Tatbestand
Streitig ist Witwenrente an geschiedene Ehegatten (sog. Geschiedenenwitwenrente).
Die 1938 geborene Klägerin war von 1958 bis 1973 mit dem am 00.00.1935 geborenen und am 00.05.2008 verstorbenen, bei der Beklagten
rentenversicherten C T (im Folgenden: Versicherter) verheiratet. Die Ehe wurde mit dem Ausspruch geschieden, dass beide Parteien
die Schuld an der Scheidung tragen (Urteil des Landgerichts C vom 31.7.1973). Aus der Ehe sind zwei 1959 und 1962 geborene
Kinder hervorgegangen. Der Versicherte verdiente zum Zeitpunkt der Scheidung monatlich netto etwa 1.700 DM, die Klägerin etwa
900 DM. Der Versicherte heiratete am 9.4.1974 die Beigeladene; die Klägerin heiratete nicht wieder.
Der Versicherte bezog seit Mai 1995 Versorgungsbezüge, zuletzt vor seinem Tod in Höhe von monatlich 1.274,78 EUR, seit Mai
2000 bezog er zusätzlich Altersrente von der Beklagten, zuletzt in Höhe von 671,35 EUR. Die Beklagte bewilligte der Beigeladenen
antragsgemäß an Juni 2008 große Witwenrente nach dem Versicherten Bescheid vom 23.6.2008). Die Klägerin bezieht seit 2003
Regelaltersrente von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund. Zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten erhielt sie Regelaltersrente
in Höhe von 866,98 EUR und eine betriebliche Altersversorgung in Höhe von 159,32 EUR.
Im Juni 2008 beantragte auch die Klägerin bei der Beklagten als Hinterbliebene des Versicherte Witwenrente. Im Antragsvordruck
gab sie unter anderem an, der Versicherte habe während des letzten Jahres vor seinem Tod keinen Unterhalt an sie geleistet
und sei ihr zum Zeitpunkt der Auflösung der Ehe nicht zum Unterhalt verpflichtet gewesen. Zum Zeitpunkt der Auflösung der
Ehe sei er den gemeinsamen Kindern zum Unterhalt in Höhe von jeweils 225 DM verpflichtet gewesen. Sie sei zum Zeitpunkt des
Todes des Versicherten in der Lage gewesen, sich selbst finanziell zu unterhalten. Die Beklagte lehnte den Antrag ab: Die
Klägerin habe keinen Anspruch auf eine große Witwenrente für geschiedene Ehegatten nach §
243 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (
SGB VI), da sie gegenüber dem Versicherten keinen Unterhaltsanspruch hatte (Bescheid vom 24.7.2008; Widerspruchsbescheid vom 6.10.2008).
Mit ihrer am 29.10.2010 beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie habe vor dem Tode des Versicherten gegen diesen einen Unterhaltsanspruch
nach § 60 des Ehegesetzes (EheG) gehabt. Während der Ehezeit mit dem Versicherten sei sie überwiegend nicht berufstätig gewesen. Erst kurz vor der Scheidung
habe sie in einer Notsituation eine Tätigkeit aufgenommen, da der Versicherte weder für sie noch für die Kinder Unterhalt
gezahlt habe. Sie sei dazu nach dem zum Zeitpunkt der Scheidung geltenden Unterhaltsrecht aber nicht verpflichtet gewesen.
Einen Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten hätte sie damals vermutlich nicht realisieren können, da diesem der Selbstbehalt
zur Verfügung gestanden hätte.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 24.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.10.2008 zu verurteilen,
ihr Geschiedenenwitwenrente zu gewähren.
Die Beklagte und die Beigeladene haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ihre Entscheidung weiter für richtig gehalten. Die Beigeladene hat gemeint, ein Unterhaltsanspruch der Klägerin
gegenüber dem Versicherten sei jedenfalls verwirkt. Ihm stehe auch die mangelnde Leistungsfähigkeit des Versicherten entgegen.
Jedenfalls sei er wegen der fehlenden Absicherung der Beigeladenen aus Billigkeitsgründen zu versagen.
Das SG hat die Klage abgewiesen: Die Klägerin habe gegenüber dem Versicherten zuletzt keinen Unterhaltsanspruch gehabt. Insbesondere
ein Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG habe nicht bestanden, weil sich die Klägerin - entsprechend ihren eigenen Angaben im Antragsvordruck - vor dem Tod des Versicherten
selbst habe unterhalten können (Urteil vom 8.1.2010, der Klägerin zugestellt am 14.1.2010).
Mit ihrer Berufung vom 15.2.2010 (einem Montag) macht die Klägerin weiter geltend, zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten
unterhaltsberechtigt gewesen zu sein. § 60 EheG keine setze keine Bedürftigkeit voraus. Nach der sog. Düsseldorfer Tabelle gelte § 60 EheG mit der Maßgabe fort, dass Unterhalt nach B I der Tabelle berechnet und sodann die Hälfte als Unterhaltsbetrag geschuldet
werde. Da die Einkommensverhältnisse des Versicherten ihre eigenen im maßgeblichen Zeitraum um ein Vielfaches überstiegen,
habe sie aus Billigkeitsgesichtspunkten einen Unterhaltsanspruch. Dies ergebe sich auch daraus, dass sie durch die Scheidung
nach damaligem Recht keinen Versorgungsausgleich erworben habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 8.1.2010 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24.7.2008
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.10.2008 zu verurteilen, der Klägerin ab Juni 2008 Geschiedenen-Witwenrente
zu gewähren.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat ausgeführt, es könne bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs nicht auf die Düsseldorfer Tabelle abgestellt
werden, sondern alleine auf § 60 EheG. Die Ermittlung des angemessenen Unterhalts richte sich nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten zum Zeitpunkt der Scheidung.
Vor dem Hintergrund, dass beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Scheidung Einkommen erzielten, werde zur Bemessung des angemessenen
Unterhalts eine Quote von 3/7 des gesamten Nettoeinkommens herangezogen. Es errechne sich so ein angemessener Unterhalt von
878,57 DM. Unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten ergebe sich zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten ein angemessener
Unterhalt von 1.163,65 EUR (2.275,91 DM). Hieraus errechne sich ein Unterhalt nach § 60 EheG in Höhe von 581,83 EUR (1/2 des angemessenen Unterhalts gem. § 58 Abs 1 EheG). Da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt über eigene Einkünfte in Höhe von 1026,30 EUR verfügt habe, habe eine unterhaltsrechtlich
relevante Deckungslücke und somit ein Unterhaltsanspruch nicht bestanden. Unter Berücksichtigung der zuletzt von der Klägerin
gemachten Angaben zu den Einkommensverhältnissen zum Zeitpunkt der Scheidung ergebe sich unter Berücksichtigung der Steigerung
der Lebenshaltungskosten ein Unterhaltsbetrag von 993,37 EUR. Auch dieser liege unter den von der Klägerin angegebenen Einkünften
in Höhe von 1026,30 EUR zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten. Selbst wenn man die Einkünfte der Klägerin zum Zeitpunkt
der Ehescheidung unberücksichtigt ließe, weil eine Berufstätigkeit aus unterhaltsrechtlicher Sicht als unzumutbar anzusehen
wäre, errechnete sich ein angemessener Unterhalt in Höhe von 709,55 EUR. Auch dieser Unterhalt liege unter den tatsächlichen
Einkünften der Klägerin zum Zeitpunkt des Todes.
Die Beigeladene hält das erstinstanzliche Urteil für richtig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge der
Beklagten Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 24.7.2008 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.10.2008, §
95 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht, §
54 Abs
2 Satz 1
SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer (Geschiedenen-) Witwenrente nach dem Versicherten.
Nach §
243 Abs
2 SGB VI besteht nach Vollendung des 45. Lebensjahres Anspruch auf große Witwenrente auch für geschiedene Ehegatten, wenn die Ehe
vor dem 1. Juli 1977 geschieden wurde, sie nicht wieder geheiratet haben und sie im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten
von diesem Unterhalt erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch auf Unterhalt
hatten. Weitere Voraussetzung ist, dass der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und nach dem 30.4.1942 gestorben
ist. Danach hat die Klägerin keinen Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente.
Zwar ist die Ehe der Klägerin und des Versicherten vor dem 1. Juli 1977 (nämlich am 31.7.1973) geschieden. Die Klägerin hat
nicht erneut geheiratet. Auch hat der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt und ist nach dem 30. April 1942 verstorben.
Die Klägerin hat jedoch im letzten Jahr vor dem Tod ihres geschiedenen Ehemanns von diesem keinen Unterhalt erhalten und hatte
im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor seinem Tod auch keinen Anspruch auf Unterhalt.
Als letzten wirtschaftlichen Dauerzustand legt der Senat den Zeitraum von 2003 bis Mai 2008 zugrunde. Unter dem letzten wirtschaftlichen
Dauerzustand ist der Zeitraum zu verstehen, in welchem die wirtschaftlichen Verhältnisse jeweils dauerhaft und stabil gewesen
sind (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 25.2.2010, Aktenzeichen (Az) B 13 R 147/08 R -SozR 4-2600 § 243 Nr 4). Das ist vorliegend der Zeitraum ab dem Jahr 2003, in dem sowohl der Versicherte als auch die
Klägerin ihre jeweiligen regelmäßigen Altersbezüge erhielten. Danach änderten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht
mehr maßgeblich.
In diesem Zeitraum hatte die Klägerin keinen Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten. Als Grundlage für einen Unterhaltsanspruch
iS von §
243 Abs
2 Nr
3 SGB VI kommt hier allein eine Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG in Betracht, weil nach dem Ausspruch im Scheidungsurteil vom 31.7.1973 beide Ehepartner (gleichermaßen) die Schulden an der
Scheidung tragen. Der Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG ist ein Unterhaltsanspruch im Sinne von §
243 SGB VI (BSG Großer Senat, Urteil vom 25.4.1979, Az GS 1/78 - BSGE 48, 146 = SozR 2200 § 1265 Nr 41). Das EheG ist zwar mit Ablauf des 30. Juni 1977 außer Kraft getreten (Art 3 des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14. Juni 1976, BGBl I 1421). Hier sind aber die darin enthaltenen Vorschriften über die Scheidung der Ehe und die Folgen
der Scheidung des EheG noch anwendbar, weil die Ehe vor dem In-Kraft-Treten des 1. EheRG am 1. Juli 1977 (Art 12 Nr 3 Abs 2 1. EheRG) geschieden worden ist. Nach § 60 EheG kann dem Ehegatten, der sich nicht selbst unterhalten kann, soweit beide Ehegatten Schuld an der Scheidung sind, aber keiner
die überwiegende Schuld trägt, ein Beitrag zu seinem Unterhalt zugebilligt werden, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf
die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des anderen Ehegatten und der nach § 63 EheG unterhaltspflichtigen Verwandten des Bedürftigen der Billigkeit entspricht. § 60 EheG enthält eine Auffangregelung für Konstellationen, in den denen nach dem früher geltenden Schuldprinzip eigentlich kein Raum
für einen Unterhaltsanspruch war, die ungleiche wirtschaftliche Entwicklung aber aus Gründen der Billigkeit (wohl auch zur
Entlastung der Sozialhilfeträger) ausnahmsweise Veranlassung bot, jedenfalls einen Beitrag zum Unterhalt des nunmehr bedürftigen
früheren Ehegatten zu zahlen (vgl Hoffmann-Stephan. Ehegesetz. Kommentar. 2. Aufl. 1968, § 60 Rdnr 3). Danach hat ein geschiedener Ehegatte nach § 60 EheG nur dann einen Anspruch gegen seinen früheren Ehepartner, wenn er sich unter Verwertung seiner Arbeitskraft und seines Vermögens
nicht selbst unterhalten kann. Solange er jedoch imstande ist, aus eigener Kraft durch geeignete Maßnahmen seine Bedürftigkeit
abzuwenden, ist er nicht als bedürftig iS von § 60 EheG anzusehen (BSG, Urteil vom 12.6.2001, Az B 4 RA 37/00 R - SozR 3-2600 § 243 Nr 9, Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 12.1.1983, Az IVb ZR 345/81- NJW 1983 2379 f; BGH, Urteil vom 21.3.1984, Az IVb ZR 68/82 - NJW 1984, 1816 ff., § 60 EheG Nr 1; Göppinger/Strohal. Unterhaltsrecht. 6. Aufl, RdNr 512; Göppinger/Kindermann. AaO. RdNr 1352 Fn 1 und 1353).
Die Klägerin hatte unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen im maßgeblichen Zeitraum keinen Unterhaltsanspruch. Denn sie
war jedenfalls vor dem Tode des Versicherten nicht bedürftig iS von § 60 EheG (vgl §
1602 Abs
1 BGB; Göppinger/Strohal. AaO. RdNr
1352 Fn 1). Maßgebend für den Bedarf des Berechtigten ist - auch insoweit - seine Lebensstellung zum Zeitpunkt der Ehescheidung
(vgl hierzu entsprechend §
1610 Abs
1 BGB; BSG, Urteil vom 29.4.1997, Az 4 RA 38/96 - SozR 3-2200 § 1265 Nr 16 S 108).
Dabei ist ausgehend davon, dass der Anspruch nach § 60 EheG nur einen Beitrag zum Unterhalt nach Billigkeitsgesichtspunkten gewährt, der Bedarf im Sinne des § 60 EheG nach oben durch den Selbstbehalt des auf Unterhalt in Anspruch Genommenen begrenzt (BSG, Urteil vom 12.6.2001, Az B 4 RA 37/00 R - SozR 3-2600 § 243 Nr 9, siehe auch BSG, Urteil vom 23.5.2006, Az B 13 RJ 4/05 R - [...]Rdnr 18). Das bedeutet, dass immer dann ein Unterhaltsbeitrag nicht der Billigkeit entspricht, wenn dem Anspruchsteller
eigenes Einkommen in Höhe von (mindestens) dem Selbstbehalt des Anspruchsgegners zum Unterhalt zur Verfügung steht. So liegt
der Fall hier: Der monatliche Eigenbedarf (Selbstbehalt) gegenüber (geschiedenen) Ehegatten nach der Düsseldorfer Tabelle
2008 betrug 1.000 EUR. Einen Bedarf in dieser Höhe konnte die Klägerin mit ihrem eigenen Einkommen in Höhe von 1026,30 EUR
(866,98 EUR Altersrente + 159,32 EUR betriebliche Altersversorgung) decken, so dass sie sich im Sinne von § 60 EheG selbst unterhalten konnte.
Aber auch unter Berücksichtigung der ehelichen Lebensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung und deren Projektion auf den
maßgeblichen letzten wirtschaftlichen Dauerzustand konnte die Klägerin ihren Bedarf decken. Die ehelichen Lebensverhältnisse
waren zum Zeitpunkt der Scheidung im Jahr 1973 alleine durch das Einkommen des Versicherten in Höhe von etwa 1.700 DM netto
geprägt. Da die Klägerin eine Berufstätigkeit erst wegen der Trennung aufgenommen hat, ist ihr Einkommen aus dieser Berufstätigkeit
nicht als für die ehelichen Lebensverhältnisses prägend anzusehen. Nach der unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung des BGH wirken
sich Einkünfte eines Ehegatten aus einer zwischen Trennung und Scheidung aufgenommenen Erwerbstätigkeit auf die Bestimmung
der ehelichen Lebensverhältnisse nur aus, wenn die Tätigkeit auch ohne die Trennung der Parteien aufgenommen worden wäre.
Ist das - wie vorliegend - nicht der Fall, haben die Einkünfte aus einer solchen Erwerbstätigkeit bei der Bestimmung der ehelichen
Lebensverhältnisse außer Betracht zu bleiben mit der Folge, dass der Unterhaltsbedarf allein nach dem Einkommen des anderen
Ehegatten bemessen wird (BSG, Urteil vom 27.3.1984, 5a RKn 19/83 - [...] Rdnr. 14; BGH, Urteil vom 23.11.1983, Az IVb ZR 15/82 - NJW 1984, 294 ff.). Weil es für die Voraussetzungen der Geschiedenenwitwenrente auf einen Anspruch im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand
vor dem Tod des Versicherten ankommt, sind die für den Zeitpunkt der Scheidung festgestellten ehelichen Lebensverhältnisse
entsprechend den damals bereits vorhersehbaren Einkommensentwicklungen und den seitdem eingetretenen Veränderungen der allgemeinen
Lohn- und Preisverhältnisse "fortzuschreiben" und den aktuellen Einkommens- und Vermögenssituation gegenüberzustellen (BSG, Urteil vom 22.9.1999, Az B 5 RJ 52/98 R - SozR 3-2600 § 243 Nr 7; BSG, Urteil vom 17.7.1996, Az 5 RJ 50/95 - SozR 3-2600 § 243 Nr 3; BSG, Urteil vom 30.6.1998, Az B 4 RA 61/96 R - SozR 3-2600 § 91 Nr 1). Hierbei sind auch negative Einkommensentwicklungen, wie z. B. die Ersetzung von Erwerbseinkommen
durch Rente, zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 5.2.2003, Az XII ZR 29/00 - BGHZ 153, 372 ff). Danach ist im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand von einem die "ehelichen" Lebensverhältnisse prägenden Einkommen
des Versicherten in Höhe von 1946,13 EUR (1.274,78 EUR Versorgungsbezüge + 671,35 EUR Altersrente) auszugehen. Selbst bei
einer hälftigen Quotelung dieses Betrags ergäbe sich ein Bedarf der Klägerin von "nur" 937,07 EUR. Im Hinblick auf ihr eigenes
Einkommen in Höhe von 1026,30 EUR (866,98 EUR Altersrente + 159,32 EUR betriebliche Altersversorgung) wäre dieser Bedarf gedeckt,
so dass dahinstehen kann, auf welche Quote der Anspruch nach § 60 EheG, der nur auf einen Beitrag zum Unterhalt gerichtet ist, zu beschränken wäre (siehe BSG, Urteil vom 23.5.2006, Az B 13 RJ 4/05 R - [...]Rdnr 29).
Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob der Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag gegenüber dem echten Unterhaltsanspruch
der Beigeladenen grundsätzlich nachrangig ist (vgl dazu Hoffmann-Stephan. AaO. Rdnr 14 mwN).
Ein Anspruch auf kleine Witwenrente nach §
243 Abs
1 SGB VI besteht ebenfalls nicht, da dieser Anspruch ebenfalls einen Unterhaltsanspruch im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor
dem Tode erfordert, §
243 Abs
1 Nr
3 SGB VI. Ein von einem Unterhaltsanspruch unabhängiger Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente nach §
243 Abs
3 Satz 1
SGB VI besteht schon deshalb nicht, weil die Beigeladene als Witwe des Versicherten Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus den Rentenanwartschaften
des Versicherten hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183 S 1, 193 Abs
1 S 1
SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, §
160 Abs
2 SGG. Die Entscheidung steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und beruht im Übrigen maßgeblich auf den konkreten
Umständen des Einzelfalls.