Grundsicherung für Arbeitsuchende
Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung aus einem Beschluss des SG betreffend die Verpflichtung zur Erbringung von Regelbedarf und KdU im Wege der einstweiligen Anordnung
Abwägung der Interessen
Gründe
Die Entscheidung beruht auf §
199 Abs.
2 SGG. Danach kann der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige
Anordnung aussetzen, wenn das Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat.
Der Aussetzungsantrag ist zulässig. Der vom Antragsteller mit der Beschwerde angefochtene Beschluss des Sozialgerichts ist
ein vollstreckbarer Titel (§
199 Abs.
1 Nr.
2 SGG). Mit ihm wurde der Antragssteller als Antragsgegner des Eilverfahrens im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
Leistungen nach dem SGB II, einschließlich Kosten für Unterkunft und Heizung, ab dem 23.12.2015 an den Antragsgegner zeitlich unbefristet zu zahlen.
Der Umstand, dass es sich um eine Verpflichtung zur Leistung dem Grunde nach handelt, ohne dass die Höhe des Betrages genannt
ist, steht der Vollstreckbarkeit des Beschlusses nicht entgegen (vgl. zur insoweit parallelen Rechtslage bei der Vollstreckung
aus Grundurteilen nach §
130 SGG Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl., §
201 Rn 2 m.w.N.). Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung (§
175 S. 1 und 2
SGG).
Der Antrag ist teilweise begründet. Im Rahmen des bei der Entscheidung nach §
199 Abs.
2 SGG auszuübenden Ermessens (BSG Beschluss vom 08.12.2009 - B 8 SO 17/09 R m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER mit Zusammenfassung des Meinungstandes; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl., § 199 Rn 8 m.w.N.; abweichend BSG Beschluss vom 06.08.1999 - B 4 RA 25/98 B). Im Rahmen des bei der Entscheidung nach §
199 Abs.
2 SGG auszuübenden Ermessens (BSG Beschluss vom 08.12.2009 - B 8 SO 17/09 R m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER mit Zusammenfassung des Meinungstandes; Leitherer, a.a.O., § 199 Rn. 8 m.w.N.; abweichend BSG Beschluss vom 06.08.1999 - B 4 RA 25/98 B) sind die Interessen des Gläubigers an der Vollziehung des Titel mit dem Interesse des Schuldners, nicht vor der Beendigung
des Instanzenzuges leisten zu müssen, abzuwägen. Zu gewichten sind daher die Folgen einer Ablehnung der Vollstreckungsaussetzung
bei nachfolgender Aufhebung des angefochtenen Beschlusses einerseits und die Folgen einer Stattgabe des Aussetzungsantrages
bei nachfolgender Zurückweisung der Beschwerde andererseits (Leitherer, a.a.O., § 199 Rn. 8 m.w.N.). Bei der Abwägung ist
der in §
154 Abs.
2 SGG bzw. §
175 S. 1
SGG zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers zu berücksichtigen, Berufungen bzw. Beschwerden in der Regel keine aufschiebende
Wirkung zuzumessen. Diese gesetzliche Wertung legt nahe, eine Aussetzung nur in Ausnahmefällen zuzulassen, wenn das Rechtsmittel
offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat (BSG Beschluss vom 08.12.2009 - B 8 SO 17/09 R). Dies gilt umso mehr, als bei der Nichtgewährung existenzsichernder Leistungen
regelmäßig das Individualinteresse höher als das öffentliche Interesse anzusetzen ist (BSG Beschluss vom 08.12.2009 - B 8 SO 17/09 R m.w.N.).
Bei der Abwägung der Interessen des Antragstellers, die Nachteile, die für ihn regelmäßig mit der Zwangsvollstreckung aus
dem Titel verbunden sind, abzuwenden mit den Interessen des Antragsgegners auf Erhalt von existenzsichernden Leistungen in
Form des Regelbedarfs für die Zeit vom 23.12.2015 bis zum 21.03.2016 überwiegen die Interessen des Antragsgegners.
Nach derzeitiger Aktenlage hat der Antragsgegner das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II nachvollziehbar dargelegt und ist offen, ob dem Antragsgegner ein Aufenthaltsrecht i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 1, S. 2 FreizügG/EU für die Zeit bis zum 21.03.2016 zusteht. In die Erwägungen hat der Senat auch miteinbezogen, dass, wenn der Antragsteller
für die Zeit ab dem 23.12.2015 nur ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche bzw. keine materielles Aufenthaltsrecht i.S.v. § 2 FreizügG/EU innehat, dem Antragssteller ein Erstattungsanspruch nach § 102ff SGB X gegenüber dem Sozialhilfeträger zusteht. Denn bei dieser Fallgestaltung hat der Antragsgegner wegen eines verfestigten Aufenthalts
einen Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII gegenüber der Antragsgegnerin zu 2)(vgl. BSG, Urteile vom 03.12.2015, - B 4 AS 44/15 R -,- B 4 AS 43/15 R - und - B 4 AS 59/13 R -; erminsberichte des BSG vom 16.12.2015, vom 20.01.2016 zu B 14 AS 35/15 R und vom 17.02.2016 zu B 4 AS 24/14 R -; a. A. LSG NRW, Beschluss vom 07.03.2016 - L 12 SO 79/16 B ER m.w.N.).
Im Hinblick auf die Dauer des etwaigen Aufenthaltsrechts aus § 2 Abs. 3 Nr. 1, S. 2 FreizügG/EU, das zum 21.03.2016 endet, ist die Vollziehung des Beschlusses betreffend die Verpflichtung zur Gewährung von Regelbedarf
über 21.03.2016 auszusetzen. Es entspricht auch nicht dem Charakter des Eilrechtschutzverfahrens einem Antragsgegner im Wege
der Regelungsanordnung zeitlich unbegrenzte Leistungen zuzusprechen.
Hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung überwiegen die Interessen des Antragstellers. Ein Anordnungsgrund für eine
Verpflichtung des Leistungsträgers hinsichtlich der Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung ist nicht glaubhaft gemacht.
Es bedarf des substantiierten und nachvollziehbaren Vortrages, dass baldige Wohnungs- und Obdachlosigkeit droht. Eine derart
konkrete Gefährdung ist nicht glaubhaft gemacht, vielmehr ist nur das Fehlen von Mittel geltend gemacht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Die Anordnung der Aussetzung der Vollstreckung ist unanfechtbar (§
199 Abs.
2 S. 3
SGG).
Im Übrigen ist dieser Beschluss nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).