gerichtsverfahren" ist in §
198 Abs.
6 Nr.
1 GVG legal definiert. Ein Erinnerungsverfahren ist dem nicht zuzuordnen (hierzu ausführlich Senat, Beschluss vom 03.09.2014 -
L 11 SF 201/13 EK AS -). Demzufolge können solchermaßen abgeleitete Entschädigungsverfahren schon aus diesem Grunde keinen Erfolg haben.
(3) Entschädigung enthält ein Verfahrensbeteiligter im Übrigen nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer
des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht,
dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach
sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände
an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Andernfalls werden sie von dem
Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer
nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge
(§
198 Abs.
3 GVG). Die Verzögerungsrüge ist materielle Anspruchsvoraussetzung für den Entschädigungsanspruch (BSG, Beschluss vom 27.06.2013, a.a.O.), kombiniert mit Elementen einer Prozesshandlung. Wird die Rüge zur Unzeit erhoben, ist
der Anspruch nicht begründet und die Klage abzuweisen. Die Gesetzesbegründung formuliert, dass die Rüge "ins Leere" gehe (BT-Drs.
17/3802 S. 20). Sie ist damit endgültig unwirksam und wird auch dann nicht wirksam, wenn später tatsächlich eine unangemessene
Verfahrensdauer eintritt.
So liegt es hier. Der Antragsteller hat unter dem 17.09.2013 Erinnerung gegen die Kostenrechnung vom 13.09.2013 eingelegt
und am 31.01.2014 Verzögerungsrüge erhoben. Diese Rüge ist unwirksam. Anlass zur Besorgnis, dass das Ausgangsverfahren nicht
in angemessener Zeit abgeschlossen wird, bestand nicht. Die Verzögerungsrüge wurde bereits fünf Monate nach Anhängigkeit der
Erinnerung gestellt. Ein solcher Zeitraum ist schon nicht unangemessen lang. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller
durch eine Vielzahl von unübersichtlichen, inhaltlich kaum nachvollziehbaren, ständig neuen querulatorisch geprägten Anträgen
und Verfahren jedwede effektive Verfahrensgestaltung verhindert (hierzu eingehend Senat, Beschluss vom 03.09.2014 - L 11 SF 201/13 EK AS - nebst Anlagen). Im Zeitpunkt der Verzögerungsrüge bestand überdies keine Besorgnis, das Ausgangsverfahren werde nicht
in angemessener Zeit abgeschlossen. Etwaige vergangene und zukünftige Verzögerungen sind allein oder ganz überwiegend auf
das querulatorisch-destruktive Verhalten des Antragstellers zurückzuführen. Die Verzögerungsrüge ist daher unter dem Gesichtspunkt
widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium") unwirksam.
(4) Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe kann auch deswegen keinen Erfolg haben, weil der Antragsteller nicht schlüssig
vorgetragen hat, dass und welchen rechtserheblichen Nachteil er durch das aus seiner Sicht unangemessen dauernde Verfahren
hat. Bereits die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an den als Grundrecht nach Art.
19 Abs.
4 GG i.V.m. Art.
20 Abs.
3 Grundgesetz (
GG) sowie als Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) qualifizierten Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verdeutlicht, dass ein Grund-
und Menschenrecht durch die Länge des Gerichtsverfahrens beeinträchtigt sein muss. Eine gewisse Schwere der Belastung wird
damit vorausgesetzt (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 30.07.2013 - 2 BvE 2/09 - Vz 2/13, 2 BvE 2/10 - Vz 3/13 -; BVerwG, Urteil vom 11.07.2013 - 5 C 23/12 D -; BGH, Urteil vom 05.12.2013 - III ZR 73/13 -; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 03.07.2014 - L 37 SF 106/13 EK R -; LSG Bayern, Urteil vom 23.05.2014 - L 8 SF 49/13 EK -; OVG Thüringen, Urteil vom 08.01.2014 - 2 SO 182/12 -; LSG Thüringen, Urteil vom 26.11.2013 - L 3 SF 1135/12 EK -). Dazu ist nichts vorgetragen und nichts ersichtlich. Durch Trivialität gekennzeichnete Sachverhalte rechtfertigen kein
Entschädigungsverfahren (Senat, Beschluss vom 03.09.2014 - L 11 SF 201/13 EK AS -).
III.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§
177 SGG).